2025-09-09-coi-cms-laenderinformationen-iran-version-10-33ca
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht eigentlich garantiert sind. Untersuchungshäft linge werden bei Verdacht einer Straftat unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht bewusst verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei poli tisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erfolgt die Anklage oft aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat oft unver hältnismäßig hoch, besonders bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hidschab-Pflicht (Kopftuchzwang) (AA 15.7.2024). Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiö sen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen (AA 15.7.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ AI - Amnesty International (29.4.2025): Iran: Human rights in Iran: Review of 2024/2025, https: //www.amnesty.org/en/documents/mde13/9275/2025/en/, Zugriff 21.5.2025 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2021): Länderreport 35 Iran Aktuelle Lage vor den Präsidentschaftswahlen: Die hybride Staatsordnung, Strafrecht, Menschen rechtslage und Ausblick, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationsz entrum/Laenderreporte/2021/laenderreport-35-Iran.pdf?__blob=publicationFile&v=2#[\{\textooquo te{}num\textcoquote{}:17,\textooquote{}gen\textcoquote{}:0\},\{\textooquote{}name\textcoquote{}: \textooquote{}FitH\textcoquote{}\},766], Zugriff 30.3.2023 ■ IHRNGO - Iran Human Rights (20.2.2025): Annual Report on the Death Penalty in Iran, https: //iranhr.net/media/files/Rapport_iran_2024-WEB.pdf, Zugriff 10.3.2025 ■ Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_pr ocedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023 ■ MRAI - Menschenrechtsanwältin aus Iran (19.6.2023): Interview, via Videotelefonie ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ TST - The Straits Times (10.6.2025): Iran amputates hands of two convicted thieves, https://ww w.straitstimes.com/world/middle-east/iran-amputates-hands-of-two-convicted-thieves , Zugriff 12.6.2025 5.3 Doppelbestrafung, im Ausland begangene Vergehen, Verurteilung in Abwesenheit Letzte Änderung 2025-07-16 08:42 Einer vertraulichen Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge hält sich Iran an den Grundsatz ne bis in idem, wenn es um ta’zir-Strafen geht. Im Falle von hadd- und qisas-Strafen ist eine doppelte Strafverfolgung dagegen möglich. Auch ist es möglich, dass ein Gericht eine 47

ta’zir-Strafe gegen eine Person verhängt, der Staatsanwalt jedoch im Nachhinein angibt, dass dies ein Fehler war und das Vergehen unter einen hadd-Tatbestand fällt. In diesem Fall kann eine Person zweimal für dieselbe Straftat verurteilt werden, in der Praxis kommt dies jedoch selten vor (MBZ 9.2023). Iranische Staatsbürger unterliegen auch im Ausland der iranischen Gesetzgebung und kön nen nach Artikel 7 des IStGB 2013 für Vergehen, die im Ausland begangen wurden, in Iran belangt werden (Landinfo 9.11.2022). Das Verbot der Doppelbestrafung gilt in diesem Fall nur stark eingeschränkt. Nach dem IStGB werden Iraner oder Ausländer, die bestimmte Straftaten im Ausland begangen haben und in Iran festgenommen werden, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Auf die Verhängung von islamischen Strafen [Anm.: hadd- und qisas-Strafen] haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss; die Ge richte erlassen eigene Urteile. