2025-09-09-coi-cms-laenderinformationen-iran-version-10-33ca
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Beispiel die Datenverbindungen verlangsamen, die Verschlüsselung von Telefongesprächen knacken, die Bewegungen von Einzelpersonen oder großen Gruppen verfolgen und detaillierte Zusammenfassungen von Metadaten darüber erstellen, wer mit wem, wann und wo gespro chen hat (Intercept 28.10.2022). Ein Überwachungssystem, das auf Pickups nahe Universitäten und Protestzentren installiert wird und über das schon 2020 berichtet wurde, fängt beispiels weise Bluetooth-Übertragungen ab, um politische Aktivisten, Dissidenten und Demonstranten zu überwachen (Intel471 8.7.2020; vgl. Khorrami/TWI 29.3.2024). Iranische Mobiltelefonnutzer berichteten von SMS, die sie von lokalen Polizeistationen mit dem Hinweis erhalten haben, dass sie sich in einem „ Unruhegebiet“ aufgehalten hätten und dieses Gebiet nicht noch einmal aufsu chen oder nicht noch einmal mit „ anti-revolutionären“ Regierungsgegnern online in Verbindung treten sollten (Intercept 28.10.2022). Weiters wird von lokalen Unterbrechungen (Filterwatch 16.4.2025, FH 16.10.2024, HRW 22.11.2023) und Geschwindigkeitsdrosselungen des Internets im Zusammenhang mit Protesten berichtet (NatGeo 17.10.2022), wobei das Projekt Filterwatch, das sich auf die Analyse von Internetausfällen in Iran spezialisiert hat, beispielsweise 10 % aller im März 2025 registrierten Internetausfälle mit Protesten in Verbindung brachte (Filterwatch 16.4.2025). Anmerkung: Ausführliche Informationen zu den umfangreichen „ Frau, Leben, Freiheit“-Protesten zwischen September 2022 und Frühling/Sommer 2023 können dem Unterkapitel „ Protestwelle 2022/2023“ der Version 9 der Länderinformationen zu Iran der Staatendokumentation vom 17.10.2024 entnommen werden. Gewerkschaftliche Aktivitäten In Iran gibt es ausführliche Vorschriften zur Arbeitnehmerorganisation und -vereinigung. Diese rechtlichen Grundlagen institutionalisieren ein schwaches System der Arbeitnehmervertretung, das geltende Arbeitsrecht schränkt die Vereinigungsfreiheit stark ein. Jede Firma oder Berufs gruppe darf nur eine einzige Gewerkschaft bilden. Diese Organisationen sind schwach und existieren hauptsächlich auf lokaler Betriebs- oder Bezirksebene. Formelle Gewerkschaftsor ganisationen bleiben mit marginalisierten reformistischen Fraktionen in der iranischen Poli tik verbunden, die unter [dem im Mai 2024 verstorbenen] Präsident Raisi von der politischen Einflussnahme weitgehend ausgeschlossen waren. Neben den formellen Gewerkschaftsorga nisationen bestehen in Iran auch zahlreiche unabhängige Gewerkschaftsinitiativen. Aufgrund staatlicher Repression sind diese Initiativen jedoch oft lokal begrenzt und nur von kurzer Dau er (FES 3.2024). Es gibt keine Betätigungsmöglichkeit für unabhängige Gewerkschaften (ÖB Teheran 11.2021; vgl. FH 2025), nur staatlich geförderte Arbeitsräte sind erlaubt. Arbeitnehmer rechtsgruppen sind in den letzten Jahren unter Druck geraten (FH 2025). Führende Vertreter und Aktivisten wurden aufgrund von Anschuldigungen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit zu Haftstrafen verurteilt (FH 2025; vgl. AA 15.7.2024). Zusätzlich zu den oben genannten Beschränkungen bei der Gewerkschaftsbildung bestehen klare de-jure-Beschränkungen für das Streikrecht und das Recht auf kollektive Verhandlungen. Obwohl beides formell erlaubt ist, machen umfangreiche Anforderungen an Schlichtung und Streikverfahren diese Rechte in der Praxis unpraktikabel. Gleichzeitig toleriert die Regierung 93

