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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Irak 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2094485.html, Zugriff 21.7.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 13 Meinungs- und Pressefreiheit Letzte Änderung 2023-10-09 16:25 Die Verfassung garantiert Meinungs- und Pressefreiheit, solange diese nicht die öffentliche Ordnung und Moral verletzt (AA 28.10.2022, S.8; vgl. FH 24.2.2022, USDOS 20.3.2023, DFAT 16.1.2023, S.27) oder Unterstützung für die verbotene Ba‘ath-Partei zum Ausdruck bringt (US DOS 20.3.2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27). Allgemeine Meinungsfreiheit: Kommentare zu kontroversen Themen, auch in den sozialen Medien, gelten als tabu und führen mitunter zu Verhaftungen, Gehaltskürzungen, Folter und Strafverfahren (FH 2023). Einzelpersonen und Medien betreiben Selbstzensur aufgrund der begründeten Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden (US DOS 20.3.2023). Whistleblower, Ermittler, Journalisten und auch Privatpersonen, die Korrup tionsvorwürfe erheben, werden verhaftet, sind Einschüchterung oder Gewalt ausgesetzt und werden wegen Verleumdung angeklagt (FH 2023). Kontrolle und Zensur der föderalen Regie rung und der Kurdischen Regionalregierung (KRG) behindern manchmal den Medienbetrieb, was mitunter die Schließung von Medien, Einschränkungen der Berichterstattung und Behin derung von Internetdiensten zur Folge hat (USDOS 20.3.2023). Einzelpersonen können die Regierung weder öffentlich noch privat kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Paramilitärische Milizen schikanieren Aktivisten und reformorientierte politische Bewegungen sowohl online als auch direkt und versuchen, sie durch Online-Desinformation mittels Drohungen und unter Einsatz von Gewalt zum Schweigen zu bringen und ihre Aktivitäten zu stoppen (USDOS 20.3.2023). Pressefreiheit: Im Irak existiert eine lebendige, aber wenig professionelle, zumeist die eth nisch-religiösen Lagerbildungen nachzeichnende Medienlandschaft (AA 28.10.2022, S.9; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27). Es gibt nur wenige politisch unabhängige Medien (FH 2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27), denn die meisten befinden sich weitgehend in ökonomischer Abhängigkeit von Personen oder Parteien, die regelmäßig direkten Einfluss auf die Berichterstattung nehmen (AA 28.10.2022, S.9; vgl. FH 3.3.2021a, RSF 2023). Die meisten der mehreren Hundert Printmedien, die im Irak täglich oder wöchentlich erscheinen, sowie Dutzende Radio- und Fernsehsender, wer den von politischen Parteien stark beeinflusst oder vollständig kontrolliert (USDOS 20.3.2023). Auch die „ Journalistenvereinigung“ ist tendenziell staatsnah (AA 28.10.2022, S.9). Die extreme Polarisierung aufgrund der politischen Einflussnahme auf die Medien macht es fast unmöglich, ausgewogene und unabhängige Informationen zu erhalten. Journalisten haben 146

es schwer, ihre Rechte zu verteidigen, und die meisten sind seit 2019 ständigen Drohungen ausgesetzt (RSF 2023). Das „ Gesetz zum Schutz von Journalisten“ von 2011 hält unter anderem mehrere Kategorien des Straftatbestands der Verleumdung aufrecht, die in ihrem Strafmaß zum Teil unverhältnismäßig hoch sind. Klagen gegen das Gesetz sind anhängig (AA 28.10.2022, S.10). Journalisten sind weiterhin Drohungen, Einschüchterungen und Angriffen durch Milizen oder Sicherheitskräfte ausgesetzt (USDOS 20.3.2023). Journalisten werden häufig wegen investi gativer Berichterstattung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wegen Verleumdung verklagt (RSF 2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27, FH 2023), beziehungsweise auch wegen der Beleidigung öffentlicher Einrichtungen angeklagt (FH 2023). Investigative Berichterstattung, sowie Kritik an religiösen Führern, kann lebensgefährlich sein (AA 28.10.2022, S.9). Berichte