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen (AA 15.7.2024). Ein von Landinfo im Jahr 2021 befragter Rechtsanwalt zeichnete jedoch ein differenzierteres Bild und gab an, dass insbesondere im Ausland begangene Vergehen, wel che die innere und äußere Sicherheit betreffen, in Iran strafrechtlich verfolgt werden. Laut dem Rechtsanwalt werden beispielsweise Alkoholkonsum oder „ unzüchtiges“ Verhalten iranischer Staatsbürger im Ausland in Iran nicht strafrechtlich verfolgt (Landinfo 9.11.2022). In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 15.7.2024). Es kommt in der Praxis vor, dass Personen in Iran in Abwesenheit aufgrund von im Ausland durchgeführten Tätigkeiten verurteilt werden, beispielsweise aufgrund von Veröffentlichungen von kritischen Beiträgen in den sozialen Medien. Mehrere Quellen berichteten von derartigen Fällen von bekannten Aktivisten im Ausland (MBZ 9.2023). Es sind eine Reihe von Fällen be kannt, in denen iranische Staatsangehörige, insbesondere wenn diese als Journalisten oder Blogger eine große Reichweite haben und sich kritisch zu politischen Themen in Iran äußern (Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Bereicherung bei Amtsträgerinnen und Amtsträ gern, Frauenrechte, interne Machtkämpfe) in Drittländern entführt wurden, um sie nach Iran zu verbringen, wo sie in (Schau-)Prozessen verurteilt und teils sogar hingerichtet wurden. Auch gibt es glaubhafte Berichte zu Mordanschlägen im Ausland auf diesen Personenkreis (AA 15.7.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (9.11.2022): Iran: Internett og sosiale medier, https://www.ecoi.net/en/file/local/2083376/Temanotat-Iran-Interne tt-og-sosiale-medier-09112022.pdf , Zugriff 23.3.2023 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zu griff 30.11.2023 48

5.4 Gerichtsdokumente Letzte Änderung 2025-07-17 12:30 Gerichtsdokumente sind nach Auskunft einer ehemals in Iran tätigen Rechtsanwältin größtenteils standardisiert. So muss beispielsweise ein Urteil immer die Aktenzeichen, die Archivnummer und die Zuständigkeit des Gerichts enthalten. Es enthält außerdem eine Zusammenfassung, deren Länge variieren kann. Das Urteil sollte durchgängig auf die relevanten Artikel des anwend baren Gesetzbuchs verweisen - beispielsweise in Strafverfahren auf die relevanten Artikel des Strafgesetzbuchs. Darüber hinaus sollte die im Urteil verwendete Sprache in Bezug auf Inhalt und Wortwahl im gesamten Dokument einheitlich sein (dies bezieht sich auf die Verwendung der Sprache, nicht auf die Formatierung; Unstimmigkeiten in der Schriftart kommen manchmal innerhalb eines Dokuments vor) (MRAI-2 13.6.2025). Papierdokumente, wie z. B. Gerichtsurkunden, Vorladungen und Grundstücksurkunden sind relativ leicht durch betrügerische Mittel zu erhalten (DFAT 24.7.2023) und für Justizunterlagen wie Urteile, Vorladungen etc. kann eine mittelbare Falschbeurkundung wegen der Korruption im Justizsystem nicht ausgeschlossen werden. Sofern die Dokumente in der Justizdatenbank SANA hinterlegt sind, kann von deren Echtheit ausgegangen werden (AA 15.7.2024). Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausge stellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österrei chischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden (ÖB Teheran 11.2021). SANA-System/Justizdatenbank Adliran Durch die sukzessive Digitalisierung des Justizsystems können seit Ende 2016 Justizdokumente über das sog. SANA-System [bzw. in der Datenbank Adliran] abgerufen werden (AA 15.7.2024). Das SANA-System ist eine elektronische Rechtsdatenbank der Justiz, die zur Registrierung und Verfolgung von Fällen dient. Über das SANA-System können Anwälte und Mandaten auf die Dokumente eines Falles zugreifen (MBZ 9.2023). Seit 2019 werden Justizdokumente in allen Provinzen in der Regel fast ausschließlich über diese Datenbank kommuniziert (vgl. Art. 175 iranische StPO in der Fassung von 2013/14) (AA 15.7.2024). Das SANA-System ist verpflich tend und inzwischen werden beinahe alle Gerichtsfälle im SANA-System bearbeitet (MRAI-2 13.6.2025). Wenn eine Person vor Gericht erscheinen muss, wird sie per SMS benachrichtigt, dass ein Brief im SANA-System vorhanden ist. Sollte sie kein SANA-Konto haben, wird eine Benachrichtigung in Papierform ausgestellt. Darin wird darauf hingewiesen, dass sich der Adressat über das SA NA-System für die weiteren Schritte registrieren muss (MBZ 9.2023). Die Registrierung erfolgt durch persönliche Vorsprache oder eine Art Video-Identitätsfeststellungsverfahren. Ferner sind v. a. die Kart-e melli-Nummer und eine iranische Mobilfunknummer erforderlich, an die ein tem poräres Passwort versendet wird (AA 15.7.2024). Auch Dritte können auf die Justizdokumente einer Person zugreifen, wenn sie die zehnstellige „ nationale Nummer“ der Person (den Benut zernamen) und das sechsstellige temporäre Passwort haben, das per SMS zugesandt wird. 49

