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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Regierungsamnestie: 2023 wurde eine neue Amnestie für Kämpfer der al Shabaab ausgerufen (GN 28.8.2023). Dieses Angebot einer präsidentiellen Amnestie gilt für Kämpfer, die ihre Waffen ablegen, der Gewalt abschwören und sich zur staatlichen Ordnung bekennen. Für eine Amnestie gibt es bislang allerdings keine rechtliche Grundlage (AA 23.8.2024). Der Präsident hat öffentlich erklärt, dass Deserteure nicht direkt in ihre Gemeinden zurückkehren sollten, sondern sich zu vor der Regierung stellen müssen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Ein Regierungsprogramm versucht, auf unterschiedlichen Kanälen auf die Amnestie und die für Deserteure der al Shaba ab bereitstehende Unterstützung aufmerksam zu machen (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/ Zeuthen 12.2023a). Rehabilitation/Reintegration: Die somalische Regierung betreibt mehrere Rehabilitationszen tren für ehemalige Angehörige von al Shabaab, die als „ low-risk“ eingestuft wurden (UNSC 2.2.2024). Dabei handelt es sich um sechs Zentren in Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Dhu samareb (UNSC 3.6.2024; vgl. TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). Tausen de Deserteure der al Shabaab wurden bereits rehabilitiert und reintegriert. Das Rehabilitati onsprogramm wird maßgeblich von Großbritannien und Deutschland finanziert (VOA/Maruf 29.12.2022). Stand Mai 2024 befanden sich in den Zentren 100 Frauen und 331 Männer (UNSC 3.6.2024). IOM unterstützt in Baidoa ein Projekt zur Demobilisierung und Reintegration von männlichen und weiblichen „ disengaged combatants“ der al Shabaab. Dabei wird die Grund versorgung gesichert, Zugang zu Berufsausbildung ermöglicht und Mediationsarbeit zur lang fristigen Reintegration geleistet. Nach der Ausbildung wird Geld zur Verfügung gestellt, um gegebenenfalls ein Unternehmen gründen zu können. U. a. werden bei von UNICEF unterstütz ten Reintegrationsprojekten für ehemalige Kindersoldaten Minderjährige in ihren Gemeinden resozialisiert. Sie erhalten außerdem Zugang zu einer Ausbildung (ÖB Nairobi 10.2024). Bei der Reintegration gibt es unterschiedliche Erfolge. Einige schaffen es, in ein normales Leben zurück zufinden. Andere sehen sich gezwungen, das Land zu verlassen, nachdem sie unter ständigen Einschüchterungen durch al Shabaab leiden. Eine unbekannte Zahl wurde von al Shabaab ermordet – als Abschreckung für andere (Sahan/SWT 18.11.2021). Reintegration - Beispiel Serendi Rehabilitation Centre (SRC), Mogadischu: Das SRC wird vom Defectors Rehabilitation Program verwaltet, das im Ministerium für Innere Sicherheit an gesiedelt ist (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). Das Zentrum steht jenen ehemaligen Angehörigen der al Shabaab offen, die als „ low-risk“ eingestuft wurden (TRN/Khalil/ Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a; vgl. Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. vii). Als „ low- risk“ wird von der NISA herausgefiltert, wer al Shabaab freiwillig verlassen hat; wer sich gegen die Ideologie der Gruppe ausspricht; und wer nicht als künftiges Risiko für die öffentliche Sicher heit erachtet wird (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 19/2; vgl. BBC 23.11.2020). Trotzdem gibt es in Rehabilitationszentren auch Agenten von al Shabaab (BBC 23.11.2020). Die Aufenthaltsdauer im SRC beträgt 6-12 Monate. Am SRC erhalten die Bewohner neben psycho-sozialer Unterstützung auch eine schulische und eine Berufsausbildung (Khalil/Brown/ et.al./RUSI 1.2019, S. 19/23/12). Ein Rehabilitierter erzählt, dass er nun Schulbusfahrer ist, ein anderer ist Friseur. Im Zentrum gibt es z. B. auch Ausbildung in Mechanik, Schweißen, IT, Basisbildung und Englisch (BBC 23.11.2020). Das SRC unterstützt die Bewohner bei der 192