informell Streiks und stellt sich während der Streikaktionen oft auf die Seite der Arbeitnehmer. Diese werden wegen ihrer Beteiligung an Streiks nur selten rechtlich verfolgt. Im Gegensatz dazu sehen sich unabhängige Formen der Arbeitnehmerorganisation, längerfristige und „ nicht spontane“ Formen des Streiks sowie Proteste mit politischen Forderungen einer systematischen staatlichen Unterdrückung gegenüber (FES 3.2024). Streikende Arbeitnehmer können von Ent lassung und Verhaftung bedroht sein. Trotz solcher Repressalien haben die Arbeiterproteste in den letzten Jahren aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Not zugenommen (AA 15.7.2024). Ende Mai 2025 wurde von über eine Woche andauernden Streiks von LKW-Fahrern in mehr als 130 iranischen Städten berichtet, die sich gegen deutliche Erhöhungen von Versicherungsprä mien und Subventionskürzungen für Diesel richteten. Dies ist einer der umfangreichsten Streiks der letzten Jahre (RFE/RL 30.5.2025; vgl. BBC 30.5.2025). Er wird von der Gewerkschaft der LKW-Fahrer getragen. Die Behörden reagierten Ende Mai mit Ankündigungen, auf die Forde rungen der Gewerkschaft einzugehen. Gleichzeitig wurde allerdings auch von Verhaftungen von Protestierenden berichtet (BBC 30.5.2025). Politische Parteien und Opposition Die Verfassung lässt die Gründung politischer Parteien, von Berufsverbänden oder religiösen Organisationen so lange zu, als sie nicht gegen islamische Prinzipien, die nationale Einheit oder die Souveränität des Staates verstoßen und nicht den Islam als Grundlage des Regie rungssystems infrage stellen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. FH 2025). Hinzu kommen immer wieder verhängte, drakonische Strafen aufgrund diffuser Straftatbestände („ regimefeindliche Propa ganda“, „ Beleidigung des Obersten Führers“ etc.) (ÖB Teheran 11.2021). Es gibt zwar politische Parteien und Gruppierungen (BS 19.3.2024; vgl. MEHR 10.2.2024), aber sie stehen nicht im Mittelpunkt des politischen Prozesses. Insbesondere dienen sie nicht als Drehscheibe für die politische Willensbildung, die Einbeziehung von Forderungen der Bevölke rung in den politischen Prozess, die Umsetzung von Maßnahmen, die Kontrolle der Regierung oder die Rekrutierung von politischem Personal (BS 19.3.2024). Vielmehr wird die Politik in der Islamischen Republik über (zuweilen etwas fließende) personelle Netzwerke zwischen den Eliten des Regimes betrieben (BS 19.3.2024; vgl. FP 7.3.2024). Einflussreiche Bewegungen, Gruppierungen und Persönlichkeiten veröffentlichen bei Wahlen Listen ihrer bevorzugten Kan didaten (FP 7.3.2024). Im Parlament existiert keine mit europäischen Demokratien vergleichbare, in festen Fraktio nen organisierte parlamentarische Opposition. Sowohl bei Präsidentschafts- als auch bei Par lamentswahlen nimmt der Wächterrat die Auswahl der Kandidaten vor. Kandidaten werden unter fadenscheinigen Gründen aussortiert (ÖB Teheran 11.2021). Dort, wo es bei den Parla ments- und Expertenratswahlen im März 2024 einen Wettbewerb gab, fand dieser zwischen verschiedenen konservativen Fraktionen statt. Beispielsweise in der Hauptstadt Teheran for derten neue Konservative mit vergleichsweise strikten Positionen zu islamischem Recht sowie einer ablehnenden Haltung zu Reformen etablierte Konservative heraus (FP 7.3.2024). Die vorhandenen Reformparteien sind eher schwach (Stimson 10.3.2025). Innerhalb des Systems agierende, reformorientierte Politiker stehen zunehmend unter Druck und werden von großen 94

Teilen der Bevölkerung nicht als legitime Alternative wahrgenommen (AA 15.7.2024). Der im Sommer 2024 ins Amt gewählte Präsident Massoud Pezeshkian bezeichnete sich selbst als „ re formistischen Prinzipisten“, eine Wortkombination aus den beiden vorherrschenden politischen Strömungen in Iran. Er war formal nie Teil der Fraktion der Reformisten und unterscheidet sich in seinen Forderungen von anderen zeitgenössischen Reformisten, von denen viele von der „ offiziellen“ Politik ausgeschlossen sind und sich teils auch in Hausarrest oder Haft befinden (Stimson 30.7.2024). Zwar gab es in der Vergangenheit einen gewissen Spielraum für Macht verschiebungen zwischen anerkannten Fraktionen innerhalb des Establishments, doch stellen die ungewählten Institutionen des politischen Systems ein dauerhaftes Hindernis für Wahlsiege der Opposition und echte Machtwechsel dar (FH 2025). An sich gäbe es ein breites Spektrum an Ideologien, welche die Islamische Republik ablehnen, angefangen von den Nationalisten bis hin zu Monarchisten und Kommunisten. Der