2025-09-09-coi-cms-laenderinformationen-irak-version-8-99ad
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Weiterreise an den Herkunftsort ermöglicht (DFAT 16.1.2023, S.41). Die Sicherheit von Rück kehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, unter anderem von ihrer ethnischen und konfessionellen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 28.10.2022, S.23). Einer Studie von 2021 zufolge sind soziale Netzwerke wichtige fördernde oder hemmende Faktoren einer Wiedereingliederung. Die meisten Studienteilnehmer waren sich darin einig, dass ein starkes soziales Netz ein Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Wiedereingliederung ist und berichteten von einem positiven Einfluss der Netzwerke nach ihrer Rückkehr, es gab jedoch auch Berichte von eher negativen Auswirkungen (ERRIN 8.2021, S.8). Auch eine weitere Studie, die zwischen 2020 und 2021 durchgeführt wurde, hebt Unterstützungsnetze hervor, wobei ein Fünftel der befragten Personen angab, im Rückkehrgebiet über schlechte oder sehr schlechte Unterstützungsnetze zu verfügen (IOM 27.8.2023, S.27). Rückkehrer berichten über psychosoziale Bedürfnisse vor, während und nach einer Rückkehr. Dabei stehen psychosoziale Dienste weitgehend nicht oder kaum zur Verfügung. Ein Faktor ist Angst vor einer Stigmatisierung durch die Familie, nicht jedoch die Stigmatisierung selbst. 90 % der Studienteilnehmer berichteten, dass sie von ihrer Familie und ihren Freunden freudig empfangen wurden (ERRIN 8.2021, S.6). Einer Studie zufolge, die zwischen 2020 und 2021 durchgeführt wurde, gab die Mehrheit der Befragten (68 %) an, von der Gemeinschaft nie oder nur selten anders behandelt zu werden, weil sie ins Ausland migriert sind und dass sie sich überwiegend (70 %) in der Gemeinschaft sicher fühlen würden. Weibliche Rückkehrer gaben an, sich einerseits weniger sicher zu fühlen und sich in geringerem Ausmaß auf die Rückkehr gemeinschaft verlassen zu können (IOM 27.8.2023, S.27). Die Praxis, Asyl zu beantragen und dann in den Irak zurückzukehren, sobald die Bedingungen es zulassen, wird von den Irakern gut akzeptiert, wie die große Zahl von Doppelstaatsangehörigen aus den USA, Westeuropa und Australien zeigt, die in den Irak zurückkehrt. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Iraker, denen von westlichen Ländern Schutz gewährt wird, häufig in den Irak zurückkehren, manchmal nur wenige Monate, nachdem sie sich im Ausland niedergelassen haben, um ihre Familien wieder zu vereinen, Unternehmen zu gründen und zu führen oder eine Beschäftigung aufzunehmen oder wieder aufzunehmen (DFAT 16.1.2023, S.41). Während die Teilnehmer an der Studie nur wenige Probleme beim formalen Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge meldeten, beeinträchtigen Anpassungsschwierigkeiten und Qualitäts barrieren ihre Fähigkeit, diese Dienste in Anspruch zu nehmen (ERRIN 8.2021, S.1). Neun von zehn Befragten einer zwischen 2002 und 2021 durchgeführten Studie gaben an, Zugang zur öf fentlichen Gesundheitsversorgung zu haben. Ein weitaus geringerer Anteil (34 %) der Befragten gab an auch Zugang zur privaten Gesundheitsversorgung zu haben (IOM 27.8.2023, S.24). Reintegration und Sicherheit werden durch Schutz, Stabilisierung, Rechtsstaatlichkeit und so zialen Zusammenhalt beeinflusst. An vielen Orten bleiben auch nach der Niederlage des sog. Islamischen Staates (IS) Quellen der Gewalt bestehen, die Rückkehrer betreffen können. In einigen Fällen kann Gewalt sogar durch die tatsächliche Rückkehr verschiedener Bevölkerungs gruppen an einen bestimmten Ort geschürt werden. Gewaltrisiken bleiben infolge anhaltender 302

