2025-09-08-coi-cms-laenderinformationen-somalia-version-8-50fd
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
üblicherweise 20 US-Dollar für einen Eingriff, bei finanzschwachen Familien kann dieser Preis auf 5 US-Dollar reduziert werden (UNFPA 4.2022). Alter bei der Beschneidung: Diesbezüglich gibt es unterschiedliche Angaben. Die meisten Quellen der schwedischen COI-Einheit Lifos sowie UNFPA nennen ein Alter von 5-10 bzw. 5- 9 Jahren (LIFOS 16.4.2019, S. 20/39; vgl. UNFPA 8.10.2023). Eine größere Studie aus dem Jahr 2020 nennt für Somalia folgende Zahlen: 71 % der Frauen im Alter von 15-49 Jahren ist im Alter von 5-9 Jahren beschnitten worden, 28 % im Alter von 10-14 Jahren und jeweils unter 1 % unter 5 und über 15 Jahren (DNS/Gov Som 2020). UNICEF wiederum nennt ein Alter von 4-14 Jahren als üblich; die NGO IIDA gibt an, dass die Beschneidung üblicherweise vor dem achten Geburtstag erfolgt (CEDOCA 9.6.2016, S. 6). Eine Studie aus dem Jahr 2017 nennt für ganz Somalia die Gruppe der 10-14-Jährigen (STC 9.2017), dieses Alter erwähnt auch eine NGO (FGMCRI o.D.). Eine andere Quelle nennt ein Alter von 10-13 Jahren (AA 23.8.2024). Gemäß einer Quelle werden Mädchen, welche die Pubertät erreicht haben, nicht mehr einer FGM unterzogen, da dies gesundheitlich zu riskant ist. Hat ein Mädchen die Pubertät erreicht, fällt demnach auch der Druck durch die Verwandtschaft weg (DIS 1.2016, S. 11). Laut einer Quelle sind aus der Diaspora zum Zwecke von FGM nach Somalia geschickte Mädchen meist älter als allgemein üblich (Landinfo 14.9.2022). In Puntland und Somaliland erfolgt die Beschneidung laut einer Studie aus dem Jahr 2011 meist im Alter von 10-14 Jahren (LIFOS 16.4.2019, S. 20). Eine Studie aus dem Jahr 2022 hingegen besagt für Puntland, dass Mädchen bis zum 13. Geburtstag der Praktik unterzogen sein müssen, wenn die Mutter Hänseleien entgehen will (UNFPA 4.2022). In einer Studie aus dem Jahr 2020 werden für Somaliland folgende Zahlen genannt: 57 % der Mädchen wurden im Alter von 5-9 Jahren beschnitten, 41 % zwischen 10 und 14 Jahren, 1 % noch danach (MoPNDSL 2021). Eine Quelle erklärt, dass das Beschneidungsalter immer weiter sinkt (CARE 4.2.2022). Auch in der Studie aus dem Jahr 2020 ist dieser Trend zu erkennen [siehe Grafik unten]. Unter den 40-49-jährigen Frauen wurden 67 % im Alter von 5-9 Jahren beschnitten, bei der Gruppe der 15-19-jährigen sind es hingegen 73 % (DNS/Gov Som 2020). Auch in Somaliland ist das Alter im Zuge des Wechsels hin zur Sunna laut Angaben einer Quelle auf 5-8 Jahre gesunken (PC/ Powell/Yussuf 1.2018, S. 22). In den Zahlen einer Studie aus dem Jahr 2020 ist ein derartiger Trend hingegen nicht ablesbar (MoPNDSL 2021). 256

Quelle 24: DNS/Gov Som 2020 Bei den Benadiri und arabischen Gemeinden in Somalia, wo grundsätzlich die Sunna prakti ziert wird, scheint die Beschneidung bei der Geburt stattzufinden, möglicherweise auch nur als symbolischer Schnitt (DIS 1.2016, S. 6). Abolition: In der Diaspora nimmt die Praktik ab. Der Druck sinkt mit der Distanz zur Heimat und zur Familie (Landinfo 14.9.2022, S. 17). In manchen Gemeinden und Gemeinschaften z. B. in Borama, Garoowe oder Mogadischu, wo Aufklärung bezüglich FGM stattgefunden hat, stellen sich die Haushalte gemeinschaftlich gegen jegliche Art von FGM (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 65). Von jenen, die nicht von Aufklärungskampagnen be troffen waren, gab es nur eine kleine Minderheit aus gut gebildeten Menschen und Personen der Diaspora, die sich von allen Formen von FGM verabschiedet hat (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 65; vgl. Landinfo 14.9.2022). Eine Expertin erklärt, dass hinsichtlich FGM kein Zwang herrscht, dass allerdings eine Art Gruppendruck besteht (ACCORD 31.5.2021, S. 41). So kann es auch vorkommen, dass in der Diaspora lebende Mädchen „ nach Hause“ oder in bestimmte europäische Städte geflogen werden, wo FGM vollzogen wird (GN 3.11.2022). Andererseits nimmt der Druck in der jüngeren Generation ab, manche junge Menschen sehen keinen Grund für die Stigmatisierung und Diskriminierung von Unbeschnittenen (MoHDSL/UNFPA 2021). Eine andere Quelle erklärt, dass der Verzicht auf jegliche Form von FGM in Somalia eine radi kale Entscheidung darstellt, die gegen grundlegende Normen verstößt. Damit sich Eltern aus eigener Initiative gegen eine Beschneidung ihrer Tochter wehren können, müssen sie über 257