Spielraum für die außerparlamentarische Opposition wird vor allem durch einen Überwachungsstaat einge schränkt, was die Vernetzung oppositioneller Gruppen extrem riskant macht (Einschränkung des Versammlungsrechts, Telefon- und Internetüberwachung, Spitzelwesen, Omnipräsenz von Ba sij-Vertretern u. a. in Schulen, Universitäten sowie Basij-Sympathisanten im öffentlichen Raum, etc.). Angehörige der außerparlamentarischen Opposition werden immer wieder unter anderen Vorwürfen festgenommen (ÖB Teheran 11.2021). Viele Anhänger der Oppositionsbewegungen wurden verhaftet, haben Iran verlassen oder sind nicht mehr politisch aktiv (AA 15.7.2024). Füh rende Oppositionelle sind in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Mir Hossein Mousavi, Zahra Rahnavard und Mehdi Karroubi, die Führer der reformorientierten Grünen Bewegung, deren Proteste nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2009 gewaltsam niedergeschla gen wurden, stehen seit 2011 ohne offizielle Anklage unter Hausarrest (FH 2025). Auch bei den Protesten im Herbst 2022 war keine Führungsfigur erkennbar, der Sicherheitsapparat verhaf tete umgehend alle Personen, die einen erkennbaren Grad an Sichtbarkeit oder Vernetzung mitbrachten. Der Protest zeichnete sich durch einen hohen Grad an dezentralen Aktivitäten aus, die weniger Sichtbarkeit als Großdemonstrationen mit sich bringen, aber dadurch auch weniger leicht kontrollierbar sind. Die Opposition der Bevölkerung, vor allem junger Menschen, zeigt sich zudem durch Akte des zivilen Ungehorsams (AA 15.7.2024; vgl. USIP 6.9.2023b). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.2.2025): Briefing Notes KW 8, https://www.ecoi.net/de/dokument/2121758.html, Zugriff 17.3.2025 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (30.5.2025): و دندرک باصتعا ارچ نویماک ناگدننار هتساوخ ؟تسیچ ناش [Warum haben die Lkw-Fahrer gestreikt und was sind ihre Forderungen?], https://www.bbc.com/persian/articles/cgleg7p4l60o, Zugriff 4.6.2025 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (2.1.2018): Iran protests: Why is there unrest?, https://www. bbc.com/news/world-middle-east-42544618 , Zugriff 17.3.2025 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2105885/country_report_2024_IRN.pdf, Zugriff 26.3.2024 95

■ DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (1.7.2020): Iran: November 2019 Protests, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2033026/COI_brief_report_iran_nov_2019_protest_july_2020.pdf , Zugriff 23.3.2023 ■ DW - Deutsche Welle (6.3.2025): Fearing new protests, Iran regime starts wave of arrests, https: //www.dw.com/en/fearing-new-protests-iran-regime-starts-wave-of-arrests/a-71848842 , Zugriff 17.3.2025 ■ DW - Deutsche Welle (13.3.2023): Iran: Khamenei’s regime pardons 22,000 protesters, https: //www.dw.com/en/iran-khameneis-regime-pardons-22000-protesters/a-64967754 , Zugriff 23.3.2023 ■ EN - Euronews (1.2.2023): Iran protests: What caused them? Are they different this time? Will the regime fall?, https://www.euronews.com/2022/12/20/iran-protests-what-caused-them-who-is-gener ation-z-will-the-unrest-lead-to-revolution , Zugriff 14.3.2023 ■ FES - Friedrich-Ebert-Stiftung (3.2024): Iran: Gewerkschaftsmonitor, https://library.fes.de/pdf-files/i nternational/gm-mona/21130/2024-iran.pdf, Zugriff 10.5.2024 ■ FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 - Iran, https://freedomhouse.org/country/i ran/freedom-world/2025, Zugriff 10.3.2025 ■ FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2116549.html, Zugriff 15.1.2025 ■ Filterwatch - Filterwatch (16.4.2025): Network Disruptions and Restrictive Policymaking in Iran, https://filter.watch/english/2025/04/16/network-and-policy-monitoring-march-2025-network-disrupt ions-and-restrictive-policymaking-in-iran/ , Zugriff 3.6.2025 ■ FP - Foreign Policy (7.3.2024): Iran’s New Wave of Political Conservatives Is Here, https:// foreignpolicy.com/2024/03/07/iran-election-parliament-assembly-experts-conservatives-hardliners/ ?utm_source=Sailthru&utm_medium=email&utm_campaign=Must-Read - 03072024&utm_term= oneoff_iran_elections_03072024, Zugriff 8.3.2024 ■ Guardian - The Guardian (17.2.2023): Iran protests flare in several cities amid continuing unrest, https://www.theguardian.com/world/2023/feb/17/iran-protests-flare-in-several-cities-amid-continuin g-unrest, Zugriff 23.3.