guin-lib-2023-09-29-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Nach Angaben von Freedom House unterliegt das Justizsystem weiterhin der politischen Einflussnahme und Korruption (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die unterfinanzierte und personell unterbesetzte Nationale Antikorruptionsbehörde des Landes wurde durch die Instabilität, die mit dem Staatsstreich einherging, weiter geschwächt. Junta-Chef und Übergangspräsident Doumbouya kündigte im Dezember 2021 die Einrichtung eines Sondergerichts zur Korruptionsbekämpfung (CRIEF) an. Ende 2022 war es immer noch schwierig, die Wirksamkeit des Gerichts zu beurteilen oder die wahren Motive für seine Gründung zu ermitteln. Es hat den ehemaligen Premierminister und mehrere ehemalige Minister aus der Condé- Ära vorgeladen und wegen Veruntreuung verhaftet, sich aber geweigert, korrupte Aktivitäten innerhalb der Streitkräfte und im Bergbausektor zu untersuchen. Im Oktober ordnete das Gericht die Verhaftung von Cellou Baldé an, einem Anhänger der Junta und Führer der Union der Demokratischen Kräfte (FH 2023). Kurz nach dem Sturz Condés ordnete Junta-Chef Doumbouya die Rückgabe von Autos und Besitztümern der Richter an, die Condes dritte Amtszeit gebilligt hatten (FH 2023). Guinea belegte auf dem Korruptionsindex von Transparency International im Jahr 2022 Platz 147 von 180 (TI 2022). Quellen: - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World – Guinea, https://freedomhouse.org/country/guinea/freedom-world/2023, Zugriff 31.8.2023 -TI - Transparency International (2022): Corruption Perceptions Index 2022, https://www.transparency.org/en/countries/guinea, Zugriff 12.9.2023 - USDOS - US Department of State (USA) (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089137.html, Zugriff 31.8.2023 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Einige inländische und internationale Menschenrechtsgruppen beobachten und verbreiten Informationen über Menschenrechtsverletzungen und können im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen arbeiten. Regierungsbeamte waren selten kooperativ oder gingen auf ihre Ansichten ein (USDOS 20.3.2023). Die Zivilgesellschaft ist schwach und unterliegt regelmäßigen Einmischungen und Einschüchterungen. Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Aktivisten wurden bedroht, schikaniert und inhaftiert (FH 2023). NGOs müssen ihre Genehmigung bei der Regierung alle drei Jahre erneuern (USDOS 20.3.2023). NGOS in Guinea leiden auch unter dem schlechten Zugang zu Finanzmitteln, dem Kampf um Führungspositionen, der Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums und es bestehen Sicherheitsbedenken (FH 2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 41

Seit dem Staatsstreich im September 2021 beziehen Beamte des CNRD Menschenrechtsgruppen mit in den nationalen Dialog ein (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Es heißt, dass viele dieser Organisationen in der CNT Präsident Doumbouya unterstützen (FH 2023). Quellen: - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World – Guinea, https://freedomhouse.org/country/guinea/freedom-world/2023, Zugriff 31.8.2023 - USDOS - US Department of State (USA) (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089137.html, Zugriff 31.8.2023 10. Wehrdienst und Rekrutierungen Es gibt keine Wehrpflicht, bzw. gibt es einen freiwilligen und selektiven Wehrdienst (9-24 Monate) (2022) (CIA 6.9.2023). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency (USA) (6.9.2023): The World Fact Book - Guinea, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/guinea/, Zugriff 7.9.2023 11. Allgemeine Menschenrechtslage Die Menschenrechte sind zwar gesetzlich garantiert, werden aber von der Justiz nicht ausreichend geschützt (AA 15.12.2022). Im Ministerium für Justiz und Menschenrechte gibt es eine Direktion für Menschenrechte und Grundfreiheiten, die für die Umsetzung der Regierungspolitik zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte zuständig ist (USDOS 20.3.2023) Anm.: weitere diesbezügliche Infos finden sich in den entsprechenden Kapiteln. Nach anfänglichen positiven menschenrechtlichen Entwicklungen unter der Übergangsregierung, zum Beispiel