Angriffe des IS oder anderer bewaffneter Gruppen bestehen, aber auch aufgrund sozialer Kon flikte in Form von ethnisch-konfessionellen oder stammesbedingten Spannungen und Gewalt, darunter auch Racheakte. Auch politische Konkurrenz spielt bei diesem Risiko eine Rolle, da ver schiedene Sicherheitsakteure in der fragmentierten Sicherheitskonfiguration nach dem Konflikt im Irak um territoriale Vorherrschaft ringen (IOM 2021, S.13). Eine Untersuchung von 2020, zu der fast 7.000 Binnenvertriebene und 2.700 Rückkehrer befragt wurden, hat ergeben, dass die Zahl der Rückkehrerhaushalte, die mehr als 20 % ihrer monatli chen Gesamtausgaben für Gesundheit oder Medikamente ausgeben, im Jahr 2020 stark, auf 38 % gestiegen ist (im Vergleich zu 7 % im Jahr 2019) (IOM 18.6.2021, S.3). Einer Studie von 2021 zufolge sehen sich Rückkehrer nach ihrer Rückkehr mit Barrieren für den Lebensunterhalt konfrontiert, die zwar nicht unbedingt ein Hindernis für die Wiedereingliederung darstellen, aber eine Ursache für eine erneute Abwanderung sind (ERRIN 8.2021, S.1). Hinsichtlich der Beschäftigung berichteten etwa 12 % der befragten Rückkehrerhaushalte von vorübergehender und 1 % von dauerhafter COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit. In der Kurdistan Region Irak (KRI) waren mehrere Distrikte im Gouvernement Erbil besonders von COVID-19-be dingter Arbeitslosigkeit betroffen. 71 % der IDP- und Rückkehrerhaushalte im Distrikt Rawanduz meldeten vorübergehende oder dauerhafte Arbeitslosigkeit aufgrund von COVID-19, im Distrikt Shaqlawa waren es 56 %. Im Gouvernement Sulaymaniyah war der Distrikt Dokan mit 52 % am stärksten betroffen. Im föderalen Irak war der Distrikt Al-Kut im Gouvernement Wassit am stärksten von COVID-19-bedingter Arbeitslosigkeit betroffen. 56 % seiner IDP- und Rückkehrer haushalte meldeten vorübergehende oder dauerhafte Arbeitslosigkeit aufgrund von COVID-19 (IOM 18.6.2021, S.5). Im Jahr 2020 hatten 59 % der Rückkehrer ein durchschnittliches Monatseinkommen von we niger als 480.000 Irakischen Dinar (IQD) (~267,90 EUR) (im Vergleich zu 55 % im Jahr 2019 und 71 % im Jahr 2018). Bei Rückkehrerhaushalten, die von alleinstehenden Frauen geführten wurden, lag der Anteil sogar bei 79 %. In der KRI waren die Haushaltseinkommen von Bin nenvertriebenen- und Rückkehrerhaushalten im Jahr 2020 besonders niedrig: In den Distrikten Chamchamal, Halabcha, Rania und Dokan im Gouvernement Sulaymaniyah und im Distrikt Koysinjag im Gouvernement Erbil hatten im Berichtszeitraum der MCNA-VIII-Erhebung (Juli - September 2021) zwischen 92 % und 93 % der Rückkehrerhaushalte ein Monatseinkommen von weniger als 480.000 IQD (IOM 18.6.2021, S.5). Einer weiteren Studie zufolge gaben acht von zehn Befragten an, nicht über ein ausreichendes monatliches Einkommen zu verfügen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Über die Hälfte gab an, weniger als 250.000 irakische Dinar (IQD) [Anm.: 100.000 IQD entsprechen rund 71 EUR; Stand August 2023] zu verdienen oder kein Einkommen zu haben. Diesbezüglich ist der Anteil derer, die über ein ausreichendes Einkommen verfügen, von 15 % in 2020 auf 9 % in 2021 gesunken. Damit einhergehend ist der Anteil derer, die negativen Bewältigungsstrategien wie reduzierten Lebensmittelkonsum verfol gen von 27 % in 2020 auf 41 % in 2021 angestiegen. Rund 60 % der Befragten liehen sich Geld, um ihre monatlichen Ausgaben zu decken (IOM 27.8.2023, S.20-21). 303

