aeth-lib-2025-09-05-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Anrufung eines traditionellen oder religiösen Gerichts zustimmen, bevor ein solches Gericht einen Fall verhandeln kann. Jede Partei kann jederzeit Berufung bei einem regulären Gericht einlegen. Schariagerichte werden v.a. in den überwiegend muslimischen Regionen Somali und Afar herangezogen. Andere traditionelle Rechtssysteme wie Ältestenräte arbeiten überwiegend in ländlichen Gebieten (USDOS 23.4.2024). Verfahrensrechte in der Praxis: Das Recht auf ein faires Verfahren wird im Allgemeinen nicht geachtet (FH 2025). Die Polizei hat wiederholt faire öffentliche Gerichtsverfahren verhindert, u.a. durch Schikanen und Inhaftierungen von Verteidigern (USDOS 23.4.2024). Menschen in den Konfliktgebieten genießen generell de facto kaum Rechtsschutz (FH 2025). Vielerorts werden Menschen ohne Haftbefehl festgenommen. Derart Inhaftierte dürfen mitunter ihre Rechte nicht wahrnehmen, z.B. die Rechte auf Zugang zu rechtlicher Vertretung und auf eine Anhörung vor Gericht (AI 29.4.2025). Tausenden von Verdächtigen, insbesondere denjenigen, die im Konfliktgebieten inhaftiert worden sind, wird grundlegender Rechtsschutz vorenthalten. Sie werden unrechtmäßig und über lange Zeiträume ohne ordnungsgemäßes Verfahren in Haft gehalten und sind dort Folter sowie anderen grausamen und unmenschlichen Behandlungen und Strafen ausgesetzt (OMCT 4.2024). Der Staat stellt mittellosen Angeklagten einen Rechtsbeistand bei, Berichten zufolge sind aber Umfang und Qualität der Leistungen aufgrund des herrschenden Anwaltsmangels unzureichend. Daneben gibt es zahlreiche kostenlose Rechtsberatungsstellen, v.a. an Universitäten (USDOS 23.4.2024). Langwierige Gerichtsverfahren, eine große Zahl von Inhaftierten, Ineffizienz in der Justiz und Personalmangel führten häufig zu Prozessverzögerungen, die sich in manchen Fällen über Jahre hinzogen (USDOS 12.8.2025). Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird u.a. wegen Überlastung der Justiz häufig nicht umgesetzt (AA 19.7.2024). Die Polizei missachtet seit langem gerichtliche Anordnungen zur Freilassung gegen Kaution, insbesondere bei prominenten Häftlingen (HRW 12.6.2025; vgl. OMCT 4.2024, USDOS 12.8.2025). Gerade politischen Gefangenen wird oftmals seitens der Exekutive ihr von Gerichten zugestandenes Recht auf Kaution verweigert (OMCT 4.2024). So werden z.B. die Journalisten Dawit Begashaw und Genet Asmamaw weiter in Haft gehalten, obwohl Gerichte ihnen wiederholt Kaution zugestanden haben (USDOS 12.8.2025). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 44

- ADA - Austrian Development Agency [Österreich] (2.2025): Länderinformation – Äthiopien, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/ Aethiopien_2025.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Äthiopien 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124777.html, Zugriff 20.8.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.8.2025): The World Factbook – Ethiopia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ethiopia/#transnational-issues, Zugriff 20.8.2025 - FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2129041.html, Zugriff 4.9.2025 - HRW - Human Rights Watch (12.6.2025): Ethiopia Should Immediately Release Prominent Journalist, https://www.ecoi.net/de/dokument/2126241.html, Zugriff am 1.9.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120077.html, Zugriff 20.8.2025 - OMCT - World Organisation Against Torture (4.2024): Broken promises: escalating human rights violations in Ethiopia, https://www.omct.org/site-resources/files/OMCT-EHRCO- UPR47_ETHIOPIA.pdf, Zugriff 1.9.2025 - USDOS - US Department of State (12.8.2025): 2024 Country Reports on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2128504.html, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111862.html, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107690.html, Zugriff 4.9.2025 5. Sicherheitsbehörden Sowohl Bundes- als auch regionale Polizeikräfte sind als Exekutive für die Strafverfolgung zuständig. Die Bundespolizei ist dem Büro des Premierministers gegenüber verantwortlich. 