Kenntnisse und Einwände gegen die Praxis sowie über genügend Robustheit und Ressour cen verfügen, um die Einwände für Familie, Netzwerke und lokale Gemeinschaften zu fördern (Landinfo 14.9.2022). Jedenfalls gibt es trotz aller Widrigkeiten sowohl in urbanen als auch in ländlichen Gebieten Eltern, die ihre Töchter nicht verstümmeln lassen (DIS 1.2016, S. 9) und auch Frauen, die sich offen dazu bekennen. So berichtet etwa eine Studienteilnehmerin, dass sie als Kind sehr an ihrer Verstümmelung gelitten hat. Deswegen hat sie ihre Töchter nicht beschneiden lassen und drängt auch andere Eltern zu diesem Schritt. Einige wenige Teilneh merinnen an der besagten Studie haben offen erklärt, ihre Töchter nicht anrühren zu wollen (MoHDSL/UNFPA 2021). Manche Mütter in Gemeinden, wo Aufklärung hinsichtlich der negati ven Folgen einer Genitalverstümmelung stattgefunden hat, bekennen sich offen dazu, dass an ihren Töchtern eine solche nicht vorgenommen worden ist (ÖB Nairobi 10.2024). Mehrere Studien zeigen, dass 2-4 von 100 Frauen nicht beschnitten sind (MoHDSL/UNFPA 2021; vgl. DNS/Gov Som 2020). Beschneiderinnen berichten von einem geringeren Einkommen, weil Eltern ihre Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen (MoHDSL/UNFPA 2021). Leben ohne Beschneidung: Laut Quellen der finnischen FFM im Jahr 2018 ist es gerade in Städten kein Problem mehr, sich einer Beschneidung zu widersetzen. Demnach steigt dort die Zahl unbeschnittener Mädchen (FIS 5.10.2018, S. 31). Nach anderen Angaben hängt die Akzeptanz unbeschnittener Frauen bzw. jener, die nicht einer Infibulation unterzogen wurden, maßgeblich von der Familie ab. Generell steht man ihnen in urbanen Gebieten eher offen gegenüber (LIFOS 16.4.2019, S. 23). Eine weitere Quelle erklärt, dass es in der Stadt kein Problem ist, zuzugeben, dass die eigene Tochter nicht beschnitten ist. Auf dem Land ist das demnach anders (CEDOCA 9.6.2016, S. 21). Nach älteren Angaben „ bekennen“ nur wenige Mütter, dass sie ihre Töchter nicht beschneiden haben lassen; und diese stammen v. a. aus Gemeinden, die zuvor Aufklärungskampagnen durchlaufen hatten (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 65). Die in der Gemeinde zirkulierte Information, wonach eine Frau nicht infibuliert ist, wirkt sich auf das Ansehen und letztendlich auf die Heiratsmöglichkeiten der Frau und anderer Töchter der Familie aus (LIFOS 16.4.2019, S. 38f; vgl. Landinfo 14.9.2022, S. 11). Wird der unbeschnitte ne Status eines Mädchens bekannt, kann dies zu Hänseleien und zur Stigmatisierung führen (LIFOS 16.4.2019, S. 39). Kulturell gilt die Klitoris als „ schmutzig“ (Landinfo 14.9.2022, S. 10; UNFPA 4.2022). Folglich werden unbeschnittene Frauen mitunter als schmutzig oder un-so malisch (Landinfo 14.9.2022, S. 16), als abnormal und schamlos (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 82f) oder aber als un-islamisch bezeichnet. Sie werden u. a. in der Schule gehänselt und drangsaliert, sie und ihre Familie als Schande für die Gemeinschaft erachtet. Ein diesbezügliches Schimpfwort ist hier Buurya Qab (UNFPA 4.2022), ein Weiteres leitet sich vom Wort für Klitoris (Kintir) ab: Kinitrey. Allerdings gaben bei einer Studie in Somaliland nur 14 von 212 Frauen an, überhaupt eine (völlig) unbeschnittene Frau zu kennen (Landinfo 14.9.2022, S. 16). Die Sunna als Alternative zur Infibulation wird laut einer rezenten Studie aus Puntland jedoch akzeptiert (UNFPA 4.2022). 258