Wiederherstellung des Kontakts zu Familie und Clan. Spätestens im Zuge der Reintegration in Mogadischu wenden sich viele aus dem SRC Entlassene an (teils entfernte) Verwandte. In vielen Fällen konnten positive Beziehungen zur Familie wieder hergestellt werden, die meisten wurden von ihrer Kernfamilie wieder aufgenommen (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 24/27f). Nach der Entlassung aus dem SRC stellt gesellschaftliche Diskriminierung kaum ein relevan tes Problem für ehemalige Angehörige der al Shabaab dar, wohl auch, weil es vielen gelingt, ihre Vergangenheit zu verschweigen. Viele der Deserteure stammen zwar aus Mogadischu, die Mehrheit jedoch aus Lower Shabelle, Middle Juba, Hiiraan oder Galgaduud. Trotzdem entschei den sich viele für eine Reintegration in Mogadischu – mitunter, weil dort relative Anonymität herrscht (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 3/27/29/34). Bereits entlassene rehabilitierte ehe malige Angehörige von al Shabaab bleiben auch in Mogadischu und versuchen, dort in der Masse unerkannt zu bleiben (BBC 23.11.2020). Viele der aus dem SRC Entlassenen sind auf grund von Sicherheitsbedenken nicht in ihre eigentliche Heimat zurückgekehrt. Einige von ihnen meiden auch in Mogadischu bestimmte Stadtgebiete, da sie Angst haben, dort als ehemalige Angehörige der al Shabaab identifiziert zu werden. Insgesamt äußern aus dem SRC Entlassene häufig Sicherheitsbedenken bezüglich al Shabaab – natürlich besteht eine latente Bedrohung, von ehemaligen Kameraden erkannt zu werden. Allerdings ist nur in einem Fall auch tatsächlich eine Drohung (über SMS) ausgesprochen worden. Schon in ihrer Zeit im halb-offenen SRC haben Deserteure am Wochenende Ausgang, und fast alle nehmen diesen auch in Anspruch (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 22/27f). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] ■ ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rück kehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI- Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (23.11.2020): Life after al-Shabab: Driving a school bus instead of an armed pickup truck, https://www.bbc.co.uk/news/stories-55016792, Zugriff 17.6.2024 ■ BBC/Harper - Mary Harper (Autor), British Broadcasting Corporation (Herausgeber) (27.5.2019): Somalia’s frightening network of Islamist spies, https://www.bbc.com/news/world-africa-48390166, Zugriff 17.6.2024 ■ BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länder experten an die Staatendokumentation, per e-Mail ■ EASO - European Asylum Support Office (1.9.2021): Somalia – Targeted Profiles, https://coi.euaa.e uropa.eu/administration/easo/PLib/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Targeted_profiles.pdf , Zugriff 14.6.2024 ■ FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020b): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia Fact-Finding Mis sion to Mogadishu in March 2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 12.10.2023 ■ GN - Goobjoog News (28.8.2023): FGS-FMS to form ‘joint war command’ to fight Al-Shabaab- communique, https://en.goobjoog.com/fgs-fms-to-form-joint-war-command-to-fight-al-shabaab-c ommunique, Zugriff 8.11.2023 193

■ Halqabsi - Halqabsi News (20.4.2024): Highest Number of Al-Shabaab Defectors Surrender to Government Forces, https://halqabsi.com/2024/04/highest-number-of-al-shabaab-defectors , Zugriff 7.5.2024 ■ INGO-C/STDOK/SEM - Internationale NGO C (Autor), Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumen tation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisa tion D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ Khalil/Brown/et.al./RUSI - Rory Brown (Autor), et.al. (Autor), James Khalil (Autor), Royal United Ser vices Institute (Herausgeber) (1.2019): Deradicalisation and Disengagement in Somalia. Evidence from a Rehabilitation Programme for Former Members of Al-Shabaab, https://static.rusi.org/201901 04_whr_4-18_deradicalisation_and_disengagement_in_somalia_web.pdf, Zugriff 14.6.2024 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (8.9.2022): So malia: Sikkerhetssituasjonen