Mit den Zugangsdaten kann jeder, einschließlich Familienmitglieder und Rechtsvertreter von Beschuldigten, auf die in der Datenbank gespeicherten Informationen zugreifen und Dokumente ausdrucken (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021; vgl. MBZ 9.2023). Wer über ein SANA-Konto verfügt [d. h. sich schon im SANA-System registriert hat], kann auch aus dem Ausland darauf zugreifen. In einigen Fällen muss jedoch möglicherweise ein VPN ver wendet werden, um von außerhalb des Landes auf das Portal zugreifen zu können. Für Iraner, die außerhalb des Landes leben, wurde eine neue Website (https://international-sana.itsaaz .com/) eingerichtet, um ihnen den Zugang zu erleichtern. Sie können nun international aner kannte Zahlungskarten und ihre ausländische Telefonnummer verwenden (MRAI-2 13.6.2025). Im Ausland lebende Iraner berichten jedoch, dass die Registrierung von außerhalb des Landes nicht einfach ist. Um beispielsweise ein Konto zu eröffnen, benötigen sie einen neuen „ smarten“ Personalausweis (MRAI-2 13.6.2025; vgl. Migrationsverket 28.10.2024), den sie von Konsula ten im Ausland [i.d.R.] nicht erhalten können (MRAI-2 13.6.2025), wobei die Behörden im Jahr 2022 ankündigten, dass sich Auslandsiraner nun für „ smarte“ Personalausweise beim iranischen Konsulat in Wien registrieren könnten (TEHT 10.4.2022). Nur wenige iranische Konsulate im Ausland unterstützen ihre Bürger beim Zugang zum SANA-System. Das Konsulat in Amsterdam bietet diesen Service beispielsweise an. Es gibt auch Websites, die die Einrichtung eines SA NA-Kontos gegen eine Gebühr anbieten, allerdings hat die iranische Botschaft im Vereinigten Königreich beispielsweise von deren Nutzung abgeraten (MRAI-2 13.6.2025). Manche Dokumente können nicht im SANA-System abgerufen werden (z. B. Sitzungsproto kolle oder die meisten Akten von Revolutionsgerichten) (MRAI-2 13.6.2025). Es ist unklar, auf welche Informationen Nutzer im SANA-System konkret zugreifen können und inwieweit dies von Fall zu Fall variiert. Im Allgemeinen ist die Nutzung des SANA-Portals bei den Revoluti onsgerichten stärker eingeschränkt als bei anderen Gerichten (Migrationsverket 28.10.2024). Die Revolutionsgerichte laden lediglich Benachrichtigungen über den Verhandlungstermin eines Gerichtsprozesses sowie darüber, dass ein Gerichtsurteil gefällt wurde, in das SANA-System hoch (MRAI-2 13.6.2025). Militärgerichte, die Straftaten von Angehörigen der Streitkräfte bei der Dienstausübung verhandeln, sind gesetzlich dazu verpflichtet, Dokumente zu Urteilen im SANA- System bereitzustellen. Laut einer vom niederländischen Außenministerium befragten Quelle hängt es jedoch vom jeweiligen Fall ab, ob ein Urteil eines Militärgerichts im SANA-System sichtbar ist. Bei sensiblen Fällen können die Gerichte die Bediensteten auffordern, persönlich zur Urteilseinsicht zu erscheinen (MBZ 9.2023). Antragsteller können den Asylbehörden nur dann Dokumente aus dem SANA-System vorlegen, wenn sie im SANA-System registriert sind. In sicherheitsbezogenen Fällen werden Vorladungen möglicherweise nur telefonisch erteilt. Ein Gerichtsverfahren kann mit einem Anruf oder einer SMS von Sicherheitsbeamten oder manchmal sogar mit einem Klopfen an der Tür beginnen. In vielen Fällen verlassen Personen mit rechtlichen Problemen Iran danach, d. h. während der Ermittlungsphase, und oft in Eile, was bedeutet, dass sie möglicherweise nicht über viele - oder gar keine - offiziellen Dokumente verfügen, um ihren Rechtsfall zu belegen. Diese Perso nen verlassen Iran möglicherweise aus Angst vor Verfolgung, einschließlich langer Haftstrafen, nachdem sie erfahren haben, dass gegen sie ermittelt wird, da viele Handlungen in Iran unter 50