Eine andere Option ist es, dass eine Familie, die sich gegen FGM entschieden hat, versucht, die Tatsache geheim zu halten (FIS 5.10.2018, S. 30f). In größeren Städten ist es auch möglich, den unbeschnittenen Status ganz zu verbergen. Die Anonymität ist eher gegeben, die soziale Interaktion geringer; dies ist in Dörfern mitunter sehr schwierig (DIS 1.2016, S. 24/9; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 39). Es kommt zu keinen körperlichen Untersuchungen, um den Status hinsicht lich einer vollzogenen Verstümmelung bei einem Mädchen festzustellen (DIS 1.2016, S. 12f; vgl. ACCORD 31.5.2021, S. 41). Dies gilt auch für Rückkehrer aus dem Westen. In ländlichen Gebieten wird wahrscheinlich schneller herausgefunden, dass ein Mädchen nicht verstümmelt ist (DIS 1.2016, S. 12f). Menschen sprechen miteinander, sie könnten ein betroffenes Mädchen z. B. fragen, wo es denn beschnitten worden sei (ACCORD 31.5.2021, S. 41). Nach anderen Angaben ist es nicht unüblich, dass eine Gemeinschaft darüber Bescheid weiß, welche Mädchen beschnitten sind und welche nicht. Grund dafür ist, dass gleichaltrige Mädchen einer Nachbarschaft oder eines Ortes oft gleichzeitig beschnitten werden (Landinfo 14.9.2022, S. 16). Gleichzeitig ist FGM auch unter den Mädchen selbst ein Thema. Es sprechen also nicht nur Mütter untereinander darüber, ob ihre Töchter bereits beschnitten wurden; auch Mädchen reden untereinander darüber (HEART/Crawford/Ali 2 2015, S. 83). Eine Mutter kann den Status ihrer Tochter verschleiern, indem sie vorgibt, dass diese einer Sunna unterzogen worden ist (DIS 1.2016, S. 12f). Eine Mutter berichtet in einer somaliländischen Studie, dass sie von den eigenen Töchtern zu einer Beschneidung gedrängt worden ist. Sie hat diese in eine medizinische Einrichtung gebracht, wo u. a. unter Verwendung von Fake- Anästhetika und Kunstblut ein Eingriff vorgegaukelt worden ist. Seither gelten die Töchter als beschnitten (MoHDSL/UNFPA 2021). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] ■ ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rück kehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI- Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022 ■ AV - Africa’s Voices (2017): Beliefs and practices of Somali citizens related to child protection and gender, https://issuu.com/africasvoices/docs/gender_and_child_protection_report_ , Zugriff 26.6.2024 ■ BMC/Yussuf/et al. - BMC Health Services Research (Herausgeber), et al. (Autor), Mohamed Yussuf (Autor) (2020): Exploring the capacity of the Somaliland healthcare system to manage female genital mutilation / cutting-related complications and prevent the medicalization of the practice: a cross- sectional study, https://www.orchidproject.org/wp-content/uploads/2020/04/exploring-the-capacit y-of-the-somaliland-healthcare-system-to-manage-female.pdf , Zugriff 25.6.2024 ■ CARE - CARE International (4.2.2022): Somalia - Betroffene von Genitalverstümmelung werden immer jünger, https://care.at/presse/somalia-betroffene-von-genitalverstummelung-werden-immer-j unger/, Zugriff 25.6.2024 ■ CEDOCA - Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (9.6.2016): Somalië - Vrouwelijke genitale verminking (VGV) in Somaliland en Puntland; Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf. 259

■ DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (1.2016): South Central Somalia - Female Genital Mutilation/Cutting, https://www.ecoi.net/en/file/local/1061775/1226_1455786226_fgmnotat2016.pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ DNS/Gov Som - Directorate of National Statistics [Somalia] (Autor), Federal Government of Somalia [Somalia] (Herausgeber) (2020): The Somali Health and Demographic Survey 2020, https://somalia. unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/FINAL SHDS Report 2020_V7_0.pdf, Zugriff 26.6.2024 ■ FGMCRI - FGM/C Research Initiative (o.D.): Somalia, https://www.fgmcri.org/country/somalia/ , Zugriff 26.6.2024 ■ FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia_- Fact_Finding Mission to Mogadishu and Nairobi January 2018.pdf/2abe79e2-baf3-0a23-97d1- f6944b6d21a7/Somalia_Fact_Finding Mission to Mogadishu and Nairobi January 2018.pdf.pdf, Zugriff 12.3.2024 ■ GN - Goobjoog News (3.11.2022): Somali refugees in Germany strive to leave old practices behind, https://goobjoog.com/english/somali-refugees-in-germany-strive-to-leave-old-practices-behind/ , Zugriff 26.6.2024 ■ HEART/Crawford/Ali 2 - Health and Education Advice and Resource Team (Herausgeber), Sheena Crawford (Autor), Sagal Ali (Autor) (2015): Assignment Report. Situational analysis of FGM/C stake holders and interventions in Somalia, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/57a089914 0f0b64974000154/Situational-analysis-if-FGM-stakholders-and-interventions-somalia-UN.pdf , Zugriff 26.6.2024 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (14.9.2022): Kjønnslemlestelse av kvinner [FGM], https://landinfo.no/wp-content/uploads/2022/09/Somalia-t emanotat-Kjonnslemlestelse-av-kvinner-03032021_oppdatert-16112021_13092022.pdf , Zugriff 25.6.2024 ■ LIFOS - LIFOS-Migrationsverket [Schweden] (16.4.2019): Somalia - Kvinnlig könsstympning (version 1.0), https://www.ecoi.net/en/file/local/2007150/190416400.pdf, Zugriff 21.6.2024 ■ MoHDSL/UNFPA - Ministry of Health Development [Somaliland], United Nations Population Fund (2021): Looking Beyond Numbers. Female Genital Mutilation/Cutting (FGM/C) Study Report, https: //somalia.unfpa.org/sites/default/files/resource-pdf/somaliland_fgm-c_report_final_signed_0.pdf , Zugriff 21.6.2024 ■ MoPNDSL - Ministry of Planning and National Development, Central Statistics Department [Somali land] (2021): The Somaliland Health and Demographic Survey 2020, https://somalia.unfpa.org/site s/default/files/pub-pdf/slhds2020_report_2020.pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf , Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich] ■ Omer2/ALRC - Ahmed Omer 2, Africa Legal Risk Control Ltd (17.3.2023): Somali Family Law & Practice. An Expert Report (Bericht i.A. der österreichischen und deutschen Botschaften in Nairobi); per e-Mail ■ PC/Powell/Yussuf - Richard A. Powell (Autor), Mohamed Yussuf (Autor), Population Council (Her ausgeber) (1.2018): Changes in FGM/C in Somaliland: Medical narrative driving shift in types of cutting. Evidence to End FGM/C: Research to Help Women Thrive, https://www.popcouncil.org/upl oads/pdfs/2018RH_FGMC-Somaliland.pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ RE - Radio Ergo (15.2.2021): Fewer Somali girls in Adado being subjected to full cut, https://radioerg o.org/en/2021/02/15/fewer-somali-girls-in-adado-being-subjected-to-the-full-cut/ , Zugriff 26.6.2024 ■ STC - Save the Children (9.2017): Changing Social Norms in Somalia: Exploring the Role of Com munity Perception in FGM/C, Fact Sheet No. 6, https://somalia.savethechildren.net/sites/somalia. savethechildren.net/files/library/FS06_FGM_SNaP.pdf, Zugriff 26.6.2024 ■ UNFPA - United Nations Population Fund (8.10.2023): Landmark innovation bootcamp empowers girls to fight FGM in Somalia, https://arabstates.unfpa.org/en/news/landmark-innovation-bootcam p-empowers-girls-fight-fgm-somalia , Zugriff 14.3.2024 ■ UNFPA - United Nations Population Fund (4.2022): Community Knowledge, Attitudes and Practices on FGM Puntland, https://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/community_knowledge_attit udes_and_practices_on_fgm_puntland.pdf, Zugriff 26.6.2024 ■ UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (29.6.2021): Ending child mar riage and female genital mutilation in Eastern and Southern Africa: Case studies of promising 260