der Freilassung politischer Gefangener, ist Amnesty International aktuell besorgt über Menschenrechtsverletzungen, insbesondere über das geltende Demonstrationsverbot (AI 17.8.2023). Am 28.9.2009 hatten sich Zehntausende Menschen im Stadion von Conakry versammelt, um die Stärke der Opposition zu demonstrieren und den Machthaber Moussa "Dadis" Camara von seiner Kandidatur für das Präsidentenamt im Jänner 2010 abzuhalten. Darauf eröffneten Soldaten, Polizisten und Milizionäre das Feuer auf friedliche Demonstranten. Binnen zwei Stunden töteten sie mindestens 157 Menschen. Tausende weitere wurden laut dem Bericht einer internationalen Untersuchungskommission verletzt, mindestens 109 Frauen vergewaltigt. Die tatsächlichen Zahlen dürften jedoch höher sein. Zu den mutmaßlichen Drahtziehern des Massakers gehören der ehemalige Juntaführer Camara und drei seiner einst mächtigen Militärs, Moussa Tiegboro Camara, Claude Pivi und Cherif Diaby (DW 28.9.2022). Gegen die Drahtzieher des Massakers wurde, nach anfänglichen Verzögerungen, ein Verfahren eingeleitet, womit zum ersten Mal in Guinea seit der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 41

Unabhängigkeit im Jahr 1958, hochrangige Politiker und Militärs von einem Gericht wegen Mord, Totschlag, Vergewaltigung und sexueller Gewalt, Folter und Gewalt, Freiheitsberaubung und Plünderung, die an der Zivilbevölkerung begangen wurden, angeklagt werden (Le Journal 2 l’Afrique 6.10.2022). Genau 13 Jahre nach den Ereignissen begann in Conakry der Prozess gegen ehemalige Militär- und Regierungsbeamte der damaligen Junta, dem Nationalen Rat für Demokratie und Entwicklung (CNDD). Insgesamt wurden 13 Personen angeklagt und zur Verhandlung an die guineische Strafjustiz verwiesen. Derzeit stehen nur 12 vor Gericht, da General Mamadouba Toto Camara, die Nummer 2 des CNDD, im Jahr 2021 verstorben ist. Zu ihnen gehören unter anderem Hauptmann Moussa Dadis Camara, der Anführer des CNDD, sowie sein Adjutant und Chef der Präsidentengarde, Leutnant Aboubakar Sidiki Diakité (genannt Toumba). Die Verfahrensakte wurde vom Obersten Gerichtshof an ein eigens eingerichtetes Strafgericht weitergeleitet; verfügbare Richter wurden ernannt; Anwälte sind anwesend, um den Opfern beizustehen und die Angeklagten zu verteidigen; die zwölf Angeklagten erscheinen persönlich; ein neuer und geräumiger Saal wurde speziell für die Durchführung des Prozesses gewidmet; das Urteil ist öffentlich und die Presse ist anwesend. Die Bedingungen scheinen also zumindest dem Anschein nach für die Durchführung eines echten "historischen" Prozesses gegeben zu sein (Le Journal 2 l’Afrique 6.10.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (15.12.2022): Guinea: Politisches Porträt, https://conakry.diplo.de/gn-de/themen/laenderinfos/innenpolitik, Zugriff 30.8.2023 - AI - Amnesty International (17.8.2023): Guinea, https://amnesty-westafrika.de/guinea/, Zugriff 12.9.2023 - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Guinea 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094490.html, Zugriff 5.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Juli bis Dezember 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-guinea.pdf ? , Zugriff 5.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.7.2022): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Januar bis Juni 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2022-guinea.pdf?, Zugriff 5.9.2023 -DW - Deutsche Welle (28.9.2022): Massaker von Conakry - Prozessauftakt nach 13 Jahren, https://www.dw.com/de/massaker-von-conakry-prozessauftakt-nach-13-jahren/a-63270391, Zugriff 6.9.2023 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066496.html, Zugriff 6.9.2023 - Le Journal 2 l’Afrique (6.10.2022): En Guinée, l’historique procès du massacre du 28 septembre 2009, https://lejournaldelafrique.com/en-guinee-lhistorique-proces-du-massacre-du- 28-septembre-2009/?q=%2Fde%2Fin-guinea-der-historische-prozess-des-massakers-vom-28.- september-2009%2F, Zugriff 12.9.2023 - USDOS - US Department of State (USA) (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089137.html, Zugriff 31.8.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 41

