chil-lib-2016-09-15-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 21 3. Sicherheitslage Im ganzen Land kommt es immer wieder zu Demonstrationen bzw. auch gewaltsamen Ausschreitungen im Zusammenhang mit innenpolitischen Auseinandersetzungen, u.a. um die Bildungspolitik, den Bau von Staudämmen, oder Forderungen der indigenen Bevölkerung. In der Umgebung von Temuco (VIII. und IX. Region) kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen durch Mapuche-Indigene, gelegentlich werden dort auch Fahrzeuge angegriffen und Fernstraßen gesperrt. In letzter Zeit ist es vornehmlich im Großraum Santiago vermehrt zu Sprengstoffanschlägen gekommen. Diese richten sich in der Mehrheit gegen Bankautomaten und Einrichtungen des staatlichen Sicherheitsapparats, betreffen in Einzelfällen aber auch den öffentlichen Nahverkehr. Anschläge auf ein Restaurant in einer U-Bahn Station im Stadtzentrum Santiagos sowie auf einen Supermarkt in Viña del Mar forderten Anfang September 2014 zahlreiche Verletzte (AA 6.9.2016c; vgl. EDA 7.9.2016). Die Streitigkeiten zwischen Bolivien und Chile um einen souveränen Meereszugang Boliviens kochen derzeit wieder hoch. Nachdem der Außenminister Boliviens, David Choquehuanca, eine als privat deklarierte Reise in Begleitung von Parlamentariern und Medienvertretern in chilenische Häfen unternahm, ohne genauere Reisedetails an die chilenischen Behörden weiterzugeben, beschloss die Regierung Chiles, die diplomatischen Visa bolivianischer Amtsträger nicht länger anzuerkennen. Die Konflikte zwischen Bolivien, Peru und Chile um die Grenzregion der drei Länder haben eine lange Vorgeschichte. In die periodisch immer wieder auflebenden Konflikte wurde bereits der Internationale Gerichtshof (IGH) eingeschaltet. Dieser konnte den Streit zwischen Chile und Peru um die pazifische Seegrenze im Jahre 2014 durch einen Schiedsspruch lösen. Hinsichtlich der Spannungen zwischen Chile und Bolivien ist allerdings keine Einigung in Sicht. Vergangene Woche reichte Chile eine Denkschrift beim IGH ein, mit der Chiles Außenminister Heraldo Muñoz sich der Aufforderungen erwehrt, einen Meereszugang überhaupt verhandeln zu müssen. Außer diesem Thema muss sich der IGH auch mit den Streitigkeiten der beiden Länder um die Wasserrechte in Bezug auf den Fluss Silala befassen. Zu Spannungen tragen zudem chilenische Militärstützpunkte im Grenzgebiet bei (amerika21 23.7.2016; vgl. Der Standard 6.6.2016). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (6.9.2016c): Chile: Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ ChileSicherheit_node.html, Zugriff 6.9.2016 - amerika21.de - Nachrichten und Analysen aus Lateinamerika (23.7.2016): Bolivien, Chile, Neue territoriale Spannungen zwischen Chile und Bolivien, https://amerika21.de/2016/07/156589/spannungen-chile-bolivien, Zugriff 14.9.2016

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 21 - Der Standard (6.6.2016): International, Amerika, Bolivien, Grenzstreit: Chile klagt Bolivien, http://derstandard.at/2000038342526/GrenzstreitChile-verklagt-Bolivien, Zugriff 14.9.2016 - EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.9.2016): Reisehinweise für Chile, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-und- reiseinformationen/chile/reisehinweise-fuerchile.html, Zugriff 7.9.2016 4. Rechtsschutz/Justizwesen Chile ist ein demokratischer Rechtsstaat mit einem materiell-rechtlich entwickelten Justizsystem. Neben den Zivil- und Strafgerichten gibt es eine Militärgerichtsbarkeit für Straftaten von Militärangehörigen. Das allgemeine Strafprozessrecht wurde von 2000 bis 2005 reformiert. Der Oberste Gerichtshof entscheidet in zivil- und strafrechtlichen Fragen in letzter Instanz. Daneben gibt es ein Verfassungsgericht, das über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen entscheidet. Verfassungsbeschwerden einzelner Bürger sind nicht vorgesehen (AA 3.2016b). Das Justizsystem funktioniert weitgehend. An der Spitze der chilenischen Judikativen steht die Corte Suprema de Justicia, ein Kollegialgericht mit 21 Richtern. Die Richter der Corte Suprema schlagen alle nachgeordneten Richter vor, die dann vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannt werden. Seit 1997 wird schrittweise das chilenische Straf- und Strafprozessrecht reformiert. Ziel ist unter anderem das Amt eines unabhängigen Staatsanwaltes zu etablieren und so die Untersuchungsrichter zu ersetzen (GIZ 6.2016a). Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert generell die richterliche Unabhängigkeit. Verfassung und Gesetze garantieren auch das Recht auf einen fairen Prozess. Die Justiz setzt dieses auch generell um. Für Angeklagte gelten Unschuldsvermutung und Beschwerderecht. In erster Instanz entscheidet ein Kollegium von drei Richtern in einem öffentlichen Verfahren. Es gibt kein Recht auf einen Geschworenenprozess. Es besteht das Recht auf einen Rechtsbeistand. Es gibt NGOs und Anwälte, welche auf Anfrage auch kostenlos arbeiten. Die zahlreichen Altfälle, die vor der Strafrechtsreform 2005 anfielen, werden noch von einem Strafgericht alten Zuschnitts bearbeitet. Es gibt keine Berichte über politische Gefangene, obwohl einige Mapuche- Indigene, die strafrechtlich verurteilt wurden, behaupten politische Gefangene zu sein. Es gibt eine unabhängige und unteilbare Zivilrechtsprechung, im Wege derer Personen gegen Menschenrechtsverstöße klagen können. Das System leidet aber an antiquierten und ineffizienten Verfahrensregeln, was in einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von fünf Jahren resultiert. Verwaltungsrechtliche und gerichtliche Beschwerden sind möglich (USDOS 13.4.2016). Quellen:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 21 - AA - Auswärtiges Amt (3.2016b): Chile, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_79CDA33FEC7CBD784C24D1170895A112/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Chile/Innenpolitik_node.html, Zugriff 7.9.2016 - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2016a): Chile, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/chile/geschichte-staat/, Zugriff 7.9.2016 - USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/322562/462039_de.html, Zugriff 7.9.2016 5. Sicherheitsbehörden Carabineros und Kriminalpolizei (PDI) obliegt die Durchsetzung des Rechts und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Lande. Beide Organisationen unterstehen dem chilenischen Innenministerium und damit ziviler Kontrolle. Die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Korruption und Misshandlung durch die Polizei. Es gibt Vorwürfe der Straflosigkeit bei Angehörigen der Sicherheitsorgane. Die gegenwärtigen Gesetze sehen immer noch eine Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit für Straftaten von Carabineros vor, was ebenso Anlass zur Kritik gibt. Fehlverhalten der Kriminalpolizei unterliegen der Verfolgung durch die normale Strafjustiz. Der Ombudsmann berichtete 2012 von 1.775 Beschwerden gegen Carabineros wegen unnötiger Gewaltanwendung, von denen aber nur weniger als 2% zu Verurteilungen führten (USDOS 13.4.2016). Die Regierung verfügt über effektive Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Korruption und Misshandlung durch die Polizei. Die Carabineros begehen gelegentlich Verstöße gegen die Menschenrechte und wenden immer wieder exzessiv Gewalt an (FH 2016). Öffentliche Proteste und die Zahl der Misshandlungen durch Carabineros sind im Jahr 2014 deutlich zurückgegangen. Laut chilenischem Ombudsmann (=National Institute for Human Rights, INDH), wurden im Jahr 2014 bei Protestmärschen weiterhin Wasserkanonen und Tränengas verwendet und es kam zu unverhältnismäßiger Gewalt bei Verhaftungen (HRW 29.1.2015). Quellen: - FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Chile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/chile, Zugriff 12.9.2016 - HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/295479/430511_de.html, Zugriff 12.9.2016 - USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/322562/462039_de.html, Zugriff 7.9.2016

