boli-lib-2023-05-30-ke
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Drohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten an. Die Behörden versäumten es, Menschenrechtsverteidiger im Umweltbereich zu schützen, die nach Angaben lokaler Organisationen im Laufe des Jahres Ziel von mindestens 200 Angriffen und Drohungen waren (AI 27.3.2023). Die Verfassung sieht einen Ombudsmann für Menschenrechte vor, der von beiden Häusern des Kongresses bestätigt werden muss und dessen Amtszeit sechs Jahre beträgt. Der Ombudsmann hat die Aufgabe, die Menschenrechte zu verteidigen und zu fördern und insbesondere die Bürger gegen staatliche Übergriffe zu verteidigen. Die Verfassung gibt dem Ombudsmann auch das Recht, Gesetzesvorschläge zu machen und Änderungen an Gesetzen und der Regierungspolitik zu empfehlen. Gruppen der Zivilgesellschaft und mehrere politische Persönlichkeiten behaupteten, dem Ombudsmann fehle es an Unabhängigkeit von der Zentralregierung und er setze sich nicht wirksam für die Menschenrechte ein (USDOS 20.3.2023). Der Ombudsmann für Menschenrechte kann unverbindliche administrative Entschließungen zu bestimmten Menschenrechtsfällen erlassen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Bolivia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089427.html, Zugriff 25.5.2023 - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 10. Wehrdienst und Rekrutierungen Der Wehrdienst ist obligatorisch für alle Männer zwischen 18 und 22 Jahren; Männer können sich ab 16 Jahren, Frauen ab 18 Jahren freiwillig melden; die Dienstzeit beträgt 12 Monate; der Wehrdienst kann durch den Such- und Rettungsdienst für Bürger, die das Alter der Wehrpflicht erreicht haben, ersetzt werden; die Dauer dieses Dienstes beträgt 24 Monate (2023). Ausländer zwischen 18 und 22 Jahren mit Wohnsitz in Bolivien können den Streitkräften beitreten; der Beitritt beschleunigt den Prozess des Erwerbs der bolivianischen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung CIA 16.5.2023). Quellen: -CIA – Central Intelligence Agency [USA] (24.5.2023): The World Factbook, Bolivia, Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bolivia/#military-and-security, Zugriff 24.5.2023 11. Allgemeine Menschenrechtslage Bolivien verfügt als Mehrparteien-Demokratie über grundlegende Bestimmungen zu und der Gewährung von Menschenrechten, wie z. B. dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 24

Unabhängigkeit der Justiz, die Möglichkeit einer oppositionellen Tätigkeit, Meinungs- Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die Möglichkeit der Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren und das Vorhandensein von Rechtsmitteln. Jedoch kommt es in diesen Bereichen immer wieder zu Defiziten in der Anwendung dieser grundlegenden Rechte durch die Behörden, die u. a. von Folter über willkürliche Verhaftungen, Korruption, Zensur und Problemen in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz reichen (USDOS 20.3.2023). In beiden Häusern des Kongresses gab es Menschenrechtsausschüsse, die Gesetze und Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte vorschlugen. Der Kongress hat im Laufe des Jahres keine Gesetze im Zusammenhang mit den Menschenrechten verabschiedet oder vorgeschlagen (USDOS 20.3.2023). Im März unterzeichnete die Regierung eine Vereinbarung mit der IACHR (Inter-American Commission on Human Rights) über die Einrichtung eines internationalen Mechanismus zur Überwachung der Umsetzung der Empfehlungen der GIEI (Interdisciplinary Group of Independent Experts), versäumte es jedoch, einen Mechanismus auf nationaler Ebene zu schaffen, den die GIEI ebenfalls gefordert hatte (HRW 12.1.2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085392.