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (22.11.2023): Iran: Security Forces Violently Repress Anniversary Protest, https://www.hrw.org/news/2023/11/22/iran-security-forces-violently-repress-anniversary-p rotest, Zugriff 7.3.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (22.7.2021): Iran: Deadly Response to Water Protests, https://www.hr w.org/news/2021/07/22/iran-deadly-response-water-protests , Zugriff 23.3.2023 ■ Intel471 - Intel471 (8.7.2020): Iran’s domestic espionage: Lessons from recent data leaks, https: //intel471.com/blog/irans-domestic-espionage, Zugriff 4.4.2024 ■ Intercept - Intercept, The (28.10.2022): HACKED DOCUMENTS: HOW IRAN CAN TRACK AND CONTROL PROTESTERS’ PHONES, https://theintercept.com/2022/10/28/iran-protests-phone-sur veillance/?mc_cid=1909e734fc&mc_eid=3e61af82a4, Zugriff 23.3.2023 ■ IRINTL - Iran International (12.2.2025): Sporadic anti-government protests continue in Iran for fourth day, https://www.iranintl.com/en/202502126755, Zugriff 4.6.2025 ■ IRWIRE - IranWire (10.2.2025): Anti-Government Protests Erupt Across Tehran as Residents Chant Against Khamenei, https://iranwire.com/en/news/138921-anti-government-protests-erupt-across-t ehran-as-residents-chant-against-khamenei/ , Zugriff 4.6.2025 ■ Media Line - Media Line, The (19.3.2025): Chaharshanbe Suri Celebrations in Iran Turn Deadly, Spark Protests, https://themedialine.org/mideast-daily-news/chaharshanbe-suri-celebrations-in-ira n-turn-deadly-spark-protests/ , Zugriff 4.6.2025 ■ MEHR - Mehr News Agency (10.2.2024): What role political parties, minorities play in Iran’s votes, https://en.mehrnews.com/news/211803/What-role-political-parties-minorities-play-in-Iran-s-votes , Zugriff 29.3.2024 ■ NatGeo - National Geographic (17.10.2022): „ Frau, Leben, Freiheit”: Die Proteste in Iran und ihre Geschichte, https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2022/10/frau-leben-freiheit-p roteste-iran-geschichte-frauenrechte , Zugriff 14.3.2023 ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ REU - Reuters (26.6.2025a): Iran turns to internal crackdown in wake of 12-day war, https://www.re uters.com/world/middle-east/iran-turns-internal-crackdown-wake-12-day-war-2025-06-25/ , Zugriff 26.6.2025 96

■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (30.5.2025): Truckers’ Strike Sparks Supply Shortages And Public Support Across Iran, https://www.rferl.org/a/farda-briefing-iran-truckers-strike-economy /33428649.html, Zugriff 4.6.2025 ■ Stimson - Stimson Center (10.3.2025): Iran’s Crisis Deepens as Informal Networks Flourish, https: //www.stimson.org/2025/irans-crisis-deepens-as-informal-networks-flourish/ , Zugriff 12.3.2025 ■ Stimson - Stimson Center (30.7.2024): Iran’s New President is A Compendium of Contradictions, https://www.stimson.org/2024/irans-new-president-is-a-compendium-of-contradictions/?fbclid=Iw Y2xjawI0cWFleHRuA2FlbQIxMQABHbyWLYcQfkFZpcFMBAslZ08ux9WrG3ig19z3DvNhhyjC54NF 6LELH7F9Rw_aem_vGFzD7bo49fXUNTG2tthMw, Zugriff 12.3.2025 ■ TWI - Washington Institute for Near East Policy, The (28.9.2022): How Iran’s Protests Differ from Past Movements, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/how-irans-protests-differ-pas t-movements, Zugriff 23.3.2023 ■ TWI/Khorrami - Washington Institute for Near East Policy, The (Herausgeber), Nima Khorrami (Autor) (29.3.2024): Navigating Cybersecurity and Surveillance: Iran’s Dual Strategy for National Security, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/navigating-cybersecurity-and-surveillance-irans -dual-strategy-national-security , Zugriff 4.4.2024 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (19.3.2024): Detailed findings of the independent international fact-finding mission on the Islamic Republic