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 21 6. Folter und unmenschliche Behandlung Folter ist laut Verfassung verboten. Dennoch erhielten NGOs eine Vielzahl von Berichten über die Anwendung exzessiver Gewalt, Missbrauch und erniedrigende Behandlung durch Carabineros, Kriminalpolizei und Justizwachebeamte, von denen nur wenige zu Verurteilungen führten. Menschenrechtsorganisationen berichten von Gewalt in Gefängnissen, bis hin zur Folter. Sie berichten auch, dass die Gefängnisverwaltung das Problem kennt und daran arbeitet. Gewalt ist auch unter den Häftlingen verbreitet (USDOS 13.4.2016). Die Carabineros begehen gelegentlich Verstöße gegen die Menschenrechte und wenden immer wieder exzessiv Gewalt an. (FH 2016; vgl. HRW 29.1.2015). Nachdem einige Folteropfer für 40 Tage in den Hungerstreik getreten waren, wurde im Oktober 2015 ein Gesetz verabschiedet, das eine zügige finanzielle Wiedergutmachung für Opfer von Folter und politischer Haft vorsieht (AI 24.2.2016). Quellen: - AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/319757/466750_de.html, Zugriff 13.9.2016 - FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Chile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/chile, Zugriff 12.9.2016 - HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/295479/430511_de.html, Zugriff 12.9.2016 - USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/322562/462039_de.html, Zugriff 7.9.2016 7. Korruption Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Chile unter 167 Ländern und Territorien an 23. Stelle mit einer Punkteanzahl von 70 von bestmöglichen 100 (TI 2015). Im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten stellt die Korruption in Chile ein geringes Problem dar, was sicher auch auf die relativ gute makroökonomische Situation, das weitgehend funktionierende Justizsystem und die relativ gute Bezahlung der öffentlich Bediensteten zurückzuführen ist (LIPortal 6.2016a). Quellen: - GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2016a): Chile, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/chile/geschichte-staat/, Zugriff 7.9.2016

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 21 - TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index 2015; http://www.transparency.org/cpi2015#results-table, Zugriff 13.9.2016 8. Wehrdienst Im Alter zwischen 18 und 45 Jahren kann freiwilliger Militärdienst geleistet werden, das Recht zur Einberufung von Männern im Alter zwischen 18 und 45 Jahren existiert aber weiterhin. Der Wehrdienst beträgt 12 Monate für die Landstreitkräfte und 22 Monate für die Marine und die Luftwaffe (CIA 25.8.2016). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency (25.8.2016): The World Factbook - Chile, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ci.html, Zugriff 13.9.2016 9. Allgemeine Menschenrechtslage Achtung der Menschenrechte hat für Chile seit der Rückkehr zur Demokratie 1990 große Bedeutung. Chile ist Vertragsstaat der meisten internationalen und interamerikanischen Menschenrechtsübereinkommen. Rund 28.000 anerkannte Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Militärdiktatur (1973-1990) erhalten staatliche Mindestrenten sowie Vergünstigungen bei Gesundheits- und Bildungsmaßnahmen. Das Schicksal von über 1.000 verschwundenen Gegnern des Pinochet-Regimes ist noch ungeklärt. Die strafrechtliche Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen des Militärregimes durch die ordentliche Gerichtsbarkeit hat in den vergangenen Jahren - trotz einer 1978 von den Militärs verfügten Amnestie - zu einer größeren Zahl von Verurteilungen z.B. führender Geheimdienstmitarbeiter geführt (AA 3.2016b). Probleme mit den