2025-09-09-coi-cms-laenderinformationen-iran-version-10-33ca
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2020): Länderreport 28 Iran: Frauen Rechtliche Stellung und gesellschaftliche Teilhabe, https://coi.euaa.europa.eu/administratio n/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_28_Iran_July-2020.pdf, Zugriff 3.4.2023 ■ IRINTL - Iran International (8.8.2022): Iranian Lawmakers Want To Limit Prenups For Women, https: //www.iranintl.com/en/202208083903, Zugriff 4.12.2023 ■ IRWIRE - IranWire (2.11.2019): Permission to Travel — A Nightmare for Many Iranian Women, https://iranwire.com/en/features/66384/, Zugriff 3.4.2023 ■ IRWIRE - IranWire (13.2.2014): Marrying a non-Muslim Man? Good Luck!, https://iranwire.com/en/ society/60250/, Zugriff 6.4.2023 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (5.8.2022): Iran: Familie og ekteskap, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079366/Temanotat-Iran-Familie-og-ektes kap-05082022-ny-1.pdf , Zugriff 3.4.2023 ■ Maclean - Maclean Law (17.7.2019): Persian Iranian International Divorce Mahr, https://macleanf amilylaw.ca/2019/07/17/persian-iranian-international-divorce-mahr/ , Zugriff 4.12.2023 ■ McGlinn - McGlinn, Senn (2001): Family Law in Iran, https://bahai-library.com/pdf/m/mcglinn_famil y_law_iran.pdf, Zugriff 5.4.2023 ■ MRAI - Menschenrechtsanwältin aus Iran (19.6.2023): Interview, via Videotelefonie ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024 ■ USIP - United States Institute of Peace [USA] (4.8.2023): Part 3: Iranian Laws on Women, https: //iranprimer.usip.org/blog/2020/dec/08/part-3-iranian-laws-women , Zugriff 18.8.2023 18.2 Kinder Letzte Änderung 2025-07-17 11:03 Iran hat das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit dem islamischen Recht) (CRC) und das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie (CRC-OP-SC) ratifziert (AA 28.1.2022; vgl. UNHRC o.D.). Nach einer Häufung von sogenannten Ehrenmorden hat das Parlament 2020 ein Gesetz verabschiedet, das den Schutz von Kindern vor Gewalttaten auch durch Verwandte stärken soll (AA 15.7.2024). Das Gesetz „ zur Unterstüt zung von Kindern und Jugendlichen“ enthält neue Strafen für bestimmte Handlungen, welche die Sicherheit und das Wohlergehen eines Kindes beeinträchtigen, einschließlich körperlicher Schäden und der Verhinderung des Zugangs zu Bildung. Das Gesetz ermöglicht es den Behör den auch, Kinder in Situationen, die ihre Sicherheit ernsthaft gefährden, zu übersiedeln. Das Gesetz geht jedoch nicht auf einige der schwerwiegendsten Bedrohungen für Kinder in Iran ein, wie Kinderehen oder die Verhängung der Todesstrafe (HRW 13.1.2021). Mündigkeit und Behandlung im Strafwesen Nach Anm. 1 zu § 1210 Zivilgesetzbuch (IZGB) beträgt das Volljährigkeitsalter für Knaben 15 Jahre, während die Volljährigkeit für Mädchen mit Vollendung des neunten Lebensjahres eintritt. Neben der Volljährigkeit gehört zur Geschäftsfähigkeit grundsätzlich auch die davon unabhängig zu beurteilende Reife. Gem. § 1208 IZGB ist diejenige Person unreif, deren Verfügungen über das eigene Vermögen oder die finanziellen Rechte unvernünftig sind. Nach dem zwischenzeitlich aufgehobenen § 1209 IZGB wurde bei Mädchen und Buben bis zum Ablauf des 18. Lebens jahrs die fehlende Reife vermutet. Obgleich die nötige Reife seit Aufhebung des § 1209 IZGB 164

gesondert bestimmt werden muss, erfolgt in der Praxis keine gesonderte Feststellung. Vielmehr wird der aufgehobene § 1209 IZGB faktisch weiterhin angewendet. Die Unterscheidung in An knüpfung an das Geschlecht in Bezug auf das Eintreten von Volljährigkeit findet sich ebenfalls im Strafgesetzbuch (IStGB) wieder. Demnach erreichen Mädchen mit neun und Knaben mit 15 Mondjahren die Strafmündigkeit (Art. 147IStGB) (BAMF 7.2020). Im „ Kapitel über die Strafen“ des iranischen Strafgesetzbuches finden sich detaillierte Vorschrif ten, wie mit Jugendlichen umzugehen ist. Bei Straftaten, die mit ta’zir-Strafen bedroht sind [Anm.: s. Kap. Rechtsschutz / Justizwesen / Islamisches Strafgesetzbuch (IStGB), Strafzumessungs praxis für Begriffserklärungen zu hadd, qisas und ta’zir], wird gegen Kinder und Jugendliche unter 15 Mondjahren eine Reihe von Erziehungsmaßnahmen verhängt, zwischen zwölf und 15 Jahren sind auch leichte Strafen möglich, wie die