2025-09-09-coi-cms-laenderinformationen-iran-version-10-33ca
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Disclaimer Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Das Country of Origin Information - Content Management System (COI-CMS) ist eine Da tenbank mit COI-Inhalten, welche beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (BFA, BVwG etc.) mit Informationen aus vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Quellen und gemäß den Standards der Staatendokumentation befüllt wird. Das COI-CMS gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend rele vanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU-Mitgliedsstaaten. Der jeweilige Bedarfsträger kann aus dem COI-CMS Länder und Themen selektieren und so die für den spezifischen Bedarf relevante Länderinformation zusammenstellen. Das COI-CMS dient den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Es gilt § 5 Abs. 5 BFA-G, d.h. das COI-CMS ist nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Fallspezifisch relevante Kapitel aus dem COI-CMS werden aber der jeweiligen Partei durch Parteiengehör zugänglich und durch Verwendung in Entscheidungen (Bescheid, Erkenntnis, Urteil) öffentlich gemacht. Wie bereits erwähnt, ist dieses Produkt als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Ge richte entworfen worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit min destens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungs findung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen kei nen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfol gerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das COI-CMS stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann ins besondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Die einzelnen Kapitel werden gemäß vorliegenden Ressourcen möglichst aktuell gehalten. Eine Gesamtaktualisierung eines Landes erfolgt alle 12 Monate. Bei bestimmten Ländern wird zu sätzlich eine Teilaktualisierung durchgeführt, die in der Regel sechs Monate nach der Gesamtak tualisierung durchgeführt wird. Sollten es in einem Land zu einer kurzfristigen und maßgeblichen Änderung der Lage kommen, können zusätzliche Aktualisierungen durchgeführt werden. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Folglich können auch verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. II

Übersetzungen der Länderinformationen ins Englische Bei den von der Staatendokumentation bereitgestellten Übersetzungen der Länderinformationen ins Englische handelt es sich um Arbeitszusammenfassungen. Anderes als bei den automati schen Übersetzungen (siehe unten) werden diese einer eigenen Überprüfung unterzogen. Die Staatendokumentation ist bemüht, dass die jeweiligen deutsch- und englischsprachigen Versionen (so vorhanden) zum selben Zeitpunkt veröffentlicht werden. Jedoch kann es, aufgrund der umfangreichen Qualitätssicherung vorkommen, dass sich das Datum der Veröffentlichung der beiden Versionen geringfügig unterscheidet. Es sei darauf verwiesen, dass trotz eines möglichen geringfügig unterschiedlichen Veröffentlichungsdatums, der Inhalt der deutsch- und englischsprachigen Version derselbe ist. Automatische Übersetzungen Bei der automatischen Übersetzung handelt es sich um eine maschinelle Übersetzung einer Län derinformation mittels einer Übersetzungssoftware, in eine vom Nutzer festgelegte Zielsprache. Diese Übersetzung wird, da vom Nutzer direkt generiert, weder im Hinblick auf Grammatik und Rechtschreibung noch auf Sinnerhaltung kontrolliert und soll lediglich dazu dienen, einen Ein druck über den Inhalt des Originaldokuments bzw. der verwendenten Quellen zu erlangen. Die Staatendokumentation übernimmt keinerlei Gewähr für die Richtigkeit der maschinellen Über setzung. Sollte das Produkt vom Nutzer für eine weitere Verwendung herangezogen werden, insbesondere für eine behördliche Entscheidung, so wird dringend empfohlen die Übersetzung durch einen professionellen Übersetzer kontrollieren bzw. durchführen zu lassen. Qualitätssicherung der maschinellen Übersetzung von DeepL Die Übersetzung, welche nicht als „ automatische Übersetzung“ ausgewiesen wird, wurde von einer/einem professionellen Übersetzer/in qualitätsgesichert. Etwaige in der Übersetzung ent stehende Unstimmigkeiten oder Differenzen sind nicht bindend und haben keine rechtliche Wirkung für Compliance- oder Durchsetzungszwecke. Sollten Fragen zur Richtigkeit der quali tätsgesicherten Übersetzung entstehen, nehmen sie bitte Kontakt mit der Staatendokumentation des BFA unter BFA-Staatendokumentation@bmi.gv.at auf. III