über heikle Themen wie Korruption, die Tätigkeit von Milizen und Milizführern (AA 28.10.2022, S.9; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27), organisierte Kriminalität und aus ländische Einflussnahme können Drohungen, Entführungen und Gewalt (DFAT 16.1.2023, S.27), einschließlich Folter (DFAT 16.1.2023, S.27; vgl. FH 2023) und Mord nach sich ziehen (DFAT 16.1.2023, S.27; vgl. FH 2023, RSF 2023). Kritisch berichtende weibliche Journalisten sind häufig rufschädigenden Kampagnen ausgesetzt (AA 28.10.2022, S.9). Der Staat kommt sei ner Verpflichtung zum Schutz von Journalisten nicht nach. Solche Morde führen nur selten zu Ermittlungen, und die Verantwortlichen werden nicht bestraft (RSF 2023). Auch Medienorganisationen sehen sich als Reaktion auf ihre Berichterstattung Einschränkungen und Behinderungen ausgesetzt (FH 2023). Medien werden manchmal wegen kritischer Bericht erstattung mit Sanktionen wie einer Suspendierung ihrer Lizenz belegt (DFAT 16.1.2023, S.27; vgl. RSF 2023), beispielsweise für Untersuchungen zu Korruptionsfällen, an denen hohe Beam te beteiligt sind. Die Vorwürfe umfassen Verstöße gegen die Medienvorschriften oder „ Symbole des Staates zu beschädigen“ (RSF 2023). Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ist der Irak für Journalisten eines der gefährlichsten Länder der Welt (AA 28.10.2022, S.9). Auf ihrem Index für Pressefreiheit kommt der Irak im Jahr 2023 auf Platz 167 von 180, eine Verbesserung um fünf Plätze im Vergleich zum Vorjahr, mit einer Verbesserung von 28,59 Index-Punkten auf 32,94 (RSF 2023). Das Land nimmt im Straflosigkeitsindex (Zeitraum 2011-2021) des „ Committee to Protect Journalists“ zudem den weltweit dritten Platz in Bezug auf nicht aufgeklärte Journalistenmorde ein (CPJ 28.10.2021). Die Press Freedom Advocacy Association (PFAA) verzeichnete zwischen Mai 2021 und Mai 2022 landesweit 280 Fälle von Übergriffen auf Journalisten, wobei die meisten Fälle in Bagdad und Erbil auftraten. Im selben Zeitraum verzeichnete das irakische Journalistinnenforum 100 Fälle, in denen Journalisten und Medieneinrichtungen Ziel von Gewalt oder Einschüchterung waren, darunter 26 Fälle von Drohungen, elektronischer Erpressung, Belästigung und Mobbing von Journalistinnen (USDOS 20.3.2023). 147

Akademische Freiheit: Auch Lehrer sind im Irak seit Langem mit der Gefahr von Gewalt oder anderen Auswirkungen konfrontiert, wenn sie Themen unterrichten oder besprechen, die mäch tige staatliche oder nicht-staatliche Akteure für verwerflich halten. Politischer Aktivismus von Universitätsstudenten kann zu Schikane oder Einschüchterung führen (FH 2023). Akademi sche Freiheit wird durch die Regierung eingeschränkt. Sozialer, religiöser und politischer Druck schränken die Entscheidungsfreiheit in akademischen und kulturellen Angelegenheiten ein. In al len Regionen des Landes versuchen verschiedene Gruppen die Ausübung der formalen Bildung und die Vergabe von akademischen Positionen zu kontrollieren (USDOS 20.3.2023). Internet, Soziale Medien, Blogger: Ein Gesetzentwurf zur Cyberkriminalität, der immer wieder vorgelegt wird, sieht Gefängnisstrafen (einschließlich lebenslanger Haft) für Online-Postings vor, die „ die Unabhängigkeit, Einheit oder Integrität des Landes oder seine wirtschaftlichen, politischen, militärischen oder Sicherheitsinteressen“ gefährden (RSF 2022). Hinsichtlich des Internetzugangs gibt es offene staatliche Einschränkungen und Berichte (jedoch kein offizielles Eingeständnis), dass die Regierung E-Mail- und Internetkommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht (USDOS 20.3.2023). Aktivisten berichten von einem Klima der Angst, das sie zur Selbstzensur veranlasst. Die Behörden verhaften Personen, einige von ihnen einfache Bürger ohne aktivistischen Hintergrund, kurz nachdem sie behördenkritische Nachrichten in sozialen Medien gepostet haben, was darauf hindeutet, dass