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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
- UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 6.12.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 6.12.2023 5. Sicherheitsbehörden Eritrea ist dank des Nationaldienstes [siehe Kapitel 9. Wehrdienst und Rekrutierungen, Anm.] eine stark militarisierte Gesellschaft (CIA 28.11.2023). Das Militär, die Polizei und die Sicherheitsdienste kontrollieren das gesellschaftspolitische Leben fast vollständig, und verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 3.1.2022). Asmara wendet ca. 10 % seines BIPs für die Streitkräfte Eritreas (Eritrean Defence Forces - EDF) auf. Die Hauptaufgaben der EDF sind die Außenverteidigung, die Grenzsicherung und der Schutz des Regimes als Garant für den nationalen Zusammenhalt. Die Armee, eine große, wehrpflichtige Truppe mit schätzungsweise 150.000 bis 200.000 Soldaten (10 Infanteriedivisionen, eine Division Spezialeinheiten), ist die dominierende Teilstreitkraft. Die Luftwaffe verfügt über eine kleine Anzahl von Kampfflugzeugen und Hubschraubern sowjetischer Bauart - das EDF-Inventar besteht per se vorrangig aus älteren russischen bzw. sowjetischen Systemen - während die Marine nur wenige Küstenpatrouillenschiffe unterhält (CIA 28.11.2023). Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig, aber die Regierung nutzt manchmal auch die EDF, Reservisten, demobilisierte Soldaten oder zivile Milizen, um den Bedarf an innerer und äußerer Sicherheit zu decken. Agenten des Sicherheitsdienstes, eine eigenständige Behörde, die direkt dem Präsidialamt unterstellt ist, sind für Festnahmen von Personen zuständig, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die EDF sind grundsätzlich befugt, Zivilisten festzunehmen und einzusperren (USDOS 20.3.2023; vgl. CIA 28.11.2023). In der Regel werden die Sicherheitskräfte von den Zivilbehörden wirksam kontrolliert, ihre Mitarbeiter begehen Berichten zufolge jedoch zahlreiche Übergriffe (USDOS 20.3.2023). Während des Tigray-Konflikts (2020 bis 2022), in dem Eritrea aufseiten Addis Abebas intervenierte, wurden die EDF beschuldigt, schwere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, darunter Hinrichtungen, Vergewaltigungen und Folter von Zivilisten in Äthiopien (CIA 28.11.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 48

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 7.12.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (28.11.2023): The World Factbook: Eritrea, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/, Zugriff 7.12.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 7.12.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 7.12.2023 6. Folter und unmenschliche Behandlung Eritrea hat die UN-Antifolterkonvention ratifiziert (AA 3.1.2022), und das Gesetz verbietet Folter. Nichtsdestotrotz wird Berichten zufolge weiterhin gefoltert (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022), besonders politische Häftlinge (USDOS 20.3.2023) während ihrer Befragung (AA 3.1.2022), aber auch anderweitig: laut UN-Ermittlern wird physische wie psychologische Folter sowohl in zivilen als auch in militärischen Haftanstalten regelmäßig und systematisch angewendet, sodass es auch zu Todesfällen aufgrund von Folter kommt (FH 2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Diese Angaben wurden von entlassenen Insassen verifiziert (AA 3.1.2022). Es ist jedoch wegen fehlender Transparenz wie Information nicht möglich, Anzahl oder Umstände der Todesfälle infolge von Folter bzw. anderen Misshandlungen zu ermitteln (USDOS 20.3.2023). Auch Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, einschließlich Folter, ausgesetzt (HRW 12.1.2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Eritreer, die „nicht anerkannten“ Religionen [siehe Kapitel 15. Religionsfreiheit, Anm.] angehören, werden zudem gefoltert, um sie zur Aufgabe ihrer Religion zu zwingen (HRW 12.1.2023). Abgeschobene sind dem Risiko von Verfolgung sowie Menschenrechtsverletzungen in Eritrea ausgesetzt, einschließlich willkürlicher Inhaftierung, Folter, Zwangsarbeit sowie Zwangsrekrutierung [siehe Kapitel 22. Rückkehr, Anm.] (UNHRC 9.5.2023; vgl. HRW 12.1.2023, UNHCHR 13.4.2022). Gemäß einem Bericht des SRF (Schweizer Radio und Fernsehen) wurde im Mai 2022 zum ersten Mal bewiesen, dass ein