of Iran, https://www.ohchr.org/en/hr-bodie s/hrc/ffm-iran/index, Zugriff 5.4.2024 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (13.1.2022): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068145/A_HRC_49_75_E.pdf, Zugriff 10.2.2023 ■ USIP - United States Institute of Peace [USA] (6.9.2023b): Female Protests in Iran: One Year Later, https://iranprimer.usip.org/blog/2023/sep/06/protests-anniversary-one-year-later , Zugriff 7.3.2024 ■ Wired - Wired (10.1.2023): Iran Says Face Recognition Will ID Women Breaking Hijab Laws, https: //www.wired.com/story/iran-says-face-recognition-will-id-women-breaking-hijab-laws/?mc_cid=47 6a7f16e9&mc_eid=3e61af82a4, Zugriff 23.3.2023 14 Haftbedingungen Letzte Änderung 2025-07-17 07:00 Nach Angaben der iranischen Organisation für Gefängnisse (Prisons Organization bzw. State Prison and Security and Corrective Measures Organization, Landinfo/CEDOCA/SEM 12.2021) befinden sich derzeit rund eine Viertelmillion (offizielle) Gefangene in 268 Gefängnissen und An haltezentren, die eigentlich nur für rund 88.000 Personen ausgelegt sind. Es ist wahrscheinlich, dass die Anzahl der Inhaftierten insgesamt höher liegt, da die Organisation für Gefängnisse, die formal für die iranischen Haftanstalten zuständig ist, keine Befehlsgewalt über die Gefängnistrak te, Vernehmungs- und Anhaltezentren der Revolutionsgarden und des Informationsministeriums (MOIS/VAJA) hat. Der Zugang zu offiziellen Informationen über diese Häftlinge, die beispiels weise im berüchtigten Trakt 209 des Evin-Gefängnisses inhaftiert sind, ist sehr eingeschränkt. Unberücksichtigt bleiben in diesen Statistiken auch jene Personen, die sich auf Bewährung und in Hausarrest befinden oder deren Haft ausgesetzt wurde, ebenso wie die steigende Anzahl an afghanischen und irakischen Flüchtlingen, die in Haftzentren für Migranten festgehalten werden (Nikpour 2024, S. 171f.). Die Haftbedingungen in iranischen Gefängnissen sind von massiver Überbelegung geprägt (FH 2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Gefangene klagen häufig über schlechte Haftbedingun gen, einschließlich der Verweigerung von medizinischer Versorgung (FH 2025; vgl. UNHRC 12.3.2025). Auch wurde über unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln, die langfristig zu entsprechenden Folgeschäden führen kann (ÖB Teheran 11.2021), körperliche Misshandlungen 97

und unzureichende sanitäre Bedingungen (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 29.4.2025), einschließ lich schlechter Belüftung, Mäuse- und Insektenbefall sowie fehlenden oder unzureichenden Zugang zu Bettzeug, Toiletten und Waschgelegenheiten berichtet (AI 29.4.2025). Beispielswei se im Qarchak-Gefängnis müssen Frauen darüber hinaus Binden kaufen, was jene, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, vor Probleme stellt (UNHRC 12.3.2025). Es kam zu Hungerstreiks von Gefangenen, um gegen ihre Behandlung zu protestieren, wie auch zu versuchten Selbstmorden, die auf die Haftbedingungen zurückgeführt werden. Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge verweigern die Gefängnisbehörden den Gefange nen regelmäßig den Zugang zu Besuchern, Telefonaten und anderen Korrespondenzprivilegien (USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen variieren im Einzelfall nach Gefängnis-Trakt und Status der Gefangenen, wobei generelle Aussagen nicht möglich sind. So ist im Evin-Gefängnis in Teheran ein Trakt für Ausländer reserviert, ein Trakt wird vom Geheimdienst der Revolutionsgarden verwaltet, manche Trakte sind unterirdisch (ÖB Teheran 11.2021). Die Infrastruktur des Qarchak-Frauengefäng nisses in Teheran, einer ehemaligen Hühnerfarm, ist unzureichend. Es fehlt an ausreichender Belüftung, Fenstern und Sanitäreinrichtungen (UNHRC 12.3.2025). Menschenrechtsorganisa tionen nennen häufig mehrere Haftanstalten, in denen politische Gegner grausam und über längere Zeit gefoltert werden, darunter insbesondere die Abteilungen Nr. 209 und Nr. 2 des Evin- Gefängnisses. Die Behörden unterhalten angeblich auch inoffizielle