Um die Rückkehr von Flüchtlingen in die Herkunftsgebiete zu erleichtern, finanziert das United Nations Development Programme (UNDP) die Umsetzung von Projekten zur Wiederherstellung der Infrastruktur, der Existenzgrundlagen und des sozialen Zusammenhalts in Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din. Darüber hinaus führte das Programm der Vereinten Nationen für Siedlungswesen (UN-Habitat) Schnellbewertungen von zerstörten Häusern in Gebieten von Ninewa durch und unterstützte 2.190 Familien, deren Häuser zerstört wurden, bei der Registrie rung von Entschädigungsansprüchen. UN-Habitat stellte weiterhin Wohnberechtigungsscheine für jesidische Rückkehrer in Sinjar aus (UNSC 3.8.2021, S.12). Einer Studie zufolge, die zwischen 2020 und 2021 durchgeführt wurde, gaben fast die Hälfte der Befragten Rückkehrer (45 %) an, einen schlechten bis sehr schlechten Zugang zu Wohnraum zu haben. 2020 gaben 36 % der Befragten an, eine eigene Wohnung zu besitzen, während 47 % zur Miete wohnten und 12 % bei einer anderen Familie untergebracht waren. Der Rest gab keine genauen Auskünfte. Die Anmietung einer Unterkunft stellt eine erhebliche Belastung dar. Fast 80 % der Befragten gaben an, dass ihr Einkommen nicht ausreiche, um die Grundbedürfnisse zu decken. 41 % würden Lebensmitteleinkäufe einschränken (IOM 27.8.2023, S.25). Es gibt mehrere Organisationen, die Unterstützung bei der Wiedereingliederung anbieten, dar unter ETTC (Europäisches Technologie- und Ausbildungszentrum), IOM (Internationale Orga nisation für Migration) und GMAC (Deutsche Zentrum für Jobs, Migration und Reintegration). Ebenso gibt es mehrere NGOs, die bedürftigen Menschen finanzielle und administrative Unter stützung bereitstellen sowie Institutionen, die Darlehen für Rückkehrer anbieten. Beispielsweise Bright Future Institution in Erbil, die Al-Thiqa Bank, CHF International/Vitas Iraq, die National Bank of Iraq, die Al-Rasheed Bank und die Byblos Bank (IOM 18.6.2021, S.12-13). In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortfüh rung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 28.10.2022, S.23). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (12.9.2023): Außenminister Alexander Schallenberg im Irak: „ Neues Kapitel in den Beziehungen aufschlagen“, https://www.bmeia.gv.at/ministerium/presse/aktuelles/2023/09/aussenminister-alexa nder-schallenberg-im-irak-neues-kapitel-in-den-beziehungen-aufschlagen , Zugriff 12.9.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ ERRIN - European Return and Reintegration Network (8.2021): Sustainable Reintegration in Iraq, https://returnnetwork.eu/wp-content/uploads/2021/08/ERRIN-Sustainable-Reintegration-in-Iraq_sh ortened.pdf, Zugriff 25.8.2023 ■ IOM - International Organization for Migration (27.8.2023): Returning from Abroad: Experiences, Needs and Vulnerabilities of Migrants Returning to Iraq: Findings from a Longitudinal Study, https:// 304

iraqdtm.iom.int/files/BorderMonitoring/20237133622750_IOM Returning from Abroad - Experiences, Needs and Vulnerabilities of Migrants Returning to Iraq.pdf, Zugriff 12.9.2023 ■ IOM - International Organization for Migration (18.6.2021): Information on the socio-economic situ ation in the light of COVID-19 in Iraq and in the Kurdish Region, requested by the Austrian Federal Office for Immigration and Asylum ■ IOM - International Organization for Migration (2021): Home Again? Categorising Obstacles to Returnee Reintegration in Iraq, https://iraq.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1316/files/documents/IOM Iraq Home Again, Categorising Obstacles to Returnee Reintegration in Iraq.pdf, Zugriff 13.3.2021 ■ Presse - Presse, Die (12.9.2023): Was Schallenberg im Irak vorhat, https://www.diepresse.com/15 613204/was-schallenberg-im-irak-vorhat , Zugriff 12.9.2023 ■ UNSC - United Nations Security Council (3.8.2021): Implementation of resolution 2576 (2021); Report of the Secretary-General [S/2021/700], https://www.ecoi.net/en/file/local/2058500/S_2021_ 700_E.pdf, Zugriff 15.5.2021 25 Staatsbürgerschaft und Dokumente Letzte Änderung 2023-10-09 16:24 Artikel 18 der irakischen Verfassung besagt, dass jede Person, die zumindest über einen iraki schen Elternteil verfügt, die Staatsbürgerschaft erhält und somit Anspruch auf