eritreischer Rückkehrer, der sich oppositionell betätigt hatte, bei der Ankunft gefoltert und im Anschluss daran inhaftiert wurde (SRF 4.5.2022). Straflosigkeit für ausführende Sicherheitskräfte ist die Norm (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Folterer bestraft worden sind (AA 3.1.2022). Die Regierung veröffentlicht keine Hinweise auf Ermittlungen zu mutmaßlichen Gewalttaten (USDOS 20.3.2023) bzw. ermittelt häufig gar nicht (FH 2023), weshalb eine Quantifizierung des Ausmaßes der Folter in den verschiedenen Abteilungen der Sicherheitsdienste schwer zu erstellen ist (USDOS 20.3.2023). Die EDF sind u.a. für Folterungen von äthiopischen Zivilisten im Zuge ihrer Intervention im Tigray- Konflikt verantwortlich (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 48

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 7.12.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 7.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 7.12.2023 - SRF - Schweizer Radio und Fernsehen (4.5.2022): Erstmals erwiesen: Eritrea-Rückkehrer wurde gefoltert, https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittene-asylpraxis-erstmals-erwiesen- eritrea-rueckkehrer-wurde-gefoltert, Zugriff 7.12.2023 - UNHCHR - United Nations High Commissioner for Human Rights (13.4.2022): Egypt: UN experts condemn expulsions of Eritrean asylum seekers despite risks of torture, arbitrary detention and enfored disappearance, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2022/04/egypt- un-experts-condemn-expulsions-eritrean-asylum-seekers-despite-risks, Zugriff 7.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 7.12.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 7.12.2023 7. Korruption Gemäß dem jährlichen Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International (TI) belegt Eritrea 2022 den 162. Platz von 180 untersuchten Ländern, gleichbedeutend mit weitverbreiteter Korruption (TI 2023). Kleinere Bestechungen und Einflussnahme gelten als endemisch, während Korruption größeren Ausmaßes ein Problem unter einigen Parteifunktionären und Militärs ist (FH 2023). Ferner sind die meisten staatlichen Einrichtungen von Korruption betroffen (BS 23.2.2022). Da die Regierung die Devisen kontrolliert, ist sie alleiniger Herr über alle Einfuhren. Diejenigen, die in der Gunst des Regimes stehen, profitieren vom Schmuggel und Verkauf knapper Güter wie z.B. Lebensmittel, Baumaterialien oder Alkohol. Außerdem haben hochrangige Militärs angeblich davon profitiert, Eritreer aus dem Land zu schmuggeln (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Berichten zufolge lassen sich lokale Parteifunktionäre, die kein Direktgehalt beziehen, auf geringfügige Bestechung ein, um diejenigen Formalitäten zu erledigen, welche eine Einhaltung „nationaler Verpflichtungen“ wie Nationaldienst, Milizdienst und „freiwillige“ Zuwendungen zu nationalen Entwicklungsprojekten belegen (USDOS 20.3.2023). Korruption ist auch im Justizsystem weit verbreitet (SFH 16.2.2023; vgl. BS 23.2.2022). Personen, die Dienstleistungen der Exekutive oder der Justiz in Anspruch nehmen wollten, berichteten, dass sie erst nach Zahlung eines «Geschenks» oder Bestechungsgeldes einfache Leistungen erhielten. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 48

Klientelismus, Vetternwirtschaft und Korruption innerhalb der Exekutive basieren weitgehend auf familiären Beziehungen und dienen dazu, den Zugang zu Sozialleistungen zu erleichtern (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Auch Korruption bei der Polizei ist verbreitet. Die Polizei nutzt gelegentlich ihren Einfluss, um die Freilassung von Freunden und Familienangehörigen aus dem Gefängnis zu erleichtern. Anderseits nutzen Privatpersonen ihren Einfluss auf die Polizei, um Personen, mit denen sie persönliche Streitigkeiten haben, zu belästigen oder sogar verhaften zu lassen (SFH 16.2.