guin-lib-2023-09-29-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Ein Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist ein COI-Dokument, das beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (RD, EASt, ASt, BVwG) mittels Recherche von vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß den Standards der Staatendokumentation erstellt wird. Ein LIB gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend relevanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU- Mitgliedsstaaten. Die LIB dienen den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Für sie gilt § 5 Abs. 5 letzter Satz BFA-G, d.h. sie sind als solche nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Sie werden aber durch Verwendung im Verfahren (Parteiengehör, Verwendung im Bescheid) der jeweiligen Partei zugänglich und durch Verwendung im Bescheid öffentlich gemacht. Dieses Produkt ist als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Gerichte entwickelt worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit mindestens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungsfindung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das LIB stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann insbesondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Zugunsten der besseren Les- und Verwendbarkeit wird im vorliegenden Produkt auf eine genderneutrale Schreibweise verzichtet. So nicht explizit angemerkt, sind immer alle Geschlechter gemeint. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Das LIB beinhaltet Arbeitsübersetzungen fremdsprachiger Quellen. Auswahl, Verwertung und Verwendung von Informationen im vorliegenden Produkt unterliegen dem Qualitätsmanagement der Staatendokumentation. Eine Aktualisierung des LIB erfolgt bei gegebenem Bedarf auf Anfrage. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Daher können auch im LIB verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 2 von 41

Länderspezifische Anmerkungen Hinweis: COVID-19: Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd4029942 3467b48e9ecf6 . .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3 von 41

Inhaltsverzeichnis 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen................................................................5 2. COVID-19..................................................................................................................................6 3. Politische Lage..........................................................................................................................6 4. Sicherheitslage........................................................................................................................11 5. Rechtsschutz / Justizwesen....................................................................................................12 6. Sicherheitsbehörden...............................................................................................................13 7. Folter und unmenschliche Behandlung...................................................................................15 8. Korruption................................................................................................................................16 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten.....................................................................................17 10. Wehrdienst und Rekrutierungen.............................................................................................18 11. Allgemeine Menschenrechtslage............................................................................................18 12. Meinungs- und Pressefreiheit.................................................................................................20 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition............................................................21 13.1. Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit.................................................................21 13.2. Opposition..........................................................................................................................22 14. Haftbedingungen.....................................................................................................................25 15. Todesstrafe..............................................................................................................................27 16. Religionsfreiheit.......................................................................................................................28 17. Ethnische Minderheiten...........................................................................................................29 18. Relevante Bevölkerungsgruppen............................................................................................30 18.1. Frauen................................................................................................................................30 18.2. Kinder.................................................................................................................................33 18.3. Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten................................................................................35 19. Bewegungsfreiheit...................................................................................................................36 20. Grundversorgung und Wirtschaft............................................................................................37 21. Medizinische Versorgung........................................................................................................39 22. Rückkehr.................................................................................................................................40 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 41