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 12. Meinungs- und Pressefreiheit Obwohl die Verfassung das Recht auf freie Meinungsäußerung vorsieht, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien, ging die Regierung gegen Medienunternehmen vor, die abweichende Meinungen äußerten (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die Medienunternehmen behaupteten, die Regierung setze Nachrichtenorganisationen unter Druck, positiv über die Regierungspolitik zu berichten. Sie behaupteten auch, dass die Regierung Vergeltungsmaßnahmen gegen Nachrichtenorganisationen ergriffen habe, die diesem Druck nicht nachgekommen seien (USDOS 20.3.2023). Journalisten wurden bedroht und belästigt (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023, FH 2023). Neben der Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und Schikanen übten sich Journalisten manchmal in Selbstzensur, weil sie befürchteten, ihren Arbeitsplatz oder den Zugang zu staatlichen Quellen zu verlieren (USDOS 20.3.2023). Im August rief der Nationale Journalistenverband Boliviens (ANPB) wegen der "Einschüchterung" und "juristischen und politischen Verfolgung" der Medien den "Ausnahmezustand" für die bolivianische Presse aus (FH 2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 24

Verleumdung ist eine Straftat und kann mit einer Geldstrafe geahndet werden. Es gab keine Berichte darüber, dass Verleumdungsgesetze dazu benutzt wurden, die öffentliche Diskussion einzuschränken oder Vergeltungsmaßnahmen gegen Journalisten zu ergreifen (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz verbietet willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, die Familie, die Wohnung oder die Korrespondenz, und es gab keine Berichte darüber, dass die Regierung diese Verbote nicht beachtet hat (USDOS 20.3.2023). Private Diskussionen sind im Allgemeinen frei von Einmischung oder Überwachung (FH 2023). Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Regierung den Zugang zum Internet einschränkte oder unterbrach oder Online-Inhalte zensierte, und es gab keine glaubwürdigen Berichte darüber, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende gesetzliche Befugnisse überwachte (USDOS 20.3.2023). In der Rangliste der Pressefreiheit 2023 liegt Bolivien auf Platz 117 von 180 gelisteten Plätzen (RSF ohne Datum). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085392.html, Zugriff 24.5.2023 - RSF – Reporter ohne Grenzen (ohne Datum): Bolivien, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/ Rangliste_2023/RSF_Rangliste_der_Pressefreiheit_2023.pdf, Zugriff 25.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Obwohl das Gesetz für die meisten Demonstrationen eine Genehmigung vorschreibt, setzte die Regierung die Bestimmungen nur selten durch, und die meisten Demonstranten demonstrierten, ohne eine Genehmigung einzuholen (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte lösten gelegentlich Protestgruppen auf, die Waffen trugen oder staatliche und private Einrichtungen bedrohten (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). In der Verfassung sind die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verankert. Die Regierung respektiert im Allgemeinen das Recht auf Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht die Vereinigungsfreiheit, das Recht, sich zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen, sowie das Streikrecht vor. Das Gesetz sieht diese Rechte nicht für Beschäftigte in der Landwirtschaft oder in Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten vor, was schätzungsweise 72 Prozent aller Unternehmen ausmacht. Die Verfassung sieht den Schutz von Generalstreiks und Solidaritätsstreiks sowie das Recht aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor, einer .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 24

Gewerkschaft beizutreten. Das Gesetz schützt das Streikrecht, legt jedoch fest, dass ein Streik nicht unbefristet sein darf (USDOS 20.3.2023). Die Bürger haben das Recht, politische Parteien zu gründen (FH 2023). Das Arbeitsgesetz verbietet den meisten öffentlich Bediensteten die Gründung von Gewerkschaften, einschließlich des Militärs, der Polizei und anderer öffentlicher Sicherheitskräfte (USDOS 20.3.2023). FH berichtet hingegen, dass das offizielle Arbeitsgesetz des Landes nicht im Einklang mit der bolivianischen Gesetzgebung steht. So sind beispielsweise Gewerkschaften im öffentlichen Sektor verboten, doch viele Beschäftigte des öffentlichen Sektors können sich legal gewerkschaftlich organisieren (FH 2023). Gerichtsverfahren wurden häufig zur Einschüchterung oppositioneller Abgeordneter eingesetzt. Beobachter stellten fest, dass es ein klares Muster gab, nach dem Oppositionelle, die sich gegen die Regierung aussprachen, kurz darauf angeklagt wurden oder vor Gericht aussagen