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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
allem im Nordosten des Landes weit verbreitet. Sehr häufig müssen kleine Kinder arbeiten, um eine ganze Familie mit Nahrung zu versorgen. 1,5 Millionen Kinder in Brasilien leben in Behausungen, die keine festen Wände haben. Unterernährung und Ernährungsunsicherheit sind auch im heutigen Brasilien nach wie vor anhaltende Probleme. Die Regierung hat mittlerweile soziale Fürsorgeprogramme wie z. B. die “Bolsa Familia” ins Leben gerufen, um den Hunger und die extreme Armut von Familien mit niedrigen Einkommen zu bekämpfen. In den größten Städten des Landes, vor allem in Rio de Janeiro und São Paulo, landen Kinder ohne elterliche Fürsorge häufig auf der Straße, wo sie der Gewalt von Straßenbanden, sexuellem Missbrauch und Drogenabhängigkeit ausgesetzt sind. Die meisten von ihnen müssen Kinderarbeit verrichten - sie putzen Schuhe oder verkaufen Kleinwaren an Ampeln oder am Straßenrand (SOS o.D.). Quellen: - SOS - SOS Kinderdorf (o.D.): SOS-Kinderdörfer in Brasilien, https://www.sos-kinderdorf.at/so- hilft-sos/wo-wir-helfen/amerika/brasilien, Zugriff 17.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 15.3. Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten Der oberste Gerichtshof hat im Mai 2013 die gleichgeschlechtliche Ehe im ganzen Land ermöglicht (TS 30.6.2013). Im Jahr 2019 entschied der Oberste Gerichtshof trotz des starken Drucks einiger religiöser und politischer Führer, dass LGBT+-Menschen durch ein Strafgesetz geschützt sind, das Diskriminierung aufgrund von "Rasse, Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und nationaler Herkunft" verbietet (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Den Tätern drohen ein bis drei Jahre Haft und eine Geldstrafe bzw. zwei bis fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe, wenn der Täter den Vorfall über soziale Medien verbreitet und damit das Opfer bloßstellt. Im April 2022 entschied der Oberste Gerichtshof einstimmig, dass Schutzmaßnahmen im Rahmen des Gesetzes Maria da Penha, das geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt eindämmen soll, auch für eine Transgender-Frau gelten (USDOS 20.3.2023). Dennoch hat Brasilien Berichten zufolge eines der höchsten Niveaus an Anti-LGBT+-Gewalt in der Welt. Einem Bericht der Grupo Gay da Bahia, einer Organisation, die sich für LGBT+ einsetzt, vom Februar 2022 zufolge wurden im Jahr 2021 276 LGBT+-Personen durch homophobe Gewalt getötet, während weitere 24 durch Selbstmord starben. Die Zahlen der Gruppe bedeuten einen Anstieg von 8 Prozent gegenüber 2020 (FH 2023). Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen (LGBT+) ist ein ernstes Problem. Während die Gewalt gegen LGBT+-Personen seit 2017 allgemein zurückgegangen ist, hat die Gewalt gegen Transgender-Personen zugenommen. Das Bundesministerium für Inneres ist für die Registrierung von Meldungen über Straftaten aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Ausrichtung zuständig, reagiert aber Berichten zufolge nur langsam. Transgender-Personen sind besonders .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 20

gefährdet Opfer von Verbrechen, einschließlich Sexhandel, zu werden oder Selbstmord zu begehen. Einem Bericht der Grupo Gay da Bahia zufolge wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 135 LGBT+-Personen im Land getötet, was einem Rückgang von 20 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2021 entspricht (USDOS 20.3.2023). Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - TS - Tagespiegel (30.6.2013): Argentinien, Uruguay und Brasilien erlauben die Homoehe, https://www.tagesspiegel.de/politik/lateinamerika-argentinien-uruguay-und-brasilien-erlauben- die-homoehe/8423748.html, Zugriff 17.