Ermahnung durch den Richter oder ei ne Selbstverpflichtung, keine Straftaten mehr zu begehen. Bei schweren und mittelschweren Straftaten ist die Unterbringung in einem Erziehungszentrum für drei Monate bis zu einem Jahr, unabhängig von den ebenso vorgesehenen milderen Strafen, möglich (Art. 88 IStGB). Jugend liche zwischen 15 und 18 Jahren werden mit Unterbringung in einer Erziehungsanstalt bestraft, die bei schweren Straftaten bis zu fünf Jahren dauern kann. Bei mittelschweren und leichten Straftaten kann stattdessen eine Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit verhängt werden (Art. 89 IStGB). Bei den hadd- und qisas-Delikten wird eine Person, welche die Strafmündigkeit erreicht hat, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, und das Wesen der Straftat und ihres Verbots nicht erfasst hat, oder an deren geistiger und seelischer Reife Zweifel bestehen, je nach den Umständen mit denselben Strafen wie bei ta’zir-Delikten bestraft (Art. 91 IStGB). Zur Feststellung derarti ger Zweifel kann das Gericht das Gutachten eines Gerichtsmediziners einholen; es kann sich aber auch jedes anderen Mittels bedienen (gesetzliche Erläuterung zu Art. 91 IStGB). Das be deutet, dass es beispielsweise Verwandte, Nachbarn, Lehrer oder andere Personen aus dem nahen Umfeld befragen kann. Damit hat das Gericht aber einen so großen Spielraum, dass es die schweren hadd- und qisas-Strafen bei Personen unter 18 Jahren fast immer vermeiden kann (BAMF 7.2020). Verurteilte können für Verbrechen, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen haben, jedoch hingerichtet werden (FH 2025). Die Verhängung der Todesstrafe ist gegen männliche Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr, für Mädchen ab dem neunten Lebens jahr möglich und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Es wird über Fälle von Hinrichtungen von während der Tatzeit oder selbst dem Hinrichtungszeitpunkt Minderjährigen berichtet [Anm.: s. auch Kap. Todesstrafe für Informationen] (AA 15.7.2024). Strafverfahren von unter-18-Jährigen werden gemäß Art. 304 der iranischen Strafprozessord nung vor einem Gericht für Kinder und Heranwachsende behandelt (BAMF 7.2020). In Gefängnissen sind Erwachsene und Minderjährige oftmals nicht getrennt untergebracht (AA 15.7.2024; vgl. ÖB Teheran 11.2021). 165

Heirat von Minderjährigen Anm.: Die drei in der iranischen Verfassung anerkannten Buchreligionen Judentum, Christentum und Zoroastrismus genießen in Fragen des Ehe- und Familienrechts verfassungsrechtlich Auto nomie (AA 15.7.2024) und dürfen somit ihr eigenes Personenstandsrecht anwenden, das aller dings der iranischen Gesetzgebung zur öffentlichen Ordnung entsprechen muss (McGlinn 2001). Auch Sunniten dürfen ihr eigenes Personenstandsrecht anwenden bzw. müssen in Personen standsfragen sunnitische Gerichte anrufen (MRAI 19.6.2023). Bezüglich dieser Rechtsbereiche wird nachstehend vor allem auf die im Iranischen Zivilgesetzbuch (IZGB) geregelte Situation der schiitischen Mehrheitsgesellschaft sowie der nicht anerkannten Religionsgruppen, denen das Recht auf ein eigenes Ehe- und Familienrecht nicht zugesprochen wird, eingegangen. Das gesetzliche Heiratsmindestalter in Iran beträgt 13 Jahre für Mädchen und 15 Jahre für Buben. Doch auch unterhalb dieser Altersgrenzen kann eine Ehe geschlossen werden, wenn es „ im Interesse des Kindes“ liegt und die Eltern und ein Gericht zustimmen (IRJ 18.5.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Eltern dürfen ihre adoptierten Kinder heiraten, sofern ein Gericht zu stimmt (AA 15.7.2024). Aus Sicht der vier sunnitischen Rechtsschulen, die gem. Art. 12 der Verfassung hierzu eigene Personalstatuten haben, beträgt das Mindestheiratsalter bei Mädchen neun Jahre und bei Buben neun bis zwölf Jahre. Dies ist einer der Gründe, weshalb gerade in den von Sunniten besiedelten Gebieten, die als religiöse Minderheit in Iran gelten, Ehen von Mädchen im Kindesalter besonders häufig vorkommen. Obwohl es in den letzten Jahren vielfältige Reformvorhaben gegeben hat, die Gesetze zur Kinderehe in Iran zu ändern, schei terten diese Vorhaben am Widerstand der konservativen Regierungsmitglieder (BAMF 1.2023). Laut Menschenrechtsgruppen hat ein staatliches „ Heiratsdarlehen“-Programm vielmehr dazu beigetragen, dass die