Inhalt 1 Länderspezifische Anmerkungen 1 2 Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. §3 Abs 4a AsylG 3 3 Politische Lage 3 4 Sicherheitslage 14 4.1 Verbotene Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.1.1 Volksmudschahedin (Mujahedin-e-Khalq – MEK, MKO; People’s Mojahe din Organisation of Iran – PMOI; National Council of Resistance of Iran – NCRI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.1.2 Kurdische separatistische Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.1.3 Ahwazische separatistische Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.1.4 Belutschische separatistische Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . 36 5 Rechtsschutz / Justizwesen 38 5.1 Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.2 Islamisches Strafgesetzbuch (IStGB), Strafzumessungspraxis . . . . . . . . . . 44 5.3 Doppelbestrafung, im Ausland begangene Vergehen, Verurteilung in Abwesenheit 47 5.4 Gerichtsdokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6 Sicherheitsbehörden 52 6.1 Polizei (Strafverfolgungskommando/FARAJA), Sittenpolizei . . . . . . . . . . . 55 6.2 Revolutionsgarden und Basij . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 6.3 Wichtigste Nachrichten- und Geheimdienste: VAJA/MOIS und IRGC-IO . . . . 62 6.4 Behörden zur Überwachung von Internetaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6.5 Reguläre Armee (Artesh) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 7 Folter und unmenschliche Behandlung 68 8 Korruption 70 9 NGOs und Menschenrechtsaktivisten 72 10 Wehrdienst 74 10.1 Wehrdienstverweigerung, Desertion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 11 Allgemeine Menschenrechtslage 80 12 Meinungs- und Pressefreiheit 81 12.1 Zugang zu Informationen, National Information Network (NIN/SHOMA) . . . . 82 12.2 Meinungsfreiheit und Zensur in traditionellen Medien, künstlerische und akade mische Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 12.3 Meinungsfreiheit und Zensur im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 IV

13 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition 91 14 Haftbedingungen 97 15 Todesstrafe 100 16 Religionsfreiheit 106 16.1 Christen (anerkannte Religionsgemeinschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 16.2 Apostasie, Konversion, Proselytismus, Blasphemie . . . . . . . . . . . . . . . . 116 16.3 Baha‘i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 16.4 Sunniten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 16.5 Derwisch-Orden, Sufis (Nematollah Gonabadi-Orden) . . . . . . . . . . . . . . 130 16.6 Ahl-e Haqq/Yar(e)san . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 17 Ethnische Minderheiten 134 17.1 Kurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 17.2 Araber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 17.3 Belutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 18 Relevante Bevölkerungsgruppen 149 18.1 Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 18.1.1 Heirat, Scheidung, Vormundschaft und Obsorge für Kinder . . . . . . . . 161 18.2 Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 18.2.1 Staatsbürgerschaft und Geburtenregistrierung, rechtliche Behandlung un ehelicher Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 18.3 Sexuelle Orientierung und Genderidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 18.4 Personen, die der Zusammenarbeit mit feindlichen Mächten bezichtigt werden 174 19 Bewegungsfreiheit 179 20 Flüchtlinge 183 20.1 Afghanen in Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 21 Grundversorgung und Wirtschaft 196 21.1 Sozialbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 22 Medizinische Versorgung 204 23 Rückkehr 207 23.1 Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 23.2 Transnationale Repression, Behandlung von Aktivisten bei Rückkehr . . . . . . 211 23.2.1 Teilnahme an Straßenprotesten 2022/2023 im Ausland, insbesondere in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 23.2.2 Online-Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 23.3 Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates . . . . . . . . . . . . . . 219 V

24 Dokumente, Meldewesen und Personenstandsregister 221 25 Impressum 223 25.1 Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 25.2 Hinweis zum Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 25.3 Veröffentlichte Versionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 VI