i Mogadishu og al-Shabaabs innflytelse i byen, https://landinfo.no/wp -content/uploads/2022/09/Respons-Somalia-Sikkerhetssituasjonen-i-Mogadishu-og-al-Shabaabs-i nnflytelse-i-byen-08092022-1.pdf , Zugriff 11.10.2023 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin informa tion report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_Ju ne_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024 ■ Mubarak/Jackson A./ODI - Overseas Development Institute (Herausgeber), Ashley Jackson (Autor), Mohamed Mubarak (Autor) (8.2023): Playing the long game: Exploring the relationship between Al- Shabab and civilians in areas beyond state control, https://odi.org/en/publications/playing-the-long-g ame-exploring-the-relationship-between-al-shabab-and-civilians-in-areas-beyond-state-control/ , Zugriff 30.1.2024 ■ ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf , Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich] ■ Researcher/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendoku mentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Researcher (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (18.11.2021): A blueprint for the fight against Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 272, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich] ■ Taylor/Semmelrock/McDermott - C. Taylor, T. Semmelrock, A. McDermott (2019): The Cost of Defec tion: The Consequences of Quitting Al-Shabaab, in: International Journal of Conflict and Violence, Vol. 13/2019, S.1-13, https://www.ijcv.org/index.php/ijcv/article/view/3122/pdf, Zugriff 17.6.2024 ■ TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen - Sif Heide-Ottosen (Autor), James Khalil (Autor), Yahye Abdi (Autor), Abdullahi Ahmed Nor (Autor), Martine Zeuthen (Autor), The Resolve Network (Herausgeber) (2022): Journeys through Extremism: The Experiences of Former Members of Al- Shabaab, https://resolvenet.org/system/files/2023-09/RSVE_RR_CBAGS_JourneysAlShabaab_He ide-Ottosenetal_Sept2022_UpdatedAug2023.pdf, Zugriff 29.1.2024 ■ TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen - James Khalil (Autor), Yahye Abdi (Autor), Andrew Glaz zard (Autor), Abdullahi Ahmed Nor (Autor), Martine Zeuthen (Autor), The Resolve Network (Her ausgeber) (12.2023a): The „ Off-Ramp“ from al-Shabaab: Disengagement during the Offensive in Somalia, https://resolvenet.org/system/files/2023-12/RSVE_RR_LPBI_TheOffRamp_AS_Somalia Defections_KhalilEtAl_Dec2023_FINAL-UPDATE12.18.23.pdf, Zugriff 26.1.2024 ■ UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumen tation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ UNSC - United Nations Security Council (3.6.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary- General (S/2024/426) [EN/AR/RU/ZH], https://reliefweb.int/attachments/2ee6cff6-d8b3-4bac-bf5 3-5c07f96b1a9f/n2414191.pdf, Zugriff 28.6.2024 ■ UNSC - United Nations Security Council (2.2.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary- General [S/2023/758], https://www.ecoi.net/en/file/local/2106391/n2401965.pdf, Zugriff 4.6.2024 194

■ VOA/Maruf - Voice of America (Herausgeber), Harun Maruf (Autor) (29.12.2022): Somalia’s Defector Rehabilitation Centers Face Financial Uncertainty, https://www.voanews.com/a/somalia-s-defecto r-rehabilitation-centers-face-financial-uncertainty/6897372.html , Zugriff 17.6.2024 11.4 Somaliland Letzte Änderung 2024-12-06 11:20 In Somaliland gibt es keinen verpflichtenden Militärdienst (AA 23.8.2024). Quelle ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] 11.4.1 Rekrutierungen im Rahmen des Konflikts um Laascaanood - Informationen der FFM Somalia 2023 (4.