Menschenrechten umfassen die Diskriminierung Indigener; gesellschaftliche Gewalt gegen und Diskriminierung von Frauen, Kindern und LGBT- Personen; Kinderarbeit; und harte Haftbedingungen. Des Weiteren gibt es Bedenken bezüglich der Anwendung exzessiver Gewalt durch Sicherheitskräfte und isolierter Berichte über Regierungskorruption und Antisemitismus. Die Regierung unternimmt generell Schritte zur Strafverfolgung von Beamten, die sich Verfehlungen zuschulden kommen ließen. Trotzdem behaupten viele Menschenrechtsorganisationen, dass für Sicherheitsbeamte Straflosigkeit herrsche (USDOS 13.4.2016). Der chilenische Ombudsmann (=National Institute for Human Rights, INDH) ist eine unabhängig agierende, autonome Regierungsinstitution, die öffentlich in Erscheinung tritt und Empfehlungen an Regierungsbehörden abgibt, um die Menschenrechte zu schützen und zu fördern. In ihrem Jahresbericht 2013 äußerte die Ombudsmann-Institution Sorge über

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 21 einige Menschenrechtsprobleme, darunter den Zugang zur Justiz, exzessive Polizeigewalt, Gewalt gegen Frauen und Kinder, gesellschaftliche Diskriminierung von Jugendlichen, Immigranten, Transgender-Personen u.a. Minderheiten, sowie die fortgesetzte Anwendung der Antiterror-Gesetzgebung gegen Indigene. Beide Parlamentskammern haben ständige Menschenrechtsausschüsse, zuständig für das Entwerfen von Menschenrechtsgesetzgebung. Eine Reihe von heimischen und internationalen Menschenrechtsgruppen funktioniert generell ohne Einschränkungen durch die Regierung. Sie untersuchen Menschenrechtsfälle und veröffentlichen ihre Ergebnisse. Regierungsvertreter waren in der Regel kooperativ und offen für deren Sichtweisen, wobei einige Gruppen für die Rechte der Indigenen berichten, ihre Sichtweisen würden missachtet (USDOS 13.4.2016). NGOs können gegründet werden und ungestört arbeiten (FH 2016). Die Verfassung garantiert die Rede- und die Pressefreiheit (BS 2016) und die Regierung respektiert diese Rechte generell. Eine unabhängige Presse, eine effektive Justiz und ein funktionierendes demokratisches System fördern zusammen diese Freiheiten. Unabhängige Medien sind aktiv und bringen ohne Einschränkungen eine große Bandbreite von Sichtweisen zum Ausdruck. Es gab 2013 aber Kritik in Bezug auf Medienkonzentration. Die meisten Medien befinden sich in der Hand zweier großer Familienunternehmen, Copesa und El Mercurio. Auch die nicht regulierte Vergabe regierungsfinanzierter Werbeschaltungen gab Anlass zur Kritik. Auch existiert kein Gesetz, das die faire Verteilung von Rundfunkfrequenzen an verschiedene Medien garantiert (USDOS 13.4.2016). Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden innerhalb der demokratischen Ordnung nicht eingeschränkt. Unabhängige politische und zivilgesellschaftliche Organisationen sind generell erlaubt und können frei gebildet werden. Bis zu den großen Studentenprotesten waren die Chilenen in der Ausübung dieser Rechte, außerhalb von politischen Parteien, allerdings eher zurückhaltend. Einzige Ausnahme waren die Mapuche-Indigenen, welche ihre Anliegen seit 1990 in organsierterer Form zum Ausdruck brachten. Das Versammlungsrecht wird generell respektiert, obwohl die Polizei dafür bekannt ist, exzessive Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden (BS 2016). Die Gefängnisse in Chile sind überbelegt und Gefangene leiden unter physischer Gewalt, ungenügender medizinischer Versorgung und Verpflegung (FH 2016). Die Gefängnisse sind überbelegt und die Haftbedingungen hart. Ende Oktober 2015 waren 43.161 Personen in Haft, während Platz für 41.594 vorhanden war. Viele Gefängnisse sind alt und bieten sanitäre Bedingungen unterhalb internationaler Standards, ungenügende Verpflegung und ungenügende medizinische Versorgung. In manchen Einrichtungen ist ungenügende Beheizung, Beleuchtung und Belüftung weiterhin ein ernstes Problem.