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 41

2. COVID-19 Aktuell liegen dem österreichischen Außenministerium keine Reise- und Sicherheitshinweise-19 bedingten Einreisebeschränkungen vor (BMEIA 29.6.2023); und auch das Auswärtige Amt gibt an, dass es derzeit nicht zu Covid-19 bedingten Beschränkungen bei der Einreise, Ausreise, Transit- oder innerhalb des Landes kommt (AA 4.9.2023). Seit Beginn der Pandemie bis zum 4. September 2023 wurden in Guinea 38.563 Infizierte und 468 Todesfälle gemeldet. Die Anzahl der infizierten Menschen entspricht aktuell einem Anteil von 0,29 % der Gesamtbevölkerung (Laenderdaten.info o.D.). Nach offiziellen Angaben der WHO sind zum Stichtag am 2. April 2023 insgesamt 10,65 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Neuere Angaben liegen der WHO noch nicht vor und werden auch nicht mehr erwartet. 7,68 Millionen Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten (58,5%). Die Booster-Impfung erhielten 302.545 Personen (2,3 %). 4,73 Millionen davon gelten in Guinea als vollständig geimpft (= 36,0 %) (Laenderdaten.info o.D.). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (4.9.2023): Guinea: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/guineasicherheit/206098, Zugriff 8.9.2023 - BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (Österreich) (29.6.2023): Guinea (Republik Guinea), Rreiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise- services/reiseinformation/land/guinea, Zugriff 8.9.2023 -Laenderdaten.info (o.D): Gesundheitswesen in Guinea, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Guinea/gesundheit.php, Zugriff 8.9.2023 3. Politische Lage Der Staatsstreich vom 5.September 2021, führte zum Sturz von Präsident Alpha Condé. Condé war 2010 der erste demokratisch gewählte Präsident Guineas (AJ 1.10.2021; vgl. ZO 5.9.2021) seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1958 (ZO 5.9.2021) und wurde 2015 wiedergewählt. Als Condé im Oktober 2020 mittels einer neuen und umstrittenen Verfassung eine dritte Amtszeit anstrebte, löste dies Massendemonstrationen aus, bei welchen Dutzende von Demonstranten getötet wurden. Condé gewann die Wahlen und die Opposition sprach von einer Täuschung (AJ 1.10.2021). Am 5.9.2021 haben Angehörige des Militärs Präsident Alpha Condé abgesetzt und die Regierung aufgelöst (ZO 5.9.2021; vgl. AA 15.12.2022). In einer Erklärung erklärte Oberst Mamady Doumbouya, der Anführer des Staatsstreiches, im Namen eines „Nationalen Komitees für Vereinigung und Entwicklung“ (Comité National du Rassemblement et du Développement, CNRD) die Verfassung und die staatlichen Institutionen für aufgelöst (BAMF 6.9.2021). Er wurde als neuer Interimspräsident am 1.10.2021 als vereidigt (AJ 1.10.2021). Der Umsturz wurde aufgrund der „soziopolitischen und ökonomischen Situation“ des Landes begründet. U.a. nicht funktionierende staatliche Institutionen, Missachtung demokratischer Prinzipien, Misswirtschaft, Korruption und Armut hätten die Armee veranlasst den Präsidenten zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 41

stürzen. Das CNRD kündigte die Erstellung einer neuen Verfassung an. Für den 6.9.2021 berief das CNRD die „ehemaligen Minister und Präsidenten der Institutionen“ zu einem Treffen ein. Nichterscheinen wurde als Rebellion wahrgenommen (BAMF 6.9.2021). Neben Condé wurden bei dem Staatsstreich weitere hochrangige Regierungsmitglieder festgenommen (BAMF 13.9.2021). Die bisherigen Regierungsvertreter wurden aufgefordert, ihre Pässe abzugeben. Am 9.9.2021 verfügte das CNRD, Konten des Staates und von hochrangigen Personen in Politik und Verwaltung einzufrieren. Die Machtübergaben in den Regionen von der zivilen Führung auf Armeeangehörige verliefen Medienberichten zufolge gewaltfrei (BAMF 13.9.2021). Knapp einen Monat nach dem Militärputsch hat General Mamady Doumbouya einen ehemaligen UNO-Beamten zum neuen Ministerpräsidenten ernannt (NZZ 7.10.2021; vgl. AJ 7.10.2021). Béavogui, ein Landwirtschaftsexperte, wurde beauftragt, einen glaubwürdigen Übergang „durchzusetzen“ (Le Journal 2 l’Afrique 7.10.2021). Der Staatsstreich wurde international, u.a. von UN-Generalsekretär Guterres, der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (frz. CEDEAO/engl. ECOWAS), der Afrikanischen Union (AU), Frankreich und den USA verurteilt (BAMF 6.9.2021). Nach der allgemeinen Verurteilung des Umsturzes durch internationale Organisationen und Regierungen einschließlich der Forderung der Freilassung von Staatspräsident Condé, suspendierten die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) und die Afrikanische Union (AU) am 8.9.2021 die Mitgliedschaft Guineas. Sanktionen wurden jedoch nicht erlassen. Eine ECOWAS-Delegation reiste am 10.9.2021 nach Guinea, mit dem Ziel, das CNRD zur schnellen Rückkehr zu einer zivilen Regierung zu bewegen. Der Delegation wurde ermöglicht, Condé zu treffen (BAMF 13.9.2021). Am 25.12.2021 legte der Premierminister der Interimsregierung, Mohamed Béavogui, einen Plan zur politischen Neuordnung vor. Dieser umfasste fünf inhaltliche Schwerpunkte sowie die Etappen „Bildung eines Übergangsrates“, „Erarbeiten einer neuen Verfassung“, „Einrichtung einer Verwaltung für Wahlen“, „Erstellen eines Wählerverzeichnisses“, „Organisation des Verfassungsreferendums“, „Lokalwahlen, Parlamentswahl und Präsidentschaftswahl“. Ein Zeitplan für den zeitlichen Ablauf wurde jedoch nicht vorgelegt, womit die Junta/Interimsregierung einer zentralen Forderung der (ECOWAS), die Wahlen innerhalb von sechs Monaten verlangt, nicht nachkam (BAMF 1.7.2022). Kurz darauf, am 22.1.2022 wurde durch den Interimspräsidenten Mamady Doumbouya, das Übergangsparlament, der Conseil National de Transition (nationaler Übergangsrat, CNT) einberufen (BAMF 1.7.2022; vgl. BAMF 24.1.2022). Es wurde ein CNT-Präsident ernannt, und weitere 81 Personen, die Wirtschafts- und Arbeitnehmerverbände sowie politische Parteien repräsentieren. Der CNT soll in der Organisation bei der Rückkehr zu einer zivilen Ordnung eine wichtige Rolle spielen. Damit existieren nun zusammen mit dem führenden CNRD und einer .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 41