-5.2023) Letzte Änderung 2024-12-06 11:22 Grundsätzlich gilt, dass es bei der somaliländischen Armee keinen Zwang gibt, auf somali ländischer Seite wird niemand zum Kampf gezwungen. Bevor der Konflikt um Laascaanood begonnen hat, gab es bei der Armee keine Rekrutierungen über Clanmilizen. Dies hat sich geändert (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Wenn sich die Clanführer verweigern würden, könnte dies ihnen und ihrem Clan in Zukunft im Staat Nachteile einbringen. Eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass es sich hier in gewissem Sinne um Zwangsrekrutierungen handelt. Die Quelle erklärt: Wenn der Clanführer zum Krieg aufruft, dann folgt man. Der Clanführer - z. B. der Suldan - geht zu den Gemeinden, zu den Sub-Subclans. Und dort verlangt er vom lokalen Ältesten 10-20 Kämpfer. Daraufhin geht dieser Älteste zu seinen Leuten und bestimmt einzelne Männer zum Kampf, oder er fordert von Vätern die Benennung von Söhnen. Natürlich wollen einige so Benannte gar nicht kämpfen. Aber wenn der traditionelle Führer zu einer Familie geht, zu einem Subclan, dann muss ein Beitrag erfolgen - auch ohne Einwilligung. Sollte sich dann doch noch jemand weigern, kann dies auch zu einer Bestrafung führen. Denn die Ältesten müssen ihre Quote erfüllen. Desertieren Soldaten, dann wird das als Schande für den Clan erachtet (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Laut einer anderen Quelle kann ein Rekrutierungsversuch zur somaliländischen Armee ohne Folgen abgelehnt werden (BMLV 1.12.2023). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass auf der Seite der Dhulbahante mitunter Men schen zum Kampf gezwungen werden (Scholar/STDOK/SEM 5.2023). Eine andere Quelle er klärt, dass es im Fall der Dhulbahante-Milizen zu einer Art „ forced military agreement“ kommen kann. Jeder Clanälteste muss einige seiner Clanmitglieder zum Konflikt beisteuern. Und diese Clanältesten können durchaus Zwang anwenden (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Es gibt Berichte, wonach die somaliländische Armee anfänglich auch Dhulbahante gegen Laas caanood zum Einsatz gebracht hat (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Sahan/STDOK/SEM 4.2023). 195

Manche sind desertiert (Sahan/STDOK/SEM 4.2023), andere haben sich geweigert, am Kampf teilzunehmen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Quellen ■ BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1.12.2023): Auskunft eines Länder experten an die Staatendokumentation, per e-Mail ■ INGO-V/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumen tation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), International NGO V (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisa tion D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ Sahan/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Sahan (Autor), Staa tendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 ■ Scholar/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Scholar, Hargeysa (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Heraus geber) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023 12 Allgemeine Menschenrechtslage 12.1 Süd-/Zentralsomalia, Puntland Letzte Änderung 2024-12-04 12:55 In der somalischen Verfassung ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 23.8.2024). Die Vereinten Nationen sind be sorgt, dass durch die Vorrangstellung der Scharia die Menschenrechte in Somalia ausgehebelt werden (UNHRCOM 6.5.2024). Zudem stellt die Einhaltung internationaler Menschenrechtsver pflichtungen für die Bundesregierung keine Priorität dar. Diese konzentriert sich auf den Kampf gegen al Shabaab und humanitäre Krisen. Menschenrechtserfolge werden nicht immer als Teil der Lösung dieser Probleme betrachtet (ÖB Nairobi 10.2024). Generell werden Grund- und Menschenrechte regelmäßig und systematisch verletzt. Im Wett streit stehende, politische Akteure in Süd-/Zentralsomalia sind in schwere und systematische Menschenrechtsverbrechen involviert (BS 2024; vgl. AI 24.4.2024). Zivilisten tragen die Last des bewaffneten Konflikts in Somalia, willkürliche Angriffe und die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt gibt es in allen Landesteilen (BS 2024). Die schwersten Menschenrechtsverlet zungen sind: willkürliche und ungesetzliche Tötungen; Entführungen und Verschwindenlassen; Rekrutierung und Verwendung von Kindersoldaten; Folter und andere grausame Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen (USDOS 22.4.2024; vgl. BS 2024). Al Shabaab ist für die Mehrheit der schweren Menschenrechtsverletzungen (USDOS 22.4.2024) und für den größten Teil ziviler Todesopfer verantwortlich (BS 2024). Bei Kämpfen unter Beteiligung der African Transition Mission in Somalia (ATMIS), Regierung, Mi lizen und al Shabaab kommt es zur Tötung, Verletzung und Vertreibung von Zivilisten sowie zu anderen Kriegsverbrechen, welche durch alle Konfliktbeteiligten verübt werden (USDOS 22.4.