2018 wurde die Republikanischen Garde als eigenständige Militäreinheit eingerichtet Sie ist operativ dem Büro des Premierministers unterstellt, administrativ dem Verteidigungsministerium. Sie ist für den Schutz hochrangiger Beamter und Regierungsinstitutionen sowie für die Durchführung einiger Militäroperationen zuständig (CIA 13.8.2025). Der äthiopische Geheimdienst NISS (National Intelligence and Security Service) ist als Sicherheits- und Abwehrbehörde gut aufgestellt und verfügt über ein funktionierendes Netz an Zuträgern in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens (AA 19.7.2024). Auch die Armee leistet fallweise Unterstützung bei der inneren Sicherheit (CIA 13.8.2025). Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren u.a. mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen und für die die Streitkräfte nicht ausgebildet sind, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambela, Sidamo) werden weiterhin auch Militäreinheiten bei Unruhen oder der Bekämpfung krimineller Handlungen oder terroristischer Banden eingesetzt (AA 19.7.2024). Regionalregierungen haben vormals regionale Sicherheitskräfte unterhalten (u.a. paramilitärische Spezialkräfte), die i.d.R. unabhängig von der Bundesregierung agiert haben. Im April 2023 hat die Bundesregierung dann die Integration dieser Regionalkräfte in die Bundespolizei bzw. in die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 44

Bundesarmee angeordnet. In einigen Fällen haben sich Regionalregierungen ehemalige Angehörige der Spezialkräfte als sogenannte „crowd control“ (Adma Bitena), als separate Einheit innerhalb ihrer Sicherheitsstrukturen beibehalten (CIA 13.8.2025). Neben den staatlichen bzw. regionalen Polizeibehörden gibt es in vielen Regionen staatliche Milizen. Dies sind von Gemeindevertretern ausgewählte bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen. In manchen Fällen wurden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt (AA 19.7.2024). Zudem operieren lokale Milizen landesweit lose oder in unterschiedlich gut ausgeprägter Abstimmung mit regionalen Sicherheits- und Polizeikräften, der Armee oder der Polizei (CIA 13.8.2025). Die Sicherheitsbehörden nehmen in Äthiopien eine starke Position ein. Gleichzeitig sind sie in Menschenrechtsfragen oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und besitzen ungenügende Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Gewalt wird teilweise unverhältnismäßig eingesetzt (AA 19.7.2024). Die Behörden unternehmen keine nennenswerten Anstrengungen, um Sicherheitskräfte, die für Verbrechen unter dem Völkerrecht verantwortlich gemacht werden, zur Rechenschaft zu ziehen. Sie leugnen Verbrechen, die von Menschenrechtsorganisationen dokumentiert worden sind (AI 29.4.2025). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Äthiopien 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124777.html, Zugriff 20.8.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.8.2025): The World Factbook – Ethiopia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ethiopia/#transnational-issues, Zugriff 20.8.2025 6. Folter und unmenschliche Behandlung Gesetzeslage: Äthiopien hat diverse internationale Abkommen ratifiziert, die sich gegen Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung richten (BAMF 2.1.2025; vgl. AA 19.7.2024). Allerdings ist Folter im äthiopischen Gesetz immer noch nicht definiert und entsprechend auch nicht ordentlich kriminalisiert (OMCT 4.2024). Nach anderen Angaben verbietet die Verfassung Folter (AA 19.7.2024; vgl. USDOS 12.8.2025). Verbreitung, Täter, Opfer: Die Verbreitung von Folter durch die Regierung und andere Akteure wird von glaubwürdigen Quellen bestätigt. Die äthiopische Menschenrechtskommission hat in ihren Berichten die Allgegenwärtigkeit von Folter im Land dargelegt (OMCT 4.2024). Es handelt sich .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 44

