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14. Todesstrafe Die Vollstreckung der Todesstrafe wurde im Juni 2014 nach einem seit 2011 bestehenden de-facto Moratorium wiederaufgenommen (AA 26.1.2022). Die Anwendung der Todesstrafe hat seit der Machtübernahme durch Al-Sisi drastisch zugenommen (FH 2024; vgl. AA 26.1.2022), obwohl es ernsthafte Bedenken wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und politisch motivierter Strafverfolgung gibt (FH 2024). Ägyptische Gerichte verhängen die Todesstrafe für ein breites Spektrum von Verbrechen, einschließlich Fällen von angeblicher politischer Gewalt, Terrorismus, aber auch Drogendelikte, Einsatz von Sprengstoff mit Todesfolge, Spionage und diverse staatsgefährdende Straftaten gegen die äußere Sicherheit (AA 26.1.2022) Öffentlichkeitswirksam wurden zahlreiche Führungskader der Muslimbrüder erstinstanzlich zum Tode verurteilt (AA 26.1.2022). Bei den in jüngerer Zeit (seit 2013) international breit kritisierten Verhängungen von Todesurteilen in Massenverfahren gegen Anhänger der Muslimbrüder handelte es sich in den meisten Fällen um Urteile in Abwesenheit. Ist ein Angeklagter, dem ein mit der Todesstrafe bedrohtes Verhalten zur Last gelegt wird, flüchtig, kommt es in Ägypten zu einem Prozess in Abwesenheit, bei dem über den Betroffenen automatisch, aber provisorisch, die Todesstrafe verhängt wird. Wird der Betroffene später aufgegriffen, wird die Todesstrafe aufgehoben und das gesamte Verfahren in seiner Anwesenheit neu durchgeführt (ÖB 6.2024). Die tatsächliche Vollstreckung der Todesstrafe bleibt deutlich hinter der Anzahl der Urteile zurück. 2019 kam es zu einem besorgniserregenden Anstieg bei den Exekutionen (je nach Quelle 38 bis 46), wobei allein im Dezember 16 Urteile vollstreckt wurden. Dieser Trend setzt sich bis 2021 fort (ÖB 6.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 15. Religionsfreiheit 90 % aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Ca. 10 % der Bevölkerung sind Christen, 90 % davon gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und der Rest .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 38

anderen christlichen Konfessionen an. Andere christliche Gemeinschaften machen zusammen weniger als 2 % der Bevölkerung aus. Dazu gehören die armenisch-apostolische Kirche, die katholische Kirche (koptisch-katholisch, armenisch-katholisch, chaldäisch, melkitisch, maronitisch, lateinisch und syrisch), die orthodoxe Kirche (griechisch und syrisch), die anglikanische/episkopale Kirche und andere Protestanten (USDOS 26.6.2024). Nach Schätzungen von Gelehrten und NGOs machen schiitische Muslime etwa 1 % der Bevölkerung aus. Es gibt auch eine kleine Anzahl von Dawoodi Bohra Muslimen und Ahmadi Muslimen. Vertreter der Baha'i schätzen die Größe ihrer Gemeinschaft auf 1.000 bis 2.000 Personen (USDOS 26.6.2024). Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut" (FH 2024; vgl. USDOS 26.6.2024). Die Verfassung nennt die Grundsätze der Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung, legt aber fest, dass die kanonischen Gesetze der Juden und Christen die Grundlage für die Gesetzgebung bilden, die ihren persönlichen Status, ihre religiösen Angelegenheiten und die Wahl ihrer geistlichen Führer regelt (USDOS 26.6.2024). Die Regierung erkennt den sunnitischen Islam, das Christentum und das Judentum offiziell an und erlaubt nur deren Anhängern die öffentliche Ausübung ihrer Religion und den Bau von Gotteshäusern. Die „Verachtung und Missachtung“ der drei abrahamitischen Religionen und die Unterstützung „extremistischer“ Ideologien sind Straftaten (USDOS 26.6.2024; vgl. ÖB 6.2024), Atheismus ist ebenso verboten (ÖB 6.2024). Die Regierung erkennt den Übertritt zum Islam an, nicht aber den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion, es sei denn, es handelt sich um Personen, die nicht als Muslime geboren wurden, aber später zum Islam übergetreten sind, wie es in einem Erlass des Innenministeriums aufgrund eines Gerichtsbeschlusses heißt. Der Übertritt zum Christentum erfordert die Vorlage eines Dokuments der aufnehmenden Kirche, eines Personalausweises und von Fingerabdrücken. Nachdem festgestellt wurde, dass die Absicht des Wechsels - der häufig auch eine Namensänderung mit sich bringt - nicht darin besteht, sich der Strafverfolgung für eine unter dem muslimischen Namen begangene Straftat zu entziehen, wird ein neues Ausweisdokument mit dem christlichen Namen und der Religionsbezeichnung ausgestellt. In Fällen, in denen Muslime, die nicht als Muslime geboren wurden, vom Islam konvertieren, werden ihre minderjährigen Kinder und in einigen Fällen auch erwachsene Kinder, die minderjährig waren, als ihre Eltern konvertierten, weiterhin als Muslime eingestuft. Wenn diese Kinder 18 Jahre alt werden, haben sie die Möglichkeit, zum Christentum zu konvertieren und dies in ihrem Personalausweis vermerken zu lassen (USDOS 26.6.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 38

Ein besonderes Problem stellen Ehen zwischen Muslimen und Christen dar. Nach ägyptischem Recht ist die Ehe zwischen einer Christin und einem Muslim zulässig, nicht hingegen die Ehe zwischen einer Muslimin und einem Christen. Der männliche christliche Partner muss daher zwischen seiner Religion und seiner zukünftigen Ehefrau wählen. In der Praxis wählt er meist die Konversion zum Islam, deren Ernsthaftigkeit vom Staat auch nicht weiter überprüft wird. Eine Konversion seiner Ehefrau zum Christentum ist mangels staatlicher Anerkennung praktisch nicht möglich. Besteht also der christliche Ehemann sowohl auf die Beibehaltung seines Glaubens (Religionsfreiheit) als auch auf die Wahl seiner Ehefrau (Freiheit der Eheschließung), kann er das nur realisieren, wenn das Paar im Ausland lebt. Das seit mehr als einem Jahr in Begutachtung befindliche zivile Personenstandsgesetz, welches die Vorrangstellung der religiösen Rechtsprechung für Muslime und Christen durch ein Zivilrecht größtenteils beenden soll, wird v.a. von der koptischen Kirche blockiert, die auf das (kirchliche) Verbot der Scheidung nicht reformiert sehen möchte (ÖB 6.2024). Religiöse Minderheiten und Atheisten sind von Verfolgung und Gewalt betroffen. Religiöse Minderheiten werden häufig verfolgt, wenn sie ihren Glauben öffentlich zum Ausdruck bringen, und manchmal werden sie von den Behörden der Blasphemie beschuldigt (FH 2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074025.html, Zugriff 21.3.2025 15.1. Kopten Präsident El-Sisi versteht sich zwar als gläubiger Muslim, wendet sich aber entschieden gegen eine wörtliche und/oder Gewalt rechtfertigende Auslegung des Korans. Gegenüber Kopten ist der Präsident besonders offen. Regelmäßige Bewerbungen der Bedeutung des Christentums für die ägyptische Geschichte durch den Präsidenten selbst – u.a. auch zur Ankurbelung des Tourismus – machen diese Haltung deutlich. Die Koptische Kirche dankt es ihm mit Loyalität. Konfessionelle Konflikte, obwohl zurzeit nicht virulent, stellen eine permanente Bedrohung der Staatssicherheit dar und werden entsprechend genau beobachtet. Nicht alle Spannungen bzw. Übergriffe resultieren jedoch aus „konfessionellen“ Gründen, sondern auch sozialen Spannungen (ÖB 6.2024). Die koptischen Christen stellen eine erhebliche Minderheit dar. Kopten waren in den letzten Jahren zahlreichen Fällen von Zwangsumsiedlung, tätlichen Angriffen, Bomben- und Brandanschlägen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 38