12. Meinungs- und Pressefreiheit Die Übergangscharta der Junta verpflichtet zu Freiheit und Unabhängigkeit der Medien (FH 2023), sie sieht das Recht auf freie Meinungsäußerung vor, doch diese Rechte werden nicht immer respektiert (USDOS 20.3.2023) und in der Praxis bleibt die Medienfreiheit eingeschränkt (FH 2023). Unmittelbar nach dem Putsch löste Oberst Mamadi Doumbouya die Hohe Behörde für Kommunikation (HAC) auf, jedoch ermächtigte der CNRD die HAC im September 2021 zur Fortsetzung ihrer Regulierungstätigkeit. Im Mai 2022 legte die HAC mit Unterstützung des UN- Entwicklungsprogramms und der NGO Search for Common Ground einen Verhaltenskodex (Code of Good Conduct) für Medienhäuser und Journalisten vor. Ferner gab das HAC bei mehreren Gelegenheiten Pressemitteilungen heraus, um die Medien vor möglichen Sanktionen im Falle eines Gesetzesverstoßes im Zusammenhang mit der Verbreitung falscher Informationen zu warnen, die den sozialen Zusammenhalt, den Frieden und die Gerechtigkeit untergraben oder öffentliche oder private Persönlichkeiten verleumden (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2022 waren mehrere kritische Journalisten Berichten zufolge willkürlichen Verhaftungen, Einschüchterungen, Verhören und Zensur durch die Sicherheitskräfte, bzw. Übergangsbehörde des CNRD ausgesetzt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Der CNRD hat sich oft an die nationale Kommunikationsbehörde (HAC) gewandt, um Medien zu sperren, die kritisch berichten. Darüber hinaus haben einzelne Einheiten des Militärs die Büros von Zeitungen und Radiosendern aufgesucht, die kritisch berichteten, und Journalisten eingeschüchtert. Der Junta ist es außerdem gelungen, die Medienberichterstattung zugunsten der Übergangsbehörden zu beeinflussen, indem sie selektiv finanzielle Unterstützung angeboten hat. Unabhängig davon gab es 2022 Berichte, dass Journalisten, die über Demonstrationen gegen die Junta berichteten, von mit Steinen und Messern bewaffneten Demonstranten angegriffen wurden. Des weiteren bleiben frühere Gesetze, die eine strafrechtliche Verleumdung und eine strafrechtliche Verfolgung im Rahmen umfassender Cybersicherheitsmaßnahmen zulassen, in Kraft (FH 2023). Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen wurden seit dem 28.7.2022 sieben Journalisten von Teilen der Polizei und Demonstranten gestört oder angegriffen (USDOS 20.3.2023). Gemäß USDOS zensierte die Regierung 2022 keine Online-Inhalte, und es gab keine glaubwürdigen Berichte über die Überwachung privater Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse. Der CNRD überwachte jedoch Plattformen sozialer Medien und nutzte das Gesetz, um Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft zu bestrafen, wenn sie regierungskritische Informationen veröffentlichten oder weitergaben (USDOS 20.3.2022). Am 23.5.2023 kamen Presseorganisationen, die private und öffentliche Fernseh- und Radiosender, Zeitungen und Nachrichtenseiten vertreten, zusammen, um einen „Tag ohne Presse“ einzuhalten. Laut RSF sollte mit dieser Aktion gegen die seit dem 13.5.2023 zunehmende Abschaltung sozialer .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 41

Netzwerke, die Beschränkung des Zugangs zu Online-Medien, die Störung des Funkverkehrs und sogar die Beschlagnahmung von Geräten und die Einschüchterung von Journalisten durch die Staatsmacht protestiert werden (RSF 24.5.2023). Guinea nimmt unter 180 Ländern den 85. Platz im Weltranking der Pressefreiheit ein, das von der RSF im Jahr 2023 erstellt wird (RSF 24.5.2023). Medienverbände beklagten am 18.5.2023 Internetabschaltungen bzw. erschwerten Zugang zu Informationsseiten und eine Razzia in den Räumen der Nachrichtenseite Afric Vision am Vortag. Die Verbände warfen der herrschenden Junta und der zuständigen Regulierungsbehörde Autorité de régulation des postes et télécommunications (ARPT) vor, Zensur auszuüben (BAMF 30.6.2023). Quellen: -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (30.6.