dabei um ein systematisches und weit verbreitetes Problem. Gefoltert wird nicht nur aber insbesondere während der Untersuchungshaft (AA 19.7.2024). Es gibt zahlreiche, anhaltende und übereinstimmende Behauptungen über die routinemäßige Anwendung von Folter durch Polizei, Gefängnispersonal und Armee (AA 19.7.2024; vgl. USDOS 12.8.2025). Neben Regierungskräften beteiligen sich in den Regionen Amhara, Oromia und Tigray auch Milizen an Folter und der Misshandlung von Zivilisten und gefangenen Kombattanten (USDOS 12.8.2025). Von Folter betroffen sind insbesondere politische Dissidenten und Mitglieder von Oppositionsparteien, Studenten, mutmaßliche Terrorismusverdächtige und aufständische Gruppen (AA 19.7.2024). Von Folter durch nicht-staatliche Akteure betroffen sind u.a. Zivilisten im Westen Tigrays, die hauptsächlich aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gefoltert und misshandelt werden. Andernorts werden gefangene Soldaten und Kämpfer sowie zivile Familienangehörige von Kombattanten oder Regierungsbeamten und Personen, die verdächtigt werden, Kombattanten oder Regierungsbeamte zu unterstützen, gefoltert. Auch andernorts setzen Armee und regionale Polizei im Rahmen von Konflikten exzessiv tödliche Gewalt gegen Zivilisten ein, so z.B. in Oromia, wo von außergerichtlicher Tötung, Folter und willkürlicher Verhaftung berichtet wird. Aus Westtigray kommen Berichte über weitverbreitete Tötungen von Zivilisten, Massenvertreibungen, ethnische Säuberungen, Vergewaltigungen und andere Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen durch Milizen der Amharen und mit ihnen verbündeten Gruppen. Es gibt auch Berichte über weitverbreitete rechtswidrige Tötungen von Zivilisten und Regierungsbeamten in den Regionen Amhara und Oromia und anderswo, u.a. durch die OLA und die Fano-Miliz der Amharen. Lokale Milizen in den Regionen Afar, Amhara, Oromia, Gambela und Somali verüben Angriffe und Tötungen von Zivilisten und haben Tausende vertrieben (USDOS 12.8.2025). Praxis: Zu dieser von den Sicherheitskräften verübten Gewalt gehören auch Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt. Zudem kommt es zu anderen Formen von Folter und Misshandlung sowie zu Hinrichtungen (AA 19.7.2024). So sind etwa seit 2018 immer wieder Oromo-Aktivisten und -Politiker ermordet worden, als möglicher Täter gilt die Regierung (AI 6.1.2025). Aber gerade auch hinsichtlich des anhaltenden bewaffneten Konflikts in Amhara gibt es Berichte über Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen. Dort wurden Tötungen von Zivilisten dokumentiert, darunter auch außergerichtliche Hinrichtungen. So wurden z.B. nach bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und amharischen Fano-Milizen in der Stadt Merawi am 29.1.2024 – nachdem sich die Fano aus der Stadt zurückgezogen hatte – Zivilisten von Soldaten aus Häusern, Geschäften und von der Straße geholt und zu Dutzenden erschossen (AI 29.4.2025). Es gibt auch Berichte zu Auspeitschung oder zum Bedecken von Köpfen mit mit Pfefferpulver gefüllten Plastiksäcken, was .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 44

zu dauerhaften körperlichen Verletzungen und zum Verlust des Augenlichts geführt hat (USDOS 12.8.2025). Verschwindenlassen: Es gibt auch Berichte über Verschwindenlassen durch staatliche Kräfte. Die EHRC hat Fälle dokumentiert, wo – mitunter prominente – Kritiker der Regierung (Kommentatoren, ehemalige Offiziere, Investigativjournalisten, Social-Media-Aktivisten, Politiker, Aktivisten und Künstler) verschleppt worden sind. Manche Personen werden in informellen Hafteinrichtungen in den Konfliktgebieten des Landes festgehalten, darunter in Tigray und in Amhara (USDOS 12.8.2025). Mitunter werden Häftlinge incommunicado in Haft gehalten (USDOS 23.4.2024). Verschleppt werden Menschen nicht nur von Regierungskräften sondern