mussten. Sobald sich die Spannungen zwischen der Regierung und dem Oppositionellen gelegt hatten, ruhten die Gerichtsverfahren bis zum nächsten Zusammenstoß (USDOS 20.3.2023). Es gab Berichte über politische Gefangene (USDOS 20.3.2023). Es gibt keine formalen institutionellen Hindernisse, die Oppositionsparteien an der Teilnahme an Wahlen hindern (FH 2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 14. Haftbedingungen Die Gefängnisse waren überfüllt (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023) und verfügten über keine angemessene medizinische Versorgung, was zu harten und lebensbedrohlichen Bedingungen führte (USDOS 20.3.2023; vgl. EDA 25.5.2023). Aufgrund der unzureichenden inneren Sicherheit war Gewalt allgegenwärtig (USDOS 20.3.2023). Im Morros Blancos-Gefängnis in Tarija, im Montero-Gefängnis in Santa Cruz, im Riberalta- Gefängnis in Beni und im Oruro-Gefängnis in Oruro teilten sich Männer und Frauen die Schlafräume. In anderen Einrichtungen hatten Männer und Frauen getrennte Schlafräume, waren aber täglich zusammen. Die weiblichen Insassen wurden regelmäßig sexuell belästigt und angegriffen, und einige wurden gezwungen, Erpressungsgelder zu zahlen, um nicht vergewaltigt zu werden. Beobachter stellten fest, dass Vergewaltigungen und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt weit verbreitet waren und eine Kultur des Schweigens herrschte, die das Melden geschlechtsspezifischer Gewalt aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen unterdrückte (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 24

Die Korruption war allgegenwärtig. Die Fähigkeit eines Gefangenen, Bestechungsgelder zu zahlen, war häufig ausschlaggebend für die physische Sicherheit, die Zellengröße, das Besuchsrecht, die Möglichkeit, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen, den Anspruch auf einen Tagespass sowie den Ort und die Dauer der Haft. Die Gefangenen konnten sich eine Verlegung in das Rehabilitationszentrum erkaufen, eine neu gebaute Haftanstalt mit besseren Lebensbedingungen (USDOS 20.3.2023). Die Behörden gingen glaubwürdigen Misshandlungsvorwürfen im Allgemeinen nicht nach. Nach Angaben des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung konnten Gefangene Beschwerden bei einer Kommission von Bezirksrichtern zur Untersuchung einreichen, was sie jedoch aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Gefängnisbehörden häufig nicht taten (USDOS 20.3.2023). Die Regierung ließ im Allgemeinen die Überwachung durch unabhängige Beobachter wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, lokale NRO, Richter, religiöse Organisationen, Gesetzgeber und Medien zu (USDOS 20.3.2023). Quellen: -EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (25.5.2023): Reisehinweise für Bolivien, besondere rechtliche Betimmungen, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bolivien/reisehinweise- fuerbolivien.html, Zugriff 25.5.2023 -HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085392.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 15 .Todesstrafe 2009 (laenderdaten.info) wurde die Todesstrafe in Bolivien vollständig abgeschafft (Frankreich Diplomatie 10.2022; vgl. Deutscher Bundestag 3.12.2008). Quellen: -Deutscher Bundestag [Deutschland] (3.12.2008): Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, https://dserver.bundestag.de/btd/16/112/1611297.pdf, Zugriff 25.5.2023 -Frankreich Diplomatie [Frankreich] (10.2022): Abschaffung der Todesstrafe, https://www.diplomatie.gouv.fr/de/aussenpolitik-frankreichs/menschenrechte-und-humanitare- hilfe/abschaffung-der-todesstrafe/, Zugriff 25.5.2023 -laenderdaten.info (ohne Datum): Politische Indikatoren, Todesstrafe, https://www.laenderdaten.info/Amerika/Bolivien/index.php, Zugriff 25.5.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 24