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Januar bis Juni 2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2023-guinea.pdf? - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World – Guinea, https://freedomhouse.org/country/guinea/freedom-world/2023, Zugriff 31.8.2023 - RSF - Reporters Sans Frontières (24.5.2023): Guinée: la junte attaque de manière inédite la liberté de la presse, https://rsf.org/fr/guin%C3%A9e-la-junte-attaque-de-mani%C3%A8re-in %C3%A9dite-la-libert%C3%A9-de-la-presse, Zugriff 7.9.2023 - USDOS - US Department of State (USA) (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089137.html, Zugriff 31.8.2023 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition 13.1. Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit Die Übergangscharta und die vorherige Verfassung sehen die Freiheit vor, sich friedlich zu versammeln und zu vereinigen. Das Gesetz verbietet Versammlungen mit ethnischem oder rassistischem Charakter oder Versammlungen, "deren Charakter die nationale Einheit bedroht". Die CNRD-Übergangsbehörden haben öffentliche Proteste und Versammlungen routinemäßig untersagt (USDOS 20.3.2023). Im Mai 2022 verhängte das Militär ein Demonstrationsverbot, nachdem es zuvor zu mehreren gewaltsamen Protesten gegen die Transitionsregierung kam (AA 15.12.2022). So kündigte das Comité national du rassemblement pour le développement (CNRD) am 13.5.2022 an, „alle Demonstrationen auf öffentlichen Straßen, die die soziale Ruhe und die korrekte Durchführung der im Chronogramm enthaltenen Aktivitäten gefährden könnten, vorerst bis zu den Wahlkampfzeiten" zu verbieten. Das Recht auf friedliche Versammlung ist durch Artikel 21 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und durch Artikel 11 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker geschützt. Diese Entscheidung verstößt auch gegen die vom CNRD gewollte und am 27.9.2021 vom Staatschef unterzeichnete Übergangscharta, in der es in Artikel 34 heißt: "Die Vereinigungs-, Versammlungs-, Presse- und Publikationsfreiheit wird .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 41

garantiert" (AI 18.5.2022). Am 11.09.2021 erließ das CNRD übereinstimmenden Medienberichten zufolge mit Verweis auf das übergeordnete nationale Interesse ein Verbot von Demonstrationen zur Unterstützung der neuen Machthaber (BAMF 13.9.2021). Im Oktober 2022 gingen die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor, die die Rückkehr zur Zivilregierung forderten, und nahmen zahlreiche Sympathisanten der FNDC fest (FH 2023). Nach der Auflösung des Front National pour la Défense de la Constitution (FNDC) am 8.8.2022 durch die Übergangsbehörden, die eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung gefordert hatte (AI 18.5.2022; vgl. FH 2023, BAMF 1.1.2023), forderte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte die Behörden am 15.8.2022 auf, die Entscheidung rückgängig zu machen, da diese Maßnahme eine schwerwiegende Verletzung der Rechte auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit darstellt (AI 28.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (15.12.2022): Guinea: Politisches Porträt, https://conakry.diplo.de/gn-de/themen/laenderinfos/innenpolitik, Zugriff 30.8.2023 - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Guinea 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094490.html, Zugriff 5.9.2023 - AI - Amnesty International (18.5.2022): Guinée. Interdiction de manifester « jusqu’aux périodes de campagnes électorales », https://www.amnesty.org/fr/latest/news/2022/05/guinee- interdiction-de-manifester-jusquaux-periodes-de-campagnes-electorales/, Zugriff 5.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (13.9.2021): Briefing Notes, Guinea, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf, Zugriff 4.9.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World – Guinea, https://freedomhouse.org/country/guinea/freedom-world/2023, Zugriff 31.8.2023 - USDOS - US Department of State (USA) (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089137.html, Zugriff 31.8.2023 13.2. Opposition Im Dezember 2021 waren mehr als 150 politische Parteien offiziell anerkannt, von denen die meisten eine eindeutige ethnische oder regionale Basis der Unterstützung haben. In Artikel 6 der Übergangscharta ist das Recht auf die freie Gründung politischer Parteien verankert. In der Praxis wird die Tätigkeit der politischen Parteien unter der Junta zunehmend eingeschränkt, und 2022 wurde die größte Oppositionsgruppe des Landes auflöste (FH 2023). Die großen Oppositionsparteien sind in Nationalen Übergangsrat (CNT) nicht vertreten, da sie die Parlamentswahlen 2020 boykottiert haben. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien haben sich geweigert, in der CNT mitzuarbeiten (FH 2023). Nach dem Staatsstreich vom 5.9.2021 wurden die drei bislang im Gefängnis befindlichen zum Teil zu Haftstrafen verurteilten Oppositionspolitiker Oumar Sylla (bekannt als Foniké Mengué), Étienne Soropogui und Abdoulaye Bah am 7.9.2021 aus der Haft entlassen. Sie sollen Teil von insgesamt 79 Personen sein, die sich bislang aus politischen Motiven in Haft befanden und nun freikamen. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 41

Der führende Oppositionspolitiker Cellou Dalein Diallo begrüßte Medienberichten zufolge zwischenzeitlich den Staatsstreich als Sieg für die Bevölkerung. Er erwarte einen Zeitplan für einen Übergang. Die Armee solle außerdem Condés Rechte achten; dieser solle sich für seine Taten [juristisch] verantworten (BAMF 13.9.2021). Die Übergangsregierung regiert mit Gewalt und Einschüchterung. Da der politische Wiederaufbauprozess von Präsident Doumbouya und seiner Junta kontrolliert wird, scheint die Opposition nur eine sehr begrenzte Chance zu haben, ihre Unterstützung zu erhöhen oder durch Wahlen zu gewinnen. Der Termin für die nächsten Wahlen steht noch nicht fest (FH 2023). Im Jahr 2022 griffen die Sicherheitskräfte häufig von der Opposition organisierte Kundgebungen und Proteste an, was es den Oppositionsparteien erschwerte, ihre Anhänger zu mobilisieren (FH 2023). Am 26.3.2022 ließen die Behörden neben weiteren das Haus des ehemaligen Premierministers und Oppositionsführers, Cellou Dalein Diallo, im Regierungsviertel abreißen, berichten Medien. Offizielle Begründung für den Abriss der Häuser sei gewesen, dass sie nicht mehr aktuellen Normen entsprächen. Diallo, Anführer der Partei Union des Forces Démocratiques de Guinée (UFDG), wird vorgeworfen, das Haus in seiner Zeit als Regierungsmitglied während der Präsidentschaft des gestürzten Alpha Condé (2010 - 2021) unlauter aus Staatseigentum erworben zu haben. Derselbe Vorwurf wird einem weiteren ehemaligen Premierminister und oppositionellen Parteiführer, Sidya Touré (Union des Forces Républicaines, UFR), gemacht. Beide hatten am 28.2.2022 ihre Häuser verlassen müssen, nachdem ein lokales Gericht sich in dem Streit zwischen ihnen und dem Staat für unzuständig erklärt hatte. Die machthabende Junta, Comité national de rassemblement pour le développement (CNRD), erklärte, 53 Häuser in staatlichen Besitz rücküberführt zu haben. Gegen die Maßnahme bildeten sich am 28.2.2022 Proteste zugunsten der beiden Politiker, insbesondere Diallos. Dabei sollen drei Polizisten verletzt worden sein, einer davon schwer (BAMF 1.7.2022). Laut Medienberichten wurden der Oppositionsführer, Ibrahima Kassory Fofana, sowie drei ehemalige Minister am 6.4.2022 verhaftet. Ihnen wird u.a. unrechtmäßige Bereicherung und Veruntreuung von öffentlichen Mitteln vorgeworfen. Die vier Politiker wurden dem neu eingerichteten Spezialstrafgericht CRIEF vorgeführt, welches entsprechende Haftbefehle ausstellte. Ihre Anwälte kritisierten u.a., dass die Vorwürfe vollkommen unpräzise seien und es sich um eine „ferngesteuerte“ Justiz handle (BAMF 1.7.2022). Im Mai 2022 verbot die Junta alle politischen Demonstrationen, "solange die öffentliche Ordnung nicht gewährleistet werden kann". Diese Ankündigung richtete sich gegen die Aktivitäten der FNDC, die der Junta autoritäre Praktiken vorwerfen. Im Juli leitete die Regierung ein Gerichtsverfahren gegen drei FNDC-Führer ein, die daraufhin verhaftet wurden. Am 8.8.2022 löste die Regierung die wichtigste Oppositionsbewegung, den FNDC, formell auf (AI 18.5.2022; vgl. FH .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 41