auch von Gruppen, die mit Genehmigung, Unterstützung oder Duldung der Regierung agieren. Zudem kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen gegen Lösegeld sowie durch eritreische Kräfte (in Tigray) (USDOS 12.8.2025). An den Entführungen beteiligen sich aber auch Sicherheitskräfte (FH 2025). Willkürliche Haft: Die Behörden haben im Jahr 2024 landesweit hunderte Menschen auf Grundlage von Notstandsgesetzen festgenommen. Diese Gesetze räumen den Behörden übermäßige Befugnisse ein. Vielerorts wurden Menschen ohne Haftbefehl festgenommen. In der Region Amhara haben Streit- und Sicherheitskräfte im September 2024 in einer gezielten Aktion tausende Menschen willkürlich festgenommen – ohne Durchsuchungs- oder Haftbefehle. Die Festgenommenen wurden größtenteils nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen 48- Stunden-Frist vor Gericht gestellt (AI 29.4.2025). So werden etwa tausende Amharen und Oromo willkürlich und unrechtmäßig u.a. in Lagerhallen, Schulen, Jugendzentren oder Privatwohnungen in Haft gehalten (USDOS 12.8.2025). Verantwortlichkeit: Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z.B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen (AA 19.7.2024). Regierungsakteure, denen Folter vorgeworfen wird, werden nicht zur Rechenschaft gezogen (USDOS 12.8.2025). Es wurden keine sinnvollen Schritte unternommen, um die meisten vergangenen und aktuellen Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der in Konflikten begangenen Gräueltaten, zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen. Straflosigkeit ist weiterhin die Regel (OMCT 4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Äthiopien 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124777.html, Zugriff 20.8.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 44

- AI - Amnesty International (6.1.2025): Frieden ist anderswo, https://www.amnesty.de/aethiopien-tigray-bewaffneter-konflikt-vertreibung-kaempfe-repression- frieden-ist-anderswo, Zugriff 1.9.2025 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.1.2025): Länderkurzinformation Äthiopien SOGI (Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität): Situation von LGBTIQ-Personen; Stand: 01/2025, https://www.ecoi.net/en/file/local/2120231/laenderkurzinfo-aethiopien-01-25-sogi.pdf, Zugriff 1.9.2025 - FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2129041.html, Zugriff 4.9.2025 - OMCT - World Organisation Against Torture (4.2024): Broken promises: escalating human rights violations in Ethiopia, https://www.omct.org/site-resources/files/OMCT-EHRCO- UPR47_ETHIOPIA.pdf, Zugriff 1.9.2025 - USDOS - US Department of State (12.8.2025): 2024 Country Reports on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2128504.html, Zugriff 20.8.2025 7. Korruption Am CPI 2024 von Transparency International findet sich Äthiopien auf dem 99. Rang von 180 untersuchten Ländern (TI 2025). Korruption ist ein erhebliches Problem (FH 2025), es gibt zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 23.4.2024). Bestechung und Korruption auf niedrigem Niveau („petty corruption“), oft unter Beteiligung lokaler Beamter und der Polizei, sind weit verbreitet. Auch im Justizsystem ist Korruption eine erhebliche Herausforderung (FH 2025), und selbst die Verteilung von Nahrungsmittelhilfe wird durch Korruption beeinträchtigt (FH 2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, die Regierung setzt das Gesetz aber weder wirksam noch umfassend um (USDOS 23.4.2024). Die Regierungspartei wendet Korruptionsvorwürfe als politische Waffe an, sei es gegen Beamte, sei es gegen Oppositionspolitiker (FH 2025). Quellen: - FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2129041.html, Zugriff 4.9.2025 - TI - Transparency International (2025): Ethiopia, https://www.transparency.org/en/countries/ethiopia, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107690.html, Zugriff 4.9.2025 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Grundsätzlich hatten sich die zivilgesellschaftlichen Handlungsräume seit dem Amtsantritt von Premierminister Abiy im Jahr 2018 insgesamt deutlich verbessert. So hat etwa das NGO-Gesetz aus dem Jahr 2019 die Gründung neuer NGOs wesentlich erleichtert (AA 19.7.2024). Gewisse Diskurse werden toleriert, doch sehen sich NGOs dann mit Drohungen und Warnungen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 44