Geheimgefängnisse und Haftanstalten außerhalb des staatlichen Gefängnissystems, in denen es zu Misshandlungen kommt (USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen für politische und sonstige Häftlinge weichen stark voneinander ab. Dies betrifft in erster Linie den Zugang zu medizinischer Versorgung (einschließlich Verweigerung grundlegender Versorgung oder lebenswichtiger Medikamente) sowie hygienische Verhältnisse (AA 15.7.2024). Politische Gefangene sind einem größeren Risiko von Folter und Misshandlung in der Haft ausgesetzt und werden mit der allgemeinen Gefängnisbevölkerung zusammenge legt, was die Gefahr von Angriffen durch Mitgefangene erhöht. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass die Behörden die Verweigerung der medizinischen Versorgung als eine Form der Bestrafung politischer Gefangener und zur Einschüchterung von Gefangenen einsetzen, die Beschwerden einreichen oder die Behörden herausfordern (USDOS 23.4.2024). Folter und andere Misshandlungen sind nach wie vor weit verbreitet und werden systematisch angewendet (AI 29.4.2025). Als eine Form der psychologischen Folter werden Aktivisten auch in Isolationshaft genommen (DW 6.10.2023). Medien und Nichtregierungsorganisationen be richten über Todesfälle in der Haft und Gewalt zwischen Gefangenen, welche die Behörden manchmal nicht unter Kontrolle haben (USDOS 23.4.2024). Zwischen 2010 und 2022 doku mentierte Amnesty International (AI) 88 Todesfälle von Gefangenen aufgrund von Folter sowie 96 Todesfälle aufgrund von verweigerter medizinischer Versorgung (FH 2025). Die Regierung lässt keine unabhängige Überwachung der Haftbedingungen zu. Gefangene und ihre Familien schreiben häufig Briefe an die Behörden und in einigen Fällen an UN-Gremien, um auf ihre Behandlung hinzuweisen und dagegen zu protestieren (USDOS 23.4.2024). 98

Die Grenzen zwischen Freiheit, Hausarrest und Haft sind in Iran fließend. Politisch als unzuver lässig geltende Personen werden manchmal in „ sichere Häuser“ gebracht, die den iranischen Sicherheitsbehörden unterstehen. Dort werden sie ohne Gerichtsverfahren Monate oder sogar Jahre festgehalten (ÖB Teheran 11.2021). Behandlung von Minderjährigen Minderjährige werden teils mit kriminellen Straftätern zusammengelegt, wodurch Übergriffe nicht selten sind (ÖB Teheran 11.2021). Unter den im Zuge der Niederschlagung der „ Frau, Leben, Freiheit“-Proteste Festgenomme nen befand sich ein großer Anteil an Kindern und jungen Menschen (UNHRC 18.3.2025). Be richten zufolge wurden Kinder dabei zusammen mit Erwachsenen in Haft gehalten (UNHRC 18.3.2025, AI 12.2023) und sie waren den gleichen Mustern von Folter und anderen Miss handlungen, einschließlich sexueller Gewalt, ausgesetzt. Frauen und Mädchen wurden häufig in Haftanstalten festgehalten, die von ausschließlich männlichen Geheimdienst- und Sicher heitskräften geführt wurden, ohne auf ihre geschlechtsspezifischen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, wodurch sie einem erhöhten Risiko von Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Amnesty International dokumentierte Fälle von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen von Schülern und Schülerinnen während ihrer Inhaftierung im Zusam menhang mit den Protesten (AI 12.2023). Kinder, die gemeinsam mit ihren Müttern inhaftiert werden, sind von mangelhafter Ernährung, Gesundheitsversorgung und Bildungsmöglichkeiten betroffen. Nicht vorhandene Basiseinrich tungen in Gefängnissen wirken sich auf diese Kinder besonders aus (UNHRC 12.3.2025). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ AI - Amnesty International (29.4.2025): Iran: Human rights in Iran: Review of 2024/2025, https: //www.amnesty.org/en/documents/mde13/9275/2025/en/, Zugriff 21.5.2025 ■ AI - Amnesty International (12.2023): „They violently raped me“: Sexual violence weaponized to crush Iran’s „ Women Life Freedom“ uprising, https://www.ecoi.net/en/file/local/2101825/MDE1374 802023ENGLISH.pdf, Zugriff 12.12.2023 ■ DW - Deutsche Welle (6.10.2023): „ Weiße Folter“: Die Friedensnobelpreisträgerin klagt an, https:// www.dw.com/de/weiße-folter-die-friedensnobelpreisträgerin-klagt-an/a-66934529#:~:text=„ White Torture“ heißt das Buch,Folter, die Gefangene ertragen müssen., Zugriff 8.3.2024 ■ FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 - Iran, https://freedomhouse.org/country/i ran/freedom-world/2025, Zugriff 10.3.2025 ■ Landinfo/CEDOCA/SEM - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen], Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien], Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (12.2021): IRAN Criminal procedures and documents, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064888/joint_coi_report._criminal_pr ocedures_and_documents_20211206.pdf, Zugriff 17.3.2023 ■ Nikpour - Nikpour, Golnar (2024): The Incarcerated Modern. Prisons and Public Life in Iran. Stanford, CA: Stanford University Press. 99

■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (18.3.2025): Consolidated findings of the Independ ent International Fact-Finding Mission on the Islamic Republic of Iran*, https://www.ohchr.org/sites/ default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sessions-regular/session58/advance-version/a-hrc-58-c rp-1.pdf, Zugriff 22.5.2025 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (12.3.2025): Situation of human rights in the Islamic Republic of Iran*, https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sessions-r egular/session58/advance-version/a-hrc-58-62-aev.pdf , Zugriff 17.3.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107731.html, Zugriff 3.5.2024 15 Todesstrafe Letzte Änderung 2025-07-17 11:20 Iran ist im weltweiten Vergleich nach China jenes Land, in welchem die Todesstrafe am häu figsten vollzogen wird (FH 2025; vgl. HRW 16.1.2025). Unterschiedliche Quellen berichten von 901 (OHCHR 7.1.2025), 972 (AI 8.4.2025) bzw. 975 Hinrichtungen im Jahr 2024 (IHRNGO 20.2.2025). Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung von in etwa 15% (AI 8.4.2025, IHRNGO 20.2.2025), wobei die Anzahl der Hinrichtungen im Jahr 2015 ähnlich hoch war wie 2024, dann bis 2020 sank und sich seitdem mehr als verdreifacht hat [Anm.: s. Grafik unten] (IHRNGO 20.2.2025). Die iranischen Behörden veröffentlichen keine offiziellen Statistiken zur Anzahl der Todesurteile und Hinrichtungen, sodass auf Schätzungen zurückgegriffen werden muss (UNHRC 12.3.2025; vgl. IHRNGO 20.2.2025). 2024 wurden weniger als 10% der von IHRNGO gezählten Hinrichtungen von den Behörden öffentlich bekannt gegeben (IHRNGO 20.2.2025). Quelle 3: IHRNGO 20.2.2025 Die Todesstrafe steht auf Mord (wobei die Familie des Opfers gegen Zahlung von Blutgeld auf die Hinrichtung verzichten kann), Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten 100

schweren Diebstahl, Drogenschmuggel (nur mehr bei besonders schweren Vergehen), Waf fenaufnahme gegen Gott (mohārebeh ba khoda) und homosexuelle bzw. außereheliche Hand lungen sowie schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit (ÖB Teheran 11.2021), wie z. B. Spionage, auch terroristische Aktivitäten, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesver rat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z. B. durch Missions tätigkeit), Vergewaltigung und Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslims mit einer Muslimin. Auch der Abfall vom Islam (Apostasie) kann mit der Todesstrafe geahndet werden. Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland ist es jedoch in den letzten 20 Jahren zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen. 2023 wurden erstmals seit langer Zeit drei Männer wegen „ Blasphemie“ und Ehebruch hingerichtet [Anm.: s. dazu auch Kap. Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen] (AA 15.7.2024). Vergewaltigungs opfer können neben den Tatbeständen der „ Unsittlichkeit“ und des „ unmoralischen Verhaltens“ auch wegen Ehebruchs belangt werden, für das die Todesstrafe verhängt werden kann (US DOS 23.4.2024). Die Todesstrafe wird u. a. auf Straftaten angewandt, die gemäß Völkerrecht nicht zu den „ schwersten Verbrechen“ - interpretiert als vorsätzlichen Mord - zählen (UNHRC 12.3.2025; vgl. IHRNGO 20.2.2025, AI 29.4.2025). Auch wurde die Todesstrafe nach grob un fairen Verfahren und für Handlungen verhängt, die durch das Recht auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung, Religions- oder Weltanschauungsfreiheit eigentlich geschützt sein sollten (AI 29.4.2025). Regierung und NGOs sind bemüht, Hinrichtungen durch die Erleichterung des Blutgeld-Prozes ses zu verhindern. Es werden z. B. mit Spendenaufrufen Blutgelder gesammelt [Anm.: Blutgeld, auch diyah, kann bei sog. qisas-Verbrechen wie Mord zur Anwendung kommen, s. dazu Kap. Rechtsschutz / Justizwesen / Islamische und republikanische Elemente im Justizwesen, Straf recht, Strafzumessungspraxis] (ÖB Teheran 11.2021). Andererseits argumentiert IHRNGO auch, dass das „Auge um Auge“-Prinzip bei qisas-Verbrechen indirekt willkürliche Tötungen durch Pri vatpersonen, beispielsweise in Form von Ehrenmorden, begünstigt (IHRNGO 20.2.2025). Da die Höhe des Blutgelds nach Ermessen festgelegt wird, entsteht außerdem ein zweigleisiges Rechtssystem, in dem wohlhabende Straftäter sich ihre Freiheit erkaufen können, während arme Straftäter wegen solcher sozioökonomischer Diskriminierung mit der Hinrichtung rechnen müs sen. Dies verstößt gegen Artikel 6 Absatz 1 des von Iran ratifizierten Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), der die willkürliche Entziehung des Lebens verbie tet. Darüber hinaus umgeht diyah die entscheidenden rechtlichen Schutzvorkehrungen gemäß Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 3 ICCPR, wonach Todesurteile nur auf rechtskräftige Urteile zuständiger Gerichte verhängt werden dürfen (UNHRC 12.3.2025). Nach den Aufzeichnungen von IHRNGO wurden die Hinrichtungen durch die iranische Justiz im Jahr 2024 anteilsmäßig aufgrund der folgenden Vorwürfe vollzogen: 101

Quelle 4: IHRNGO 20.2.2025 Wie schon 2023 erfolgten die meisten Hinrichtungen im Jahr 2024 nach Verurteilungen aufgrund von Drogenvergehen (503 oder 52 %), gefolgt von Mord (419 oder 43 %). Gemeinsam machten diese Tatbestände 95 % aller Hinrichtungen des Jahres 2024 aus (IHRNGO 20.2.2025). Mehr als die Hälfte der von Amnesty International in Iran gezählten Hinrichtungen (972) wurden we gen Handlungen vollstreckt, die nach internationalem Recht nicht mit der Todesstrafe geahndet werden dürfen, darunter Drogendelikte und zu weit gefasste sowie vage formulierte Anklage punkte, die nicht dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit entsprechen, wie „ Feindschaft gegen Gott“ (Moharebeh) und „ Verderbnis auf Erden“ (mofsad/efsad fe-l-arz) (AI 8.4.2025). 2017 trat eine Änderung des Strafgesetzes für Drogendelikte in Kraft, welche die Todesstrafen im Bereich der Drogenkriminalität auf bestimmte Fallkonstellationen beschränkte. Bagatelldelikte sind damit von der Todesstrafe ausgenommen. Entsprechend sank die Zahl der Hinrichtungen für Drogenkriminalität nach dieser Gesetzesänderung zunächst stark. Seit Oktober 2021 ist ein erneuter Anstieg bei der Zahl an Hinrichtungen wegen Drogenkriminalität zu verzeichnen (AA 15.7.2024; vgl. IHRNGO 20.2.2025). Als eine Ursache dafür wurde vermehrte Drogenkriminali tät durch die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan und damit einhergehender fehlender Grenzkontrollen auf afghanischer Seite vermutet (AA 15.7.2024). Eine andere Quelle brachte neue Spitzenbeamte im Justizwesen damit in Verbindung, die ab August 2021 von Präsident Rai si eingesetzt wurden [Anm.: Ebrahim Raisi ist während seiner Amtszeit im Mai 2024 verstorben] (AI 4.4.2024). Das iranische Regime setzt die Todesstrafe als Mittel der politischen Unterdrückung gegen Demonstranten, Dissidenten und ethnische Minderheiten ein (AI 29.4.2025; vgl. IHRNGO 20.2.2025, HRW 20.11.2024). Laut den Aufzeichnungen von IHRNGO besteht eine Korrelation zwischen der Anzahl an Hinrichtungen und politischen Ereignissen. In direktem Zusammenhang mit den „ Frau, Leben, Freiheit“-Protesten ab September 2022 wurden mit Stand Februar 2025 102