die irakischen und kurdischen Behörden Online-Plattformen ständig überwachen (FH 2023). Milizen setzen „ elektronische Armeen“ ein, um soziale Medien zu überwachen (DFAT 16.1.2023, S.28; vgl. FH 2023), verwenden Bots und Desinformationskampagnen, um Aktivisten, politische Gegner anzugreifen und zu diffamieren (USDOS 20.3.2023) und um Aktivisten explizit zu drohen (FH 2023). Es gibt Fälle von Vergeltungsmaßnahmen gegen Einzelpersonen aufgrund von Aussagen und Beiträgen in sozialen Medien. Nutzer sozialer Medien sowie Blogger wurden wegen Kritik an Behörden mit Verleumdungsklagen konfrontiert. Bestimmte Themen wie Korruption, Kritik an Iran oder ausländische Einmischung in die irakische Politik (DFAT 16.1.2023, S.28; vgl. FH 2023), aber auch LGBTIQ+-Themen oder Kritik an Milizen können Drohungen und in manchen Fällen auch Gewalt nach sich ziehen (DFAT 16.1.2023, S.28). Beispielsweise verurteilte im Dezember 2022 ein Gericht in Bagdad den Aktivisten Hayder Hamid al-Zaidi gemäß Paragraf 226 des Strafgesetzbuchs zu drei Jahren Haft, weil er sich in einem Tweet über ein verstorbenes Mitglied der PMF lustig gemacht haben soll (AI 28.3.2023). Der öffentliche Diskurs hat sich zum großen Teil in die sozialen Medien verlagert (insb. Facebook, Twitter, Instagram). Selbstzensur ist jedoch auch dort weit verbreitet (AA 28.10.2022, S.9). Trotz Einschränkungen nutzen politische Persönlichkeiten und Aktivisten das Internet, um korrupte und ineffektive Politiker zu kritisieren, Demonstranten zu mobilisieren und sich über soziale Medien für Kandidaten zu engagieren bzw. Wahlkampf zu betreiben (USDOS 20.3.2023). Die Regierung räumt ein, in manchen Gebieten den Internetzugang beschränkt zu haben, an geblich aufgrund von Sicherheitsfragen, wie der Nutzung von Social Media-Plattformen durch den Islamischen Staat (IS) (USDOS 30.3.2021). Auch zu Beginn der Demonstrationen im Ok tober 2019 wurden der Internetzugang tagelang blockiert. Soziale Medien blieben für mehrere 148

Wochen, bis in den November hinein, gesperrt, bzw. eingeschränkt nutzbar (AA 2.3.2020, S.12; vgl. USDOS 30.3.2021, DFAT 16.1.2023, S.28). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.3.2020): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2027997/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrele vante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_März_2020),_02.03.2020.pdf , Zugriff 3.3.2021 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Irak 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2094485.html, Zugriff 21.7.2023 ■ CPJ - Committee to Protect Journalists (28.10.2021): Killers of journalists still get away with murder, https://cpj.org/reports/2021/10/killers-of-journalists-still-get-away-with-murder/#index , Zugriff 3.12.2021 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2068634.html, Zugriff 11.7.2023 ■ FH - Freedom House (3.3.2021a): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2046520.html, Zugriff 11.7.2023 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2023): Iraq, https://rsf.org/en/country/iraq, Zugriff 18.8.2023 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2022): Iraq, https://rsf.org/en/iraq, Zugriff 18.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 11.7.2023 13.1 Meinungs und Pressefreiheit in der Kurdistan Region Irak (KRI) Letzte Änderung 2023-10-09 16:25 Allgemeine Meinungsfreiheit: Eine systematische Einschränkung der freien Meinungsäuße rung oder Zensur in digitalen Medien ist in der Kurdistan Region Irak (KRI) nicht bekannt (AA 28.10.2022, S.9). Jedoch kann politische Meinungsäußerung gegen lokale Behörden in der KRI willkürliche Verhaftung oder andere Repressalien von staatlicher Seite oder durch Partei-Kräfte auslösen (FH 24.2.2022). Behörden der Kurdischen Regionalregierung (KRG) greifen etwa auf vage formulierte Gesetze zurück, um Kritiker wegen der Äußerung von Kritik und Meinungen, die sie ablehnen, strafrechtlich zu verfolgen (HRW 12.1.2023). So werden etwa der Strafbestand der Verleumdung und andere Gesetze herangezogen, um Kritiker zum Schweigen zu bringen oder zu schikanieren (DFAT 16.1.2023, S.27). Kritische Journalisten wurden sowohl der Spionage beschuldigt und inhaftiert (RSF 2023) als auch wegen des Vorwurfs der „ Destabilisierung der Sicherheit und Stabilität der Region Kurdistan“ eingesperrt (DFAT 16.1.2023, S.27). 149