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzt diese Rechtsvorschrift nicht wirksam um (USDOS 20.3.2023). Amtsmissbrauch und Beamte, die sich an Korruption beteiligen, werden in der Praxis aber weder strafrechtlich verfolgt noch zur Rechenschaft gezogen, u.a., weil das offizielle Regierungsziel, die Korruption einzudämmen, nach Angaben der BS de facto aufgegeben wurde (BS 23.2.2022). Handlungen wie die Beschlagnahme von Eigentum durch Militär- oder Sicherheitsbeamte oder durch regierungsfreundliche Personen, werden prinzipiell nicht verfolgt (USDOS 20.3.2023). Es gibt keine unabhängigen Stellen oder Mechanismen, um Korruption zu verhindern oder zu bestrafen (FH 2023). Die neben der ordentlichen zivilen Gerichtsbarkeit existierenden Militär- und Sondergerichte sind für Korruptionsdelikte zuständig (AA 3.1.2022). Diese Antikorruptionsgerichte existieren zwar nominell, sind allerdings meist inaktiv (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Auch herrscht keine Klarheit über deren Struktur oder Arbeitsweise (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 21.11.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 21.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 21.11.2023 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (16.2.2023): Eritrea: Situation von Schulabbrecher*innen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091277/230216_ERI_School_Dropouts.pdf, Zugriff 21.11.2023 - TI - Transparency International (2023): Corruption Perceptions Index 2022, https://images.transparencycdn.org/images/Report_CPI2022_English.pdf, Zugriff 21.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 21.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 48

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Zivilgesellschaftliche Organisationen wie NGOs, Gewerkschaften oder Interessengruppen jeglicher Art sind in Eritrea verboten. Versuche, unabhängig von der Regierung arbeitende Organisationen zu gründen, werden seit Existenzbeginn des Staates unterdrückt (BS 23.2.2022). Infolge dieser Repressionspolitik können Menschenrechtsorganisationen im Land nicht operieren, und es gibt daher auch keine nationalen Menschenrechtsorganisationen (AA 3.1.2023) bzw. unabhängigen NGOs in Eritrea (FH 2023). Die Gründung einer NGO ist faktisch verboten, mit Ausnahme solcher mit offizieller Schirmherrschaft. Es ist lokalen Menschenrechtsorganisationen für gewöhnlich nicht erlaubt, Finanzmittel und andere Ressourcen von internationalen Organisationen zu erhalten oder sich mit ihnen zusammenzuschließen (USDOS 20.3.2023). Externen Menschenrechtsorganisationen verweigert die Regierung weiter die Einreise (FH 2023) und ausländische NGOs sind einer rigiden Gesetzgebung unterworfen (AA 3.1.2022). Das Gesetz verpflichtet alle NGOs, ein beschwerliches, willkürliches Registrierungsverfahren einmal pro Jahr über sich ergehen zu lassen (FH 2023), und beschränkt ihre Tätigkeiten auf die Bereitstellung humanitärer Hilfsprogramme (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022) sowie die Repatriierung bzw. Betreuung von Flüchtlingen (A 3.1.2022). In Eritrea tätig sind nur die Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC), die irische NGO Vita sowie einige deutsche medizinische Hilfsorganisationen wie etwa Archemed. Sie achten jedoch auf ein gutes Verhältnis zur Regierung, bewahren ein niedriges Erscheinungsbild („low profile“) und haben keine Büros. Andere internationale Hilfsorganisationen wie das UNDP, die FAO, das IKRK, die IOM, das UNICEF oder der UNHCR sind nur im Rahmen der obigen engen, von der Regierung gesetzten Grenzen aktiv (AA 3.1.2022). Asmara weigert sich noch immer, mit den zentralen Mechanismen zum Menschenrechtsschutz der UN wie der AU zu kooperieren, indem z.B. dem UN-Sonderberichterstatter der Zugang verweigert wird (HRW 12.1.2023). Zudem hat die Mitgliedschaft Eritreas im UN-Menschenrechtsrat [2019 bis 2021, Anm. vgl. GCR2P 31.8.2023] weder zu einer besseren Einhaltung internationaler Standards durch die Behörden noch zur Umsetzung der wichtigsten Empfehlungen aus den Ratsverfahren geführt (HRW 13.6.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 21.11.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 21.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 48