practices from across the region, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Ending-Child- Marriage-FGM-Case-Studies-ESA-2021 (1).pdf, Zugriff 26.6.2024 ■ UNN - UN News (4.2.2022): Daughters of Somalia, a continuous pledge to end female genital mutilation, https://news.un.org/en/story/2022/02/1111242, Zugriff 26.6.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-p ractices/somalia, Zugriff 23.4.2024 19.2.1 Süd-/Zentralsomalia, Puntland Letzte Änderung 2024-12-03 14:05 Rechtliche Lage: In der Übergangsverfassung steht, dass eine Beschneidung von Mädchen eine grausame und erniedrigende Praktik ist, die der Folter gleichkommt und daher verboten ist (HRW 29.3.2024; vgl. USDOS 22.4.2024; AA 23.8.2024). Allerdings mangelt es an einer Definition von „ Beschneidung“ und es ist unklar, ob damit FGM gemeint ist (HRW 29.3.2024). Zudem wird kein Strafmaß genannt. Das Strafgesetz aus dem Jahr 1964 sieht zwar Strafen für die Verletzung einer Person vor, es sind aber keine Fälle bekannt, wo FGM/C dahingehend einer Strafverfolgung zugeführt worden wäre – selbst dann, wenn ein Mädchen an den Folgen der Verstümmelung verstorben ist (LIFOS 16.4.2019, S. 28f). Laut einer Quelle wurden im März 2024 im Bundesstaat Galmudug alle Formen von FGM verboten (Halqabsi 24.3.2024). Insgesamt gibt es jedenfalls keine nationale Gesetzgebung, welche FGM ausdrücklich verbietet oder kriminalisiert (Landinfo 14.9.2022; vgl. TEA 17.12.2022; UNFPA 5.3.2021). Gesetzesvor schläge scheiterten wiederholt an der fehlenden Zustimmung des Parlaments (AA 23.8.2024). Denn es gibt zwei unterschiedliche Agenden: Die eine will jegliche Form von FGM/C ausrotten. Die andere richtet sich gegen die schweren Formen und ist für die Erhaltung der Sunna (PC/ Powell/Yussuf 1.2018, S. 24). Es gibt keine Strafverfolgung (MBZ 6.2023). Generell mangelt es den Behörden landesweit an Integrität und Kapazität, um eine für die Beschneidung eines Mädchens verantwortliche Person rechtlich zu verfolgen. Es gibt folglich auch keine Beispiele dafür, wo eine solche Person bestraft worden wäre (LIFOS 16.4.2019, S. 42). Rechtliche Lage - Puntland: In Puntland hingegen wurde im Juni 2021 die sogenannte FGM Ze ro Tolerance Bill vom Präsidenten unterzeichnet und vom Ministerkabinett verabschiedet. Damit sind alle Formen von FGM verboten worden. Nicht nur Beschneiderinnen, sondern auch an einer FGM beteiligtes medizinisches Personal, Eltern und Helfershelfer werden mit dem Gesetz kri minalisiert (UNFPA 6.10.2021). Schon 2013 hatten religiöse Führer und Akademiker eine Fatwa veröffentlicht, wonach jede Form von FGM verboten ist (UNFPA 4.2022; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 29). Das neue Gesetz hatte bislang allerdings wenig praktische Änderungen zur Folge (AA 23.8.2024). Al Shabaab hatte ursprünglich jede Form von FGM verboten. Mittlerweile gilt das Verbot für die Infibulation, während die Sunna akzeptiert wird (LIFOS 16.4.2019, S. 22/41f). Generell ist al Shabaab nicht willens, dieses Verbot auf dem von ihr kontrollierten Gebiet auch durchzusetzen. Die Gruppe unterstützt die Tradition nicht, geht aber auch nicht aktiv dagegen vor (DIS 1.2016, 261

S. 8). So zeigt das Verbot auf dem Gebiet von al Shabaab kaum einen Effekt (Landinfo 14.9.2022, S.15). Gesellschaft: Bei einer Studie aus dem Jahr 2020 gaben 76% der Befragten an, dass es wei terhin Beschneidungen geben sollte. Allerdings wurde bei dieser Studie nicht nach spezifischen Typen gefragt. Im urbanen Raum sprechen sich 70 % der Frauen für eine Fortführung aus, bei den Nomaden sind es 83 %. Auch der finanzielle und der Bildungsstatus spielen eine Rolle: Nur 64 % der reicheren Frauen gaben an, dass FGM fortgeführt werden sollte, bei den Ärmsten waren es 81 %; bei jenen mit der meisten Bildung 44 %, bei jenen ohne Bildung 78 % (DNS/ Gov Som 