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 21 Mancherorts ist auch der Zugang zu Trinkwasser eingeschränkt. Menschenrechtorganisationen berichten, dass Gewalt, darunter auch Folter, vorkommt. 2015 gab es 90 Todesfälle unter Gefangenen. 41 davon gingen auf Gewalt unter den Häftlingen zurück, 10 Insassen haben Selbstmord begangen und 39 sind eines natürlichen Todes gestorben (USDOS 13.4.2016). In Chile gibt es keine Staatsreligion: Die Trennung von Staat und der katholischen Kirche wurde mit der Verfassung von 1925 vollzogen und verlief ohne größere Konflikte. Dies ermöglichte der katholischen Kirche, eine starke und konstruktive Rolle in der chilenischen Gesellschaft wahrzunehmen. Noch heute spielt die katholische Kirche in Chile eine bedeutende gesellschaftliche und politische Rolle, auch wenn die Zahl der Gläubigen rückläufig ist: Nur noch rund 70% der Chilenen bekennt sich zum Katholizismus, evangelikale und pfingstlerische Kirchen bilden mit 15,1% die zweitstärkste Gruppe, auch wenn diese in sich sehr divers ist (GIZ 9.2016b). Die Zeugen Jehovas sind mit 1%, andere mit 3,4% vertreten. 11,5% der Chilenen sind ohne religiöses Bekenntnis (CIA 25.8.2016). In den vergangenen Jahren konnten die Pfingstkirchen ihre Position in Chile weiter ausbauen (GIZ 9.2016b). Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit, und das Gesetz verbietet religiöse Diskriminierung. Staat und Kirche sind offiziell getrennt. Das Nationale Amt für Religionsangelegenheiten (ONAR) sorgt für den Schutz der religiösen Minderheiten. Die Anführer der jüdischen Gemeinden berichten über Vandalismus, einschließlich Graffitis an jüdischen Gemeindegebäuden. Die meisten Graffitis drücken Enttäuschung über die Politik des israelischen Staates aus (USDOS 10.8.2016). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (3.2016b): Chile, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_79CDA33FEC7CBD784C24D1170895A112/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Chile/Innenpolitik_node.html, Zugriff 7.9.2016 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Bertelsmann Transformation Index 2016; Chile Country Report, https://www.bti-project.org/de/4579/laenderberichte/detail/itc/chl/, Zugriff 13.9.2016 - FH - Freedom House (2016): Freedom in the World 2016 - Chile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2016/chile, Zugriff 12.9.2016 - GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016b): Chile - Gesellschaft, https://www.liportal.de/chile/gesellschaft/#c9939, Zugriff 14.9.2016 - USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/322562/462039_de.html, Zugriff 7.9.2016 - USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/328457/469234_de.html, Zugriff 15.9.2016

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 21 10.Todesstrafe Chile hat die Todesstrafe für gewöhnliche Verbrechen 2001 abgeschafft. Für bestimmte Verbrechen nach dem Militärstrafgesetzbuch gibt es sie aber weiterhin. Die letzte Exekution wurde 1985 durchgeführt (AI 30.7.2014). Quellen: - AI - Amnesty International (30.7.2014): Amnesty International India Submission to the Law Commission of India on the Abolition of the Death Penalty, http://www.amnesty.org/en/library/asset/ACT50/003/2014/en/193c5698-58aa-492f-82f1- 1cb3de55c9e8/act500032014en.pdf, Zugriff 14.9.2016 11.Ethnische Minderheiten In ethnischer Hinsicht ist Chile - im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Gesellschaften - weitgehend homogen: Lediglich 2,1% der Einwohner sind nicht in Chile geboren. Die Immigration spielt mithin eine untergeordnete Rolle. Die meisten Immigranten kommen aus den direkten Nachbarländern Argentinien, Peru und Bolivien. Rund 95% der chilenischen Bevölkerung sind