Anzahl der Kinderehen zwischen 2019 und 2022 angestiegen ist, da es arme Familien, die ihre Töchter verheiraten wollen, finanziell unterstützt (USDOS 23.4.2024). Die meisten iranischen Frauen heiraten nicht vor ihren Zwanzigern, und das durchschnittliche Heiratsalter von Männern lag 2014 laut staatlichen iranischen Quellen bei 28 Jahren. Den noch werden Hunderte Mädchen unter 13, oder sogar unter zehn Jahren, von ihren Familien zwangsverheiratet (USIP 4.8.2023). Zwischen 2017 und 2022 wurden rund 184.000 Ehen von Mädchen unter 15 Jahren registriert (IRINTL 24.12.2023). Zwangsverheiratungen von Minder jährigen kommen vor allem in ländlichen Gebieten vor. Dies betrifft meistens Mädchen und dient der finanziellen Entlastung der Familie (AA 15.7.2024). Kinderehen sind vor allem in den von ethnischen und religiösen Minderheiten bewohnten Randprovinzen stark verbreitet. So kommen diese besonders häufig in den sechs Provinzen Sistan und Belutschistan, Khuzestan, Khorasan Razavi, Golestan, Kerman und Ost-Aserbaidschan vor (BAMF 1.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Ursache von Kinderehen sind konservative religiöse und kulturelle Hintergründe; die Angst um eine Verletzung der Familienehre durch vorehelichen Geschlechtsverkehr; Dro gensucht; Landflucht; ein niedriger Bildungsstand (BAMF 1.2023) und Armut als ein Hauptgrund in benachteiligten Gebieten (IRINTL 24.12.2023; vgl. BAMF 1.2023). Das gesetzliche Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr ist das gleiche wie für die Ehe, da Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe illegal ist. Es gibt keine speziellen Gesetze 166

zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern, da solche Straftaten entweder unter die Kategorie Kindesmissbrauch oder Sexualdelikte des Ehebruchs fallen. Das Gesetz geht nicht direkt auf sexuelle Belästigung ein und sieht auch keine Strafe dafür vor. Die Unklarheit zwischen den gesetzlichen Definitionen von Kindesmissbrauch und sexueller Belästigung kann dazu führen, dass Fälle von sexueller Belästigung von Kindern nach dem Gesetz über Ehebruch verfolgt werden. Zwar gibt es keine gesonderte Bestimmung für die Vergewaltigung eines Kindes, doch kann das Verbrechen der Vergewaltigung unabhängig vom Alter des Opfers mit dem Tod bestraft werden (USDOS 23.4.2024). Bildungswesen Anm.: s. Kap. Frauen für Informationen zum Zugang von Mädchen und jungen Frauen zum Bildungswe sen. Iran ist ein Land, in dem die Bildung einen hohen Stellenwert genießt (BAMF 7.2020). Iranische Schu len bieten sowohl Männern als auch Frauen eine qualitativ hochwertige Ausbildung in Natur- und Geisteswissenschaften, die mit anderen Ländern in der Region vergleichbar ist. Das iranische Schulsystem kann in zwei Grundstufen unterteilt werden: Grund- und Sekundarschulbildung. Viele Familien entscheiden sich jedoch dafür, ihr Kind auch in der Vorschule anzumelden. In Iran umfasst die Grundschule eine sechsjährige Schulzeit, die bei den meisten Kindern im Alter von sechs Jahren beginnt. Die Grundschulbildung ist verpflichtend und kostenlos, weshalb 99,8% der iranischen Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren in Grundschulen eingeschrieben sind. Nach Abschluss der Grundschule treten iranische Schüler in die Sekundarstufe ein, die in zwei Phasen unterteilt ist: Sekundarstufe I und Sekundarstufe II. Die Sekundarstufe II ist in drei Zweige unterteilt: einen akademischen, einen technischen und einen beruflichen. Ob Schüler den akademischen Zweig antreten können, wird durch ihre Prüfungsergebnisse am Ende der Sekundarstufe I bestimmt. Alle drei Zweige umfassen einen Zeitraum von drei Jahren mit Absolvierung eines der Bildungsgänge, die zum Erwerb der Hochschulreife führen. Darüber hinaus erhalten diejenigen Schüler, die entweder den technischen oder den beruflichen Weg absolvieren, ein „Technikerzertifikat“. Um den tertiären, akademischen Bildungsweg fortzuset zen, muss eine nationale standardisierte Aufnahmeprüfung absolviert werden, der „ Konkur“. Nur rund 10 % der Prüfungsabsolventen bekommen einen Platz an einer öffentlichen Universität. Der tertiäre Bildungsweg bleibt in Iran jedoch sehr beliebt: Fast 60% der Iraner im Alter von 18 bis 22 Jahren sind an einer postsekundären Bildungseinrichtung eingeschrieben. In