1 Länderspezifische Anmerkungen Letzte Änderung 2025-07-10 07:49 Anmerkung zur israelischen Operation „ Rising Lion“ und dem anschließenden militäri schen Konflikt zwischen Iran und Israel (13.-24.6.2025) Die gegenständlichen Länderinformationen wurden kurz vor, während und in den ersten Tagen nach Beendigung der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran im Juni 2025 verfasst. Neue Entwicklungen wurden nach Möglichkeit berücksichtigt, allerdings wird darauf aufmerksam gemacht, dass es gegenwärtig zu vergleichsweise kurzfristigen Lageänderungen kommen kann (betrifft v. a. jene Themenbereiche, die von den Handlungen unterschiedlicher Ent scheidungsträger abhängen) und die Auswirkungen der militärischen Angriffe noch nicht in allen Bereichen abschätzbar sind (betrifft z. B. wirtschaftliche Schäden). Die Staatendokumentation beobachtet die Lage laufend und wird die Länderinformationen, so die Notwendigkeit erkannt wird, im Rahmen vorhandener Kapazitäten bei Lageänderungen entsprechend aktualisieren. Darüber hinaus wird auf die Möglichkeit, bei Bedarf Anfragen an die Staatendokumentation zu stellen, aufmerksam gemacht. Bei der gegenständlichen Aktualisierung der Länderinformationen wurden in den Kapiteln „ Politische Lage“ und „ Sicherheitslage“ Änderungen bis zum 3.7.2025 eingearbeitet, die übrigen Kapitel wurden im Zeitraum davor bearbeitet, mit Ausnahme des Kapitels Relevante Bevölkerungsgruppen / Personen, die der Zusammenarbeit mit feindlichen Mächten bezichtigt werden, das zuletzt am 4.7.2025 bearbeitet wurde. Im Einklang mit dem gesetzlich festgeschriebenen Auftrag der Staatendokumentation werden nachstehend asylrelevante Tatsachen aufgearbeitet. Informationen zur völkerrechtlichen Ein ordnung der Operation „ Rising Lion“, der US-amerikanischen Operation „ Midnight Hammer“ und Irans militärischer Antwort auf die Operationen werden daher nicht wiedergegeben. Anmerkungen zu verwendeten Begriffen „ Iran“ ist ein sehr alter Ländername, der von Rezā Schāh zwischen den beiden Weltkriegen wiederbelebt wurde und in Farsi ohne Artikel verwendet wird. Insofern besteht kein Grund, „ Iran“ mit dem Artikel zu benutzen. Dass die deutsche Umgangssprache in diesem Fall heute meist vom Artikel Gebrauch macht, liegt vielmehr an einer fehlerhaften Übersetzung aus dem Französischen. Das Iranistik-Institut der Uni Marburg empfiehlt daher für das Deutsche die Verwendung ohne Artikel. Dieser Empfehlung wird in den vorliegenden Länderinformationen Folge geleistet. In diesen Länderinformationen wird der Begriff „ Regime“ als eine durch Regierung, Verwaltungs apparat und andere Akteure verkörperte Staatsgewalt verstanden, ohne eine Wertung bezüglich der Legitimität der Herrschaft vorzunehmen. „ Regime“ umfasst dabei - im Gegensatz zu „ Re gierung“ im deutschen Sprachgebrauch - nicht nur die offizielle exekutive Staatsgewalt eines Herrschaftssystems, sondern darüber hinaus auch informelle Machtstrukturen, die im iranischen Kontext erheblichen Einfluss auf Entscheidungen und Handeln der Regierung nehmen können. „ Regime“ wird dem Begriff „ Regierung“ im Sinne einer präzisen Ausdrucksweise nachstehend daher dann vorgezogen, wenn diese informellen Aspekte des Machtapparats mitgemeint sind. 1

Anmerkung zu Währungsumrechnungen In Iran gibt es verschiedene Wechselkurse für die Landeswährung Rial (IRR), die mitunter be trächtlich variieren und mit unterschiedlichen Berechtigungen zugänglich sind. Informationen zum System der multiplen Wechselkurse in Iran können dem im Dezember 2024 veröffent lichten Themenbericht der Staatendokumentation „ Finanztransfers zwischen Iran und Europa“ entnommen werden, der im COI-CMS und auf ecoi.net zu finden ist. Bei Währungsumrech nungen von IRR in EUR oder USD wird nachstehend auf den Kurs auf dem freien Markt Bezug genommen, so nicht anders angegeben. Hierzu wurden Nachrichtenartikel sowie die Wäh rungsrechner https://www.bonbast.com/ und https://alanchand.com/en/currencies-price/eur verwendet. Anmerkung zur Datenlage Iran zählt zu den repressivsten Staaten für Journalisten weltweit (s. Kap. Meinungs- und Pres sefreiheit). Hinzu kommt, dass es sich bei der jüngst auch militärisch eskalierten Auseinander setzung zwischen Iran und Israel (und in weiterer Folge den USA) auch um einen Konflikt um Narrative handelt. So sind sowohl bestimmte Angaben über Vorfälle in Iran - oder ihrer Anzahl - als auch Aussagen von Regierungsvertretern, die sich auf nachrichtendienstliche Informatio nen berufen, nicht verifizierbar. Nachstehend wurde versucht, mittels Triangulation und unter Rückgriff auf Wissen von externen Experten sowie dem in der Staatendokumentation vorhan denen Amtswissen dem gesetzlich festgelegten Auftrag der Staatendokumentation nachzukom men, Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten. Es wird in diesem Zusammenhang jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei den bereitgestellten In formationen immer nur um eine vorläufige Annäherung an die Wirklichkeit handeln kann und insbesondere quantitative Angaben eher als ungefähre Richtwerte, denn als absolute Größen gesehen werden sollten. Die im Kapitel Sicherheitslage zitierte Vorfallsdatenbank ACLED (Armed Conflict Location and Event Data) erfasst sicherheitsrelevante Vorfälle und Todesopfer mittels Medienbeobachtung sowie unter Rückgriff auf lokale Partnerorganisationen und diverse Berichte, d. h. es werden öffentlich verfügbare Meldungen über sicherheitsrelevante Vorfälle gesammelt und die relevan ten Ereignisse anhand eines vorgegebenen Codierschemas und vorgegebener Definitionen in den Vorfallsdatensatz aufgenommen. ACLED erfasst dabei verschiedene Arten von gewalt samen Vorfällen, wobei in den vorliegenden Länderinformationen aufgrund der Art des be schriebenen Konflikts nur die Kategorien „ battles“ (Kämpfe) und „ explosions/remote violence“ (Explosionen/Gewalt ohne die physische Anwesenheit des Gewaltausübenden, z. B. Luftan schläge/Drohnenangriffe, Raketenangriffe etc.) berücksichtigt wurden. ACLED verwendet bei der Zählung der Todesopfer die kleinste in den Quellen zu findende Anzahl an Todesopfern. Sind die Angaben zu den Todesopfern in den Quellen ungenau (z. B. „ zahlreiche“, „ einige“, „ mehrere“) oder unbekannt, so codiert ACLED automatisch zehn Todesopfer - oder drei Todesopfer, sofern bekannt ist, dass es sich um weniger als zehn Todesopfer handelt. Die Angaben zu den Todes opfern sind somit Schätzungen von ACLED (s. das Codebuch von ACLED, zuletzt aktualisiert am 3.10.2024, für weitergehende Informationen). 2