16. Religionsfreiheit Die Religionsfreiheit ist in der Verfassung garantiert und wird in der Praxis allgemein geachtet. Mit der Verfassung von 2009 wurde der offizielle Status der römisch-katholischen Kirche abgeschafft (FH 2023). In der Verfassung ist festgelegt, dass der Staat unabhängig von der Religion ist, und es herrscht "Freiheit des Denkens, der Spiritualität, der Religion und des Gottesdienstes, die individuell oder kollektiv, öffentlich und privat zum Ausdruck gebracht werden". Die Verfassung und andere Gesetze räumen Bildungseinrichtungen das Recht ein, Religion zu unterrichten, einschließlich des Unterrichts über den spirituellen Glauben der Ureinwohner. Nach Angaben der US-Regierung bezeichnen sich 70 Prozent der Bevölkerung als katholisch (USDOS 15.5.2023). Quellen: -CIA – Central Intelligence Agency [USA] (16.5.2023): The Wolrd Factbook, Bolivia, People and Society, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bolivia/#people-and-society, Zugriff 24.5.2023 - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2092188.html, Zugriff 25.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 17. Minderheiten Das Gesetz verbietet die Diskriminierung durch öffentliche und private Einrichtungen und verbietet rassistisches und diskriminierendes Gedankengut in den Medien. Die Regierung unternahm wenig, um gegen diese Diskriminierung vorzugehen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die Afro- Bolivianer in den ländlichen Gebieten sahen sich mit denselben Problemen und Diskriminierungen konfrontiert wie die in diesen Gebieten lebenden indigenen Personen. Führende Vertreter afrobolivianischer Gemeinschaften berichteten, dass Diskriminierung in der Beschäftigung üblich sei und dass Beamte, insbesondere die Polizei, bei der Erbringung von Dienstleistungen diskriminierten. Afro-Bolivianer berichteten auch über den weitverbreiteten Gebrauch einer diskriminierenden Sprache (USDOS 20.3.2023). Bei der Volkszählung 2012 [nächste Volkszählung März 2024 (FH 2023)] bezeichneten sich rund 41 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren als indigen, vor allem aus den Gemeinschaften der Quechua und Aymara (USDOS 20.3.2023). Die Verfassung erkennt 36 indigene Nationalitäten innerhalb eines plurinationalen Staates an und schreibt die politische Autonomie der indigenen Gebiete fest (FH 2023). Die Verfassung von 2009 enthält umfassende Garantien für die Rechte indigener Völker auf kollektive Landtitel, interkulturelle Bildung, Schutz indigener Rechtssysteme und freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Entwicklungsprojekten (HRW 12.1.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 24

Indigenes Land wurde nicht vollständig abgegrenzt, und die Landreform blieb ein großes politisches Problem. In der Vergangenheit teilten sich einige Indigene das Land kollektiv im Rahmen des Ayllu-Systems (traditionelle Form einer Gemeinschaft), das während des Übergangs zum Privateigentumsrecht nicht rechtlich anerkannt wurde. Trotz der Gesetze, die eine Neuzuweisung und Titulierung von Land vorschreiben, wurden die Anerkennung und Abgrenzung von indigenem Land nicht abgeschlossen (USDOS 20.3.2023). Indigene werden daran gehindert, ihr im Völkerrecht verankertes Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Maßnahmen wahrzunehmen, die sie betreffen könnten (HRW 12.1.2023). Indigene Bevölkerungsgruppen waren besonders anfällig für Zwangsarbeit in der Landwirtschaft (USDOS 20.3.2023). Angehörige indigener Völker, vor allem in ländlichen Gebieten, haben deutlich weniger Möglichkeiten als ihre nicht-indigenen Altersgenossen, eine höhere Ausbildung zu erhalten, einen Arbeitsplatz in der formellen Wirtschaft zu finden und der Armut zu entkommen (BTI 2022). Viele indigene Gruppen waren in der Regierung und in der Politik gut vertreten (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). In der Abgeordnetenkammer sind sieben Sitze für indigene Völker reserviert (FH 2023). Sie litten jedoch unter einem unverhältnismäßig hohen Anteil an Armut und Arbeitslosigkeit. Staatliche Bildungs- und Gesundheitsdienste standen vielen indigenen Gruppen, die in abgelegenen Gebieten lebten, weiterhin nicht zur Verfügung (USDOS 20.3.2023). Das Recht der indigenen Bevölkerung auf vorherige Konsultation bei der Gewinnung natürlicher Ressourcen und der Erschließung von Land wird weder gesetzlich noch in der Praxis vollständig eingehalten (FH 2023). Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Angehörigen von Minderheitengruppen am politischen Prozess einschränken, und sie haben sich auch beteiligt (USDOS 20.3.2023). Quellen: -BTI – Bertelsmann Transformations Index (2022): Bolivia Country Report, https://bti- project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_BOL.pdf, Zugriff 25.5.2023 - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085392.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 17.1. Frauen Das Gesetz sieht für Frauen den gleichen rechtlichen Status und die gleichen Rechte vor wie für Männer (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), aber Frauen genossen im Allgemeinen nicht den gleichen sozialen Status wie Männer. Die Regierung hat das Gesetz nicht wirksam durchgesetzt (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 24