Strafe stehen. Dazu gehören „ Lifestyle“-Entscheidungen wie der Besitz von Büchern über spiri tuelle Lehren, Pranic Healing [Anm.: esoterische Heilpraxis] oder anderen Materialien, die als gegen die islamischen Lehren verstoßend angesehen werden, der Besitz von Alkohol, der bei Hausdurchsuchungen entdeckt werden könnte, oder die Teilnahme an Versammlungen und ge mischtgeschlechtlichen Kursen, wie z. B. Yoga-Kursen für Männer und Frauen. In einigen Fällen können die Ermittlungen bis zu zwei Jahre dauern, bevor ein „ offizielles“ Verfahren eingeleitet wird. Manchmal vermeiden es die Behörden, Beweise für diese Ermittlungen zu hinterlassen (MRAI-2 13.6.2025). Während der „ Frau, Leben, Freiheit“-Proteste wurden zahlreiche Menschen von den Sicher heitskräften festgenommen und verhört, aber in vielen Fällen wurde keine formelle Strafanzeige gegen sie gestellt. Unter diesen Umständen gibt es im SANA-Portal wahrscheinlich keinen Fall und keine damit in Verbindung stehenden Unterlagen. In anderen Fällen wurden formale Anklagen gegen Personen erhoben, die im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen wurden. Die Anschuldigungen können zum Beispiel „ Verstöße gegen die öffentliche Ordnung“ oder Sicherheitsdelikte umfassen. Wenn gegen eine Person förmlich Anklage erhoben wird, wird in der Regel ein Aktenzeichen in das SANA-System eingetragen. Für Anklagen wegen Sicher heitsdelikten, die von den Revolutionsgerichten behandelt werden, gilt dies allerdings oftmals nicht. Zwar wird ihnen manchmal eine Fallnummer im SANA-System zugewiesen, aber in der Regel werden in diesen Fällen keine Dokumente hochgeladen (Migrationsverket 28.10.2024). Ergänzende Bemerkung zu Akten der Revolutionsgerichte Revolutionsgerichte stellen üblicherweise keine Kopien der Prozessakten zur Verfügung (MRAI- 2 13.6.2025; vgl. MBZ 9.2023) und sehen meist davon ab, das Urteil an die Angeklagten zu übermitteln. In der Regel laden sie den Anwalt des Angeklagten vor Gericht und verlesen das Urteil. Solche Urteile sind folglich nicht im SANA-System abrufbar (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021). Die Angeklagten oder ihre Anwälte dürfen Prozessakten üblicherweise nur einsehen und sich Notizen machen, das Anfertigen von Kopien ist nicht gestattet. Einige Zweigstellen stel len jedoch unter Umständen eine Kopie des Urteils zur Verfügung, dies ist jedoch insbesondere in Teheran nicht üblich (MRAI-2 13.6.2025). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (24.7.2023): DFAT Country Information Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2095685/country-information-report-iran.pdf , Zugriff 4.1.2024 ■ Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_pr ocedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023 51

■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zu griff 30.11.2023 ■ Migrationsverket - Schwedisches Migrationsamt [Schweden] (28.10.2024): Iran - Efterspelet till pro testerna 2022, https://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentSummaryId=48806 , Zugriff 17.3.2025 ■ MRAI-2 - Menschenrechtsanwältin aus Iran-2 (13.6.2025): Auskunft per E-Mail ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ TEHT - Tehran Times, The (10.4.2022): Identity cards to be issued for Iranian expats, https://www. tehrantimes.com/news/471524/Identity-cards-to-be-issued-for-Iranian-expats , Zugriff 13.3.2023 6 Sicherheitsbehörden Letzte Änderung 2025-07-17 12:30 Iran hat eine starke Zentralregierung mit einem komplexen institutionellen Gefüge. Das Gewalt monopol liegt bei den staatlichen und halbstaatlichen Einheiten, die das Regime bilden. Die Revolutionsgarden sind im iranischen