Pressefreiheit: Die meisten Fernsehsender und Radiostationen in der KRI sind parteipolitisch beeinflusst (AA 28.10.2022, S.9). Die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und die Patrioti sche Union Kurdistans (PUK) gewähren Sendern, die ihnen gehören oder nahestehen, privile gierten Zugang zu Informationen. In den KDP-Hochburgen (Erbil und Dohuk) sind dies Kurdistan Television, Rudaw und K24, im von der PUK dominierten Gouvernement Sulaymaniyah sind es Kurdsat News und GK Television. Sender von Oppositionsparteien oder solche, die unabhän gig sind, erhalten im Gegenzug nur begrenzen Zugang zu Informationen (USDOS 20.3.2023). Oppositionelle Medien werden in ihrer Tätigkeit beeinträchtigt, und es kommt wiederholt auch zu Verhaftungen von kritischen Journalisten, teilweise mit unverhältnismäßigen Freiheitsstrafen, auch wenn Angeklagte im Kontext der sogenannten „ Badinan“-Prozesse gegen Journalisten in der KRI zum Teil milder bestraft bzw. amnestiert wurden (AA 28.10.2022, S.9). Im Jahr 2020 kam es zu einer Verschärfung des Vorgehens der Behörden der KRG gegen Medien und Journalisten, insbesondere gegen solche, die über Proteste gegen die KRG im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Not und Korruption berichteten (FH 3.3.2021a). So wurden Journalisten, die über die regierungsfeindlichen Proteste in der Region Kurdistan berichteten, von den Behörden behindert, bedroht und gefährdet. Auch Demonstranten und Organisatoren von Protesten, sowie Blogger, die COVID-19-Maßnahmen, Korruption und die Nichtauszahlung von Staatsgehältern kritisiert haben, wurden verhaftet (FH 3.3.2021a). In einigen Fällen trugen die Angreifer Militär- oder Polizeiuniformen der KRG (USDOS 12.4.2022). Mit Stand April 2022 verbüßten drei Journalisten, die von den Behörden der KRG verurteilt worden waren, Haftstrafen wegen ihrer Arbeit (FH 2023). Im Jahr 2020 wurden mehrere Büros des Medienunternehmens Nalia Radio und Fernsehen (NRT) geschlossen und durchsucht (FH 3.3.2021a). Im Dezember 2020 wurde die Sendelizenz des Senders ausgesetzt (FH 3.3.2021a; vgl. AA 22.1.2021, S.11). NRT hat zuvor über Gewalt während regierungsfeindlicher Proteste berichtet (FH 3.3.2021a). Während dieser Proteste hat die KRG die Internetdienste in der KRI für acht Stunden abgeschaltet (DFAT 16.1.2023, S.28). Seit August 2020 wurden schätzungsweise 76 Journalisten, Aktivisten und Lehrer aus der Re gion Badinan von Sicherheitskräften festgenommen und in Erbil inhaftiert. Den sogenannten „ Badinan-Gefangenen“ wird vorgeworfen, die nationale Sicherheit gefährdet und Spionage be trieben zu haben, da sie Kontakt zu den Konsulaten der USA, Deutschlands und Frankreichs, der Vertretung der Europäischen Union in Bagdad und der irakischen Bundesregierung aufgenom men hatten. Am 12. und 13.7.2021 fanden Gerichtsverhandlungen zu neun Badinan-Aktivisten statt, nachdem sie etwa ein Jahr lang auf ihren Prozess warten mussten. Die Gerichtsverfah ren werden als Teil eines Versuchs der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) gesehen, die Meinungsfreiheit in der KRI zu unterdrücken (CPT 3.8.2021). Auch im Jahr 2021 haben die kurdischen Behörden die Verfolgung von Journalisten verschärft, die über Misswirtschaft, Korruption und regierungsfeindliche Proteste in der Region berichtet haben. Die kurdischen Behörden nehmen routinemäßig Journalisten rechtswidrig fest und inhaf tieren sie. Rechtsbeistand wird verhindert und Verurteilungen erfolgen aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen ohne rechtmäßige Verfahren. Im Februar 2021 verurteilte ein Gericht im von 150