konfrontiert, wenn sie sich für Themen einsetzen, die der Position der Regierung zuwiderlaufen – insbesondere im Zusammenhang mit den Konflikten im Land (FH 2025). Der zivilgesellschaftliche Raum ist also inmitten der anhaltenden bewaffneten Konflikte im Land wieder eingeschränkt worden (AI 29.4.2025) – insbesondere im Jahr 2024 (HRW 12.6.2025). Menschenrechtsverteidiger sind mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert, darunter Internetabschaltungen und Beschränkungen öffentlicher Versammlungen, was ihre Fähigkeit zur Kommunikation, Mobilisierung und zum Eintreten für Menschenrechte einschränkt (USDOS 12.8.2025). Menschenrechtsverteidiger werden mitunter willkürlich festgenommen, ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und nach Tagen oder Wochen wieder freigelassen (AA 19.7.2024). Es kommt zu verstärkter Überwachung und zur Suspendierung wichtiger Menschenrechtsorganisationen (HRW 12.6.2025). So haben die Behörden Ende 2024 etwa fünf prominente Menschenrechtsorganisationen willkürlich vorübergehend geschlossen. Das Center for Advancement of Rights and Democracy (CARD), Lawyers for Human Rights (LHR) und die Association for Human Rights in Ethiopia (AHRE) mussten im November ihre Arbeit einstellen, der Ethiopian Human Rights Council (EHRCO) und das Ethiopian Human Rights Defenders Center im Dezember (AI 29.4.2025; vgl. FH 2025). Äthiopische Sicherheitskräfte und Geheimdienste schüchtern bekannte äthiopische Menschenrechtsorganisationen ein, schikanieren und bedrohten diese und haben mehrere Menschenrechtsaktivisten ins Exil gezwungen. Betroffen waren u.a. der EHRCO, CARD, AHRE und LHR (HRW 16.1.2025; vgl. AI 6.1.2025). So musste etwa der Menschenrechtsaktivist Dan Yirga, Direktor des EHRCO, wegen Morddrohungen seitens der Geheimdienste Mitte 2024 das Land verlassen (AI 6.1.2025). Menschenrechtsverteidiger, die für eine Zusammenarbeit mit internationalen Partnern ins Ausland gereist sind, haben angegeben, von den Behörden bei ihrer Rückkehr drangsaliert und eingeschüchtert worden zu sein. Einige haben berichtet, dass sie auch im Ausland von äthiopischen Staatsbediensteten (u.a. Diplomaten) eingeschüchtert und schikaniert worden sind (AI 29.4.2025). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Äthiopien 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124777.html, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (6.1.2025): Frieden ist anderswo, https://www.amnesty.de/aethiopien-tigray-bewaffneter-konflikt-vertreibung-kaempfe-repression- frieden-ist-anderswo, Zugriff 1.9.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 44

- FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2129041.html, Zugriff 4.9.2025 - HRW - Human Rights Watch (12.6.2025): Ethiopia Should Immediately Release Prominent Journalist, https://www.ecoi.net/de/dokument/2126241.html, Zugriff am 1.9.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120077.html, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State (12.8.2025): 2024 Country Reports on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2128504.html, Zugriff 20.8.2025 9. Wehrdienst und Rekrutierungen, Rehabilitation von Rebellen Es gibt keine Wehrpflicht (CIA 13.8.2025; vgl. AA 19.7.2024), aber die Armee kann bei Bedarf Einberufungen durchführen. Im Alter von 18-22 Jahren kann ein freiwilliger Militärdienst abgeleistet werden, in Ausnahmefällen können dies auch Personen, die älter als 22 Jahre alt sind (CIA 13.8.2025). Das Personal der Armee setzt sich folglich nur aus Berufs- und Zeitsoldaten sowie Reservisten zusammen. Die Nachwuchsgewinnung bereitet u.a. wegen der vergleichsweise guten Bezahlung sowie einer teilweise auch zivilberuflich nutzbaren Ausbildung grundsätzlich keine Probleme (AA 19.7.2024). Fahnenflucht ist grundsätzlich nach Art. 288 des äthiopischen Strafgesetzbuches mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren belegt, in Einzelfällen kann aber auch auf lebenslange Freiheitsstrafen oder gar auf Todesstrafe entschieden werden (AA 19.7.