Sicherheitsapparat die mächtigste Kraft (BS 19.3.2024), aber auch vom Regime anerkannte Bürgerwehren üben Gewalt aus, wenn es z. B. um die Nie derschlagung von Straßenprotesten geht (BS 19.3.2024; vgl. IRWIRE 25.9.2022). Der Oberste Führer - und nicht der Präsident - ist der oberste Befehlshaber über alle Streitkräfte. Er kann Krieg oder Frieden erklären und Militäroperationen genehmigen (DIA 2019). In Iran gibt es eine Vielzahl verschiedener Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden (Land info/CEDOCA/SEM 12.2021). Hierbei gibt es einige Besonderheiten, die auf die „ revolutionäre Natur“ des Regimes zurückzuführen sind, nämlich das Nebeneinanderbestehen von traditio nellen staatlichen Waffenträgern, wie Armee und Polizei, mit revolutionären Institutionen. Diese Situation führt zu Duplizierungen, Überlappungen und unklaren Kompetenzzuteilungen sowie institutioneller Konkurrenz. Gleichzeitig herrscht seit Jahren das Bemühen, diese Parallelität zu rationalisieren und unterschiedlichen Institutionen unterschiedliche Aufgaben zuzuweisen, sodass heute von einer laufenden Fusionierung aller Elemente ausgegangen werden muss (Posch/LVAk 7.2024). Das Strafverfolgungskommando (FARAJA) [sprich: FARADSCHA, Farmandehi-ye Entezami- ye Jomhuri-ye Eslami-ye Iran], das dem Innenministerium untersteht, stellt die uniformierte Polizei des Landes und ist dem Präsidenten verantwortlich, so wie auch das Informations- oder Geheimdienstministerium (VAJA) [sprich: VADSCHA] (CIA 14.5.2025). Der volle Name der Organisation lautet Vezarat-e Etela’at-e Jomhuri-ye Eslami-ye Iran, je nach Übersetzung Informations- oder Geheimdienstministerium der Islamischen Republik Iran, auf Englisch ist auch die Bezeichnung Ministry of Intelligence/Information and Security bzw. das Akronym MOIS weit verbreitet (Ward 2024). Das in manchen Publikationen verwendete Akronym VEVAK ist dagegen eine Fehlübertragung (Posch/LVAk 7.2024) und war in Iran auch nie gebräuchlich (Ward 2024). Gemeinsam mit dem Korps der Islamischen Revolutionsgarden [Sepah-e Pasdaran-e Enqhelab- e Islami - englischsprachiges Akronym: IRGC], das direkt dem Obersten Führer untersteht, sind FARAJA und VAJA/MOIS für die innere Sicherheit und die Strafverfolgung im Land zuständig. 52

Die Basij, eine aus Freiwilligen bestehende paramilitärische Gruppierung, agieren zum Teil unter den Revolutionsgarden als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug (CIA 14.5.2025). Die Militärkräfte unterteilen sich in das Korps der Revolutionsgarden und die reguläre Armee (Artesh [Artesh-e Jomhuri-ye Eslami-ye Iran]) (CIA 14.5.2025). Die Artesh ist ein Vermächtnis der Sicherheitsbehörden aus der Schah-Zeit. Sie existiert neben den Revolutionsgarden, die 1979 von Khomeini als regimetreue Truppe gegründet wurden (CRS 30.12.2024) und konzentriert sich in erster Linie auf die Verteidigung der iranischen Grenzen und Hoheitsgewässer gegen Bedrohungen von außen. Die Revolutionsgarden haben dem gegenüber einen umfassenderen Auftrag, nämlich die iranische Revolution gegen jegliche Bedrohung von außen oder innen zu verteidigen (CIA 14.5.2025). Die Informationen zur Truppenstärke der iranischen Streitkräfte variieren. Rund 400.000 Solda ten dienen in den regulären Streitkräften und bis zu 190.000 in den Revolutionsgarden, davon rund 5.000 bei den Quds-Kräften (CIA 14.5.2025; vgl. IRJ 1.2.2021). Die Basij haben mit Stand 2025 geschätzte 90.000 aktive paramilitärische Kräfte (CIA 14.5.2025), wobei Schätzungen über die Zahl der Basij-Mitglieder insgesamt weit auseinandergehen und bis zu mehreren Millionen reichen (ÖB Teheran 11.2021). Nach Angaben israelischer Behördenvertreter wurden bei der 12-tägigen israelischen Militär operation im Juni 2025 u. a. 30 hochrangige Vertreter der iranischen Sicherheitsbehörden ge tötet (REU 27.6.2025; vgl. ABC News 28.6.2025), darunter gleich zu Beginn der Operation am 13.6.2025 der Leiter der