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Es gibt zahlreiche Berichte, wonach die Regierung und ihre Handlanger Personen willkürlich und außergesetzlich töten (USDOS 22.4.2024). Nach 196

anderen Angaben stellen extralegale Tötungen bei den Sicherheitskräften kein strukturelles Problem dar (AA 23.8.2024). Jedenfalls werden Sicherheitskräfte beschuldigt, Zivilisten bei Streitigkeiten um Land, bei Checkpoints, bei Zwangsräumungen und anderen Gelegenheiten willkürlich angegriffen zu haben (BS 2024). In solchen Fällen ist aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems häufig von Straflosigkeit auszugehen (AA 23.8.2024). Zahlen zu getöteten Zivilisten finden sich im Kapitel Süd-/Zentralsomalia, Puntland Es gibt keine Berichte über von der Regierung gesteuertes Verschwindenlassen (USDOS 22.4.2024). Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen durch Bundes- und Regionalbehörden sowie durch alliierte Milizen (USDOS 22.4.2024; vgl. BS 2024). Die Regierung schiebt bei derartigen Ver haftungen oft den Vorwurf der Mitgliedschaft bei al Shabaab vor (USDOS 22.4.2024). Die Regierung macht zwar glaubwürdige Schritte, um einige öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen, generell bleibt Straflosigkeit aber die Norm (USDOS 22.4.2024). Al Shabaab verletzt in den Gebieten unter ihrer Kontrolle systematisch Grundrechte, verhaftet, schlägt und exekutiert Zivilisten (BS 2024). Die Gruppe ist für die Mehrheit schwerer Menschen rechtsverletzungen verantwortlich. Al Shabaab verübt terroristische Anschläge gegen Zivilisten; begeht Morde und Attentate; begeht Vergewaltigungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Die Gruppe rekrutiert Kindersoldaten und entführt Menschen (USDOS 22.4.2024). In von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden regelmäßig grausame Körperstrafen verhängt und öffentlich vollstreckt, z. B. Auspeitschen oder Stockschläge, Handamputationen für Diebe. Regelmäßig richtet die Gruppe ohne ordentliches Verfahren Menschen hin, denen Kooperation mit der Regierung, internationalen Organisationen oder westlichen Hilfsorganisationen vorge worfen wird (AA 23.8.2024), bzw. Zivilisten, die zu Abtrünnigen oder Spionen deklariert werden (BS 2024). Al Shabaab übt teils Rache an der Bevölkerung von Gebieten, die zuvor „ befreit“ aber danach von al Shabaab wieder eingenommen worden waren. Die Gruppe wendet u. a. auch das Mittel von Zwangsvertreibungen an, um sich an sich widersetzenden oder nicht die eigenen Regeln befolgenden Bevölkerungsgruppen zu rächen (UNSC 6.10.2021). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights - Somalia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107967.html, Zugriff 29.4.2024 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/filea dmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024 ■ ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf , Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich] 197