und Blockaden von Kirchenbauten ausgesetzt. In informellen Versöhnungssitzungen nach sektiererischen Konflikten wurde den Kopten die Gerechtigkeit für die gegen sie verübten Gewalttaten verweigert (FH 2024). Die koptisch-orthodoxe Kirche schließt die Teilnahme an den von der Regierung geförderten Versöhnungssitzungen zwar nicht aus, ein Sprecher der Kirche sagte jedoch, Versöhnungssitzungen sollten nicht anstelle der Anwendung des Gesetzes eingesetzt werden und sich darauf beschränken, nach konfessionellen Streitigkeiten oder Gewalttaten „reinen Tisch zu machen und Wiedergutmachung zu leisten“. Mindestens eine koptisch-orthodoxe Diözese in Oberägypten weigerte sich im Jahr 2023 weiterhin, an Versöhnungssitzungen teilzunehmen, und kritisierte sie als Ersatz für Strafverfahren und nicht als Mittel, um Angriffe auf Christen und ihre Kirchen zu bekämpfen. Andere christliche Konfessionen berichteten, dass sie weiterhin an den üblichen Versöhnungssitzungen teilnehmen (USDOS 26.6.2024). In Ägypten kommt es gelegentlich zu Gewalttaten gegen Kopten, die entweder von Terroristen oder aber von der Lokalbevölkerung im Zuge von konfessionellen Spannungen ausgehen (ÖB 6.2024; vgl. USDOS 26.6.2024). Anschläge richten sich vorwiegend gegen koptische Klöster oder Kirchen und sind somit potenziell überall möglich. Im Nord-Sinai kam es im Jahr 2017 zur Ermordung einzelner Kopten durch Terroristen mit dem Ziel, die dortige koptische Bevölkerung so zu verunsichern, dass sie den Sinai verlassen. Dies ist z.T. auch gelungen, hunderte Kopten ergriffen die Flucht in andere Teile Ägyptens, wo sie von den Behörden vorübergehend in sicheren Unterkünften untergebracht wurden. Dieser Trend hat sich seither – wohl auch angesichts einer großangelegten Anti-Terroroperation der ägyptischen Sicherheitskräfte (Operation Sinai 2018) - nicht fortgesetzt. Die staatlichen Sicherheitsbehörden sind bemüht, die Kopten vor Anschlägen zu schützen. So werden etwa wichtige Kirchen an religiösen Feiertagen polizeilich bewacht, zahlreiche Verhaftungen in der einschlägigen gewaltbereiten Islamistenszene wurden vorgenommen, es ist auch zu Anschlagsvereitelungen gekommen. Terroristische Anschläge gegen Kopten sind seit 2018 deutlich rückläufig. Im Falle einer jüngsten Ermordung eines koptischen Priesters in Alexandria (am 7.4.2022) wurde der wegen islamistisch-extremistischen Aktivitäten bereits vorbestrafte Täter – mit der gesetzlich vorgesehenen Zustimmung des Großmuftis – jedoch innerhalb eines Monats zum Tode verurteilt (ÖB 6.2024). Insgesamt ist das Zusammenleben zwischen Muslimen und Kopten weitgehend friedlich – auch wenn es gelegentlich zu Gewalt kommt. So etwa kam es 2016 in Zusammenhang mit tatsächlich oder gerüchteweise geplantem Bau von Kirchen bzw. der Nutzung von Privathäusern für Gottesdienste zu lokalen Ausschreitungen seitens der muslimischen Bevölkerung gegen koptische Mitbürger, was zu Sachschaden und vereinzelt Todesfällen führte. Das islamistisch motivierte Phänomen der Zerstörung von Kirchen durch aufgebrachte Mobs nach dem Sturz von Morsi hat .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 38