Revolutionsgarden, der Stabschef der Streitkräfte, der Befehlshaber des zentralen Hauptquartiers Khatam al-Anbiya (AJ 15.6.2025; vgl. Amwaj 30.6.2025), das für die Koordination der verschiedenen iranischen Streitkräfte zuständig ist (Alma 17.6.2025), der oberste Kommandant der Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden (AJ 15.6.2025; vgl. Am waj 30.6.2025) und der Chef der Geheimdienstorganisation der Revolutionsgarden (IRGC-IO) (Amwaj 30.6.2025). Laut den israelischen Behörden wurden 720 militärische Einrichtungen in Iran getroffen (ABC News 28.6.2025). Neben einer Ausschaltung der iranischen Luftabwehr zu Beginn (ORF 13.1.2025; vgl. t-online 13.6.2025) und Angriffen auf iranische Raketenab schussbasen (NYT 18.6.2025; vgl. t-online 13.6.2025) haben die israelischen Streitkräfte nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums u. a. auch Einrichtungen der inneren Si cherheit, diverse Kommandozentralen der Revolutionsgarden, darunter das Hauptquartier für innere Sicherheit der Revolutionsgarden, und das Hauptquartier der Basij angegriffen (JPOST 23.6.2025; vgl. YNET 23.6.2025). Iranische Behörden gehen davon aus, dass die gezielten Tötungen von hochrangigen Kommandanten der Sicherheitskräfte aufgrund einer beispiello sen Infiltration der iranischen Sicherheitsdienste durch israelische Agenten möglich war (BBC 26.6.2025). Behandlung der Zivilbevölkerung In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS 23.2.2018). 53

Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgrup pen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu begehen, darunter Folter, Verschwindenlassen und Gewaltakte gegen Demonstranten und Umstehende bei öffentlichen Demonstrationen (USDOS 23.4.2024). Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie Basij de facto willkürlich handeln können. Bereits auffälliges Hören von (insbesondere westlicher) Musik, ungewöhnli che Bekleidung, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger, nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen können den Unwillen zufällig anwesender Basij bzw. mit diesen sympa thisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Misshandlung durch Basij können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 11.2021). Bei der brutalen Durchsetzung von Regeln wie der Kopftuchpflicht für Frauen, die im September 2022 Auslöser der Proteste war, stehen laut dem Iran-Experten Walter Posch nicht unbedingt die regulären Polizeieinheiten im Fokus, sondern „ überambitionierte Freiwillige“, die sich nor malerweise aus den Basij-Milizen rekrutieren. Sie nennen sich die „ Hezbollahis“ [Anm.: nicht gleichzusetzen mit der libanesischen Hisbollah], also „ Parteigänger Gottes“, und vertreten dabei das islamische Prinzip des „ Gebieten des Guten, Verbieten des Schlechten“ (al-amr bi-l-maʿrūf wa-n-nahy ʿani-l-munkar). Die Polizei hat wenig Anreiz, Frauen vor Willkür zu schützen und sich mit den politisch bestens vernetzten Hezbollahis anzulegen (Zenith 21.9.2022). Quellen ■ ABC News - Australian Broadcasting Corporation News (28.6.2025): Iran holds funeral for military commanders and scientists killed in Israel war, https://www.abc.net.au/news/2025-06-28/iran-holds -funeral-for-military-commanders-and-scientists-killed/105473120 , Zugriff 30.6.2025 ■ AJ - Al Jazeera (15.6.2025): What is Iran’s IRGC and who has Israel killed?, https://www.aljazeera. com/news/2025/6/15/what-is-irans-irgc-and-who-has-israel-killed , Zugriff 30.6.2025 ■ Alma - Alma Research and Education Center, the (17.6.2025): Iran’s Khatam al-Anbiya Leaders Eliminated in June 2025, https://israel-alma.org/irans-khatam-al-anbiya-leaders-eliminated-in-jun e-2025/, Zugriff 30.6.2025 ■ Amwaj - Amwaj Media (30.6.2025): Iran honors victims of Israeli attacks as MPs want harsher espionage sentences, https://amwaj.media/en/media-monitor/iran-honors-victims-of-israeli-attacks -as-mps-want-harsher-espionage-sentences , Zugriff 30.6.2025 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (26.6.2025): Iran carries out wave of arrests and executions in wake of Israel conflict, https://www.bbc.com/news/articles/ce8zv8j563po, Zugriff 30.6.2025 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2105885/country_report_2024_IRN.pdf, Zugriff 26.3.2024 ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.5.2025): The World Factbook: Iran, https://www.cia.go v/the-world-factbook/countries/iran/, Zugriff 21.5.2025 ■ CRS - Congressional Research Service [USA] (30.12.2024): Iran: Background and U.S. Policy, https://sgp.fas.org/crs/mideast/R47321.pdf, Zugriff 9.4.2025 ■ DIA - Defense Intelligence Agency (2019): Iran Military Power, https://www.dia.mil/Portals/110/Imag es/News/Military_Powers_Publications/Iran_Military_Power_LR.pdf, Zugriff 3.4.2024 ■ DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (23.2.2018): IRAN House Churches and Converts, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf , Zugriff 16.3.2023 ■ IRJ - Iran Journal (1.2.2021): Aus der Schwäche wuchs ihre Macht, https://iranjournal.org/wirtschaft /geschichte-der-revoltuionsgarde/2, Zugriff 28.3.2023 54

■ IRWIRE - IranWire (25.9.2022): Explainer: The Islamic Republic of Iran’s Architecture of Suppression, https://iranwire.com/en/society/107906-explainer-the-islamic-republic-of-irans-architecture-of-sup pression/, Zugriff 13.5.2024 ■ JPOST - Jerusalem Post, The (23.6.2025): Israel kills hundreds of IRGC members in strikes on Tehran’s Basij, Alborz forces, https://www.jpost.com/middle-east/iran-news/article-858648 , Zugriff 30.6.2025 ■ Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_pr ocedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023 ■ NYT - New York Times, The (18.6.2025): See What Strategic Infrastructure Israel Has Damaged in Iran, https://www.nytimes.com/interactive/2025/06/18/world/middleeast/israel-iran-strikes-facilitie s-map.html, Zugriff 30.6.2025 ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ ORF - Österreichischer Rundfunk (13.1.2025): Israels schwerer Schlag gegen Iran, https://orf.at/sto ries/3396646/, Zugriff 30.6.2025 ■ Posch/LVAk - Posch, Walter (Autor), Landesverteidigungsakademie [Österreich] (Herausgeber) (7.2024): Der iranische Sicherheitsapparat, https://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/publikationen/bu ch_der_iranische_sicherheitsapparat_posch_web.pdf, Zugriff 13.8.2024 ■ REU - Reuters (27.6.2025): Israel killed 30 Iranian security chiefs and 11 nuclear scientists, Israeli official says, https://www.reuters.com/business/aerospace-defense/israel-killed-30-iranian-securit y-chiefs-11-nuclear-scientists-israeli-official-2025-06-27/ , Zugriff 30.6.2025 ■ t-online - t-online (13.6.2025): So schaltete Israel die iranische Flugabwehr aus, https://www.t-onlin e.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100766050/mossad-operation-rising-lion-so-sab otierte-israel-irans-luftabwehr.html , Zugriff 30.6.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024 ■ Ward - Ward, Steven R. (2024): Iran’s Ministry of Intelligence. A Concise History. Washington, D.C.: Georgetown University Press. ■ YNET - Ynet News (23.6.2025): Among the targets in Tehran: Basij headquarters, prison for regime opponents and ’Israel destruction’ clock, https://www.ynetnews.com/article/yql7p5ozw , Zugriff 30.6.2025 ■ Zenith - Zenith (21.9.2022): Die unverhüllte Wahrheit über Irans Regime, https://magazin.zenith.me/ de/politik/die-islamische-republik-und-der-tod-von-mahsa-amini-iran , Zugriff 27.3.2023 6.1 Polizei (Strafverfolgungskommando/FARAJA), Sittenpolizei Letzte Änderung 2025-07-17 12:30 Anm.: Im Rahmen der 12-tägigen israelischen Militäroperation „ Rising Lion“ ab dem 13.6.2025 haben die israelischen Streitkräfte Einrichtungen diverser Sicherheitsbehörden angegriffen (s. das Überkapitel für allgemeine Informationen). Die Auswirkungen auf die