aegy-lib-2025-04-03-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Wahlrecht weiter geschwächt. Angesichts breiter Desillusionierung bzgl. der Parlamentsarbeit und sehr niedriger Wahlbeteiligung setzte das neue Parlament Befragungen von Regierungsmitgliedern an, die aber die grundsätzliche Rolle des Parlaments als Legitimierungsinstitution für Exekutivhandeln nicht ändern (AA 26.1.2022). Quellen: - AA - Auswätiges Amt [Deutschland] (13.3.2025): Ägypten: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/steckbrief/203556, Zugriff 2.4.2025 - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - MM - Mada Masr (18.12.2023): President Abdel Fattah al-Sisi re-elected until 2030, https://www.madamasr.com/en/2023/12/18/news/u/president-abdel-fattah-al-sisi-re-elected- until-2030/, Zugriff 2.4.2024 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 3. Sicherheitslage Aufgrund des Konflikts im Nahen Osten seit dem 7.10.2023 ist die Situation vor allem im Grenzgebiet zu Israel und dem Besetzten Palästinensischen Gebiet volatil. Die Entwicklung der Lage ist ungewiss. Die Spannungen sind hoch und eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage ist nicht auszuschließen. Die Ereignisse in Libyen und im Sudan, wo die Verhältnisse komplex und die Sicherheitslage prekär ist, können ebenfalls Auswirkungen auf das ägyptische Grenzgebiet haben (EDA 23.8.2024). Die Sicherheitslage ist allerdings in Ägypten aktuell insgesamt stabil und ruhig (AA 21.3.2025). Verschiedene terroristische Gruppen sind in Ägypten aktiv, die bedeutendste ist der Islamische Staat - Wilayat Sinai (IS-WS). Es gibt jedoch weitere wie Harakat Sawa’d Misr (HASM) und Liwa al-Thawra. Terroristische Anschläge können im ganzen Land stattfinden, obwohl sie vorwiegend den Norden der Sinai-Halbinsel betreffen. Die Zahl der Anschläge, die Zahl der militärischen Konfrontationen zwischen Armee und Islamisten sowie die Zahl der Todesopfer hat in den letzten Jahren aufgrund intensivierter Antiterror-Operationen kontinuierlich abgenommen. Neben dem Nord-Sinai ist auch das Wüstengebiet im Westen bis zur libyschen und im Süden der sudanesischen Grenze allerdings weiterhin ein Hotspot. Trotz der anhaltenden terroristischen Bedrohung haben die wirksamen Maßnahmen der ägyptischen Regierung zur Terrorismusbekämpfung zu einer deutlichen Verbesserung des allgemeinen Sicherheitsumfelds .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 38

geführt. Statistisch erkennbar ist die Verringerung terroristischer Aktivität in Ägypten an den Werten des Global Terrorism Index für die Jahre 2019 bis 2023 (STDOK 27.6.2024). Das Risiko terroristischer Anschläge ist weiterhin gegeben (AA 21.3.2025; vgl. BMEIA 13.3.2025, EDA 23.8.2024). Im Norden der Sinai-Halbinsel, dem Gouvernorat Nordsinai und dem ägyptisch- israelischen Grenzgebiet - mit Ausnahme des unmittelbaren Küstenabschnitts und des Grenzortes Taba - finden militärische Operationen statt, da es in der Vergangenheit zu terroristischen Anschlägen kam. Im Gouvernorat Nordsinai gilt der Ausnahmezustand, der mit nächtlichen Ausgangssperren einhergeht. Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 21.3.2025; vgl. BMEIA 13.3.2025). Der seit 2017 bestehende Ausnahmezustand wurde im Oktober 2021 durch Präsident Sisi nicht verlängert (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 23.4.2024), jedoch führte dieser im November 2021 gesetzliche Regelungen ein, die es dem Präsidenten erlauben, im Fall von Naturkatastrophen oder Terrorismus Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu ergreifen, wie Ausgangssperren oder Evakuierungen, für eine maximale Dauer von sechs Monaten, dadurch wurden im Ausnahmezustand bestehende Regelungen in reguläre Gesetze überführt (AA 26.1.