2 Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. §3 Abs 4a AsylG Letzte Änderung 2025-07-15 08:39 Erläuterung Bei der Erstellung der vorliegenden Länderinformationen wurde die im § 3 Abs 4a AsylG festge schriebene Aufgabe der Staatendokumentation zur Analyse „ wesentlicher, dauerhafter Verände rungen der spezifischen, insbesondere politischen Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind“, berücksichtigt. Hierbei wurden die vorliegenden mit vorhergehenden Länder informationen abgeglichen und auf relevante, im o. g. Gesetz definierte Verbesserungen hin untersucht. Als den oben definierten Spezifikationen genügend eingeschätzte Verbesserungen wurden einer durch Qualitätssicherung abgesicherten Methode zur Feststellung eines tatsächlichen Vorliegens einer maßgeblichen Verbesserung zugeführt (siehe Methodologie der Staatendoku mentation). Wurde hernach ein tatsächliches Vorliegen einer Verbesserung i.S. des Gesetzes festgestellt, erfolgte zusätzlich die Erstellung eines entsprechenden Themenberichts der Staa tendokumentation zur betroffenen Thematik. Verbesserung i.S. § 3 Abs. 4a AsylG Titel Kapitel Ein Vergleich der Informationen zu asylre levanten Themengebieten in der vorliegen den Länderinformation mit jenen der vormals aktuellen Länderinformationen hat ergeben, dass es zu keinen, wie im § 3 Abs. 4a AsylG beschriebenen Verbesserungen in Iran ge kommen ist. 3 Politische Lage Letzte Änderung 2025-07-17 12:30 Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (FAZ 24.3.2023). Sie kombiniert republikanisch-de mokratische Elemente mit einem theokratischen System, wobei die theokratischen Aspekte die republikanischen Prinzipien größtenteils überschatten und untergraben (BS 19.3.2024). Das Kernkonzept der Verfassung ist die „ Rechtsgelehrtenherrschaft“ (velayat-e faqih). Nach schiiti schem Glauben gibt es einen verborgenen Zwölften Imam, den als Erlöser am Jüngsten Gericht von Gott gesandten Muhammad al-Mahdi (BPB 10.1.2020). Gemäß diesem Prinzip soll ein schiitischer Theologe praktisch in Stellvertretung des seit dem Jahr 874 im Verborgenen wei lenden Mahdi agieren und die Geschicke des Gemeinwesens lenken (BAMF 5.2022). Darauf aufbauend schuf Ayatollah Ruhollah Khomeini 1979 ein auf ihn zugeschnittenes Amt, das über allen gewählten Organen steht und somit die republikanischen Verfassungselemente des Präsi denten und des Parlaments neutralisiert: das Amt des „ Herrschenden Rechtsgelehrten“ (vali-ye faqih), dessen Inhaber auch „ Revolutionsführer“ (rahbar) genannt wird. Der Revolutionsführer 3