sich allerdings zwischenzeitlich weitgehend gelegt; die 78 zerstörten Kirchen wurden Großteils mit staatlicher Hilfe wiederaufgebaut (ÖB 6.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074025.html, Zugriff 21.3.2025 16. Ethnische Minderheiten Die Verfassung betrachtete alle Bürger als „gleich an Rechten, Freiheiten und allgemeinen Pflichten, ohne Diskriminierung aufgrund von Religion, Weltanschauung, Geschlecht, Herkunft, Ethnie, Hautfarbe, Sprache, Behinderung, sozialer Schicht, politischer oder geografischer Zugehörigkeit oder sonstiger Gründe“ (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024), dennoch gehören Nubier und Beduinen (USDOS 23.4.2024) bzw. Personen mit dunkler Hautfarbe (FH 2024) zu den wichtigsten Gruppen, die rassistisch oder ethnisch motivierter Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 17. Relevante Bevölkerungsgruppen 17.1. Frauen Die Verfassung verpflichtet den Staat, die Gleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten. Obwohl die Regierung Schritte zur Verbesserung ihrer Situation unternimmt, haben Frauen jedoch nicht die gleichen gesetzlichen Rechte und Chancen wie Männer (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Diskriminierung ist weit verbreitet (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024, AI 24.4.2024). Frauen sind weit verbreiteter gesellschaftlicher Diskriminierung, Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit und Vorurteilen am Arbeitsplatz zugunsten von Männern ausgesetzt, was ihren sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg behindert (USDOS 23.4.2024). Frauen sind in Eigentums- und Erbschaftsangelegenheiten rechtlich benachteiligt und erhalten in der Regel die Hälfte des einem Mann zustehenden Erbes (FH 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Auch gesellschaftliche Vorurteile erschweren den Besitz von Land durch Frauen. Personenstandsregeln, die auf der Religionszugehörigkeit beruhen, benachteiligen Frauen in Heirats-, Scheidungs- und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 38

Sorgerechtsangelegenheiten. Muslimische Frauen können beispielsweise keine nicht- muslimischen Männer heiraten, und die koptische Kirche erlaubt nur selten eine Scheidung (FH 2024). Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Diese wird mit einer Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft. Einige Menschenrechtsgruppen bemängeln, dass das Gesetz keine umfassende Definition von Vergewaltigung enthalte und einige Straftaten auf den minderschweren Tatbestand der unsittlichen Körperverletzung zurückführe. Vergewaltigung in der Ehe ist nicht strafbar (USDOS 23.4.2024). Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem. Es gibt keine Gesetze, die häusliche Gewalt oder Missbrauch durch den Ehepartner verbieten, aber die Behörden können die Bestimmungen über die Körperverletzung mit den entsprechenden Strafen anwenden. Sogenannte „Ehrenverbrechen“ werden gesetzlich nicht anders geahndet als andere Verbrechen (USDOS 23.4.2024). Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind und die durch die eigene Familie nicht geschützt werden, können sich häufig kaum wirksam gegen den Gewalttäter wehren, da solche Haltungen v.a. am Land, oft auch von den lokalen Polizisten geteilt werden (ÖB 6.2024). Sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen sind verbreitet (ÖB 6.2024; vgl. USDOS 23.4.2024) und haben eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz (ÖB 6.2022). Die Regierung hat Maßnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigung ergriffen, u. a. eine Erhöhung der Haft- und Geldstrafen für Verurteilte und eine Definition der Kategorie „schwere Belästigung“ für Täter, die eine Waffe benutzen oder am Arbeitsplatz auftreten. Trotz dieser Bemühungen ist die sexuelle Belästigung ein ernstes Problem. In