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.3.2025): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten- node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 1.4.2025 - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (13.3.2025): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 2.4.2025 - EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (23.8.2024): Reisehinweise für Ägypten, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/aegypten/reisehinweise-fueraegypten.html, Zugriff 2.4.2025 - STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenweswen und Asyl (27.6.2024): Themenbericht: Terrorismus in Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 4. Rechtsschutz / Justizwesen Der Aufbau der Justiz und die Grundzüge der Verfahren folgen formell und materiell weitgehend europäischen (v.a. französischen) Mustern (Unabhängigkeit der Richter, Instanzenzüge etc). Islamische Einflüsse existieren zwar (Sharia z.B. für muslimische Bürger relevant im Familien- und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 38

Erbrecht; Sharia in der Verfassung als Rechtsquelle festgelegt), sind aber für die Rechtsordnung insgesamt nicht bestimmend (ÖB Kairo 6.2024). Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte scheinen manchmal nicht unparteiisch zu sein, insbesondere in Fällen, in denen es um Kritik an der Regierung geht, und sie kommen zu politisch motivierten Ergebnissen oder es mangelt an einer individuellen Schuldfeststellung, so mehrere Menschenrechtsgruppen (USDOS 23.4.2024). Durch die Verfassungsänderungen von 2019 wurden die Aufsichts- und Ernennungsbefugnisse des Präsidenten über die Justiz weiter gestärkt und ihre Unabhängigkeit untergraben. Im Juli 2022 ernannte Präsident Sisi einen Militärgeneral zum ersten stellvertretenden Richter des Obersten Verfassungsgerichts, wodurch die Institutionen des Landes noch stärker unter die Kontrolle von Sisi gestellt wurden (FH 2024). Die Exekutive übt Einfluss auf die Gerichte aus, die in der Regel die Interessen der Regierung, des Militärs und des Sicherheitsapparats schützen (FH 2024). Die Justiz sieht sich als patriotische Hüterin des Staates. Urteile tendieren zur Unterstützung des autoritären Sicherheitsapparats. Dementsprechend fallen Urteile zu Delikten, die die Staatssicherheit berühren können, oft unverhältnismäßig streng aus. Ermöglicht wird dies durch die gerade bei diesen Delikten häufig sehr unbestimmt gefassten Tatbestände, die einen weiten Interpretations- und Ermessenspielraum einräumen (vgl. etwa die Antiterrorgesetzgebung). Die (verfassungskonforme) Praxis der militärischen Strafgerichtsbarkeit über Zivilisten wird im Rahmen des Anti-Terror Kampfes fortgesetzt (ÖB Kairo 6.2024). Per Gesetz werden Sanktionen gegen Personen verhängt, die von einem Gericht als Terroristen eingestuft wurden, auch ohne strafrechtliche Verurteilung, darunter Reiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten, die Annullierung von Reisepässen und den Verlust von beruflichen Qualifikationen und politischen Rechten. Die Regierung verfolgt Einzelpersonen wegen angeblicher Mitgliedschaft in oder Unterstützung der Muslimbruderschaft, die sie 2013 als terroristische Vereinigung einstuft. Einzelpersonen können gegen ihre Einstufung als terroristische Gruppe direkt beim höchsten Berufungsgericht des Landes Berufung einlegen (USDOS 23.4.2024). Gesetzlich ist das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vorgesehen, aber dieses ist nicht immer gewährleistet. Nach dem Gesetz gilt für Angeklagte die Unschuldsvermutung, und die Behörden informieren die Angeklagten in der Regel unverzüglich über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen. Die Angeklagten haben das Recht, bei ihrer Verhandlung anwesend zu sein. Angeklagte werden bei Verhören und Festnahmen manchmal nicht über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert. Angeklagte haben manchmal Schwierigkeiten, ausreichende Informationen über die Anschuldigungen und Vorwürfe in ihrem Fall zu erhalten, es gibt lange Verzögerungen bis .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 38