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 16. Bewegungsfreiheit Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Reisefreiheit ins Ausland (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), sowie das Recht auf Emigration und Rückkehr vor, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.3.2023). Ebenso ist die freie Wahl des Wohnorts und des Berufes gewährleistet (FH 2023). Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 17. Grundversorgung und Wirtschaft Die brasilianische Wirtschaft erholte sich von der Pandemie-bedingten Rezession erstaunlich gut und hatte schon 2021 mit einem Plus von 4,6 Prozent wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht. Der positive Trend setzte sich auch 2022 fort und brachte ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent. Für 2023 liegen die Wachstumsprognosen jedoch aufgrund der hohen Zinsen und der globalen Konjunktureintrübung deutlich niedriger; es wird ein Plus von maximal einem Prozent erwartet. Für die Jahre danach werden Wachstumsraten um die 2 Prozent prognostiziert, wobei die Haushaltseinschränkungen, Strukturprobleme (v. a. im Steuersystem) und eine niedrige Arbeitsproduktivität einem höheren Wachstum entgegenstehen (WKO 2.5.2023). Erfreulich war die Entwicklung hinsichtlich Arbeitslosenrate und Inflation, die inzwischen jeweils wieder deutlich in den einstelligen Bereich zurückgekehrt sind. Besonders positiv entwickelte sich zuletzt der Außenhandel. 2022 konnte ein Handelsbilanzüberschuss von fast 60 Milliarden USD erwirtschaftet werden (WKO 2.5.2023). Die Arbeitslosenquote (15-64 Jahre) lag 2022 bei 7,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit (15-24 Jahre) bei 21,4 Prozent (WKO 4.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 20

Unter der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2010) und Dilma Rousseff (2010 bis 2016) erzielte Brasilien beachtliche gesellschaftspolitische Erfolge: Es wurden Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, die Mindestlöhne und -renten wurden kontinuierlich erhöht, die Einkommen stiegen. Brasilien legte das größte Armutsbekämpfungsprogramm der Welt auf und ließ in großem Stil Sozialwohnungen errichten. Zudem wurden große Landesteile an das Stromnetz angeschlossen und die Reform der Landbesitzverhältnisse wurde vorangetrieben (BMZ 19.1.2023). Während 1990 noch knapp ein Viertel der brasilianischen Bevölkerung in extremer Armut lebte, lag dieser Wert 2014 bei nur noch 3,3 Prozent, stieg allerdings bis 2019 wieder auf 5,4 Prozent an. Die Corona-Pandemie traf benachteiligte und vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders stark und sorgte für einen weiteren Anstieg der Armut. Deutlich verschlechtert hat sich auch der Zugang der Bevölkerung zu ausreichender Ernährung. Laut einer Studie vom Frühjahr 2022 ist für mehr als 125 Millionen Menschen – also für mehr als die Hälfte der Bevölkerung – die Ernährungssicherheit nicht gewährleistet. Rund 30 Millionen Menschen leiden demnach an Hunger (BMZ 19.1.2023). Zwischen den Regionen und innerhalb der brasilianischen Bevölkerung sind erhebliche Unterschiede in der Besitz- und Einkommensverteilung zu verzeichnen. Brasiliens Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit in der Einkommensentwicklung misst, ist einer der höchsten der Welt. Sozial und wirtschaftlich besonders benachteiligt sind indigene und afrobrasilianische Bevölkerungsgruppen (BMZ 19.1.2023). Quellen: - BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (19.1.2023): Brasilien - soziale Situation, https://www.bmz.de/de/laender/brasilien/soziale- situation-10930, Zugriff 18.7.2023 - WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.5.2023): Brasilien: Wirtschaftslage, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-brasilianische-wirtschaft.html, Zugriff 18.7.2023 - WKO - Wirtschaftskammer Österreich (4.2023): Länderprofil Brasilien, http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-brasilien.pdf? _gl=1*rxsu0q*_ga*MTI5MDYzMzMyNC4xNjg5NjY5NDYz*_ga_4YHGVSN5S4*MTY4OTY2OT Q2My4xLjEuMTY4OTY2OTUwOS4wLjAuMA..