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.8.2025): The World Factbook – Ethiopia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ethiopia/#transnational-issues, Zugriff 20.8.2025 10. Allgemeine Menschenrechtslage Laut staatlicher Menschenrechtskommission (EHRC) ist das Recht auf Leben in Äthiopien gefährdet, aufgrund von innerstaatlichen bewaffneten Konflikten, Naturkatastrophen und einem teilweisen Zusammenbruch öffentlicher Dienste (v.a. in den Bereichen Bildung und Gesundheit). Die EHRC dokumentiert in ihrem jüngsten Jahresbericht (Juni 2024 – Juni 2025) zahlreiche Menschenrechtsverbrechen, darunter extralegale Tötungen, Entführungen, Verletzungen und Zerstörung zivilen Eigentums. Täter waren demnach u.a. staatliche Kräfte und lokale bewaffnete Gruppen (AS 4.8.2025). Gewalt: Bei den verschiedenen Konflikten im Land kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen, einschließlich im Zuge von bewaffneten Auseinandersetzungen sowie dem militärischen Vorgehen des staatlichen Sicherheitsapparats gegen bewaffnete Gruppen. Es wird – u.a. von der staatlichen Menschenrechtskommission (EHRC) – über massive .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 44

Menschenrechtsverletzungen v.a. in Amhara, Oromia und Benishangul-Gumuz berichtet, darunter Tötung von und Gewalt gegen Zivilpersonen, Zerstörung von Eigentum und weitverbreitete Vertreibungen (AA 19.7.2024; vgl. USDOS 12.8.2025, FH 2025). Mehr als 5.000 Frauen haben im Konflikt in Amhara nach sexuellem Missbrauch medizinische Hilfe gesucht. Diese Zahl stellt aber nur einen Bruchteil der tatsächlich begangenen Verbrechen dar (TNH 12.11.2024). Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden von Jänner 2023 bis Jänner 2024 mindestens 1.351 Zivilisten durch Angriffe von Regierungstruppen, eritreischen Truppen, regierungsfeindlichen Milizen und unbekannten Akteuren getötet. In Amhara wurden 740 Zivilisten getötet. Im ersten Halbjahr 2024 haben die Vereinten Nationen 594 Menschenrechtsvergehen dokumentiert, davon waren 8.253 Menschen betroffen. 70% der Vorfälle wurden von Regierungsakteuren begangen (USDOS 12.8.2025). Es gibt Berichte über weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung, darunter außergerichtliche Hinrichtungen, sexuelle Gewalt, Folter und Misshandlungen an der Zivilbevölkerung (USDOS 12.8.2025; vgl. HRW 16.1.2025) sowie über den Einsatz von Drohnen und schwere Artillerie gegen Zivilisten in Amhara (HRW 16.1.2025). Beim Einsatz von Drohnen durch Regierungstruppen kamen alleine im ersten Halbjahr 2024 248 Zivilisten ums Leben (USDOS 12.8.2025). Äthiopische Streitkräfte haben in Amhara zudem zahlreiche Angriffe gegen medizinisches Personal, Patienten und Gesundheitseinrichtungen geführt, diese kommen Kriegsverbrechen gleich. Kämpfe zwischen Armee und Milizen fordern in Amhara hunderte von Todesopfern und Verletzten in der Zivilbevölkerung (HRW 16.1.2025). Zudem gab es Berichte über Angriffe auf humanitäre Helfer, was die Hilfsmaßnahmen zusätzlich erschwerte. Zivilisten und ziviles Eigentum, darunter Schulen und Gesundheitseinrichtungen, wurden gezielt angegriffen (USDOS 12.8.2025). Nicht nur die Regierung ist für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich: Häufig kommt es zu Gewaltausbrüchen zwischen ethnischen Gruppen (AI 6.1.2025). So sind etwa die Fano-Milizen für die Tötung von Zivilisten, Angriffe auf zivile Objekte und unrechtmäßige Festnahmen verantwortlich (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 