zum Beginn eines Prozesses, sowie begrenzte Kommunikation mit ihren Anwälten während der Haft. Behörden verweigern Anwälten manchmal den Zugang zu inhaftierten Mandanten und gewähren ihnen nicht immer den erforderlichen Zugang zu Beweismaterial und Fallakten vor Beginn des Verfahrens (USDOS 23.4.2024). Das Recht auf ein faires Verfahren ist in der Praxis – v.a. bei Delikten, die die Staatssicherheit betreffen – oft nicht gewährleistet und wird u.a. durch folgende Praktiken beeinträchtigt: Verhaftungen ohne Haftbefehl, exzessive Anwendung von Präventiv- und Untersuchungshaft, Anwendung der Militärgerichtsbarkeit auf Zivilisten, Massenprozesse gegen eine große Anzahl von Beschuldigten mit mangelnder Beweisführung zum Einzelfall (ÖB Kairo 6.2024). Die Gerichte missachten in Fällen gegen politische Gegner der Regierung und alle Formen der unabhängigen Meinungsäußerung häufig ein ordnungsgemäßes Verfahren und andere grundlegende Garantien (FH 2024; vgl. AI 24.4.2024). Auffallend sind die teils unverhältnismäßigen Strafen, was nicht immer nur an den Rechtsnormen selbst, sondern oft auch an der Ermessensausübung durch die jeweiligen Richter liegt, sowie der Umstand, dass eine sehr dürftige Beweislage keineswegs einer Verurteilung entgegensteht (in dubio pro reo ist kein die Praxis bestimmendes Prinzip) (ÖB Kairo 6.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 5. Sicherheitsbehörden Die Polizei (Public Security Sector Police) ist landesweit für die Strafverfolgung zuständig. Die Zentralen Sicherheitskräfte (Central Security Force – CSF) sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Die Nationale Sicherheitsbehörde (National Security Agency) ist zusammen mit anderen Sicherheitsdiensten für Bedrohungen der inneren Sicherheit und Terrorismusbekämpfung zuständig. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Bereich der Außenverteidigung haben die ägyptischen Streitkräfte (Egyption Armed Forces – EAF) auch das Mandat, die Polizei beim Schutz lebenswichtiger Infrastrukturen im Ausnahmezustand zu unterstützen; das Militär erhielt 2011 die volle Befugnis zur Verhaftung, macht aber normalerweise nur im Ausnahmezustand und in „Zeiten erheblicher Unruhen“ von dieser Befugnis Gebrauch (CIA 12.2.2025). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 38

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten bei fehlender Transparenz oder Rechenschaftspflicht. Die reguläre Polizei ist formal von den Sicherheitsdiensten getrennt, in der Praxis beaufsichtigt der Staatssicherheitsdienst das Handeln der Polizei. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Terrorismusvorwürfe werden weit ausgelegt und regelmäßig zur Ahndung jeder Form von Kritik an Regierungshandeln eingesetzt. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 26.1.2022). Militär und Wirtschaft sind in Ägypten eng miteinander verknüpft. So befinden sich zahlreiche Großbetriebe gänzlich in der Hand von Angehörigen des Militärs. Die in zahlreichen Wirtschaftsbereichen existierende enge Verflechtung der Wirtschaft mit dem Militär stellt ein großes Problem für die Entwicklung des Landes dar. Rund 40 Prozent des militärisch-industriellen Komplexes entfallen auf die Produktion profitgenerierender Konsumgüter. Unter al-Sisi hat der wirtschaftliche Einfluss des Militärs zugenommen; Unternehmen in den Händen des ägyptischen Militärs sind wirtschaftlich besonders erfolgreich, vor allem durch ihre Beteiligung in politischen Mega-Projekten wie der Erweiterung des Suez-Kanals und dem Bau der neuen Hauptstadt. Dabei werden Wehrpflichtige als billige Arbeitskräfte eingesetzt und die Unternehmen zahlen keine Steuern. Auch die Tradition, pensionierte Offiziere als Gegenleistung für ihre Loyalität mit prestigeträchtigen Regierungsposten, staatlichen Unternehmen oder lokalen Behörden zu belohnen, wird unter al-Sisi fortgesetzt. Durch mangelnde Transparenz lassen sich kaum verlässliche Aussagen über das jährliche Einkommen der Militärwirtschaft treffen. Experten schätzen, dass das Militär rund ein Drittel der gesamten ägyptischen Wirtschaft kontrollieren könnte; konkrete Zahlen gibt es dazu jedoch nicht. Dies liegt daran, dass das wirtschaftliche Engagement der Armee in Ägypten nicht offengelegt werden muss. Die Militärs sind somit niemandem eine Abrechnung schuldig. Ihr Etat unterliegt somit keinerlei Kontrolle und bleibt weitestgehend autonom (bicc 12.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - bicc - Bonn International Centre for Conflict Studies GmbH (12.2024): Ägypten Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Rüstungsexporte, https://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/aegypten/2024_Aegypten.pdf, Zugriff 19.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 38