der KDP kontrollierten Erbil drei Journalisten und zwei Aktivisten zu sechs Jahren Gefängnis, weil sie die Behörden in den sozialen Medien kritisiert hatten. KRG-Premierminister Barzani (ein KDP-Führer) behauptete ohne Beweise in einer Pressekonferenz, dass die Inhaftierten keine Journalisten, sondern Spione seien, was die Entscheidung des Richters, sie wegen „ De stabilisierung der Sicherheit“ in der Region zu verurteilen, beeinflusst haben könnte. Auch in den Gebieten unter der Kontrolle der PUK, wie Sulaymaniyah, werden Journalisten verfolgt und verhaftet (FH 24.2.2022). Im Jahr 2021 hat ein Gericht in Erbil drei Journalisten und zwei Aktivisten zu sechs Jahren Haft verurteilt wegen „ Gefährdung der nationalen Sicherheit der KRI“ (HRW 13.1.2022; vgl. MEI 24.2.2021). Vier weitere Aktivisten und Journalisten, die 2020 verhaftet wurden, warteten im Oktober 2021 noch auf ihre Anklagen (HRW 13.1.2022). Im Oktober 2022 haben Terrorismusbekämpfungseinheiten der PUK zwei Journalisten von der in Erbil ansässigen Bwar-Online-Nachrichtenagentur verhaftet, ohne dass sie über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert wurden (USDOS 20.3.2023). Einige KRG-Gerichte wendeten bei Prozessen gegen Journalisten das strengere irakische Straf gesetzbuch anstelle des Pressegesetzes der KRI an. Letzteres schützt das Recht auf freie Mei nungsäußerung stärker und untersagt die Inhaftierung von Journalisten aufgrund ihrer Arbeit (USDOS 20.3.2023). KRG-Behörden wenden z.B. das Gesetz über den Missbrauch elektroni scher Geräte anstelle des Pressegesetzes der KRI gegen Journalisten an (USDOS 30.3.2021). Im Zuge der Verhaftung der beiden Journalisten von Bwar Online erklärte ein Abgeordneter des kurdischen Parlaments, dass die Journalisten nur im Rahmen des Pressegesetzes der KRI vor Gericht gestellt werden sollten (USDOS 20.3.2023). Internet, Soziale Medien, Blogger: Die Erörterung eines Gesetzentwurfs zur Cyberkriminalität wurde im Februar 2021 vom Repräsentantenrat ausgesetzt, nachdem Kritiker behauptet hatten, der Entwurf sei zu weit gefasst und würde die Meinungsfreiheit einschränken (DFAT 16.1.2023, S.28). Behörden verwenden jedoch vage formulierte Gesetze und Strafgesetze, um Online-Ak tivitäten zu kriminalisieren (USDOS 20.3.2023). Aktivisten berichten in Folge von einem Klima der Angst, das sie zur Selbstzensur veranlasst (FH 2023). So berichten etwa zivilgesellschaftli che Organisationen, dass Social-Media-Seiten ihrer Aktivisten von Regierungs- und Milizkräften überwacht werden und dass Aktivisten aufgrund ihrer Beiträge auf Facebook und anderen So cial-Media-Plattformen schikaniert oder strafrechtlich verfolgt werden (USDOS 20.3.2023). Die Behörden verhaften etwa Personen, einige von ihnen einfache Bürger ohne aktivistischen Hin tergrund, kurz nachdem sie behördenkritische Nachrichten in sozialen Medien gepostet haben, was darauf hindeutet, dass die irakischen und kurdischen Behörden Online-Plattformen ständig überwachen (FH 2023). KRG-Behörden haben während Protesten den Internetzugang unterbrochen (USDOS 20.3.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ 151

Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file /local/2057645/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungs relevante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Januar_2021),_22.01.2021.pdf , Zugriff 21.7.2023 [Login erforderlich] ■ CPT - Community Peacemaker Teams (3.8.2021): Trials of the 9 Badinan Activists, https://cptik.org/ reports-1/2021/8/2/trials-of-the-9-badinan-activists , Zugriff 7.6.2022 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2068634.html, Zugriff 11.7.2023 ■ FH - Freedom House (3.3.2021a): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2046520.html, Zugriff 11.7.