einem Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom April 2023 wurde die Besorgnis geäußert, dass die Verschärfung der Strafen für sexuelle Belästigung nicht zu einer Verringerung der Prävalenz geführt hat, dass die Zahl der Anzeigen wegen Gewalt gegen Frauen nicht gestiegen ist und dass Frauen, die vor Gericht Anzeige erstatten, häufig durch aufdringliche und negative Medienberichterstattung, Einschüchterung durch Angeklagte und die Staatsanwaltschaft sowie langwierige Ermittlungen erneut zu Opfern werden (USDOS 23.4.2024). Im Juni 2008 beschloss das ägyptische Parlament, FGM/C (FGM/C – weibliche Genitalverstümmelung) im Strafgesetzbuch unter Strafe zu stellen (UNFPA Egypt 2025; vgl. ÖB 6.2024, USDOS 23.4.2024), wobei eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten und eine Höchststrafe von zwei Jahren oder eine alternative Mindeststrafe von 1.000 ägyptischen Pfund (LE) und eine Höchststrafe von 5.000 LE vorgesehen ist. Bislang ist noch niemand nach diesem Gesetz verurteilt worden (UNFPA Egypt 2025) bzw. wird dieses Gesetz nicht durchgesetzt (USDOS 23.4.2024). FGM/C ist nach wie vor – v.a. bei der ländlichen Bevölkerung sowie den weniger gebildeten Schichten in den Städten - sehr weit verbreitet. FGM/C erfolgt meist schon im Kindesalter und jedenfalls vor Eintritt der Geschlechtsreife. Die Betroffenen sind daher kaum in der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 38

Lage, sich der Praxis selbst zu entziehen. Da die FGM/C als alte afrikanische Tradition in Ägypten von Angehörigen beider Konfessionen (Kopten und Muslimen) gleichermaßen praktiziert wird, ist die Religionszugehörigkeit kein relevanter unterscheidender Faktor (ÖB 6.2024). Laut dem Egyptian Family Health Survey (EFHS) 2021 haben sich 86 % der verheirateten ägyptischen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren einer Genitalverstümmelung unterzogen (UNFPA Egypt 2025; vgl. USDOS 23.4.2024), 74 % davon durch Ärzte. Obwohl sich die Einstellung der Frauen gegen die Beschneidung verstärkt hat, gibt es in Ägypten immer noch eine weit verbreitete Befürwortung von FGM/C. Der Prozentsatz der Mütter, die beabsichtigen, ihre Töchter in Zukunft zu beschneiden, ist auf nur noch 13 % (EFHS 2021) gesunken, verglichen mit etwa 35 % (DHS 2014) (UNFPA Egypt 2025). Die jüngsten Daten zeigen einen Rückgang der FGM/C-Rate bei Mädchen und jungen Frauen im Alter von 0-19 Jahren von 21 % auf 14 % zwischen 2014 und 2021 (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - UNFPA Egypt - United Nations sexual and reproductive health agency Egypt (2025): Female genital mutilation, https://egypt.unfpa.org/en/topics/female-genital-mutilation, Zugriff 25.3.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 17.2. Kinder Artikel 80 der Verfassung garantiert umfassende Rechte für Kinder, wie z.B. das Recht auf Gesundheit, Bildung, Familie und Unterkunft (AA 26.1.2022). Bildung, bzw. der Besuch der Grundschule ist verpflichtend und kostenlos (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 23.4.2024). Jedoch ist die Qualität der Schulbildung nicht ausreichend, um eine ausreichende Grundbildung zu gewährleisten. Die bestehende Schulpflicht wird vielfach nicht durchgesetzt (AA 26.1.2022). Kritiker stellen fest, dass die Überfüllung der Klassenzimmer dazu führt, dass die Schüler auf zusätzliche Nachhilfestunden angewiesen sind, um bei den nationalen Prüfungen ein angemessenes Ergebnis zu erzielen. Für diejenigen mit begrenzten finanziellen Mitteln sind diese unerschwinglich (USDOS 23.4.2024). In Ägypten arbeiten gemäß USDOL 3,6 % der Kinder zwischen 5 und 14 Jahren. Im Jahr 2023 machte Ägypten minimale Fortschritte bei den Bemühungen, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen. Die Regierung führte eine nationale Erhebung über Kinderarbeit durch und richtete einen Überweisungsmechanismus ein, der einen gesamtstaatlichen Ansatz zur .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 38