2020). Prävalenz: Bei einer umfassenden Studie aus dem Jahr 2020 haben 99 % der befragten so malischen Frauen angegeben, einer Form von FGM/C unterzogen worden zu sein. Die Quote in den unterschiedlichen Altersgruppen sinkt nur langsam: Bei den 45-49-Jährigen liegt die Beschnittenenquote bei fast 99,8 %, bei den 15-19-Jährigen bei 98,8 % (DNS/Gov Som 2020). Typen: Insgesamt haben 64 % der Frauen eine Infibulation erlitten, 12 % eine Zwischenform und 22 % wurden der Sunna unterzogen. Hier gibt es keine relevanten Unterschiede hinsichtlich des Lebensraumes (urban, ländlich, nomadisch). Bei jüngeren Frauen und Mädchen ist die Sunna verbreiteter. Bei der Gruppe der 15-19-Jährigen sind es 37 %, bei den 45-49-jährigen Frauen hingegen nur 9 %. Dafür erlitten in der Alterskohorte 45-49 82 % eine Infibulation. Frauen mit höherer Bildung haben eher eine Sunna (52 %), jene mit niedriger oder keiner Bildung eher eine Infibulation (70 %). Eine ähnliche Situation gilt für reich (51 % Infibulation) vs. arm (71 %) (DNS/ Gov Som 2020). Gleichzeitig gibt es in Süd-/Zentralsomalia auch Bevölkerungsgruppen oder Gemeinschaften, wo generell keine Infibulation durchgeführt wird. Dies betrifft etwa einige ländliche Gemeinden der Rahanweyn sowie einige Bantugruppen an der äthiopischen Grenze, aber auch die städtischen Gemeinschaften der Reer Xamar und Reer Baraawe. Dort gibt es zwar die Sunna, nicht aber die Infibulation. Jedenfalls sind solche Gruppen die Ausnahme und nicht die Regel (HEART/ Crawford/Ali 2 2015, S. 71f). Prävalenz und Typen - Puntland: Bereits im Jahr 2011 erhobene Zahlen für Puntland zeigten eine rückläufige FGM-Rate. In der Altersgruppe 45-49 waren 2011 97,8 % der Frauen von irgendeiner Form von FGM betroffen, in jener von 15-19 Jahren waren es 97,3 %, in der Gruppe 10-14 waren es 82,3 % (CEDOCA 9.6.2016, S. 15). Die Infibulationsrate ist von 93,2 % im Jahr 2005 auf 86,7 % im Jahr 2011 zurückgegangen (CEDOCA 9.6.2016, S. 10; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 14). Dementgegen gaben bei einer puntländischen Studie im Jahr 2018 nur 65 % der befragten Frauen an, selbst beschnitten zu sein; nur ein Drittel gab an, dass die eigene Tochter beschnitten sei (LIFOS 16.4.2019, S. 20). Maßnahmen: Internationale und lokale NGOs führen Sensibilisierungsprogramme durch (UNFPA 4.2022). Mit durch internationale Organisationen finanzierten Kampagnen wird lan desweit gegen FGM angekämpft, auch einige Ministerien sind aktiv. UNFPA gibt an, dass 890 somalische Gemeinden zwischen 2014 und 2017 die Durchführung von FGM aufgegeben 262

haben (LIFOS 16.4.2019, S. 31). UNFPA führt die Kampagne Dear Daughter, mit welcher Eltern – und v. a. Mütter – hinsichtlich der Folgen von FGM sensibilisiert werden. Während das Thema früher als Tabu erachtet wurde, sprechen Politiker und Persönlichkeiten sich heute öffentlich gegen FGM aus (TEA 17.12.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich] ■ CEDOCA - Center for Documentation and Research of the Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons [Belgien] (9.6.2016): Somalië - Vrouwelijke genitale verminking (VGV) in Somaliland en Puntland; Dokument liegt bei der Staatendokumentation auf. ■ DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (1.2016): South Central Somalia - Female Genital Mutilation/Cutting, https://www.ecoi.net/en/file/local/1061775/1226_1455786226_fgmnotat2016.pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ DNS/Gov Som - Directorate of National Statistics [Somalia] (Autor), Federal Government of Somalia [Somalia] (Herausgeber) (2020): The Somali Health and Demographic Survey 2020, https://somalia. unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/FINAL SHDS Report 2020_V7_0.pdf, Zugriff 26.6.2024 ■ Halqabsi - Halqabsi News (24.3.2024): UNSOM Welcomes Galmudug’s Ban on FGM, https://halq absi.com/2024/03/unsom-welcomes-galmudugs-ban-on-fgm , Zugriff 17.10.2024 ■ HEART/Crawford/Ali 2 - Health and Education Advice and Resource Team (Herausgeber), Sheena Crawford (Autor), Sagal Ali (Autor) (2015): Assignment Report. Situational analysis of FGM/C stake holders and interventions in Somalia, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/57a089914 0f0b64974000154/Situational-analysis-if-FGM-stakholders-and-interventions-somalia-UN.pdf , Zugriff 26.6.