Organisationsstruktu ren der Sicherheitsbehörden können zum gegenwärtigen Zeitpunkt [Stand 30.6.2025] noch nicht sinnvoll abgeschätzt werden und finden daher nachstehend noch keine Berücksichtigung. Die Staatendokumentation beobachtet die Lage weiterhin, Informationen werden bei kommenden Aktualisierungen ergänzt. Darüber hinaus wird auf die Möglichkeit verwiesen, ggf. Anfragen an die Staatendokumentation zu stellen. Das „ Kommando der Ordnungskräfte der Islamischen Republik Iran“ (Farmandehi-ye Enteza mi-ye Jomhuri-ye Eslami-ye Iran, FARAJA/FARADSCHA) (Posch/LVAk 7.2024) oder Strafver folgungskommando ist die uniformierte Polizei Irans und umfasst Abteilungen für öffentliche 55

Sicherheit, Verkehrskontrolle, Drogenbekämpfung, Spezialkräfte (Aufstandsbekämpfung, Terro rismusbekämpfung, Geiselbefreiung usw.) sowie für nachrichtendienstliche und strafrechtliche Ermittlungen. Die FARAJA ist (über das Grenzschutzkommando) auch für die Grenzsicherung zuständig (CIA 14.5.2025). Früher war die Organisation als „ Strafverfolgungsbehörde der Islamischen Republik Iran“ (NA JA/NADSCHA) bekannt (IRWIRE 25.9.2022; vgl. Posch/LVAk 7.2024). 2021 wurde eine tiefgrei fende Reform durchgeführt und die NAJA in die FARAJA umgewandelt, wodurch die Organisa tion ein militärisches Aussehen erhielt. Auch wurden Abwehr- und Aufklärungseinheiten nach militärischem Muster eingeführt. Der neu geschaffenen Aufklärungsorganisation (Sazeman-e Ettelaat-e FARAJA) ist auch eine neue Ordnungspolizei („ Polizei für öffentliche Sicherheit“, Po lis-e Amniyat-e Omumi, PAVA) unterstellt (Posch/LVAk 7.2024). Mit der Umbenennung erfolgte eine Erweiterung der Befugnisse und Einrichtungen (IRWIRE 25.9.2022). Sittenpolizei Die Unterabteilung PAVA der FARAJA hat wiederum eine Unterabteilung mit dem Namen „ Po lizei für Moralische Sicherheit“ oder Sittenpolizei [Polīs-e Amnīyat-e Akhlāqī] (AI 6.3.2024; vgl. Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021). Ihr Auftrag ist die Überwachung von Bekleidungsvorschriften für Frauen und Männer in der Öffentlichkeit (Vermeidung eines „ unislamischen“ Erscheinungs bilds) sowie die Überwachung (und Verhinderung) von Verhalten gegen die „ islamische Moral“ im Allgemeinen. Die Sittenstreife (Gasht-e Ershād [auch: „ Belehrungsstreife“]) ist eine Unter einheit der Sittenpolizei. Sie besteht aus männlichen wie weiblichen Sicherheitskräften und ist üblicherweise in Polizeiautos auf öffentlichen Plätzen stationiert. Dort überwachen sie die La ge und verhaften Personen, insbesondere Frauen, die vorgeblich „ unzüchtig“ gekleidet sind, oder versuchen, eine Vermischung der Geschlechter zu unterbinden [Anm.: so die betroffenen Männer und Frauen nicht nah miteinander verwandt sind] (Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021). Die Sittenpolizei wird beschuldigt, Frauen willkürlich wegen Übertretungen zu verhaften. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Jina Amini, die zuvor von der Sittenpolizei wegen eines angeblich unkorrekt getragenen Hijabs festgenommen worden war, hat ab September 2022 monatelange Proteste ausgelöst (DW 4.12.2022). Nach Beginn der landesweiten Proteste verschwand die Sittenpolizei weitgehend von den Straßen (USIP 6.9.2023a). Anfang Dezember 2022 berichte ten Medien, dass sie aufgelöst werden soll (DW 4.12.2022; vgl. Tagesschau 11.3.2023), was als Zugeständnis an die Protestbewegung gewertet wurde (Tagesschau 11.3.2023). Tatsächlich wurde die Sittenpolizei jedoch nie aufgelöst (USIP 6.9.2023a; vgl. RFE/RL 20.7.2023) und die weißen Vans der Sittenpolizei waren bald wieder in den Straßen Teherans und anderer größerer Städte zu sehen (AJ 30.3.2025; vgl. FR24 13.8.2024). Quellen ■ AI - Amnesty International (6.3.2024): Iran: Testimonies Provide a Frightening Glimpse Into the Daily Reality of Women and Girls, https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2024/03/MDE137770 2024ENGLISH.pdf, Zugriff 13.5.2024 56