■ UNHRCOM - United Nations Human Rights Committee (6.5.2024): Concluding observations on the initial report of Somalia [CCPR/C/SOM/CO/1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2108970/G240561 3.pdf, Zugriff 24.5.2024 ■ UNSC - United Nations Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf , Zugriff 12.10.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-p ractices/somalia, Zugriff 23.4.2024 12.2 Somaliland Letzte Änderung 2025-01-16 14:10 In der Verfassung von Somaliland ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 23.8.2024). In den Zentren von Somaliland herrscht im Wesentlichen Rechtsstaatlichkeit, und die Polizei und andere Behörden arbeiten halbwegs gut. In den abgelegen Gebieten des Landes sorgen lokale Autoritäten für Recht und Ordnung. In diesem Kontext werden die Rechte von Frauen und lokalen Minderheiten oft nur unzureichend gewährleistet (BS 2024). Zu Somaliland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler Tötungen oder systematischer Verfolgung sowie zu willkürlichen Festnahmen und Verschwindenlassen vor. Vorwürfe dieser Art werden nicht erhoben (AA 23.8.2024). Bei Human Rights Watch werden hinsichtlich Men schenrechtsproblemen in Somaliland für das Jahr 2023 die Kampfhandlungen um Laascaanood (siehe Konflikt um Laascaanood / Khatumo-SSC / Dhulbahante) sowie die Verhaftung eines Journalisten und dessen Verurteilung zu einem Jahr Haft genannt (HRW 11.1.2024). Quellen berichten, dass es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen und überlangem Gewahrsam ohne Anklage kommt (FH 2024a; vgl. HRCSL 3.2024). Immer wieder bringt die Polizei exzessiv Gewalt zum Einsatz (HRCSL 3.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/filea dmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024 ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Somaliland, https://www.ecoi.net/de/do kument/2109065.html, Zugriff 8.7.2024 ■ HRCSL - Human Rights Centre (Somaliland) (3.2024): Annual Review of Human Rights Centre 2023, https://hrcsomaliland.org/wp-content/uploads/2024/03/Annual-Report-HRC-2023-web-1.pdf , Zugriff 31.5.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2103135.html, Zugriff 15.1.2024 198

13 Meinungs- und Pressefreiheit 13.1 Süd-/Zentralsomalia, Puntland Letzte Änderung 2025-01-16 14:10 Gesetze und Verfassung sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 22.4.2024; vgl. BS 2024; FH 2024b), allerdings halten sich weder die Bundes- noch regionale Regierungen daran (USDOS 22.4.2024). Meinungs- und Medienfreiheit werden beschränkt (UNHRCOM 6.5.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Laut einer Quelle ist in Gebieten unter Kontrolle der Regierung die Meinungsfreiheit nur ein geschränkt gegeben und steht vermehrt unter Druck. Offen und intensiv wird in den sehr weit verbreiteten sozialen Medien diskutiert (AA 23.8.2024). Nach anderen Angaben gibt es in den sichereren Gebieten des Landes ein gewisses Maß an Meinungsfreiheit (FH 2024b). Allerdings können Personen, welche sich kritisch über Mächtige in Staat und Gesellschaft äußern, Vergel tungsmaßnahmen und Repression ausgesetzt sein. Einträge in sozialen Medien, die sich mit sensiblen politischen oder religiösen Themen befassen - etwa mit Korruption oder Inkompetenz - können zu Strafverfolgung führen (FH 2024b; vgl. USDOS 22.4.2024; AA 23.8.2024; BS 2024). Zudem schränken Clanmilizen, kriminelle Organisationen und al Shabaab die Meinungsfreiheit ein (USDOS 22.4.2024). Dies gilt laut einer Quelle insbesondere für Gebiete abseits von Moga dischu und Puntland (BS 2024). Eine weitere Quelle gibt an, dass die Medienfreiheit trotz der verfassungsmäßig gegebenen Garantien ausgehöhlt wird (Sahan/SWT 4.10.2023). Gesetze ermöglichen die Einschränkung von Aktivitäten, wenn diese sich gegen den Islam, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die Stabilität richten (UNHRCOM 6.5.2024). Gleichzei tig wird gesetzlich die Verbreitung von nicht näher definierten „ Falschnachrichten“ (false news) kriminalisiert, das Strafmaß reicht dabei bis zu sechs Monaten Haft (USDOS 22.4.2024; vgl. Sa han/SWT 4.10.2023). Zudem berufen sich Staatsanwälte auch heute noch mitunter auf das Strafgesetzbuch von 1964, das sowohl der Übergangsverfassung als auch den Menschen rechten widerspricht (Sahan/SWT 4.10.2023). Journalisten wenden rigoros Selbstzensur an (USDOS 22.4.2024; vgl. UNHRCOM 6.5.2024). Die National Union of Somali