2023). Der FNDC und andere Organisationen wie die Nationale Allianz für Veränderung und Demokratie (ANAD) und die früher regierende Rallye für das guineische Volk (RPG) nahmen nicht mehr am Dialog mit der Junta teil (FH 2023). Im Oktober 2022 gingen die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor, die die Rückkehr zur Zivilregierung forderten, und nahmen zahlreiche Sympathisanten der FNDC fest (FH 2023). Bei Protesten am 20.10. und 21.10.22 in Conakry wurden mindestens drei Demonstranten getötet, 20 Personen erlitten Schussverletzungen und zahlreiche Demonstrierende wurden verhaftet (BAMF 1.1.2023). In folge wurden neun Oppositionspolitiker unter gerichtliche Aufsicht gestellt und müssen sich wöchentlich beim erstinstanzlichen Gericht von Dixinn (Conakry) vorstellen. Ferner kündigten die wegen früherer Demonstrationen festgenommenen Oumar Sylla (bekannt als Foniké Manguè) und Ibrahima Diallo an, mit 7.11.2022 in den Hungerstreik zu treten. Laut eigenen Angaben gebe es keine Anklage gegen sie und ihre Haft entbehre einer legalen Grundlage (BAMF 1.1.2023). Am 10.5.2023 wurden die drei führenden Aktivisten des zivilgesellschaftlich-parteipolitischen Bündnisses Front national de défense de la Constitution (FNDC) Oumar Sylla („Foniké Menguè“), Ibrahima Diallo und Mamadou Billo Bah aus der Haft entlassen. Sie waren seit Juli/August 2022 bzw. im Fall von Bah seit März 2023 im Gefängnis (BAMF 30.6.2023). Quellen: - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Guinea 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094490.html, Zugriff 5.9.2023 - AI - Amnesty International (18.5.2022): Guinée. Interdiction de manifester « jusqu’aux périodes de campagnes électorales », https://www.amnesty.org/fr/latest/news/2022/05/guinee- interdiction-de-manifester-jusquaux-periodes-de-campagnes-electorales/, Zugriff 13.9.2023 - AN - Africanews (2.8.2022): Guinea: Two FNDC leaders jailed after bloody protests, https://www.africanews.com/2022/08/02/guinea-two-fndc-leaders-jailed-after-bloody-protests/, Zugriff 13.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (30.6.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Januar bis Juni 2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2023-guinea.pdf? -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Juli bis Dezember 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-guinea.pdf? -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.7.2022): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Januar bis Juni 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2022-guinea.pdf? -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (13.9.2021): Briefing Notes, Guinea, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf, Zugriff 4.9.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 41

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World – Guinea, https://freedomhouse.org/country/guinea/freedom-world/2023, Zugriff 31.8.2023 14. Haftbedingungen Die Bedingungen in den zivilen Gefängnissen, die unter der Aufsicht des Justizministeriums stehen, bleiben nach wie vor hart und lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 23.2.2022). Den Sicherheitskräften werden Vergewaltigung, Folter und übermäßige Gewaltanwendung vorgeworfen (BS 23.2.2022). Schlechte sanitäre Verhältnisse, Unterernährung, Krankheiten und mangelnde medizinische Versorgung sind im gesamten Gefängnissystem allgegenwärtig (USDOS 20.3.2023). Misswirtschaft und Vernachlässigung sind weit verbreitet. Berichten zufolge funktionieren die Toiletten nicht, und die Gefangenen schlafen und essen oft in demselben Raum, der für sanitäre Zwecke genutzt wird. Der Zugang zu Trink- und Badewasser ist unzureichend. Viele Gefängnisse sind ehemalige Lagerhallen mit geringer Belüftung und wenig Zugang zu Strom für Klimaanlagen oder andere Kühltechniken (USDOS 20.3.2023). Die Bedingungen in den für kurzfristige Inhaftierungen konzipierten Haftanstalten der Gendarmerie und der Polizei sollen angeblich noch schlechter sein (USDOS 20.3.2023). Überbelegung bleibt weiterhin ein Problem (USDOS 20.3.2023). Die 34 Gefängnisse des Landes stammen noch aus der Kolonialzeit und sind meist überbelegt. Es gibt acht Hochsicherheitsgefängnisse, die übrigen sind Kurzzeitgefängnisse (PI 13.7.2022). Laut eines Aktivisten waren im September 2022 im Zentralgefängnis von Conakry 1.802 Gefangene in einer Einrichtung untergebracht, die für 300 Gefangene ausgelegt ist (600 % der Gesamtkapazität) (USDOS 20.3.2023; vgl. PI 13.7.2022); in Nzerekore waren 