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2085461.html, Zugriff 15.2.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2066472.html, Zugriff 13.7.2023 ■ MEI - Middle East Institute (24.2.2021): Beyond the elite: Taking protest and public opinion seriously in the Kurdistan Region, https://www.mei.edu/publications/beyond-elite-taking-protest-and-public-o pinion-seriously-kurdistan-region , Zugriff 11.5.2023 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2023): Iraq, https://rsf.org/en/country/iraq, Zugriff 18.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071125.html, Zugriff 24.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 11.7.2023 14 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition 14.1 Versammlungsfreiheit Letzte Änderung 2023-10-09 16:25 Die Verfassung sieht das Recht auf Versammlung und friedliche Demonstration nach den Re geln des Gesetzes vor (USDOS 20.3.2023; vgl.FH 2023, AA 28.10.2022, S.8), allerdings nur unter der Vorgabe, dass nicht gegen die öffentliche Ordnung und Moral verstoßen wird. Ein Gesetzesentwurf von 2014 für eine nähere Ausgestaltung der Regelung wurde bislang nicht verabschiedet (AA 28.10.2022, S.8). Die gesetzlichen Regelungen schreiben vor, dass die Veranstalter sieben Tage vor einer De monstration um Genehmigung ansuchen und detaillierte Informationen über Veranstalter, Grund des Protests und Teilnehmer einreichen müssen. Die Vorschriften verbieten jegliche Slogans, Schilder, Druckschriften oder Zeichnungen, die Konfessionalismus, Rassismus oder die Se gregation der Bürger zum Inhalt haben. Die Vorschriften verbieten auch alles, was gegen die Verfassung oder gegen das Gesetz verstößt; alles, was zu Gewalt, Hass oder Mord ermutigt; und alles, was eine Beleidigung des Islam, der Ehre, der Moral, der Religion, heiliger Gruppen oder irakischer Einrichtungen im Allgemeinen darstellt (USDOS 20.3.2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.26). Zivilgesellschaftlichen Organisationen zufolge werden die meisten Anträge auf Erlaubnis 152

für öffentliche Demonstrationen abgelehnt, häufig nur mündlich und nicht schriftlich. In einigen Gouvernements wie Missan wurden alle Anträge abgelehnt (USDOS 20.3.2023). Demonstranten sind der Gefahr von Gewalt oder Verhaftung ausgesetzt (FH 2023). Irakische Sicherheitskräfte haben auf Demonstranten geschossen, sie verhaftet und gefoltert. Manche wurden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt (FH 24.2.2022). Zum Beispiel kam es im Dezember 2022 in der Stadt Nasiriya zu Protesten gegen die Verurteilung des Aktivisten Hayder Hamid al- Zaidi, wegen eines Onlineposts, bei denen Sicherheitskräfte das Feuer auf die Demonstranten eröffneten. Sie töteten mindestens zwei Menschen und verletzten 17 weitere (AI 28.3.2023). Tishreen-Proteste In den Jahren 2019 und 2020 kam es zu umfangreichen Protesten, die als Tishreen-Proteste be kannt wurden (USDOS 20.3.2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.26; ICG 26.7.2021, AI 7.4.2021). Die se betrafen vor allem die schiitischen Gebiete des Südirak (ICG 26.7.2021; vgl. AI 7.4.2021, HRW 12.1.2023), des Zentralirak (HRW 12.1.2023) und Bagdad (ICG 26.7.2021; vgl. AI 7.4.2021). Auslöser für diese Proteste waren anhaltende Versorgungsengpässe, mangelhafte öffentliche Dienstleistungen und Arbeitsmöglichkeiten sowie Korruption (AI 7.4.2021; vgl. HRW 12.1.2023). Es ging auch um eine grundlegende Verbesserung des täglichen Lebens (HRW 12.1.2023). Eine weitere Forderung der Demonstranten war die Abschaffung des Muhasasa-Systems, d. h. der ethnisch-konfessionellen Postenbesetzung in der Regierung und Verwaltung (ICG 26.7.2021, S.17). Sie waren außerdem gegen die Einmischung ausländischer Mächte, insbesondere von Iran gerichtet (DFAT 17.8.2020, S.37). Die Behörden versäumten es, die Demonstranten vor Gewalt zu schützen (USDOS 30.3.2021). Die Sicherheitskräfte