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.2.2025): The World Factbook - Egypt, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/#military-and-security, Zugriff 19.2.2025 6. Folter und unmenschliche Behandlung Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung „einer Person, deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt war oder die von den Behörden festgenommen oder verhaftet wurde“. Das Gesetz verbietet Folter, um einen inhaftierten oder festgenommenen Verdächtigen zu einem Geständnis zu bewegen, berücksichtigt jedoch nicht die geistige oder psychologische Misshandlung von Personen oder die Misshandlung aus anderen Gründen als der Erlangung eines Geständnisses. Das Gesetz erlaubte den Gefängnisbeamten zwar die Anwendung von Gewalt gegen Gefangene, die sich den Anordnungen widersetzten, verbot jedoch allen Beamten, unter irgendwelchen Umständen „Grausamkeiten anzuwenden“ oder „körperliche Schäden zu verursachen“ (USDOS 23.4.2024). In Gefängnissen (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024), Polizeistationen und Einrichtungen des NSA (National Security Agency – Geheimdienst) (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024) sind Folter und andere Misshandlungen weiterhin an der Tagesordnung (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024). Die Polizei des Innenministeriums und Beamte der Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) nehmen weiterhin willkürlich Kritiker und Dissidenten in offiziellen und inoffiziellen Haftanstalten fest, lassen sie gewaltsam verschwinden und foltern sie (HRW 16.1.2025). Lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichten von systematischen Missbrauchspraktiken und behaupten, dass Polizei und Gefängniswärter regelmäßig Gefangene, darunter auch Kinder, misshandeln. Eine führende inländische Menschenrechtsgruppe, die sich auf Folter und Misshandlung von Gefangenen und Häftlingen konzentriert, dokumentierte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 rund 2.700 Verletzungen der Rechte von Gefangenen, einschließlich Folter und vorsätzlicher medizinischer Vernachlässigung, in Gefängnissen, Polizeistationen und Haftanstalten (USDOS 23.4.2024). Es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche oder rechtswidrige Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter bei Verhaftungen oder in Gewahrsam befindlichen Personen. Lokale und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von Fällen, in denen Personen in Gefängnissen und Haftanstalten zu Tode gefoltert wurden (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 38

- HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 7. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht konsequent um, und Beamte üben manchmal ungestraft korrupte Praktiken aus. Viele Beobachter und Medienberichte weisen darauf hin, dass Korruption im gesamten öffentlichen Sektor ein großes Problem darstellt. Allerdings verurteilten Gerichte im Laufe des Jahres 2023 eine Reihe hochrangiger Beamter, Staatsbediensteter und ehemaliger Richter wegen Amtsmissbrauchs, Bestechung und anderer damit zusammenhängender Anschuldigungen. (USDOS 23.4.2024). Korruption ist auf allen Ebenen der Regierung weit verbreitet. Offizielle Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung korrupter Aktivitäten sind nach wie vor schwach und ineffektiv. Präsident Sisi kontrolliert die Verwaltungskontrollbehörde (Administrative Control Authority – ACA), die für die meisten Korruptionsbekämpfungsinitiativen zuständig ist. Ihr fehlt es an Glaubwürdigkeit, Transparenz und Unparteilichkeit, und sie kann die umfangreichen wirtschaftlichen Aktivitäten des Militärs nicht überwachen (FH 2024). Laut Corruption Perceptions Index 2024 befindet sich Ägypten auf Platz 130 von 180 Ländern (TI 2025). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - TI - Transparency International (2025): Corruption Perceptions Index 2024, https://www.transparency.org/en/cpi/2024, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten, Ombudsmann In den letzten Jahren waren NGOs mit Massenschließungen und Schikanen in Form von Bürodurchsuchungen, Verhaftungen von Mitgliedern, langwierigen Gerichtsverfahren und Reisebeschränkungen konfrontiert (FH 2024). Internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen bestätigen, dass die Regierung weiterhin unkooperativ ist (USDOS 23.4.2024). Ein Gesetz aus dem Jahr 2019 schränkt die Aktivitäten von NGOs ein, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit, die öffentliche Moral und die öffentliche Ordnung angesehen werden, und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 38

schreibt strenge Berichterstattungspflichten und Überwachungssysteme vor. Die Strafen für Verstöße gegen das Gesetz sind hart (FH 2024). Unabhängige Organisationen und die Lobbyarbeit werden durch die drakonischen Einschränkungen dieses NGO-Gesetzes weiterhin stark eingeschränkt (HRW 16.1.2025). Unabhängige inländische Menschenrechts-NGOs haben aufgrund von Repressalien und Druck seitens der Regierung und der Sicherheitskräfte Schwierigkeiten, zu arbeiten. Staatliche und staatsnahe Medien stellen bisweilen NGOs, insbesondere solche, die Mittel aus internationalen Quellen erhalten, als subversive und sogar verräterische Aktivitäten dar. Lange Verzögerungen bei der Erteilung staatlicher Genehmigungen und ein restriktives rechtliches Umfeld schränken die Möglichkeiten inländischer und internationaler NGOs ein. Die Behörden gestatten manchmal zivilgesellschaftlichen Organisationen, die nicht als NGOs registriert waren, ihre Tätigkeit, aber diese Organisationen berichten über Schikanen und Überwachung sowie über Drohungen mit staatlicher Einmischung, Ermittlungen, Einfrieren von Vermögenswerten oder Schließung (USDOS 23.4.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Männer im Alter von 18-30 Jahren werden zum Wehrdienst verpflichtet. Die Dienstpflicht beträgt zwischen 14-36 Monate, gefolgt von einer neun-jährigen Reserveverpflichtung. Der freiwillige Militärdienst ist für Frauen ab 17 und Männer ab 16 Jahren (Stand 2023) möglich (CIA 12.2.2025). Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist, sie erfolgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. Wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten werden häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt (AA 26.1.2022). Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht formal nicht, gleichwohl gibt es für Wehrpflichtige, die den Dienst an der Waffe ablehnen, vielfältige Möglichkeiten eines waffenlosen Dienstes innerhalb der Streitkräfte (z. B. als Bausoldaten oder Hilfskräfte) oder in den vielen vom Militär betriebenen Wirtschaftsbetriebe. Die Möglichkeit eines Freikaufs vom Militärdienst existiert nach ägyptischem Recht nicht. Zu inoffiziellen Möglichkeiten des .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 38

Freikaufs bestehen keine Erkenntnisse. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt (AA 26.1.2022). Wehrdienstverweigerung (im Sinne einer Totalverweigerung) wird mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren und / oder einer Geldstrafe bestraft. Sie zieht zudem den Entzug politischer Rechte und die Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, nach sich. Bei einem entsprechenden Strafverfahren während des wehrpflichtigen Alters (d. h. in der Regel bis zum 30. oder 31. Lebensjahr) werden im Normalfall Gefängnisstrafen ausgesprochen, in Strafverfahren nach dem wehrpflichtigen Alter zumeist eine Geldstrafe. Die Straftatbestände verjähren mit dem Erreichen des 45. Lebensjahrs (AA 26.1.2022). Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.2.2025): The World Factbook - Egypt, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/#military-and-security, Zugriff 19.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 10. Allgemeine Menschenrechtslage Die am 18.1.2014 in Kraft getretene Verfassung bringt eine Stärkung der Menschenrechtsgarantien; die einfachgesetzliche Umsetzung bzw. behördliche Anwendungspraxis steht aber z.T. nicht im Einklang mit diesen verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Die Menschenrechtspolitik der ägyptischen Regierung ist weiterhin stark autoritär geprägt, sowohl gegenüber islamistischer Opposition, als auch gegenüber Menschenrechtsverteidigern. Der Terrortatbestand nach dem Anti-Terrorgesetz vom 24.2.2015 ist so weit und unbestimmt, dass er unverhältnismäßige bis zur Willkür reichende staatliche Maßnahmen ermöglicht (ÖB 6.2024). Die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist in ihr zweites Jahrzehnt an der Macht eingetreten, indem sie die Unterdrückung auf breiter Front fortsetzt, friedliche Kritiker und Aktivisten systematisch festnimmt und bestraft und friedliche Meinungsverschiedenheiten effektiv kriminalisiert (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden massiv unterdrückt (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Behörden nahmen Dutzende von Demonstranten und Aktivisten fest und verfolgten sie strafrechtlich, auch bei Demonstrationen zur Solidarität mit Palästina. Tausende von Gefangenen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 38

bleiben unter katastrophalen Bedingungen in langwieriger Untersuchungshaft oder aufgrund von ungerechten Gerichtsverfahren verurteilt (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Fälle von Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen waren weiterhin an der Tagesordnung. Gerichte verhängten Todesurteile nach grob unfairen Verfahren, die Zahl der Hinrichtungen ging jedoch zurück. Schwere Menschenrechtsverletzungen blieben weiterhin straflos, auch solche, die in den Vorjahren verübt worden waren (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 11. Meinungs- und Pressefreiheit Die Verfassung sieht das Recht auf freie Meinungsäußerung vor, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien, aber die Regierung respektiert dieses Recht häufig nicht. Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Aktivisten und andere werden regelmäßig strafrechtlich verfolgt und angeklagt, was Beobachter als Vergeltungsmaßnahme für Kritik an der Regierung werten (USDOS 23.4.2024). Die Meinungs- und Pressefreiheit ist jedoch stark eingeschränkt (ÖB 6.2024). Der ägyptische Mediensektor wird von regierungsfreundlichen Medien dominiert; die meisten kritischen oder oppositionellen Medien wurden nach dem Putsch 2013 geschlossen. Private Medien befinden sich im Besitz von Geschäftsleuten und Personen, die mit dem Militär und den Geheimdiensten verbunden sind. Unabhängige Berichterstattung wird durch restriktive Gesetze und Einschüchterung unterdrückt und ausländische Journalisten werden vom Staat behindert (FH 2024). Unter Präsident Abdel Fattah Al-Sisi ist Ägypten eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalisten geworden. Manche werden jahrelang ohne Urteil oder Anklage festgehalten, andere in Massenprozessen zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Haftbedingungen sind in vielen Fällen nicht menschenwürdig. Kritische Journalisten werden als angebliche Unterstützer der verbotenen Muslimbruderschaft gebrandmarkt (RSF 2025). Neue Sicherheits-, Medien- und Internetgesetze legalisieren weitreichende Strafverfolgung und Zensur. Beispielsweise dürfen Journalisten nur amtliche Angaben zu Terroranschlägen veröffentlichen und müssen damit rechnen, für Berichte über Inflation oder Korruption verfolgt zu werden. Allenfalls im Internet gibt es noch begrenzte Freiräume für unabhängige Medien (RSF .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 38