Obwohl Frauen in der Politik gut vertreten sind und 46 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer und fast 56 Prozent der Sitze im Senat innehaben, untergraben Sexismus und patriarchalische Einstellungen ihre Arbeit, insbesondere auf lokaler Ebene (FH 2023). Frauen und Mädchen sind trotz eines Gesetzes aus dem Jahr 2013, das umfassende Maßnahmen zur Verhinderung und Verfolgung geschlechtsspezifischer Gewalt vorsieht, weiterhin stark von Gewalt bedroht (HRW 12.1.2023). Das Gesetz sieht für die Vergewaltigung eines Erwachsenen (Mann oder Frau) eine Freiheitsstrafe von 15 bis 20 Jahren vor, wurde aber nur selten angewandt. Sexuelle Belästigung ist nach dem Gesetz eine Straftat, die mit bis zu acht Jahren Haft geahndet wird (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz verbietet häusliche Gewalt, aber auch dies wurde nur selten durchgesetzt. Die Verurteilung wegen häuslicher Gewalt, die zu einer Verletzung führt, wird mit drei bis sechs Jahren Gefängnis bestraft, und die Verurteilung wegen schwerer körperlicher oder seelischer Verletzung wird mit fünf bis 12 Jahren Gefängnis geahndet. Häusliche Gewalt war nach Angaben der Nationalen Beobachtungsstelle für öffentliche Sicherheit das am häufigsten begangene Verbrechen (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz stellt den Femizid, also die Tötung einer Frau aufgrund ihrer weiblichen Identität, unter Strafe (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023) und sieht eine Haftstrafe von 30 Jahren vor. Am 4. Juli unterzeichnete Präsident Arce ein Gesetz, das die Strafen gegen Richter erhöht, die Fälle von Femiziden, Kindermorden und sexuellen Übergriffen auf Minderjährige "falsch" behandeln (USDOS 20.3.2023). Frauenrechtsorganisationen berichteten, dass die der Sondereinheit zur Bekämpfung von Gewalt zugewiesenen Polizeikräfte nicht über ausreichende Ressourcen verfügten und die Beamten an vorderster Front nicht ausreichend für ihre Ermittlungsaufgaben geschult waren. Ein Gesetz aus dem Jahr 2014 sah den Bau von Frauenhäusern in jedem der neun Departements des Landes vor, aber bis zum Jahresende gab es nur in vier Departements Frauenhäuser. Menschenrechtsaktivisten erklärten, die Frauenhäuser für Opfer häuslicher Gewalt seien personell nicht gut ausgestattet, versprächen keine Anonymität und könnten keinen Schutz vor den Tätern bieten. Aktivisten erklärten, dass in den Unterkünften gefährdete Frauen, Mädchen, jugendliche Straftäter, Opfer von Menschenhandel, Opfer von sexuellem Missbrauch und Minderjährige mit psychischen Problemen gemischt wurden (USDOS 20.3.2023). Nach Angaben von Coordinadora de la Mujer, einem Netzwerk einheimischer NRO, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen, waren Politikerinnen und Frauen in Regierungspositionen einem hohen Maß an politischer Gewalt und Belästigung ausgesetzt (USDOS 20.3.2023). Während das Mindestlohngesetz Männer und Frauen gleich behandelt, verdienten Frauen im Allgemeinen weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Das Gesetz legt fest, dass die offizielle Wochenarbeitszeit für Frauen acht Stunden beträgt (kürzer als für Männer), verbietet Frauen die Nachtarbeit (mit Ausnahmen) und verbietet Frauen die Verrichtung von Aufgaben, die "gefährlich, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 24