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (29.3.2024): Somalia: Constitutional Proposals Put Children at Risk, https://www.ecoi.net/de/dokument/2106432.html, Zugriff 19.4.2024 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (14.9.2022): Kjønnslemlestelse av kvinner [FGM], https://landinfo.no/wp-content/uploads/2022/09/Somalia-t emanotat-Kjonnslemlestelse-av-kvinner-03032021_oppdatert-16112021_13092022.pdf , Zugriff 25.6.2024 ■ LIFOS - LIFOS-Migrationsverket [Schweden] (16.4.2019): Somalia - Kvinnlig könsstympning (version 1.0), https://www.ecoi.net/en/file/local/2007150/190416400.pdf, Zugriff 21.6.2024 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin informa tion report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_Ju ne_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024 ■ PC/Powell/Yussuf - Richard A. Powell (Autor), Mohamed Yussuf (Autor), Population Council (Her ausgeber) (1.2018): Changes in FGM/C in Somaliland: Medical narrative driving shift in types of cutting. Evidence to End FGM/C: Research to Help Women Thrive, https://www.popcouncil.org/upl oads/pdfs/2018RH_FGMC-Somaliland.pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ TEA - The East African (17.12.2022): Alarm as 20 Somali girls subjected to FGM in Somalia’s Kismayu, https://www.theeastafrican.co.ke/tea/news/east-africa/alarm-as-20-girls-undergo-fgm-i n-somalia-4058338, Zugriff 25.6.2024 ■ UNFPA - United Nations Population Fund (4.2022): Community Knowledge, Attitudes and Practices on FGM Puntland, https://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/community_knowledge_attit udes_and_practices_on_fgm_puntland.pdf, Zugriff 26.6.2024 ■ UNFPA - United Nations Population Fund (6.10.2021): A tribute to Puntland for bold actions to eliminate Female Genital Mutilation, https://reliefweb.int/report/somalia/tribute-puntland-bold-actio ns-eliminate-female-genital-mutilation , Zugriff 25.6.2024 ■ UNFPA - United Nations Population Fund (5.3.2021): Overview of Gender Based Violence in Somalia, https://somalia.unfpa.org/sites/default/files/resource-pdf/somalia_gbv_advocacy_brief_05march21. pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-p ractices/somalia, Zugriff 23.4.2024 263

19.2.2 Somaliland Letzte Änderung 2025-01-16 14:11 Rechtliche Lage: Das somaliländische Parlament hat am 1.2.2022 ein richtungsweisendes Gesetz zum Schutz von Kindern vor allen Formen von Missbrauch und Vernachlässigung ver abschiedet. Es handelt sich dabei um das erste Kindergesetz des Landes. Damit wird auch die Rechtslücke hinsichtlich FGM/C geschlossen (PLAN/Presseportal 3.2.2022). Nach ande ren Angaben macht dieses Gesetz keine Angaben zu FGM. Es wurde im Oktober 2022 vom Präsidenten unterzeichnet und ist in Kraft getreten (CRR/Jama 1.6.2024). Seit 2018 gibt es jedenfalls eine Fatwa des somaliländischen Religionsministeriums, welche sich gegen die schlimmsten Formen von FGM/C - namentlich gegen die Infibulation - richtet (US DOS 22.4.2024; vgl. AA 23.8.2024). Die Sunna ist davon nicht erfasst (MoHDSL/UNFPA 2021; vgl. FH 2024a). Die Fatwa spricht Opfern von FGM/C Schadenersatz zu (USDOS 22.4.2024; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 29). Die Möglichkeiten für Mädchen und Frauen, im Fall einer dro henden Beschneidung rechtliche Unterstützung zu erhalten, sind aber eingeschränkt (LIFOS 16.4.2019, S. 42), und insgesamt hat die Fatwa laut einer Quelle zu keiner