Journalists beobachtet die Lage der Medien und berichtet über Übergriffe auf Medien und Journalisten (NUSOJ o.D.). Auch das Somali Journalists Syndicate (SJS) berichtet über Vorfälle. Ein Bericht zu allen 2023 verzeichneten Vorfällen findet sich auf der Homepage der Organisation. Zudem unterstützt das SJS bedrohte Journalisten - etwa mit Rechtshilfe, aber auch durch Beratung und Lobbyarbeit (SJS 16.3.2024). Medien: Das Radio ist das am meisten verbreitete und am besten zugängliche Medium. In den meisten Städten gibt es Radiostationen, konservative Schätzungen gehen von insgesamt 60 Stationen in Somalia aus (Sahan/SWT 22.3.2024). Mobiles Internet ist in weiten Teilen des Landes ohne Zugangseinschränkung verfügbar (AA 23.8.2024). Eine signifikante Zahl an Menschen in der Diaspora sowie Junge und Urbane in Somalia sind mit dem Internet und mit sozialen Medien verbunden (AI 13.2.2020). Nach anderen 199

Angaben schränkt die Regierung den Zugang zum Internet ein (USDOS 22.4.2024). Der Inlands nachrichtendienst (NISA) hat Anfang 2024 zahlreiche Internetseiten nicht nur blockiert, sondern dauerhaft deaktiviert. Die Seiten - darunter so bekannte wie radioalfurqaan und somalimemo - werden beschuldigt, Nachrichten und Ideologie der al Shabaab zu verbreiten. Zuvor hatte die NISA mehrere Whatsapp-Gruppen geschlossen, die demnach von al Shabaab zur Erpressung und Einschüchterung genutzt worden sind (HO 1.2.2024a). Gegenüber Journalisten, die kritisch über den Präsidenten oder die NISA berichten, kommt es mitunter zu Zensur auf Facebook (SJS 16.3.2024). Journalisten sehen sich regelmäßig Einfluss- oder sogar Zwangsmaßnahmen durch staatli che Stellen ausgesetzt (AA 23.8.2024). Manchmal werden Journalisten von Sicherheitskräften bedroht, belästigt, eingeschüchtert, geschlagen oder verhaftet (AI 24.4.2024; vgl. UNHRCOM 6.5.2024). Vor Militär- oder Zivilgerichten werden Journalisten oft ohne Beweise der Verbreitung von Propaganda der al Shabaab beschuldigt (Sahan/SWT 4.10.2023). Eine investigative Be richterstattung über Militäreinsätze und Korruption sowie zu anderen politisch sensiblen Themen und Korruption birgt besondere Risiken (MBZ 6.2023; vgl. Sahan/SWT 4.10.2023) bis hin zu Einschüchterung, Verhaftung und Misshandlung (ÖB Nairobi 10.2024). Am World Press Freedom Index 2024 von Reporter ohne Grenzen rangiert Somalia auf Platz 145 von 180 bewerteten Ländern (2023: 141) (RSF 2024). Die Bundesregierung, Regierungen von Bundesstaaten, affiliierte Milizen, al Shabaab und andere Akteure töten, misshandeln und beläs tigen Journalisten (USDOS 22.4.2024), schüchtern diese ein oder verhaften sie willkürlich (HRW 11.1.2024; vgl. Sahan/SWT 4.10.2023; AA 23.8.2024). Im Zeitraum Juni 2022 bis Juni 2023 wurden vier Journalisten getötet und über zwei Dutzend weitere wurden - laut einer Quelle - von verschiedenen Sicherheitskräften des Bundes und der Bundesstaaten misshandelt. Seit 2010 sind über 50 Journalisten getötet worden. Viele Morde bleiben ungelöst (Sahan/SWT 4.10.2023; vgl. BS 2024), Verbrechen an Journalisten werden nur selten untersucht (SJS 16.3.2024; vgl. AA 23.8.2024) - es herrscht Straflosigkeit (SJS 16.3.2024; vgl. USDOS 22.4.2024). Dies ist inso fern wenig verwunderlich, als der Großteil der Übergriffe gegen Journalisten von staatlichen Sicherheitskräften selbst ausgeht (MBZ 6.2023). Verhaftungen: Es kommt gegenüber Journalisten zu willkürlichen Verhaftungen, zu Drangsa lierung, zur Verhängung von Geldbußen und auch zur Ausübung von Gewalt; Täter sind so wohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure (FH 2024b; vgl. BS 2024; USDOS 22.4.2024). Bundes- und Regionalbehörden verhaften Journalisten und andere Personen, die sich über die Behörden kritisch äußern. Journalistenvereinigungen und Medien-NGOs berichten für das Jahr 2023 von insgesamt 84 willkürlichen Verhaftungen im ganzen Land, eine Zunahme ge genüber Vorjahren (USDOS 22.4.2024). Nach Angaben des SJS gab es 2023 hingegen nur 25 willkürliche Verhaftungen von Journalisten, davon sieben in Somaliland. Verhaftungen erfolg ten demnach durch unterschiedliche Polizeieinheiten, die NISA und Kräfte der Bundesstaaten (SJS 16.3.2024). Verhaftungen dienen i.d.R. der Einschüchterung (MBZ 6.2023), die meisten Journalisten kommen nach wenigen Stunden oder einigen Tagen wieder frei (SJS 16.3.2024; vgl. MBZ 6.2023). Beispiele: Am 16.4.2023 wurden in Mogadischu vier Journalisten festgenom men, weil sie versucht hatten, über eine Explosion in Mogadischu zu berichten. Die Polizei 200