Weiße oder Mestizen, 5% gehören indianischen Ethnien an (v.a. Mapuche und Aymara). Innerhalb der Gruppe der Weißen und Mestizen wird allerdings sehr wohl wahrgenommen, wie stark ausgeprägt der europäische Anteil in der Stammlinie ist. Ähnlich wie in Argentinien wird hier oft der pejorative Ausdruck cabecita negra („Schwarzköpfchen“) für besonders dunkelhäutige oder -haarige Mestizen verwendet. Sowohl hinsichtlich der Einstellung zu Migranten, als auch zu unterschiedlichen Ethnien innerhalb der chilenischen Gesellschaft entwickelte sich in den vergangenen Jahren eine selbstkritische öffentliche Auseinandersetzung mit dem Rassismus in Chile (GIZ 9.2016b). Die indigene Minderheit in Chile umfasst - nach unterschiedlichen Erhebungen - circa 1 bis 1,6 Million Menschen, davon knapp 90% Mapuche. Mapuche-Gemeinschaften fordern die Rückgabe traditionellen Siedlungs- bzw. Stammesgebietes. Das Mitte der 1990er Jahre begonnene Rückgabeprogramm kritisieren sie und ihre Unterstützer als viel zu langsam. Führende Politiker haben nach 1990 wiederholt historische Versäumnisse gegenüber den Indigenen eingestanden. Die Regierung Bachelet arbeitet an einer Reform, die unter anderem die Gründung eines Ministeriums und eines Nationalen Rats für Indigene vorsieht. Die Regierungen der vergangenen Jahre waren außerdem bestrebt, den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsrückstand der Region um Temuco (Südchile), einer der ärmsten Regionen Chiles, zu überwinden. Dennoch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen von indigenen Gruppen mit Land- und Forstwirten und holzverarbeitenden Unternehmen um Land- und Wasserrechte, die mitunter mit

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 21 Landbesetzungen und der Androhung oder Ausübung von Gewalt verbunden sind (AA 3.2016). Seit Jahren besteht ein teilweise gewalttätiger Konflikt zwischen der Regierung und den Mapuche im Süden des Landes, bei dem es neben den kulturellen Minderheitenrechten u.a. auch um die Landfrage sowie um die nach Einschätzung der Mapuche (und vieler Menschenrechtsorganisationen) übermäßig harte Bestrafung des Mapuche-Widerstandes geht. Konflikte gibt es etwa in der Bio-Bio-Region wegen des Baus von Staudämmen und Wasserkraftanlagen oder wegen Fragen der Waldnutzung (GIZ 9.2016b). Der Polizei wurden 2015 erneut exzessive Gewaltanwendung und willkürliche Festnahmen bei Einsätzen gegen Gemeinschaften der indigenen Mapuche vorgeworfen. Im Juli forderte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Chile nachdrücklich auf, die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen verfassungsrechtlich zu garantieren und bei Entscheidungen, die sich unmittelbar auf die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen auswirkten, ihr Recht auf freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilte vorherige Zustimmung zu gewährleisten. Im Oktober 2015 ordnete die Interamerikanische Menschenrechtskommission Schutzmaßnahmen für die in der südchilenischen Gemeinde Juan Paillalef lebende Mapuche-Sprecherin Juana Calfunao und einige ihrer Familienmitglieder an. Die Entscheidung erging nach Berichten über exzessiven Gewalteinsatz der Sicherheitskräfte, Einschüchterungen und Drohungen gegen die Familie in Verbindung mit Landstreitigkeiten in den Jahren 2014 und 2015 (AI 24.2.2016). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (3.2016b): Chile, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_79CDA33FEC7CBD784C24D1170895A112/DE/ Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Chile/Innenpolitik_node.html, Zugriff 7.9.2016 - AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Chile, http://www.ecoi.net/local_link/319757/466750_de.html, Zugriff 13.9.2016 - GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016b): Chile - Gesellschaft, https://www.liportal.de/chile/gesellschaft/#c9939, Zugriff 14.9.2016 12.Relevante Bevölkerungsgruppen - Frauen/Kinder Frauen sind im öffentlichen wie auch im beruflichen Leben in Chile benachteiligt. 