Übergangsregierung unter Premierminister Béavogui drei wesentliche Organe in der aktuellen politischen Konfiguration des Landes (BAMF 24.1.2022). Hingegen entsprach die Junta der ECOWAS-Forderung, Ex-Staatspräsident Alpha Condé ausreisen zu lassen. Am 31.12.2021 wurde verkündet, Condé dürfe sich für bis zu einem Monat in die Vereinigten Arabischen Emirat begeben, um medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen (BAMF 3.1.2022; vgl. BAMF 24.1.2022). Laut Medienberichten fällt die Ausreise Condés zusammen mit einer Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft, Ermittlungen zu Verbrechen, welche während seiner Regierungszeit (2010-2021) begangen wurden, einzuleiten (BAMF 24.1.2022). Die Junta richtete im Kampf gegen Korruption im Dezember 2021 ein eigenes Strafgericht ein, die Cour de répression des infractions économiques et financières (CRIEF) (BAMF 1.7.2022). Ende Feber 2022 wurden die Häuser politischer Oppositionsführer und ehemaligen Premierminister abgerissen. Das führte am 28.2.2022 erneut zu Protesten und zu erneuten tödlichen Zusammenstößen (siehe 13.3. Opposition). Im Feber 2022 wurden u.a. auch der Budgetminister sowie ein Staatsminister aus der Regierung Condés vernommen (BAMF 1.7.2022). Der Übergangspräsident rief am 22.3.2022 die Nationale Konferenz (Assises Nationales) ins Leben, ein Mechanismus zur nationalen Aussöhnung. Am 25.3.2022 setzte Oberst Doumbouya ein Nationales Konsultationskomitee ein, dass aus 31 Mitgliedern besteht und die Nationale Konferenz beaufsichtigen soll (USDOS 20.3.2023). Der Generalstaatsanwalt von Guinea gab am 4.5.2022 bekannt, dass gegen den früheren Präsidenten, Alpha Condé, sowie 26 weitere Mitglieder seiner einstigen Regierung wegen Gewalt im Zusammenhang mit seiner Kandidatur für eine dritte Amtszeit im Jahr 2020 Ermittlungen eingeleitet wurden. Ihnen werden u.a. Beihilfe zum Mord, Körperverletzung, Entführung sowie Zerstörung von Eigentum vorgeworfen (BAMF 1.7.2022). Am 13.5.2022 verbot das CNRD alle Demonstrationen bis zum Beginn des Wahlkampfs (AI 28.3.2023; vgl. BAMF 1.7.2022). Der Aufruf der UN vom 30.5.2022, das Demonstrationsrecht wiederherzustellen, wurde von der Junta zurückgewiesen (BAMF 1.7.2022). Trotz Demonstrationsverbot kam es zu erneuten Protesten. Am 30.7.2022 verkündete auch der Staatspräsident von Guinea-Bissau und Vorsitzende der ECOWAS, Umaro Sissoco Embaló, die Aussetzung der Demonstrationen für zunächst eine Woche. Allerdings überzeugte Embaló die Junta bereits am 28.7.2022 von einer 24- statt einer 36-monatigen Übergangsphase (BAMF 1.1.2023). Trotz der Aussetzung der Demonstrationen sollen sich am 30.7.2022 Sicherheitskräfte vor den Büros von FNDC und denen der Parteien Union des Forces Démocratiques de Guinée, UFDG und Union des Forces Républicaines, UFR (Oppositionsparteien unter dem gestürzten Staatspräsidenten Alpha Condé) sowie Rassemblement du Peuple de Guinée, RPG (damalige Regierungspartei), positioniert haben. Der Koordinator der FNDC, Oumar Sylla (Foniké Mengué), .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 41