Iran findet die Hochschulbildung in einer Kombination aus öffentlichen und privaten Einrichtungen statt. Öffentliche tertiäre Einrichtungen sind meist kostenfrei, während private Einrichtungen üblicherweise Studiengebühren verlangen (AIC 12.7.2022). Kindern, die keinen staatlichen Identitätsnachweis besitzen, wird das Recht auf Bildung verwei gert [Anm.: dem Kap. Flüchtlinge / Afghanen in Iran sind Informationen zum Zugang zu Bildung für afghanische Staatsangehörige zu entnehmen]. Der Gebrauch von Minderheitensprachen als Unterrichtssprache an Schulen ist nicht erlaubt (USDOS 23.4.2024). Die Bildungsmöglichkeiten hängen auch wesentlich vom Einkommensstatus der Familien ab (RFAR 14.5.2025). So wer den Schulabbrüche u. a. mit der steigenden Armut im Land in Verbindung gebracht (RFE/RL 167

27.3.2024). Im Schuljahr 2024/2025 waren nach offiziellen Angaben 790.000 Kinder in keiner Schule eingeschrieben (K24 22.9.2024). Es wird von teils überfüllten Schulen und einem Lehrermangel berichtet (IRWIRE 3.12.2024; vgl. K24 22.9.2024). Eine im Mai 2025 erlassene Direktive des Bildungsministeriums erlaubt die Einstellung von Geistlichen und Seminaristen als Lehrer. Dadurch sollte der Lehrermangel bekämpft werden, Kritiker sehen darin jedoch ein Abwenden von der zivilen Bildung hin zu einer militärisch-ideologischen Indoktrinierung (IRWIRE 3.6.2025). Schulen spielten bei den „ Frau, Leben, Freiheit“-Protesten ab September 2022 eine wichtige Rolle (IRWIRE 3.6.2025; vgl. RFE/RL 13.11.2023), unter anderem wurden auch Lehrer verhaftet. Später wurden fast 20.000 Schuldirektoren ausgetauscht, um an den Schulen „ einen Wandel herbeizuführen“ (RFE/RL 13.11.2023). Im Winter 2024/2025 kam es angesichts niedriger Temperaturen und Problemen bei der Energie versorgung in manchen Provinzen zu verordneten Schulschließungen (FR24 9.2.2025; vgl. TNA 11.1.2025). Nach Beginn der israelischen Luftangriffe und eskalierenden Spannungen ordneten die Behörden Mitte Juni 2025 Schulschließungen an [Anm.: Mit Stand 26.6. liegen keine vertrau enswürdigen Informationen über die Dauer der Schließungen vor; auch kann das allgemeine Ausmaß der Auswirkungen der israelischen Militäroperation auf das iranische Bildungswesen derzeit noch nicht abgeschätzt werden] (AnA 15.6.2025). Kinderarbeit Das iranische Recht verbietet Kinderarbeit bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres; bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gibt es diverse Einschränkungen (z. B. keine Schwer-/Nacht arbeit). In Familienbetrieben lässt das Gesetz allerdings die Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren zu. Der iranische Staat schätzt, dass zwei Millionen Kinder im Land arbeiten, nach inoffi ziellen Schätzungen sind bis zu sieben Millionen Kinder betroffen (v. a. afghanische Geflüchtete) (AA 15.7.2024). Gründe dafür sind u. a. sich verschlechternde wirtschaftliche Bedingungen von afghanischen Familien und mangelnde Bildung. Die meisten dieser Kinder sind Berichten zufol ge zwischen zehn und 15 Jahre alt, und die Mehrheit sind Ausländer ohne Papiere. Die Zahl der Kinder, die im Transportwesen, in der Müllabfuhr und -entsorgung, beim „ Mülltauchen“, in Auto waschanlagen, Ziegeleien, auf Baustellen und in der Teppichindustrie arbeiten, steigt Berichten zufolge weiter an. Diese Kinder sind Misshandlungen, Lohnvorenthaltung und potenziellen In fektionskrankheiten ausgesetzt - alles Anzeichen für Zwangsarbeit (USDOS 24.6.2024). Die Revolutionsgarden sollen Tausende von in Iran lebenden afghanischen Migranten mithilfe von Zwangstaktiken für den Kampf in Syrien rekrutiert haben, darunter auch Kinder (FH 2025). Berichten zufolge rekrutieren die iranischen Behörden immer noch Afghanen, darunter auch Kinder, unter Zwang in Militärverbände in der Region. Die Revolutionsgarden und die mit ihr verbundenen paramilitärischen Basij-Milizen haben Kinder auch zur Aufstandsniederschlagung im Inland eingesetzt (USDOS 24.6.2024). 168