übt quasi stellvertretend für den Zwölften Imam bis zu dessen Rückkehr die Macht aus (BPB 10.1.2020). Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vgl. FH 2025). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 19.3.2025), ist höchste Autorität des Landes, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ernennt den Leiter des Justizwe sens sowie des staatlichen Rundfunks und die Mitglieder des Schlichtungsrats (FH 2025). Ihm unterstehen die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC [Korps der Islamischen Revolutionsgarden]) inkl. der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Ba sij-Milizen. In der Hand religiöser Stiftungen und der „ Garden“ liegen mächtige Wirtschaftsunter nehmen, die von der infolge der US-Sanktionen wachsenden Schattenwirtschaft profitieren (ÖB Teheran 11.2021). Dem Revolutionsführer steht ein auf 5.000 Personen geschätztes Büro (beyt- e rahbari) mit einer militärischen und nachrichtendienstlichen Abteilung zur Verfügung, um über die aktuellen Entwicklungen informiert zu bleiben. Zur ideologisch-politischen Überwachung stützt er sich auf die Struktur der „ Vertreter des Revolutionsführers“ (nemayandegan) und der ideologisch-politischen Büros, denen noch die Freitagsprediger in den wichtigsten Moscheen des Landes hinzuzurechnen sind (Posch/LVAk 7.2024). Die ultimative Macht liegt trotz der in der Islamischen Republik Iran abgehaltenen Wahlen in den Händen des Obersten Führers und den nicht gewählten Institutionen unter seiner Kontrolle. Die se Institutionen, einschließlich der Sicherheitskräfte und der Justiz, spielen eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung von abweichenden Meinungen und anderen Einschränkungen der bür gerlichen Freiheiten (FH 2025). Revolutionsführer Khamenei ist oberste Entscheidungsinstanz, kann zentrale Entscheidungen aber nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Die Revoluti onsgarden, die direkt dem Revolutionsführer unterstehen, bleiben ein militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor (AA 15.7.2024). Entscheidende Gremien sind der vom Volk direkt gewählte Expertenrat sowie der Wächterrat (ÖB Teheran 11.2021). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetz gebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „ Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 19.3.2025). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 11.2021). Er sollte die Arbeit des Revo lutionsführers kontrollieren. In der Praxis scheint er die Entscheidungen des Revolutionsführers jedoch nicht herauszufordern (FH 2025). Der Expertenrat wird zwar direkt von der Bevölke rung gewählt, jedoch müssen die Kandidaten zunächst vom Wächterrat bestätigt werden (BS 19.3.2024). Sechs der zwölf Mitglieder des Wächterrats sind vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament be stätigt werden müssen. Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (ÖB Teheran 11.2021), er überwacht die Übereinstimmung der vom Parlament verabschiedeten Gesetze mit dem islamischen Recht (Scharia) (BS 19.3.2024), ist jedoch noch wesentlich mächtiger (ÖB Teheran 11.2021). Er entscheidet, wer bei Parlaments- und Präsi dentschaftswahlen antreten darf (BS 19.3.2024). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2020). 4

Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 2025). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021), der jeweils für zwei hintereinanderfolgende Amtszeiten zur Wahl antreten darf (FH 2025). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innen- und Au ßenpolitik des Landes (BBC 1.7.2024). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt, vor allem in Sicherheitsfragen (BBC 1.7.2024; vgl. BPB 10.1.2020). Die Befugnisse des ge wählten Präsidenten werden durch den Revolutionsführer und andere nicht gewählte Instanzen eingeschränkt (FH 2025), wie auch durch das Parlament (BBC 1.7.2024). Das iranische Parlament mit 290 Abgeordneten, genannt Majles, hat eine Kammer und wird alle vier Jahre direkt gewählt. Das Majles ist die Legislative des Landes, genehmigt das Staats budget, ratifiziert internationale Abkommen (DW 20.6.2025) und kann Ministern das Misstrauen aussprechen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. AA 19.3.2025). Neben den Parlamentsabgeordneten können auch Minister Gesetzesvorschläge einbringen (DW 16.6.2021; vgl. AA 19.3.2025). Die Autorität des Parlaments wird durch den Wächterrat eingeschränkt, der alle Parlamentskandi daten vorselektiert (DW 20.6.2025) und [vom Parlament beschlossene] Gesetze ablehnen kann, die seiner Meinung nach nicht mit der Verfassung oder den Grundsätzen des Islam vereinbar sind (DW 20.6.2025; vgl. FH 2025). Die Kandidaten für Parlamentssitze erhalten ihre Unterstüt zung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen (DW 16.6.2021; vgl. FP 7.3.2024). Quelle 1: BPB 10.1.2020 5