27% der Führungspositionen in der Wirtschaft sind mit Frauen besetzt. In den gleichen Wirtschaftssparten verdienen Frauen 26,8% weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen. Chile war der letzte südamerikanische Staat, der die Ehescheidung legalisierte. Über Jahre hinweg scheiterten alle Gesetzesinitiativen am erbitterten Widerstand der katholischen Kirche und der konservativen Parteien. Dennoch war die Auflösung von Ehen schon vorher

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 21 gängige Praxis: Die Scheidung a la chilena bestand aus einer Auflösung der Ehe aufgrund von Formfehlern. Dies ging meist zu Lasten der Frauen, da diese oft nicht abgesichert waren und die Unterhaltsansprüche für Kinder nicht klar geregelt wurden. Seit der Verabschiedung des Scheidungsgesetzes im Jahr 2004 wurden bis zum Mai 2010 über 100.000 Ehen geschieden (GIZ 9.2016b). Schwangerschaftsabbrüche blieben weiterhin unter allen Umständen strafbar. Ende 2015 hatte das Parlament noch nicht über einen Gesetzentwurf entschieden, der vorsah, Schwangerschaftsabbrüche in Fällen von Vergewaltigung, Inzest, bei Gefahr für das Leben der Frau und bei schwerer fötaler Missbildung straffrei zu stellen. Im Juli 2015 drängte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Chile, die Verabschiedung eines Gesetzes zu beschleunigen, das Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen erlaubt (AI 24.2.2016). Von den 120 Sitzen in der Abgeordnetenkammer des Parlaments werden 19 von Frauen gehalten, sowie sechs von 38 Senatssitzen. Im Kabinett sind von 21 Mitgliedern acht Frauen. Vergewaltigung -auch in der Ehe- ist verboten und wird mit fünf bis 15 Jahren Haft bestraft. Das Gesetz wird generell umgesetzt. Die Privatsphäre des Opfers ist gesetzlich geschützt. Häusliche Gewalt - physische wie psychische - ist verboten, trotzdem ist sie ein ernstes Problem im Land. Laut - seit 8. März 2015 existierendem - Frauenministerium ist eine von drei Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Es gibt das Mittel der Wegweisung des Täters aus der gemeinsamen Wohnung, einstweilige Verfügungen, richterlich angeordnete Beratung usw. Fälle in denen es um gewohnheitsmäßige häusliche Gewalt oder um physische Verletzungen geht, werden von der Strafgerichtsbarkeit geregelt. Je nach Schwere können die Urteile 61 bis 540 Tage Haft umfassen. Die Gesetze werden generell umgesetzt. Aber auch hier sehen Experten die Dunkelziffer weit höher als die tatsächlich angezeigten Fälle. Das Frauenministerium und der National Women’s Service (SERNAM) betreibt landesweit Frauenzentren und Frauenhäuser sowie eine 24-Stunden-Hotline und arbeitet mit NGOs zusammen um Behördenvertreter zum Thema häusliche Gewalt zu schulen. Justizministerium und Kriminalpolizei betreiben mehrere Büros zur Beratung und Unterstützung in Vergewaltigungsfällen. Im Laufe des Jahres verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das den Verkauf der Notfallverhütung ohne Rezept ermöglicht. Frauen sind, obwohl Männern im Wesentlichen rechtlich gleichgestellt, weiterhin Diskriminierung bei Arbeit, Bezahlung, Geschäftstätigkeit, Kreditaufnahme und Wohnung ausgesetzt. Im Eherecht sind Ehemänner rechtlich oft bessergestellt als ihre Frauen (USDOS 13.4.2016). Gewalt gegen Kinder ist weiterhin ein ernstes Problem. Der National Children’s Service (SENAME) berichtete von 10.000 Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern unter 18