Identifizierung von Opfern des Kinderhandels, zur Überweisung an die erforderlichen Dienste, zur Untersuchung von Fällen und zur Bereitstellung von Rehabilitations- und Wiedereingliederungsdiensten verfolgt. Die Regierung hat jedoch keine Daten über ihre Bemühungen zur Durchsetzung der Kinderarbeitsgesetze veröffentlicht, einschließlich der Ressourcen der Arbeitsaufsichtsbehörde, der Anzahl der festgestellten Verstöße gegen Kinderarbeit und der für Verstöße gegen Kinderarbeit verhängten Strafen (USDOL 5.9.2024). Kinder aus armen Familien sind am ehesten von Kinderarbeit betroffen, und einige Familien zwingen ihre Kinder zu Straßen- und Hausarbeit. Für einige ägyptische Mädchen besteht die Gefahr der kommerziellen sexuellen Ausbeutung unter dem Vorwand einer zeitlich begrenzten Heirat, manchmal auch „Sommerheirat“ genannt, mit wohlhabenden ausländischen Männern, meist aus den Ländern des Persischen Golfs. Einige Migranten- und Flüchtlingsmädchen sind dem Sexhandel ausgesetzt. Darüber hinaus besteht für unbegleitete Migrantenkinder die Gefahr, dass sie von kriminellen Banden zum Drogenverkauf gezwungen werden (USDOL 5.9.2024). Auch die Zahl der Straßenkinder ist hoch und nach offiziellen Angaben in den vergangenen Jahren stark angestiegen (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022); Schätzungen gehen von bis zu einer Million auf der Straße lebenden Kindern aus (AA 26.1.2022), nach anderen Angaben sind es bis zu zwei Millionen (USDOS 12.4.2022). Neuere Zahlen sind gemäß EUAA nicht verfügbar (EUAA 6.12.2024). Gemäß Egypt Today, einer Lokalzeitung, aus dem November 2023 waren, unter Bezugnahme auf eine Erklärung des Rechtsberaters des Ministeriums für soziale Solidarität, 497 Waisenhäuser in Ägypten in Betrieb. Vor der Schließung von Waisenhäusern „aufgrund der Zunahme von alternative Betreuung“ waren es noch 526 Einrichtungen gewesen. Im August 2023 berichtete Egypt Today jedoch über eine Presseerklärung des Ministers für soziale Solidarität, in der es hieß, das Ministerium betreibe 435 Waisenhäuser, 43 Einrichtungen für obdachlose Kinder und 51 Einrichtungen für gerettete Kinder betreibe, ohne ohne dies jedoch näher zu spezifizieren (EUAA 6.12.2024). Die Verfassung schreibt vor, dass die Regierung Kinder vor allen Formen von Gewalt, Missbrauch, Misshandlung sowie kommerzieller und sexueller Ausbeutung schützt. Behörden registrieren jeden Monat Hunderte von Fällen von angeblichem Kindesmissbrauch. Weiters sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von mindestens fünf Jahren und Geldstrafen bei Verurteilung aufgrund der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern und Kinderpornographie vor. Die Regierung setzt das Gesetz nicht ausreichend durch (USDOS 23.4.2024). Kinder sind in Ägypten von Zwangsarbeit und Sexhandel bedroht (FH 2024). Das gesetzliche Heiratsalter liegt bei 18 Jahren. Aus einer im März 2020 veröffentlichten Regierungsstudie geht hervor, dass 2,5 % der Bevölkerung in den Gouvernements von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 38