Menschenhandel Aufgrund der mangelnden Transparenz der Regierung bezüglich des Menschenhandels in Iran, insbesondere im Hinblick auf Frauen und Mädchen, werden keine Statistiken vorgelegt (NCRI 21.4.2021). Kinder von Afghanen ohne Papiere und anderen ethnischen Minderheiten haben Schwierigkeiten, legale Dokumente zu erhalten, was die Gefährdung dieser Bevölkerungsgrup pe für Menschenhandel erhöht. Nach Angaben des US-amerikanischen Außenministeriums reichen die Maßnahmen der iranischen Behörden nicht aus, um Menschenhandel zu unterbin den (USDOS 24.6.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran (Stand: 23.12.2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2068037/Auswärtiges_Amt,_Ber icht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Iran_(Stand_23.12.2021),_28.01.2022. pdf, Zugriff 24.3.2023 [Login erforderlich] ■ AIC - American Iranian Council (12.7.2022): MYTH vs. FACT: Education in Iran, http://www.us-iran. org/resources/2016/10/10/education, Zugriff 4.4.2023 ■ AnA - Anadolu Agency (15.6.2025): Iran shuts schools, Israel extends emergency amid escalating tensions, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iran-shuts-schools-israel-extends-emergency-ami d-escalating-tensions/3599534, Zugriff 26.6.2025 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.2023): Länderreport 56 Iran: Rechtliche Situation der Frauen, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/68 3300/683479/683484/6029645/24047468/-/Deutschland._Bundesamt_fr_Migration_und_Flchtlinge, _Iran_-_Rechtliche_Situation_der_Frauen,_01.01.2023._(Lnderreport___56).pdf, Zugriff 3.4.2023 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2020): Länderreport 28 Iran: Frauen Rechtliche Stellung und gesellschaftliche Teilhabe, https://coi.euaa.europa.eu/administratio n/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_28_Iran_July-2020.pdf, Zugriff 3.4.2023 ■ FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 - Iran, https://freedomhouse.org/country/i ran/freedom-world/2025, Zugriff 10.3.2025 ■ FR24 - France 24 (9.2.2025): Iranian schools and offices shut as cold snap bites, https://www.fran ce24.com/en/live-news/20250209-iranian-schools-and-offices-shut-as-cold-snap-bites , Zugriff 26.6.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2043504.html, Zugriff 4.4.2023 ■ IRINTL - Iran International (24.12.2023): New Research Shows Rise In Child Marriages In Iran, https://www.iranintl.com/en/202312241642, Zugriff 4.6.2024 ■ IRJ - Iran Journal (18.5.2024): Morde aus archaischer Überzeugung, https://iranjournal.org/gesellsc haft/ehremorde-femizid-iran, Zugriff 4.6.2024 ■ IRWIRE - IranWire (3.6.2025): ‘Irreparable Damage’ to Iran’s Schools as Clerics Replace Qualified Teachers, https://iranwire.com/en/features/141732-irreparable-damage-to-irans-schools-as-clerics -replace-qualified-teachers/ , Zugriff 26.6.2025 ■ IRWIRE - IranWire (3.12.2024): Overcrowding, Teacher Shortages, and ‘Learning Poverty’: Educa tion Crisis in Iran, https://iranwire.com/en/features/136723-overcrowding-teacher-shortages-and-l earning-poverty-education-crisis-in-iran/ , Zugriff 26.6.2025 ■ K24 - Kurdistan 24 (22.9.2024): Iran’s education crisis as 790,000 children miss school year, https: //www.kurdistan24.net/en/story/396928/Iran's-education-crisis-as-790,000-children-miss-school-y ear, Zugriff 26.6.2025 ■ McGlinn - McGlinn, Senn (2001): Family Law in Iran, https://bahai-library.com/pdf/m/mcglinn_famil y_law_iran.pdf, Zugriff 5.4.2023 ■ MRAI - Menschenrechtsanwältin aus Iran (19.6.2023): Interview, via Videotelefonie 169

■ NCRI - National Council of Resistance of Iran (21.4.2021): Trafficking of Iranian Women Often Takes Place Through Three Provinces, https://women.ncr-iran.org/2021/04/21/trafficking-of-iranian-wom en/, Zugriff 4.4.2023 ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ RFAR - Radio Farda (14.5.2025): ؟تسا هدیماجنا یشزومآ رقف هب هنوگچ ناریا رد یدمآرد رقف [Wie hat Einkommensarmut im Iran zu Bildungsarmut geführt?], https://www.radiofarda.com/a/334 13299.html, Zugriff 26.6.2025 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (27.3.2024): Poverty Forces Nearly 1 Million Iranians Out Of School, https://www.rferl.org/a/iran-school-dropouts-poverty-million-iranians-data/32879670 .html, Zugriff 4.6.2024 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (13.11.2023): Iranian Education Minister Proposes Trans formation Of System With Introduction Of Gender-Specific Textbooks, https://www.rferl.org/a/iran-e ducation-system-gender-specific-textbooks/32683182.html , Zugriff 6.12.2023 ■ TNA - New Arab, The (11.1.2025): Iran again closes schools, offices to conserve power amid fuel crisis, https://www.newarab.com/news/iran-again-closes-schools-offices-conserve-power-amid-cri sis, Zugriff 26.6.2025 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (o.D.): View the ratification status by country or by treaty, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=81&Lan g=EN, Zugriff 3.4.