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 21.11.2023 - GCR2P - Global Centre for the Responsibility to Protect (31.8.2023): Eritrea, https://www.globalr2p.org/countries/eritrea/, Zugriff 21.11.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 21.11.2023 - HRW - Human Rights Watch (13.6.2022): Statement to the Human Rights Council on Eritrea, https://www.hrw.org/news/2022/06/13/statement-human-rights-council-eritrea, Zugriff 21.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 21.11.2023 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Die eritreische Gesellschaft wird vom Militär stark dominiert, und die meisten Bürger müssen einen unbefristeten Militär- oder anderweitigen Nationaldienst leisten (FH 2023; vgl. CIA 6.12.2023). Alle Eritreer im Alter von 18 bis 40 Jahren sind ex lege verpflichtet, den 18-monatigen Nationaldienst, hiervon vier bis sechs Monate militärische Ausbildung sowie zwölf Monate Militär- oder Zivildienst, abzuleisten (CIA 6.12.2023). Das gilt für taugliche Männer wie Frauen in gleicher Weise (FH 2023), weshalb der Frauenanteil des eritreischen Militärs Stand 2020 auf bis zu 30 % geschätzt wird (CIA 6.12.2023). Für Frauen dauert die Dienstpflicht bis zum 27., für Männer bis zum 50. Lebensjahr, laut einer anderen Quelle bis zum 47. bzw. 57. Lebensjahr (AA 3.1.2022). Eine Mobilisierung ist bis zum 55. Lebensjahr jederzeit möglich (CIA 6.12.2023) und seit 2012 soll es die sog. „Volksmiliz“ geben, eine Art weiterführender Militärdienst, bei dem die obere Altersgrenze wahrscheinlich bei 60 Jahren für Frauen und 70 für Männer liegt (HO 9.2021). Asmara verfolgt eine Politik des unbefristeten Nationaldienstes, der eine Art Zivildienst und einen obligatorischen Militärdienst umfasst (UNHRC 9.5.2023; vgl. HO 9.2021), d.h., dass die Dauer des Nationaldienstes in der Praxis unbefristet und dadurch stets auf unbestimmte Zeit verlängerbar ist (CIA 6.12.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023). Neben dem Militärdienst, der am häufigsten vorkommt (CIA 6.12.2023) und für den das Verteidigungsministerium zuständig ist, können Wehrpflichtige je nach Tauglichkeit auch in zivilen Bereichen eingesetzt und somit anderen Ministerien zugeteilt werden. Ein Teil von ihnen wird in einem der rund 30 Unternehmen eingesetzt, die der PFDJ oder der Armee gehören und in Branchen wie in z.B. der Landwirtschaft, Bauwesen, Verkehr, Tourismus oder Handel operieren (HO 9.2021; vgl. FH 2023). Ergo ist der Nationaldienst für das Regime nach wie vor eines der wichtigsten Instrumente zur sozialen bzw. wirtschaftlichen Kontrolle. Gemäß dem UN-Sonderberichterstatter ist er aber in seiner derzeitigen Form untrennbar mit Zwangsarbeit und sklavereiähnlichen Praktiken verbunden (SFH 25.8.2023; vgl. FH 2023). Hunderttausende Eritreer, vornehmlich Männer und unverheiratete Frauen, leisten jedes Jahr ihren Militär- und Zivildienst auf unbestimmte Zeit, für einen Hungerlohn und ohne freie Berufswahl (SFH .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 48

25.8.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Verweigerung aus Gewissensgründen wird nicht anerkannt, sondern bestraft. Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, u.a. Folter, ausgesetzt, ohne dass dagegen Beschwerde eingereicht werden kann (HRW 12.1.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Sexuelle Gewalt wird von hochrangigen Offizieren als Bestrafungsmethode gegen Wehrpflichtige genehmigt (GCR2P 31.8.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Im Allgemeinen fehlt eine Rechenschaftspflicht bzgl. der im Rahmen des Nationaldienstes begangenen Übergriffe völlig (SFH 25.8.2023). Die Wehrpflicht beginnt im Militärlager Sawa, in dem Schüler, manche erst 16 Jahre alt, das letzte Oberstufenjahr absolvieren und gleichzeitig eine militärische Ausbildung durchlaufen [siehe Kapitel 16.2. Kinder, Anm.] (HRW 12.1.2023; vgl. AA 3.1.2022). Die Entlassung aus dem Nationaldienst erfolgt willkürlich und die diesbezüglichen Modalitäten sind unklar (HRW 12.1.2023). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär- bzw. Nationaldienst entlassen. In erster Linie betrifft das aber das Militär selbst, keineswegs ausgeschlossen bleibt eine zivile Weiterarbeit (AA 3.1.2022). Stand 2020 wurde der Frauenanteil des eritreischen Militärs auf bis zu 30 % geschätzt (CIA 6.12.2023). Jedes Jahr fliehen Tausende junge Eritreer aus dem Land, um sich dem Nationaldienst zu entziehen. Der Konflikt in Tigray hat diese Situation noch verschärft, da eritreische Männer, Frauen und Kinder versuchen, nicht an die Front in Äthiopien eingezogen zu werden (SFH 25.8.2023). Seit der Beteiligung Eritreas am Tigray-Konflikt wird regelmäßig über Massenverhaftungen von Deserteuren berichtet, die sich dem Dienst entzogen haben sollen, um die Reihen der Armee aufzufüllen, wobei nach Angaben des UN-Sonderberichterstatters auch Kinder rekrutiert wurden. Im August und September 2022 nahmen die Razzien zu, als die Kämpfe in Äthiopien wieder aufflammten; auch die Familien von Wehrdienstverweigerern waren mit Repressalien konfrontiert, darunter willkürliche Verhaftungen und Zwangsräumungen ihrer Häuser. Im September berichteten die Medien, dass auch Reservisten, d. h. Männer unter 55 Jahren, die aus der Armee entlassen worden waren, aber noch Wachdienst leisten sollten, einberufen wurden. Die Familien erhalten keine offiziellen Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen, die zum Kampf geschickt wurden (HRW 12.1.