messbaren Änderung in der Praxis geführt (AA 23.8.2024). Gesellschaft: Der Widerstand gegen FGM ist in Somaliland aber am weitesten fortgeschritten. Nahezu jede Woche findet irgendwo ein entsprechender Workshop statt (FIS 5.10.2018, S. 31). Beispielsweise reisen Mitarbeiter der Somaliland Family Health Association von Dorf zu Dorf, um die Menschen hinsichtlich der Nachteile von FGM zu sensibilisieren (USDOS 22.4.2024). In einem anderen Beispiel informiert CARE Frauen und Mädchen über ihre Rechte und bildet sie aus, damit sie sich gegenseitig unterstützen und sich gegen FGM/C einsetzen können (CARE 4.2.2022). Im Zuge einer Studie im Jahr 2011 gaben in Somaliland nur 29 % der befragten Frauen an, dass die traditionelle Infibulation beibehalten werden soll (BMC/Yussuf/et al. 2020, S. 2; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 14); 2006 waren es noch 65 % gewesen (BMC/Yussuf/et al. 2020, S. 2). Bei einer Studie aus dem Jahr 2020 gaben 53 % der Befragten an, dass es weiterhin Beschneidungen ge ben sollte. Allerdings wurde bei dieser Studie nicht nach spezifischen Typen gefragt (MoPNDSL 2021). Prävalenz: Bei einer umfassenden Studie aus dem Jahr 2020 haben 98 % der befragten soma liländischen Frauen angegeben, einer Form von FGM/C unterzogen worden zu sein (MoPNDSL 2021). 2011 taten dies noch 99 % der Frauen (BMC/Yussuf/et al. 2020, S. 1f; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 20). Gleichzeitig sinkt die Quote in den unterschiedlichen Altersgruppen: Bei den 45-49-Jährigen liegt die Beschnittenenquote bei fast 100 %, bei den 15-19-Jährigen hingegen bei 96 % (MoPNDSL 2021). Typen: Aufklärungsmaßnahmen haben in Somaliland zu einem fundamentalen Wechsel bei der Praxis von FGM/C geführt – und zwar weg von der drastischen Verstümmelung in Form einer Infibulation und hin zur leichteren bzw. weniger invasiven Form einer Beschneidung – z. B. in Form der Sunna (PC/Powell/Yussuf 1.2018, S. 22ff; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Laut einer 264

Quelle wird das als positive Entwicklung bewertet; demnach handelt es sich bei der Sunna um ein Einstechen oder Einritzen der Klitoris (PC/Powell/Yussuf 1.2018, S. 22f/24). 2020 gaben 61 % der befragten Frauen an, eine Infibulation erlitten zu haben, 29 % eine Sunna und 7 % eine Zwischenform (MoPNDSL 2021). Anfang der 1990er-Jahre hatten bei einer Studie nur 5,5 % der befragten Frauen eine Sunna angegeben (PC/Powell/Yussuf 1.2018, S. 22). Ein weiterer Vergleich verdeutlicht den raschen Wechsel noch besser: Bei einer Studie aus dem Jahr 2016 in den somaliländischen Regionen Maroodi Jeex und Togdheer gaben nur 34 % der Mädchen im Alter von 12-14 Jahren an, eine Infibulation erlitten zu haben. Bei den Über- 25-Jährigen waren es hingegen 96 % (PC/Powell/Yussuf 1.2018, S. 23). Im Durchschnitt aller Altersgruppen bleibt freilich die Infibulation die vorherrschende Form (USDOS 22.4.2024). Auch nach staatlichen Angaben ist die Sunna bei jüngeren Frauen und Mädchen verbreiteter. Bei der Gruppe der 15-19-Jährigen sind es demnach 55 %, bei den 45-49-jährigen Frauen hingegen nur 5 %. Dafür erlitten in der Alterskohorte 45-49 90 % eine Infibulation. Neben dem Alter spielen auch die Lebensumstände eine Rolle: Bei Nomaden sind 100 % der Frauen beschnitten (69 % Infibulation), in Städten sind es 97 % (56 % Infibulation) (MoPNDSL 2021); Frauen mit höherer Bildung (Sekundärbildung) wurden eher einer Sunna unterzogen, jene mit niedriger oder keiner Bildung eher eine Infibulation. Eine ähnliche Situation gilt für reich vs. arm (MoPNDSL 2021; vgl. LIFOS 16.4.2019, S. 21f). Hinsichtlich der somaliländischen Regionen ist FGM in Sanaag am präsentesten (100 %), in der Hauptstadtregion am niedrigsten (96 %). Die Sunna wiederum ist in der Region Awdal am verbreitetsten (42 %), die Infibulation in Sool (70 %) (MoPNDSL 2021). Quelle 25: MoPNDSL 2021 265