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111581.html, Zugriff 24.6.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089063.html, Zugriff 22.3.2023 ■ USIP - United States Institute of Peace [USA] (4.8.2023): Part 3: Iranian Laws on Women, https: //iranprimer.usip.org/blog/2020/dec/08/part-3-iranian-laws-women , Zugriff 18.8.2023 18.2.1 Staatsbürgerschaft und Geburtenregistrierung, rechtliche Behandlung uneheli cher Kinder Letzte Änderung 2025-07-17 12:29 Anm.: Für Informationen zu Vormundschaft und Obsorge s. Kap. Relevante Bevölkerungsgrup pen / Frauen / Heirat, Scheidung, Vormundschaft und Obsorge für Kinder. Eine Geburt innerhalb der Landesgrenzen führt nicht zum Erwerb der Staatsbürgerschaft, es sei denn, ein Kind wird von unbekannten Eltern geboren, ein Teil der ausländischen Eltern wurde ebenfalls schon in Iran geboren, oder eine in Iran geborene Person mit ausländischem Vater lebt nach Vollendung des 18. Lebensjahrs noch mindestens ein Jahr in Iran. Iranische Männer geben ihre Staatsbürgerschaft automatisch an ihre Kinder weiter, es sei denn, es handelt sich um eine Zeitehe. In dem Fall muss der Vater die Vaterschaft explizit anerkennen. Dies gilt auch, wenn die Mütter und Ehefrauen ausländische Staatsbürgerinnen sind (SEM 26.1.2023). Wenn die Beziehung zwischen dem Vater und einem im Ausland geborenen Kind nicht durch Doku mente belegt ist, muss ein iranisches Familiengericht entscheiden, ob hinreichende Gründe für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegen (Landinfo 8.2.2024). Iranerinnen, die mit ausländischen Staatsbürgern verheiratet sind, können ihre Staatsbürgerschaft dagegen erst seit 2020 an ihre Kinder weitergeben, und zwar auf Antrag (USDOS 23.4.2024; vgl. SEM 26.1.2023). Ein entsprechendes Gesetz wurde 2019 erlassen. Bei der Umsetzung bestehen jedoch einige 170

bürokratische und finanzielle Hürden für die Antragsteller. Auch wird das Gesetz in den ver schiedenen Provinzen uneinheitlich angewendet. Die Antragsteller benötigen dabei außerdem oftmals eine Sicherheitsfreigabe durch die Sicherheitsbehörden, wobei der Vergabeprozess als „ höchst restriktiv und subjektiv“ beschrieben wurde (IOM 9.5.2025). Der Besitz einer Geburtsurkunde ist für iranische Staatsbürger gesetzlich verpflichtend (IHME 3.5.2024). Zuständig für die Registrierung und Ausstellung einer Geburtsurkunde (Shenasna meh) ist die Nationale Organisation für Bürgerregistrierungen (Standesamt). Antragsberechtigte sind der Vater, Großvater väterlicherseits oder die Mutter des Kindes (BAMF 1.2023). Dennoch hat das Ministerium für Kooperativen, Arbeit und Wohlfahrt gemäß einer Ankündigung vom Oktober 2023 rund 43.000 Kinder ohne Geburtsurkunden identifiziert. Betroffen sind laut einer Studie aus dem Jahr 2021 vor allem arme Familien, darüber hinaus beispielsweise Kinder von Vätern ohne Aufenthaltsberechtigung. In der Provinz Sistan und Belutschistan haben die Behör den die Ausstellung von Geburtsurkunden im Zusammenhang mit den wiederholten, manchmal gewaltsamen Freitagsprotesten in der Hauptstadt Zahedan gestoppt (IRWIRE 26.10.2023). Ein Recht auf Ausstellung einer Geburtsurkunde für uneheliche Kinder, welches auch mit der Scharia konform ist und Gesetzeskraft besitzt, besteht seit einem Urteil des Obersten Gerichts hofes ab 1997. Ein Antrag auf Ausstellung einer Geburtsurkunde für uneheliche Kinder ist jedoch nicht ohne Risiko. Sobald festgestellt wird, dass ein Kind von unverheirateten Eltern geboren wurde, gelten die Eltern per Gesetz als Straftäter, die unerlaubten Geschlechtsverkehr gehabt haben, und sie können nach Art. 221 IStGB 2013 mit 100 Peitschenhieben bestraft werden. Auch in Fällen, in denen der Vater des Kindes unbekannt ist, kann die Mutter einen Antrag bei Gericht stellen, und nach Zustimmung des Generalstaatsanwalts eine Geburtsurkunde für ihr Kind erhalten. Diese Geburtsurkunde enthält dann den Nachnamen der Mutter. Dies ist