gingen teils mit großer Härte gegen Demonstranten vor, reagierten mit weiteren repressiven Maßnahmen (AA 28.10.2022, S.8) und waren gemeinsam mit von Iran verbündeten Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) an der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste beteiligt (DFAT 17.8.2020, S.37; vgl. ICG 26.7.2021). Im Zuge der sog. Tishreen-Protestbewegung wurden Ausgangssperren verhängt (FH 2023). Fernsehsender, die über die Proteste berichteten, wurden von bewaffneten Männern überfallen (ICG 26.7.2021, S.12). Teilnehmer waren regelmäßiger Gewalt durch verschiedene Teile der Sicherheitskräfte ausgesetzt, darunter auch maskierte Personen, von denen allgemein ange nommen wird, dass sie irakischen Milizen angehörten (DFAT 16.1.2023, S.26; vgl. USDOS 20.3.2023). Sicherheitskräfte setzten Tränengas und scharfe Munition gegen Demonstranten ein (FH 2023) . Im Zuge der Proteste kam es seit Ende 2019 bis ins Jahr 2020 hinein zu willkürlichen Verhaftun gen, gewaltsamem Verschwindenlassen und außergerichtlichen Tötungen von Demonstranten durch die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) und PMF (HRW 12.1.2023). Dutzende Aktivisten wurden im Zuge der Protestbewegung Ziel von Entführungen, Mordversuchen und Morden (MEE 25.7.2021). Es gibt Berichte über Entführung, Folter und Tötung von Demonstranten, Aktivisten und Journalisten, von denen angenommen wird, dass diese der Einschüchterung der Demonstranten und der Beendigung der Proteste dienen sollten (AA 25.10.2021, S.10). 153

Dutzende Demonstranten wurden bei gezielten Attentaten außerhalb von Protestplätzen getötet (FH 2023). Nach Angaben des irakischen Hochkommissariats für Menschenrechte (IHCHR) wurden zwi schen Oktober 2019 und Mai 2021 591 Demonstranten getötet (DFAT 16.1.2023, S.26; vgl. HRW 12.1.2023, ICG 26.7.2021). Täter waren Sicherheitskräfte und PMF (HRW 12.1.2023). Etwa 20.000 oder mehr Zivilisten wurden während der Proteste verletzt (USDOS 20.3.2023; vgl. ICG 26.7.2021). Dem IHCHR zufolge wurden 76 Personen entführt. 22 Personen wurden nach Folter, Erpressung und Bedrohung wieder frei gelassen. Das Schicksal der 54 Übrigen ist bis heute unbekannt, mindestens 18 Personen gelten laut UNAMI weiterhin als vermisst (AA 28.10.2022, S.8; vgl. DFAT 16.1.2023, S.26). Diese Vorfälle führten zum Rücktritt der Regierung unter Premierminister Adil Abdul al-Mahdi und zur Ernennung von Mustafa al-Kadhimi zum Premierminister im Mai 2020 (HRW 13.1.2021; vgl. ICG 26.7.2021). Die Demonstranten fordern, dass die Sicherheitskräfte für ihre Übergriffe zur Rechenschaft gezogen werden, einschließlich der Tötung und des gewaltsamen Verschwindenlassens von Demonstranten (AI 7.4.2021). Der damals neue Premierminister al-Khadimi versprach jene, die für die Gewalt verantwortlich waren, zur Rechenschaft zu ziehen, und setzte im Oktober 2020 eine Untersuchungskommission ein (HRW 12.1.2023), die eine offizielle Untersuchung der Todesfälle und Verletzungen von Demonstranten und Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit den Tishreen-Protesten durchführen sollte (DFAT 16.1.2023, S.26; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Untersuchung ergab, dass 149 Demonstranten und acht Angehörige der Sicherheitskräfte durch übermäßige Gewaltanwendung getötet wurden, wobei über 70 % der Todesfälle durch Schüsse in den Kopf oder die Brust verursacht wurden. Viele wurden durch Tränengaskanister, die ab sichtlich auf ihre Köpfe abgefeuert wurden, getötet oder verletzt. Im Rahmen der Untersuchung wurde noch niemand zur Rechenschaft gezogen (DFAT 16.1.2023, S.26). Im Oktober 2019 wurden mehrere hochrangige Militärkommandanten wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten von ihren Posten entfernt (FH 3.3.2021a). Es wurden jedoch bislang keine hochrangigen Kommandanten strafrechtlich verfolgt. Nach einer Reihe von Tö tungen und versuchten Tötungen von