ungesund oder schwer sind oder gegen ihre Moral oder die guten Sitten verstoßen" (USDOS 20.3.2023). Bei den Niedriglohnbeschäftigten im häuslichen Dienst handelte es sich überwiegend um Frauen. Ungefähr 40 Prozent von ihnen erhielten ein Gehalt unterhalb des nationalen Mindestlohns und arbeiteten ohne Vertrag, Krankenversicherung oder andere relevante Leistungen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Bolivia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089427.html, Zugriff 25.5.2023 - FH – Freedom House (2023): Freedom House (Autor), https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085392.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 17.2. Kinder Die Staatsbürgerschaft wird sowohl durch die Geburt im Hoheitsgebiet des Landes als auch durch die Eltern erworben (USDOS 20.3.2023). Das Mindestalter für die Eheschließung beträgt 14 Jahre für Mädchen und 16 Jahre für Jungen. Die Eltern oder Erziehungsberechtigten von Minderjährigen müssen Eheschließungen zwischen Jugendlichen unter 18 Jahren zustimmen (USDOS 20.3.2023). Die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern wird mit 15- bis 20-jährigen Haftstrafen geahndet, ist aber nach wie vor ein ernstes Problem. Das Gesetz verbietet auch die Kinderpornografie, die mit 10 bis 15 Jahren Haft bestraft wird. Die Regierung hat das Gesetz im Allgemeinen durchgesetzt (USDOS 20.3.2023). Bolivien ist ein Herkunftsland für den Handel mit Männern, Frauen und Kindern zum Zwecke der Zwangsarbeit und Prostitution (FH 2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 17.3. Sexuelle Minderheiten Keine Gesetze kriminalisieren einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen (USDOS 20.3.2023; vgl. BMEIA 25.5.2023). Das Gesetz verbietet die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität. Die Regierung hat das Gesetz nicht wirksam durchgesetzt (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023, AA 25.5.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 24

Lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere und intersexuelle (LGBTQI+) Personen wurden am Arbeitsplatz, in der Schule und beim Zugang zu staatlichen Dienstleistungen, insbesondere im Gesundheitswesen, offen diskriminiert. Das Gesetz ermöglicht es Transgender-Personen, ihren Namen, ihre Geschlechtsmarkierung und ihr Foto zu aktualisieren, um ihre Geschlechtsidentität in allen gesetzlichen Ausweisen und Geburtsurkunden widerzuspiegeln, nachdem sie sich einer psychologischen Beurteilung unterzogen haben und vor dem Standesamt erschienen sind (USDOS 20.3.2023). Es gab keine Einschränkungen der Meinungs-, Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit in Bezug auf LGBTQI+-Themen oder die Einberufung entsprechender Veranstaltungen. (Obwohl das Gesetz die Diskriminierung von HIV-Infizierten und Aidskranken verbietet, ist die Diskriminierung nach wie vor allgegenwärtig. Die Behörden des Gesundheitsministeriums berichteten, dass die Diskriminierung von Menschen mit HIV oder AIDS in indigenen Gemeinschaften am stärksten war (USDOS 20.3.2023). Die Verfassung sieht die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau vor und enthält keine Bestimmungen für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (FH 2023). Im Dezember 2020 befolgte das bolivianische Standesamt einen Gerichtsbeschluss und registrierte die Beziehung eines homosexuellen Paares als "freie Vereinigung", die erste gleichgeschlechtliche Vereinigung in Bolivien (HRW 12.1.2023; vgl. FH 2023). Im Mai 2022, mit einem Jahr Verspätung, registrierte das Standesamt auch die Beziehung eines lesbischen Paares (HRW 12.1.2023). Quellen: -AA – Auswärtiges Amt [Deutschland](25.5.2023): Bolivien: Reise- und Sicherheitshinweise, Reiseinfos, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/bolivien-node/boliviensicherheit/ 213428#content_3, Zugriff 25.5.2023 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088492.html, Zugriff 24.5.2023 - HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085392.html, Zugriff 24.5.2023 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 18. Bewegungsfreiheit Das Gesetz sieht Freizügigkeit von Inlandsreisen, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr vor, und die Regierung hat diese Rechte im Allgemeinen respektiert. Das Gesetz verbietet jedoch Reisen an Wahltagen und an Tagen der Volkszählung und schränkt Auslands- und Inlandsreisen für bis zu drei Monate als Strafe für Personen ein, die nicht wählen gehen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bolivia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089458.html, Zugriff 23.5.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 24