die einzige Situation, in der das Gesetz erlaubt, den Nachnamen der Mutter ihrem Kind zuzuordnen. Ansonsten erhält das Kind automatisch den Nachnamen des Vaters. Die Geburtsurkunde darf in diesem Ausnahmefall jedoch nicht nur mit dem Vor- und Nachnamen der Mutter ausgestellt werden, sondern enthält auch einen „ hypothetischen“ Namen des unbekannten Vaters, um zu vermeiden, dass der Abschnitt mit dem Namen des Vaters leer bleibt (BAMF 1.2023). Da bei Kindern von unverheirateten Eltern keine familiäre Abstammung angenommen wird, sind Erbansprüche grundsätzlich ausgeschlossen. Neben diesen Einschränkungen sind für Personen, die von unverheirateten Eltern geboren wurden, hohe Schlüsselpositionen in der iranischen Gesellschaft nicht möglich. In den Bereichen von Steuerangelegenheiten, von Heirat und Scheidung, beim Sorgerecht, bei Fragen der Vormundschaft und des Unterhaltes sind uneheliche Kinder jedoch ehelichen Kindern rechtlich grundsätzlich gleichgestellt, sofern den unehelichen Kindern eine Geburtsurkunde ausgestellt wird (BAMF 1.2023). Es besteht die Möglichkeit, die Familie nachträglich nach der Geburt eines Kindes legalisie ren zu lassen. Indem die Eltern eines unehelichen Kindes später heiraten, bekommt das Kind den Status eines ehelichen Kindes. Fehlt alleinstehenden Frauen allerdings der Rückhalt ihres Partners bzw. ihrer eigenen Familie, so befinden sie sich schnell am Rande der Gesellschaft und sind gezwungen, sich zum Wohle ihres Kindes mit der Gesellschaft zu arrangieren. Zwar 171

sind nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes die leiblichen Eltern unehelicher Kinder verpflichtet, ihren elterlichen Pflichten in Hinblick auf die Personensorge nachzukommen, und der leibliche Vater bzw. auch der biologische Großvater väterlicherseits sind dem unehelichen Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Im Fall, dass beide unbekannt sind bzw. sich beide ihrer Verantwortung entziehen, muss die Mutter ihr Kind allerdings finanziell allein versorgen (BAMF 1.2023). Quellen ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.2023): Länderreport 56 Iran: Rechtliche Situation der Frauen, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/68 3300/683479/683484/6029645/24047468/-/Deutschland._Bundesamt_fr_Migration_und_Flchtlinge, _Iran_-_Rechtliche_Situation_der_Frauen,_01.01.2023._(Lnderreport___56).pdf, Zugriff 3.4.2023 ■ IHME - Institute for Health Metrics and Evaluation (3.5.2024): Iran Civil Registration Recorded Births, https://ghdx.healthdata.org/series/iran-civil-registration-recorded-births#:~:text=According to the the National,to have a birth certificate, Zugriff 4.6.2024 ■ IOM - International Organization for Migration (9.5.2025): Information on the socio-economic situation for Afghans in the Islamic Republic of Iran requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum ■ IRWIRE - IranWire (26.10.2023): Officials Failing Forty-Three Thousand Undocumented Children in Iran, https://iranwire.com/en/features/121918-officials-failing-forty-three-thousand-undocumente d-children-in-iran/ , Zugriff 4.6.2024 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (8.2.2024): Iran: Stadfestelse og dokumentasjon av statsborgerskap – spesielt for al-Tash- flyktninger, https://landin fo.no/wp-content/uploads/2024/02/Iran-temanotat-Stadfestelse-og-dokumentasjon-av-statsborger skap-spesielt-for-al-Tash-flyktninger-0802024.pdf , Zugriff 4.6.2024 ■ SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (26.1.2023): Notiz Iran: Staatsbürgerschaft, https: //www.sem.admin.ch/dam/sem/de/data/internationales/herkunftslaender/asien-nahost/irn/IRN-staat sbuergerschaft-d.pdf.download.pdf/IRN-staatsbuergerschaft-d.pdf , Zugriff 4.12.