460 Gefangene in einer Einrichtung untergebracht, die für 80 Gefangene ausgelegt ist (575 % der Gesamtkapazität); und in Kankan waren 306 Gefangene in einer Einrichtung untergebracht, die für 80 Gefangene ausgelegt ist (382 % der Gesamtkapazität). Die von der Regierung finanzierten Rehabilitationsprogramme bleiben unterfinanziert und unwirksam, so dass einige NGOs versuchten die bestehenden Mängel auszugleichen (USDOS 20.3.2023). Rechtlich gesehen gibt es in Guinea durchaus Normen für die Inhaftierung. Das Strafgesetzbuch wurde ebenso wie die Strafprozessordnung im Jahr 2016 überarbeitet. Es umfasst internationale Verbrechen (wie Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und hat die Schwelle für die Strafbarkeit von Kindern von 10 auf 13 Jahre angehoben. Allerdings gibt es in der Praxis viele Hindernisse (PI 13.7.2022). Jugendliche werden nicht immer in separaten Abteilungen von Gefängnissen und Haftanstalten festgehalten (USDOS 20.3.2023). In Guinea ist es gesetzlich verboten, ein Kind unter 13 Jahren in Haft zu nehmen. In der Realität befinden sich 12-Jährige, manchmal sogar 10-Jährige, in Haft. Sie sind zusammen mit Erwachsenen inhaftiert, entweder im Gewahrsam oder in Gefängnissen (PI 13.7.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 41

In Guinea gibt es ein echtes Problem bei der Überwachung und Bewertung der Haftbedingungen und der Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen wurde (PI 13.7.2022). In einer Mitteilung an die Leitungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften beklagte der Minister für Justiz und Menschenrechte am 24.6.2022 "schreckliche Zustände, insbesondere in den Gerichten und Gefängnissen", die einen Verstoß gegen die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) darstellten. Der Minister verwies u. a. auf "29 Fälle schwerer Unterernährung und neun Fälle psychischer Erkrankungen" in einem Gefängnis, auf die unzureichende und schlechte Qualität von Nahrung und Wasser sowie auf Gefangene, die "bis auf die Knochen abgemagert oder gelähmt sind oder sogar im Sterben liegen" (AI 28.3.2023). Der Zugang zu Pflege, medizinischer Behandlung und Verpflegung entspricht nicht den Mindestanforderungen. Mehrere nationale und internationale Organisationen mussten Ernährungsprogramme für Gefangene entwickeln, da die täglichen Rationen zu gering sind. Dies führt häufig zu Todesfällen aufgrund von Unter- und Mangelernährung (PI 13.7.2022). Der Mangel an medizinischem Personal, Medikamenten und medizinischer Versorgung in den Gefängnissen in Verbindung mit Unterernährung und Dehydrierung führte manchmal zu lebensbedrohlichen Infektionen oder Krankheiten. Gemäß einer örtlichen NGO hat die Regierung einen einzigen Arzt im Zentralgefängnis angestellt um alle acht Gefängnisse zu versorgen. Die Gefangenen sind darauf angewiesen, dass Familienangehörige, Wohltätigkeitsorganisationen oder NGOs ihnen Medikamente bringen, allerdings müssen Besucher oft Bestechungsgelder zahlen (USDOS 20.3.2023). Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und Nichtregierungsorganisationen stellten fest, dass die Bedingungen in den Haftanstalten der Gendarmerie, in denen die Gefangenen höchstens zwei Tage lang festgehalten werden sollen, während sie auf ihre Gerichtsverhandlung warten, wesentlich schlechter sein als in den Gefängnissen, da Gendarmeiereinrichtungen feucht und unhygienisch sein sollen. Eine solche "vorübergehende" Inhaftierung konnte von einigen Tagen bis zu mehr als zwei Jahren dauern, und die Einrichtungen verfügen über keine etablierten Systeme zur Bereitstellung von Mahlzeiten oder medizinischer Versorgung (USDOS 20.3.2023). Die Strafvollzugs- und Justizbehörden beaufsichtigen die Einrichtungen nur unzureichend und untersuchen die gemeldeten Mängel nicht. Gefangene und Häftlinge haben das Recht, sich zu beschweren, was sie wegen möglicher Repressalien seitens der Gefängniswärter nur selten tun. Die Gefangenen beschweren sich darüber, dass ihnen regelmäßig der Zugang zu Besuchern, einschließlich Familienangehörigen, verwehrt wird. Besucher müssen oft Bestechungsgelder zahlen, um Zugang zu den Gefangenen zu erhalten (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 41