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 11.12.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.12.2023): The World Factbook: Eritrea, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/, Zugriff 11.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 48

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 11.12.2023 - GCR2P - Global Centre for the Responsibility to Protect (31.8.2023): Eritrea, https://www.globalr2p.org/countries/eritrea/, Zugriff 11.12.2023 - HO - Home Office [Vereinigtes Königreich] (9.2021): Country Policy and Information Note. Eritrea: National service and illegal exit, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/614dec63d3bf7f7192d4bf0f/ ERI_CPIN_National_service_and_illegal_exit.pdf, Zugriff 11.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 11.12.2023 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.8.2023): “Der Nationaldienst in seiner jetzigen Form ist untrennbar mit Zwangsarbeit und der Sklaverei ähnlichen Praktiken verbunden”, https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/der-nationaldienst-in-seiner- jetzigen-form-ist-untrennbar-mit-zwangsarbeit-und-der-sklaverei-aehnlichen-praktiken-verbunden, Zugriff 11.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 11.12.2023 10. Allgemeine Menschenrechtslage In Eritrea kann es fallweise zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommen, und in den letzten Jahren hat sich das nicht signifikant geändert. In der 1997 angenommenen Verfassung, welche bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in Art. 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt. Sie werden von staatlichen Organen allerdings nicht respektiert (AA 3.1.2022) - es gibt in Eritrea überhaupt keinen Schutz der Bürgerrechte (BS 23.2.2022). Folgende UN-Menschenrechtskonventionen respektive Fakultativprotokolle hat Asmara jedoch ratifiziert: •Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte •Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte •Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung •Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau •Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau •Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe •Übereinkommen über die Rechte des Kindes •Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten •Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie •Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 3.1.2022) .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 48

Eritrea verweigert grundsätzlich jede Zusammenarbeit mit UN- oder AU-Mechanismen im Bereich der Menschenrechte (HRW 12.1.2023). Ein Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation in Eritrea wird seit 2012 vom UN-Menschenrechtsrat bestellt (AA 3.1.2022), wobei ihm eine Einreise von der eritreischen Regierung verwehrt wird (HRW 12.1.2023). Mohammed Abdelsalam Babiker übernahm das Amt im September 2020 (AA 3.1.2022). In seinem bis dato letzten Bericht an den UN-Menschenrechtsrat vom 9.5.2023 beschreibt er die Menschenrechtssituation in Eritrea mit Schwerpunkten auf der unbefristeten Wehrpflicht samt ihren Auswirkungen auf sozioökonomische sowie kulturelle Rechte, den Zustand der Rechtsstaatlichkeit und der Justizverwaltung, und Verletzungen der Bürgerrechte, einschließlich lang andauernder und willkürlicher Inhaftierungen wie gewaltsames Verschwindenlassen. Überdies hebt er die Situation indigener Afar-Gemeinschaften in Eritrea hervor, die nach wie vor Diskriminierung, Verfolgung und Eingriffen in ihre traditionellen Lebensgrundlagen ausgesetzt sind (UNHRC 9.5.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 22.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 22.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 22.