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024 18.3 Sexuelle Orientierung und Genderidentität Letzte Änderung 2025-07-10 07:15 Historisch gesehen hatte Iran eine paradoxe Beziehung zu gleichgeschlechtlichem Verlangen und gleichgeschlechtlicher Intimität, die zwischen Akzeptanz und Ablehnung eines solchen Ver haltens schwankte. Die Islamische Revolution von 1979 verstärkte dabei die Intoleranz, Verfol gung und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Intimität (Sato/Alexander 2.2021). Angehörige sexueller Minderheiten erfahren regelmäßig Diskriminierungen, Belästigungen und Missbrauch - auch durch nicht-staatliche Akteure, wie Familienmitglieder, und durch die Gesellschaft (ÖB Teheran 11.2021). Das Gesetz stuft homosexuelle Männer und Transgender-Frauen als psy chisch krank ein und befreit sie aus diesem Grund von der ansonsten für männliche Bürger geltenden Wehrpflicht. In den Militärausweisen ist der Unterabschnitt des Gesetzes aufgeführt, der die Befreiung vorschreibt, wodurch homosexuelle oder transsexuelle Personen identifiziert und dem Risiko körperlicher Misshandlung und Diskriminierung im Alltag ausgesetzt werden, einschließlich der Gefahr der Verhaftung (USDOS 23.4.2024). Aus Furcht vor Bestrafung werden Missbrauchsfälle Homosexueller nicht angezeigt (ÖB Teheran 11.2021). Angehörige sexueller 172

Minderheiten werden belästigt und diskriminiert, obwohl über das Problem aufgrund der Krimi nalisierung und des verborgenen Charakters dieser Gemeinschaft in Iran wenig berichtet wird (FH 2025). Sogenannte Konvertierungsbehandlungen, die Folter und anderen Misshandlun gen gleichkommen, sind staatlich anerkannt und werden nach wie vor häufig angewandt, auch bei Minderjährigen (AI 29.4.2025). Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Genderidentität ist nicht verboten (USDOS 23.4.2024). Das iranische Strafgesetzbuch (IStGB) stellt alle sexuellen Beziehungen außerhalb der tradi tionellen Ehe unter Strafe (FH 2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Nach verschiedenen Paragrafen des IStGB können bestimmte gleichgeschlechtliche Handlungen mit Auspeitschung oder dem Tod bestraft werden (Sato/Alexander 2.2021; vgl. ILGA World o.D.), wobei die Bestrafung von gleichgeschlechtlichen Handlungen zwischen Männern zumeist schwerwiegender ist als jene für Frauen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. Böll 21.5.2024) und die Beweisanforderungen hoch sind. Aufgrund der mangelnden Transparenz des Gerichtswesens lässt sich der Umfang der straf rechtlichen Verfolgungsmaßnahmen wegen Homosexualität nicht eindeutig bestimmen. Homo sexuelle Handlungen sind strafbar, werden in der Praxis zur Verschleierung meist in Verbindung mit anderen Strafbeständen verfolgt (AA 15.7.2024). Aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und sozialer Ausgrenzung ist ein öffentliches „ Coming out“ selten (AA 15.7.2024). Die meisten Mitglieder der iranischen LGBTIQ-Gemeinschaft (lesbi sche, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Personen) sehen sich dazu gezwungen, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Oft führen sie ein Doppelleben (RFE/ RL 5.3.2024). In westlich geprägten Teilen des Landes werden homosexuelle Beziehungen de facto geduldet bzw. ignoriert. Lesbische Frauen aus traditionellen, armen Familien sehen sich aus sozio-ökonomischen Gründen oder vonseiten der Familie häufig gedrängt, einen Mann zu heiraten (AA 15.7.2024). Die Regierung zensiert alle Materialien, die sich auf den Status oder das Verhalten von sexuel len Minderheiten beziehen. Die Behörden blockieren insbesondere Webseiten oder Inhalte von Webseiten, die sich mit Themen in Bezug auf sexuelle Minderheiten befassen, einschließlich der Zensur von Wikipedia-Seiten (USDOS 23.4.2024). Ein Einsatz für die Rechte von Homosexuel len ist kaum möglich und wird von den Sicherheitsbehörden genau beobachtet (AA 15.7.2024). Transsexualität ist seit 1987 erlaubt, wird aber laut Gesetz als Geisteskrankheit definiert (ÖB Teheran 11.2021). Eine Fatwa Ayatollah Khomeinis gestattet Geschlechtsumwandlungen für „ diagnostizierte“ Transgender-Personen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. DW 16.5.2021). Diese sind also zulässig, und entsprechende Operationen werden subventioniert (HRW 16.1.2025; vgl. DW 16.5.2021) bzw. teilsubventioniert (AA 15.7.2024), auch wenn es weiterhin geistliche Autoritäten gibt, die geschlechtsangleichenden Operationen kritisch gegenüberstehen (Böll 21.5.2024; vgl. AA 15.7.2024). Geschlechtsumwandlungen oder -angleichungen gelten häufig als Weg, von der Heterosexualität abweichende sexuelle Orientierungen oder Identitäten in die Legalität zu bringen. Iran hat nach Thailand die höchste Rate an Geschlechtsumwandlungen weltweit (AA 15.7.2024). Khomeinis Fatwa ermöglichte Operationen, um eine rechtliche Anerkennung des 173