12.8.2025). In Tigray beteiligen sich Mitglieder amharischer Kräfte an Deportationen und ethnischen Säuberungen (USDOS 12.8.2025). In dieser Region verüben auch eritreische Regierungstruppen in den von ihnen besetzten Gebieten Verbrechen wie Vergewaltigung, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Entführung und Plünderung zivilen Eigentums (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 12.8.2025). Repression und willkürliche Verhaftungen: Angesichts der angespannten Lage greift die Regierung auf repressive Maßnahmen gegen die Bevölkerung zurück (AA 19.7.2024). Ein äthiopischer Menschenrechtsaktivist bezeichnet die Lage als „außer Kontrolle“. Demnach gehen die Geheimdienste brutal gegen alle vor, die zur Opposition gezählt werden. I.d.F. gibt es Morde, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 44

Vergewaltigungen, Verschwindenlassen (AI 6.1.2025) willkürliche Festnahmen, Misshandlungen und Folter (AI 6.1.2025; vgl. USDOS 12.8.2025). Auch Zwangsumsiedlungen gehören zum Alltag (AI 6.1.2025). Die Behörden schikanieren, überwachen und inhaftieren Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und andere Persönlichkeiten (HRW 16.1.2025). Dabei berichten Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Oppositionelle und Journalisten über eine zunehmende Drangsalierung und Einschüchterung seitens der Behörden (AI 29.4.2025; vgl. USDOS 12.8.2025). Im August 2023 hat die Regierung einen landesweiten Ausnahmezustand verhängt. Der Ausnahmezustand ist Anfang Juni 2024 ausgelaufen (AI 29.4.2025; vgl. USDOS 12.8.2025). Für die Region Amhara wurden spezifische Bestimmungen erlassen (USDOS 12.8.2025). Die Notstandsgesetze haben den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse verliehen und wurden von den Behörden dazu genutzt, gegen Andersdenkende vorzugehen und die Medien zu unterdrücken (AI 29.4.2025). Dabei wurden jene Bestimmungen, die eigentlich nur für die Region Amhara gültig waren, in ganz Äthiopien angewendet. Diese ermöglichten zahlreiche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Kommunikation (HRW 16.1.2025) sowie die willkürliche Festnahme von Menschen (AI 29.4.2025). Auch nach dem offiziellen Ende des Ausnahmezustands im Juni 2024 kommt es zu Repression (AI 6.1.2025), Massenverhaftungen (HRW 16.1.2025) und Menschenrechtsverletzungen (USDOS 12.8.2025). Schon während des Ausnahmezustands wurden tausende Amharen in Amhara und anderen Regionen (auch in Addis Abeba) ohne Haftbefehl festgenommen und inhaftiert (UKHO 6.2025; vgl. HRW 16.1.2025, AI 6.1.2025; vgl. USDOS 12.8.2025). Auch nach dem offiziellen Ende des Ausnahmezustands im Juni 2024 kam es zu Verhaftungen. So führten Sicherheitskräfte in Amhara im September 2024 eine neue Welle willkürlicher Massenverhaftungen durch. Hunderte wurden festgenommen, darunter hochrangige Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter sowie Journalisten, Akademiker, Anwälte und Beamte (HRW 16.1.2025). Nach anderen Angaben wurden bei dieser Verhaftungswelle tausende Menschen festgenommen und in vier Massenhaftanstalten gebracht. Unter den Verhafteten fanden sich u.a auch Richter und Staatsanwälte (AI 28.1.2025). Viele Häftlinge werden ohne Gerichtsbeschluss in regulären und irregulären Haftanstalten festgehalten, und ihr Aufenthaltsort bleibt oft tage- oder wochenlang unbekannt (USDOS 12.8.2025). Im Jänner 2025 wurden Hunderte freigelassen (AI 28.1.2025; vgl. UKHO 6.2025), tausende Personen befanden sich demnach zu diesem Zeitpunkt weiter in Haft (AI 28.1.2025). Und auch 2025 kommt es zur Festnahme von Personen, die verdächtigt werden, Verbindungen zur Fano zu haben (UKHO 6.2025). In der Region Oromia führen die Regierungsmiliz Oromia Regional Police sowie die Bundesarmee regelmäßig willkürliche Massenverhaftungen durch. Dabei haben Sicherheitskräfte Verhaftete mitunter geschlagen und gefoltert (USDOS 12.8.2025). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 44