Oberägypten im Alter zwischen 15 und 17 Jahren verheiratet waren, und dass der Anteil der Mädchen in dieser Altersgruppe, die bereits verheiratet waren, höher war als jener der Jungen (USDOS 23.4.2024). Es gibt keine Jugendstrafanstalten, die den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger entsprechen. Immer wieder werden Minderjährige im Zuge von politischen Prozessen inhaftiert (AA 26.1.2022). Menschenrechtsorganisationen berichten, dass auch Minderjährige in Haft misshandelt werden (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - EUAA - European Union Agency for Asylum (6.12.2024): Situation of children, https://www.ecoi.net/en/file/local/2118753/2024_12_EUAA_COI_Query_Response_Q78_Egypt _Situation_of_children.pdf, Zugriff 26.3.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - USDOL - U.S. Department of Labor [USA] (5.9.2024): 2023 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2116172.html, Zugriff 26.3.2024 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 26.3.2025 17.3. Homosexuelle Homosexuelle Handlungen stehen in Ägypten nicht explizit unter Strafe, jedoch bestehen weit gefasste Straftatbestände einschließlich „Ausschweifung“, Prostitution und „Verletzung der Familienwerte“ (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024; ÖB 6.2024), wofür das Gesetz Gefängnisstrafen von bis zu 10 Jahren vorsieht (USDOS 23.4.2024). Homosexuelle Personen wurden aufgrund dieser Straftatbestände regelmäßig verhaftet und gerichtlich verfolgt (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Der Tatbestand der Unzucht umfasst jede außereheliche sexuelle Handlung, einschließlich homosexueller Handlungen (ÖB 6.2024). Die Behörden verfolgen und verhaften LGBT-Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung und Genderidentität (AI 29.3.2022). Sexuelle Minderheiten werden diskriminiert (FH 2024; vgl. AI 24.4.2024), was ihre Fähigkeit zur Teilnahme am politischen Leben beeinträchtigt. Sie sind verschiedenen Formen von Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt (FH 2024). Das Gesetz erkennt LGBT-Paare nicht an, und es gibt keine Antidiskriminierungsgesetze zum Schutz von sexuellen Minderheiten. Die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 38

Diskriminierung der LGBT-Gemeinschaft findet in der Öffentlichkeit breite Unterstützung (USDOS 23.4.2024). Die öffentliche Befürwortung homosexueller Handlungen kann sowohl als Anstiftung zur Unzucht (Beitragstäterschaft), als auch als Verstoß gegen die öffentliche Moral (Hauptdelikt) qualifiziert werden. Medieninhalte mit homosexuellen Handlungen werden zensuriert bzw. verboten (ÖB 6.2024). Mehrere NGOs und Medien berichteten, dass die Behörden regelmäßig soziale Medien und Internet-Dating-Seiten überwachen und nutzen, um LGBT-Personen zu identifizieren, zu belästigen, zu verhaften und zu misshandeln. Im März 2023 schickte die Dating-Anwendung Grindr eine Nachricht an die Nutzer in dem Land, in der sie gewarnt wurden, dass die Polizei Profile auf der Anwendung nutzt, um Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft in sogenannten Catfishing-Vorfällen ins Visier zu nehmen. Die Warnung folgte auf Berichte über Dutzende von Verhaftungen (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 18. Bewegungsfreiheit Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern (USDOS 23.4.2024). Die Behörden verlangen sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen, aber diese Bestimmung wird nur sporadisch umgesetzt (USDOS 23.4.2024). Die Regierung verhängt Reiseverbote gegen Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, gegen die Ermittlungen laufen oder die formell angeklagt sind, sowie gegen Personen, die aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Lokale Menschenrechtsgruppen behaupten, dass die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 38