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 22.12.2023 11. Meinungs- und Pressefreiheit Meinungs- und Pressefreiheit sind in Eritrea noch immer nicht existent (UNHRC 9.5.2023; vgl. AA 3.1.2022; BS 23.2.2022) bzw. erheblich eingeschränkt (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Die Regierung begrenzt mittels Einschüchterungen durch die Sicherheitsorgane alle Möglichkeiten, sie öffentlich oder privat zu kritisieren (USDOS 20.3.2023). Freie Meinungsäußerungen und private Diskussionen werden durch die Angst vor Regierungsinformanten und die Wahrscheinlichkeit, bei jeder Äußerung einer abweichenden Meinung willkürlich verhaftet zu werden, stark beeinträchtigt (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022), vor allem da die Überwachung permanent wie omnipräsent ist (RSF 2023a). Zwar gewährleistet die Verfassung von 1997 die Meinungs- sowie Pressefreiheit pro forma (RSF 2023a; vgl. USDOS 20.3.2023), aber sie ist immer noch nicht in Kraft getreten (AA 3.1.2022). Eine freie Presse existiert im Land nicht (AA 3.1.2022). Reporter ohne Grenzen (RSF) beschreibt die Regimekontrolle über Nachrichten und Informationen als total bzw. totalitär (RSF 2023a). In der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 48

von RSF herausgegebenen Rangliste der Pressefreiheit nimmt Eritrea den 174. von 180 Plätzen ein, im Vorjahr belegte es noch den vorletzten (RSF 2023b) und im Jahr 2021 gar den letzten Platz (AA 3.1.2022). Journalismus ist daher de facto verboten (RSF 2023a). Journalisten müssen ex lege approbiert sein. Das Gesetz schränkt Veröffentlichungen durch alle, die keine Genehmigung haben, ein, und die Verbreitung illegaler ausländischer Publikationen steht unter Strafe. Die meisten unabhängigen Journalisten sitzen jedoch in Haft oder leben im Ausland (USDOS 20.3.2023). In den Gefängnissen befinden sich Stand 1.12.2022 16 Journalisten (CPJ 1.12.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023), welche, falls sie noch leben, seit mehr als 20 Jahren unter zum Teil „haarsträubenden“ Bedingungen, so die RSF, in Isolationshaft eingesperrt sind (RSF 2023a; vgl. RSF 27.7.2023). Sie sind bekannt als die „am längsten inhaftierten Journalisten der Welt“ (USDOS 20.3.2023; vgl. RSF 27.7.2023, UNHCR 9.5.2023). Aus Angst vor Repressalien übt die Mehrheit der Journalisten im Land Selbstzensur. Auch um Fotos zu schießen, braucht es eine Genehmigung seitens der Behörden (USDOS 20.3.2023). Im September 2001 hat die Regierung die damals im Entstehen begriffene private Presse aufgrund angeblicher Verstöße gegen das Pressegesetz verboten (AA 3.1.2022; vgl. FH 2023, RSF 2023a). Seither werden unabhängige Medien nicht mehr zugelassen, egal, ob ausländische oder nationale (RSF 2023a; vgl. UNHRC 9.5.2023). Überdies verbietet das Gesetz private Rundfunkanstalten und ausländisches Eigentum an Medien im Allgemeinen. Alle in Eritrea veröffentlichten Medien werden von der Regierung kontrolliert, darunter eine in vier Sprachen erscheinende Zeitung, drei Radio- und zwei Fernsehsender (USDOS 20.3.2023), von denen Eri TV der Bekanntere ist (RSF 2023a). Diese staatlichen Medien unterstehen direkt dem Informationsministerium (UNHRC 9.5.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Sie unterliegen einer strengen Aufsicht und müssen Propaganda für das Regime verbreiten (RSF 2023a), insbesondere über den angeblichen Fortschritt von Projekten und über Personen, die Unterstützung vom Staat erhalten (BS 23.2.2022). Mehrere Sender versorgen die Eritreer mit Informationen aus dem Ausland, darunter die BBC, das in Paris ansässige Radio Erena sowie der Satellitensender Asena TV (FH 2023), wobei das Signal von Radio Erena, ein unabhängiger und von Exiljournalisten betriebener Hörfunksender, in Eritrea häufig schwer verzerrt ist (RSF 2023a). Obwohl internationale Medien im Land nicht operieren dürfen (UNHCR 9.5.2023), wurde in den Jahren vor der COVID-19-Pandemie mehrmals externen Journalisten - von der BBC, der ARD, dem ZDF, etc. - eine Einreise gestattet. Gleichzeitig gibt es keine Einschränkung des Satellitenempfangs, also internationaler Nachrichten, und keine Hinweise auf Sperrung ausländischer Webseiten für eritreische Internetnutzer (AA 3.1.2022). Es ist zudem möglich, die Internetseiten der Auslandsopposition ungehindert aufzurufen wie deren Exilsender zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 48