Ausweispapiere hat (RIL 15.10.2005; vgl. USDOS 20.3.2023, DFAT 16.1.2023, S.41). Dies wird in Artikel 3 des irakischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2006 bestätigt, jedoch wird in Artikel 4 dar auf hingewiesen, dass Personen, die außerhalb des Iraks von einer irakischen Mutter geboren werden und deren Vater entweder unbekannt oder staatenlos ist, vom Minister für die irakische Staatsbürgerschaft in Betracht gezogen werden können. Dies geschieht, wenn sich die besagte Person innerhalb eines Jahres nach ihrer Volljährigkeit für die irakische Staatsbürgerschaft ent scheidet. Wenn dies aus schwierigen Gründen unmöglich ist, kann die Person trotzdem noch um die irakische Staatsbürgerschaft ansuchen. In jedem Fall muss der Antragsteller zum Zeitpunkt seiner Bewerbung aber im Irak ansässig sein (RIL 7.3.2006). Eine Doppelstaatsbürgerschaft ist gemäß Artikel 10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes No. 26/2006 möglich (RoI MoFA 2022a; vgl. AA 28.10.2022, S.25). Hohe Positionen in Politik, Verwaltung oder dem Sicherheitssektor setzen die Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit voraus (Art. 18 Abs. 4 der Verfassung). Diese Regelung wird jedoch nicht konsequent umgesetzt (AA 28.10.2022, S.25-26). Jeder Iraker, der seine irakische Staatsangehörigkeit aufgegeben hat, weil er eine andere Staats angehörigkeit angenommen hat, kann auf Antrag wieder eingebürgert werden (Art. 18 Abs. 3 lit. a der Verfassung i.V.m. Artikel 10 Abs. 3 des irakischen Staatsangehörigkeitsgesetzes). Jeder Iraker, dessen Staatsangehörigkeit aus politischen, religiösen, rassischen oder konfes sionellen Gründen entzogen wurde, hat das Recht, seine irakische Staatsangehörigkeit (ohne Einbürgerung) zurückzufordern (Art. 18 Abs. 3 lit. a der Verfassung i.V.m. Art. 18 Abs. 1 des irakischen Staatsangehörigkeitsgesetzes) (AA 28.10.2022, S.25-26; vgl. DFAT 16.1.2023, S.41). Die Staatsangehörigkeit kann durch die irakischen Auslandsvertretungen festgestellt werden. Über die Gründlichkeit der Prüfung liegen keine Erkenntnisse vor (AA 28.10.2022, S.26; vgl. DFAT 16.1.2023, S.41). Es gibt weder ein vergleichbares Meldewesen noch ein zentrales Personenstandsregister. Auch existiert kein einheitliches oder übliches Adressenformat (AA 28.10.2022, S.25). 305

Für die Ausstellung einer Geburtsurkunde für ein im Ausland geborenes Kind ist eine Regis trierung bei der Konsularabteilung einer irakischen Botschaft notwendig. Der Vater des Kindes muss in der Konsularabteilung der Botschaft anwesend sein. Im Fall seines Ablebens ist der Ehevertrag ein erforderliches Dokument, um die Vaterschaft des Kindes zu belegen. Innerhalb von zwei Monaten nach dem Geburtstermin muss eine beglaubigte Geburtsbestätigung von der zuständigen Behörde des Landes, in dem die Geburt erfolgte, vorgelegt werden. Bei Verspä tung ist eine Gebühr für die verzögerte Registrierung in Höhe von 10.000 irakischen Dinar (IQD) [Anm.: 7,18 € (Stand August 2023)] zu bezahlen (RoI MoFA 2022b). Laut dem irakischen Passgesetz kann jede Person über 18 Jahren, unabhängig von ihrem Geschlecht und ohne Erlaubnis des Vormunds, einen Pass erhalten. Personen jünger als 18 benötigen die Erlaubnis ihres Vormunds (RIL 9.9.2015). Ein Personalausweis wird etwa für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt (USDOS 20.3.2023; vgl. FIS 17.6.2019). Er wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente, wie den Reisepass, benötigt (FIS 17.6.2019). Im Oktober 2015 ist ein neues nationales Ausweisgesetz in Kraft getreten. Laut diesem soll ein neuer biometrischer Personalausweis vier Karten ersetzen: den alten Personalausweis, den Staatsangehörigkeitsnachweis, den Aufenthaltsnachweis (FIS 17.6.2019; vgl. DFAT 16.1.2023, S.41) und den Lebensmittelausweis (FIS 17.6.2019). Seit