ließ alle Journalisten am selben Tag ohne Anklageerhebung wieder frei (UNSC 15.6.2023). Im April 2024 wurde ein Journalist, der u. a. kritisch über die NISA berichtet hatte, von ebendieser verhaftet und nach 24 Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt (Horn 18.4.2024). Allerdings gibt es auch Fälle, wo Journalisten länger in Haft gehalten werden. So wurde etwa Anfang 2023 der Generalsekretär des SJS für über einen Monat in Haft gehalten. Er hatte eine Direktive eines Ministeriums kritisiert (UNSC 15.6.2023; vgl. SJS 16.3.2024). Im August 2023 wurde ebenfalls ein Angehöriger des SJS verhaftet, teils incommunicado in Haft gehalten und erst im Oktober gegen Kaution entlassen (SJS 16.3.2024). Al Shabaab: Im Gebiet von al Shabaab gibt es keine Meinungsfreiheit. Dort stehen das öffent liche Leben und die öffentliche Meinung unter enger Kontrolle der Gruppe (BS 2024). Diese verbietet den Menschen dort das Hören internationaler Medien (USDOS 22.4.2024). Generell ist die Meinungsfreiheit in ihren Gebieten massiv eingeschränkt (FH 2024b), unabhängige Medien sind verboten (BS 2024). Die Gruppe drangsaliert Journalisten und übt gegenüber diesen auch Gewalt. Al Shabaab verbietet Berichterstattung, welche nicht mit ihrer eigenen Ideologie über einstimmt (USDOS 22.4.2024) bzw. bedroht Journalisten, die mit dem Staat kollaborieren (SJS 16.3.2024). Zudem verbietet die Gruppe Telekommunikationsunternehmen, dass diese Zugang zum Internet anbieten. Die Unternehmen wurden gezwungen, auf dem Gebiet unter Kontrolle der Gruppe ihre Datendienste einzustellen (USDOS 22.4.2024). Das Risiko, dass nach an der Gruppe geübter Kritik Rache geübt wird, ist hoch. Al Shabaab bedroht und tötet Kritiker auch außerhalb der eigenen Gebiete (BS 2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights - Somalia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107967.html, Zugriff 29.4.2024 ■ AI - Amnesty International (13.2.2020): „ We live in perpetual fear“: Violations and Abuses of Freedom of Expression in Somalia [AFR 52/1442/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024685/AFR5214 422020ENGLISH.PDF, Zugriff 9.10.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/filea dmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024 ■ FH - Freedom House (2024b): Freedom in the World 2024 - Somalia, https://freedomhouse.org/cou ntry/somalia/freedom-world/2024, Zugriff 8.7.2024 ■ HO - Hiiraan Online (1.2.2024a): Somalia’s Intelligence Agency shuts down 14 news websites linked to al-Shabab, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Feb/194839/somalia_s_intelligence_agency_sh uts_down_14_news_websites_linked_to_al_shabab.aspx?utm_source=hiiraan&utm_medium=Som aliNewsUpdateFront, Zugriff 13.3.2024 ■ Horn - Horn Observer (18.4.2024): SJS relieved by the freedom of SYL TV journalist following 24- hour secret detention, https://hornobserver.com/articles/2713/SJS-relieved-by-the-freedom-of-SYL -TV-journalist-following-24-hour-secret-detention , Zugriff 7.5.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Somalia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2103135.html, Zugriff 15.1.2024 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin informa tion report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_Ju ne_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024 ■ NUSOJ - National Union of Somali Journalists (o.D.): What We Do, https://www.nusoj.org/what-w e-do/, Zugriff 13.3.2024 201