&_ga=2.139295731.1334906277.1689669466- 1290633324.1689669463, Zugriff 18.7.2023 18. Medizinische Versorgung Das medizinische Versorgungsangebot ist zumindest in den großen Städten im privaten Sektor überwiegend auf westeuropäischem Standard. Der öffentliche Sektor ist hinsichtlich personeller, apparativer, logistischer und z. T. hygienischer Ressourcen insbesondere in ländlichen Regionen nicht selten defizitär strukturiert (AA 16.6.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 20

Das als „Sistema Único de Saúde (SUS)“ bekannte brasilianische Gesundheitssystem ist ein staatliches Gesundheitssystem, das kostenlosen und universellen Zugang zu medizinischer Versorgung bietet. Das SUS steht allen brasilianischen Staatsangehörigen offen, auch wenn der nationalen Gesundheitsbehörde zufolge 25 Prozent von ihnen über eine private Krankenversicherung verfügen. Das SUS ist ein dezentrales System, das von den brasilianischen Bundesstaaten und Kommunen verwaltet wird. Gleichzeitig befindet sich das private Gesundheitssystem wegen der Mängel des staatlichen Gesundheitssystems (medizinisches Personal, Ausstattung usw.) im Aufwind (MSH 2023). Arztbesuche in Brasilien: Brasilianische Allgemeinmediziner oder Hausärzte bieten routinemäßige Gesundheitsversorgung an (Erkältungen, grippale Infekte usw.). Der private Sektor entwickelt sich rasch weiter und die Leistungen sind von hoher Qualität. Allerdings kann die medizinische Versorgung sehr teuer sein. Die Preise sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. In Brasilia liegen die Behandlungssätze etwa bei durchschnittlich 120 BRL (51 USD) und können bis zu 500 BRL (214 USD) betragen. In São Paulo beträgt der durchschnittliche Behandlungssatz 300 BRL (128 USD), in Rio de Janeiro sind es zwischen 200 und 250 BRL (85 bis 107 USD). Da es nicht genügend Ärzte gibt, Allgemeinmediziner wie Fachärzte, kann es schwierig sein, schnell einen Termin zu bekommen (MSH 2023). Krankenhäuser in Brasilien: In staatlichen Krankenhäusern wird die medizinische Versorgung kostenlos angeboten. Die staatlichen Krankenhäuser in Brasilien sind jedoch überfüllt und die Wartezimmer sind voll. Einige brasilianische Krankenhäuser haben einen eigenen Rettungsdienst (MSH 2023). Immer mehr Brasilianer wenden sich lieber an private Krankenhäuser, in denen moderne Technologie und hochwertige medizinische Geräte zum Einsatz kommen. Auch das medizinische Personal ist äußerst effizient. „Ärztetourismus“ ist in Brasilien wegen der qualifizierten Chirurgen und der hochwertigen medizinischen Geräte berühmt (MSH 2023). Arzneimittelkauf in Brasilien: Medikamente, die auf der nationalen Liste der grundlegenden Arzneimittel stehen, werden vom SUS übernommen. Medikamente, die nicht vom staatlichen Gesundheitssystem übernommen werden, werden in den „farmacias populares“ zu einem günstigen Preis angeboten (MSH 2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.6.2023): Brasilien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/brasiliensicherheit/201092, Zugriff 12.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 20

- MSH International – DiotSiaci Group: So funktioniert das brasilianische System, https://www.msh-intl.com/de/lander-liste/brasilien-landerbroschure.html, Zugriff 18.7.2023 19. Rückkehr Die Regierung arbeitet mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen oder Asylbewerbern sowie anderen bedenklichen Personen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 20.3.2023). In Brasilien bietet IOM Unterstützung für Migranten, Rückkehrer und Binnenvertriebene und arbeitet dabei mit der Regierung und Wissenschaftlern zusammen (IOM o.D.). Quellen: -IOM Brasilien (o.D.): Nosso Trabalho, https://brazil.iom.int/en/node/107162, Zugriff 19.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 20