Demonstranten in Basra wurden im August 2020 der Polizeichef von Basra und der Direktor für nationale Sicherheit des Gouvernements entlassen. Es wurde jedoch keine Strafverfolgung eingeleitet (HRW 13.1.2021). Trotz der scheinbaren Bereitschaft, einige der gravierendsten Menschenrechtsprobleme des Irak anzugehen, gelang es der Regierung al-Kadhimi nicht, die Übergriffe auf Demonstranten zu beenden (HRW 13.1.2021). Die getroffenen Maßnahmen wurden von vielen Irakern als unzurei chend abgelehnt und hatten wenig abschreckende Wirkung auf Mitglieder der Sicherheitskräfte, die im Laufe des Jahres zahlreiche Demonstranten tödlich verletzten. Trotz eines öffentlichen Versprechens von Premierminister al-Kadhimi im August 2020, die Verantwortlichen für das Verschwindenlassen und die Ermordungen zu untersuchen und zu bestrafen, befinden sich die Täter weiterhin auf freiem Fuß (FH 3.3.2021a). Auch Verhaftungen von Mitgliedern eines „Todesschwadrons“ im Februar 2021 und von Sicherheitsbeamten im Juli 2021 sind bis Ende 154

2021 nicht über die Ermittlungsphase hinausgegangen. Keine der Verhaftungen hat zu einer Anklageerhebung geführt (HRW 13.1.2022). Proteste im Zusammenhang mit der Wahl von 2021 Die Sadristische Bewegung des populären schiitischen Führers Muqtada as-Sadr ist bei den Wahlen im Oktober 2021 mit 73 von 329 Sitzen als stärkste Partei hervorgegangen (AJ 30.5.2022). Als Reaktion auf das Ergebnis der Wahlen, bei denen die pro-iranischen Gruppen große Verluste erlitten haben, kam es in Bagdad,außerhalb der Grünen Zone [Anm.: es handelt sich dabei um das gesicherte irakische Regierungsviertel] zu gewalttätigen Protesten mit Zu sammenstößen von Anhängern jener Gruppen mit Sicherheitskräften (AJ 5.11.2021). As-Sadr war jedoch nicht fähig, gegen den Widerstand des vom Iran unterstützten Kooperationsrahmen (CF), der politischen Vertretung der überwiegend schiitischen Volksmobilisierungskräfte (PMF), eine Koalition zu bilden (AJ 30.5.2022). Ende Juli 2022, nach Bekanntwerden der Ernennung von Mohammed as-Sudani als Kandidat des CF für das Amt des Premierministers, verlagerte as-Sadr seinerseits den politischen Konflikt auf die Straße (ÖB Bagdad 20.11.2022). As-Sadrs Anhänger stehen in Opposition zum von Iran unterstützten CF (OWP 29.8.2022). Demonstra tionen konkurrierender schiitischer Gruppen, die mit schwer bewaffneten Milizen verbunden sind, brachten im Sommer 2022 Tausende Demonstranten auf die Straßen (AJ 1.8.2022). Bei den meisten gewalttätigen Auseinandersetzungen handelte es sich Berichten zufolge um Zusammenstöße zwischen as-Sadrs Anhängern und von Iran unterstützten Milizkämpfern. Die irakischen Sicherheitskräfte riegelten das Gebiet ab, waren aber Berichten zufolge angewiesen, eine Eskalation der Gewalt zu vermeiden (DFAT 16.1.2023, S.26). Im Juli und August 2022 führten Anhänger von as-Sadr groß angelegte Proteste in der Grünen Zone von Bagdad durch (DFAT 16.1.2023, S.26; vgl. OWP 29.8.2022). Am 29. und 30.8.2022 kam es in Bagdad zu einer Gewalteskalation mit schweren Unruhen, nachdem as-Sadr seinen Rückzug aus dem politischen Leben erklärt hatte. As-Sadrs Anhänger besetzten das Parlament in der Grünen Zone, während as-Sadr selbst die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen verlangte (ÖB Bagdad 20.11.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.10.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2021), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2063378/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2021),_25.10.2021.pdf , Zugriff 24.8.2023 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Irak 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2094485.html, Zugriff 21.7.2023 ■ AI - Amnesty International (7.4.2021): Amnesty International Report 2020/21; The State of the World’s Human Rights; Iraq 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048571.html, Zugriff 11.7.2023 155