der Jahreswende 2015/2016 wer den die neuen Ausweise sukzessive ausgestellt (FIS 17.6.2019; vgl. DFAT 16.1.2023, S.41). Es ist unklar, wie weit die neuen Personalausweise verteilt und angenommen wurden (DFAT 16.1.2023, S.41). In den seit 2016 ausgestellten Personalausweisen ist die Religionszugehö rigkeit des Inhabers nicht mehr vermerkt, obwohl bei der Online-Beantragung immer noch nach dieser Information gefragt wird, und ein Datenchip auf dem Ausweis weiterhin Angaben zur Religion enthält (USDOS 2.6.2022; vgl. DFAT 16.1.2023, S.42). Die einzigen Religionen, die auf dem Antrag für den nationalen Personalausweis angegeben werden können, sind: Christ, Sa bäer-Mandäer, Jeside, Jude und Muslim. Es wird nicht zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen unterschieden, und es werden auch keine christlichen Konfessionen angegeben. Per sonen, die anderen Glaubensrichtungen angehören, können nur dann einen Personalausweis erhalten, wenn sie eine der angegebenen religiösen Optionen auswählen (DFAT 16.1.2023, S.42). Viele Iraker besitzen nach wie vor ihren alten Personalausweis und den erforderlichen Staatsbürgerschaftsnachweis. Zwar haben die alten Ausweise kein Ablaufdatum, doch werden sie laut irakischen Behörden im Jahr 2024 ihre Gültigkeit verlieren. Die alten Ausweise werden dabei nach wie vor an Orten ausgegeben, an denen die notwendigen Gegebenheiten für die Ausstellung der neuen Dokumente nicht vorhanden sind. Da Ausweise in der Regel nur an den Orten der Aufenthaltsmeldung ausgestellt werden, benötigen IDPs häufig die Hilfe anderer, um zumindest an einen alten Ausweis zu kommen ( FIS 17.6.2019). Jedoch können Frauen ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters weder einen Reisepass beantragen noch einen Personalausweis bekommen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 24.2.2022). 306

Auch 2021 wurden Personen, denen ein Naheverhältnis zum Islamischen Staat (IS) vorge worfen wurde, eine Sicherheitsfreigabe, wichtige Identifikationskarten und andere zivile Pa piere vorenthalten (HRW 13.1.2022). Der IS konfiszierte und zerstörte routinemäßig zivile und andere staatlich ausgestellte Dokumente und stellte stattdessen eigene Dokumente aus, die vom irakischen Staat nicht anerkannt werden, z.B. Heiratsurkunden (CCiC 1.4.2021; vgl. NRC 30.4.2019). Viele Familien haben ihre Dokumente während der Kämpfe verloren oder sie wur den von Sicherheitskräften beschlagnahmt - entweder nachdem die Betroffenen aus den vom IS kontrollierten Gebieten geflohen waren, oder als sie in den Lagern für Binnenvertriebene (IDPs) ankamen. Fehlende Sicherheitsfreigaben hindern Familien daran, zivile Dokumente zu erhalten oder zu erneuern. Bis heute fehlen schätzungsweise 37.980 Irakern, die in Binnenvertriebe nenlagern leben, diverse zivile Dokumente. Die Zahl der Menschen, die außerhalb der Lager ohne Ausweispapiere leben, wird noch höher geschätzt, insbesondere angesichts der jüngs ten Lagerschließungen. Internationale Organisationen warnen besonders vor der hohen Zahl von Kindern, denen zivile Dokumente fehlen (CCiC 1.4.2021). [Siehe dazu auch das Kapitel: (Mutmaßliche) IS-Mitglieder, IS-Sympathisanten und „ IS-Familien“ (Dawa‘esh)] Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenminis teriums sind im Umlauf (AA 28.10.2022, S.25; vgl. DFAT 16.1.2023, S.44). Zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 28.10.2022, S.25). Doku mente, die im Rahmen religiöser Verfahren ausgestellt werden, wie Heirats-, Scheidungs- und Sorgerechtsurkunden, weisen schwache oder gar keine Sicherheitsmerkmale auf. Die durch den Personalausweis abgelösten Dokumente weisen schwächere Sicherheitsmerkmale auf als die biometrischen Ausweise und wurden möglicherweise nach veralteten oder unzuverlässigen Verfahren ausgestellt (DFAT 16.1.2023, S.44). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ CCiC - Center for Civilians in Conflict (1.4.2021): Ignoring Iraq’s Most Vulnerable: The Plight of Displaced Persons, https://civiliansinconflict.org/wp-content/uploads/2021/04/CIVIC_Iraq_Report_F inal-Web.pdf, Zugriff 18.8.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2068634.html, Zugriff 11.7.2023 ■ FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (17.6.2019): Irak: Tiendonhankintamatka Bagdadiin Helmikuussa 2019 Paluut Kotialueille (Entisille ISIS-Alueille); Ajankohtaista Irakilai sista Asiakirjoista, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Irak Tiedonhankintamatka Bag dadiin helmikuussa 2019 Paluut kotialueille (entisille ISIS-alueille); ajankohtaista irakilaisista asiakirjoista.pdf/c5019f7f-e3f7-981b-7cea-3edc1303aa78/Irak Tiedonhankintamatka Bagdadiin helmikuussa 2019 Paluut kotialueille (entisille ISIS-alueille); ajankohtaista irakilaisista asiakir joista.pdf, Zugriff 21.7.2023 307

■ HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2066472.html, Zugriff 13.7.2023 ■ NRC - Norwegian Refugee Council (30.4.2019): Barriers from birth: Undocumented children in Iraq sentenced to a life on the margins, https://www.nrc.no/globalassets/pdf/reports/iraq/barriers-from-b irth/barriers-from-birth-med-pages.pdf , Zugriff 18.8.2023 ■ RIL - Republik Irak, Legislative [Iraq] (9.9.2015): Iraq: Passports Law (2015), inoffizielle englische Übersetzung, https://www.refworld.org/docid/5c755e247.html, Zugriff 10.2.2021 ■ RIL - Republik Irak, Legislative [Iraq] (7.3.2006): Iraqi Nationality Law, Law 26 of 2006, inoffizielle englische Übersetzung, https://www.refworld.org/docid/4b1e364c2.html, Zugriff 21.7.2023 ■ RIL - Republik Irak, Legislative [Iraq] (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, inoffizielle englische Übersetzung, http://www.refworld.org/topic,50ffbce524d,50ffbce525c,454f50804,0,,LEGI SLATION,IRQ.html, Zugriff 10.2.2021 ■ RoI MoFA - Republic of Iraq, Ministry of Foreign Affairs [Irak[ (2022a): Passport Issuance, https://mofa .gov.iq/passport-issuance, Zugriff 20.12.2022 ■ RoI MoFA - Republic of Iraq, Ministry of Foreign Affairs [Irak[ (2022b): Birth Certificate, https://mofa.g ov.iq/birth-certificate, Zugriff 20.12.2022 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073956.html, Zugriff 21.7.2023 26 Impressum Herausgegeben von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Wien (BFA - https://bfa.gv.at), Österreich Telefon: +43 59133 98 7271 Mail: BFA-Staatendokumentation@bmi.gv.at https://staatendokumentation.at https://cloud.staatendokumentation.at https://coi-cms.staatendokumentation.at 26.1 Urheberrecht Diese Publikation und alle darin enthaltenen Daten sind urheberrechtlich geschützt. Alle Ver wertungsrechte liegen bei der Fachstelle für Herkunftsländerinformationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Die Vervielfältigung und Verbreitung in jeglicher Form - zu kom merziellen und nichtkommerziellen Zwecken - ist nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung durch das Referat Herkunftsländerinformationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gestattet. 26.2 Hinweis zum Datenschutz Die Herkunftsländer-Informationsstelle des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verarbei tet Daten in Übereinstimmung mit der General Data Protection Regulation (GDPR. Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG) und des österreichischen Datenschutzgesetzes (Bundes gesetz über den Schutz personenbezogener Daten, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF). Zum Zweck der Verteilung werden Name, Post- und/oder E-Mail-Adressen gespeichert. Den Empfängern stehen 308

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