wurde erneut festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Die Organisatoren der Demonstrationen drohten mit neuen Protesten ab 15.8.2022 (BAMF 1.1.2023). In der Auseinandersetzung zwischen der herrschenden Militärjunta und dem zivilgesellschaftlich- parteipolitischen Bündnis Front national pour la défense de la Constitution (FNDC), erließ die Übergangsregierung am 6.8.2022 ein Dekret, das die Auflösung des FNDC verfügt. Vorausgegangen war die Ankündigung neuer Proteste durch den FNDC für den 17.8.2022 (BAMF 1.1.2023). Mit der Auflösung des Front National pour la Défense de la Constitution (FNDC) am 8.8.2022 (AI 18.5.2022; vgl. FH 2023, BAMF 1.1.2023), kam es erneut zu einem landesweiten Aufruf zu Demonstrationen, um den Fortbestand der Militärregierung zu verhindern. Während der vielen kleineren Proteste an verschiedenen Orten innerhalb der Hauptstadt Conakry kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und den zahlreich mobilisierten Sicherheitskräften. Erstere warfen Steine, letztere reagierten mit Tränengas. Auch in anderen Landesteilen soll es Proteste gegeben haben. Insgesamt scheint dem Aufruf des FNDC aber nicht stark Folge geleistet worden zu sein. Anlässlich des Jahrestages des Militärputsches kam es am 5.9.2022 an verschiedenen Orten in Conakry zu Protesten und Festnahmen. Zwischenzeitlich hat die FNDC und Angehörige der bei den Demonstrationen im Juli und August 2022 Getöteten, Klage gegen Junta-Chef und Übergangspräsident Mamadi Doumbouya in Paris eingereicht (BAMF 1.1.2023). Vor dem Hintergrund drohender Sanktion durch die ECOWAS und aufgrund des Fehlens eines Zeitplans für die Übergangszeit und die Organisation von Wahlen, kündigte der Junta-Chef an, die Macht innerhalb von zwei Jahren an zivile Kräfte zurückzugeben. Der neue 24-Monats-Zeitraum soll laut Doumbouya am 1.1.2023 beginnen. Bis dahin soll ein genauer Zeitplan vorliegen. Oppositionspolitiker kritisierten den Startzeitpunkt (BAMF 1.1.2023). Anfang November 2022 verschickte der Justizminister Alphonse Charles Wright eine Liste mit den Namen von 188 Personen an Staatsanwaltschaften mit der Aufforderung, gegen diese wegen Korruption, Veruntreuung öffentlicher Gelder, unrechtmäßiger Bereicherung, Geldwäsche, Fälschung und Mittäterschaft zu ermitteln. Die Konten der genannten Personen wurden eingefroren. Unter den Beschuldigten sind der ehemalige Staatspräsident Alpha Condé, Ex- Premier Ibrahima Kassory Fofana sowie rund 40 Mitglieder der damaligen Regierung. Mehrere von ihnen, einschließlich Fofana, befinden sich schon seit Monaten in Haft, auch gegen Condé wurden bereits früher Ermittlungen eingeleitet (BAMF 1.1.2023). Am 24.11.2022 wurde in Anwesenheit des Mediators der ECOWAS, der EU-Botschafterin und des Botschafters der USA ein neues Dialogforum, namens „cadre de dialogue interguinéen“ eröffnet, welches bis zum 15.12.2022 andauerte. Es soll den Rahmen abstecken für die im Jänner 2023 beginnende 24-monatige Transitionsphase. Zahlreiche Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen nahmen daran teil. Die Teilnahme abgelehnt haben die Parteienkoalition Alliance .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 41

Nationale pour l’Alternance et la Démocratie (ANAD), die ehemalige Regierungspartei Rassemblement du Peuple de Guinée (RPG) und der Front National de Défense de la Constitution (FNDC) (BAMF 1.1.2023). Bei der UN-Generalversammlung in New York am 21.9.2023 verteidigte Doumbouya die Einmischung des Militärs in die Politik und verkündete das Scheitern des westlichen Demokratiemodells auf dem afrikanischen Kontinent, welches der Junta-Chef als System der Ausbeutung und Plünderung der Ressourcen durch andere und dem aktiven Aufrechterhalten der Korruption innerhalb der Eliten des Landes definiert (LM 22.9.2023; vgl. SWI 21.9.2023, Taz.de 25.9.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (15.12.2022): Guinea: Politisches Porträt, https://conakry.diplo.de/gn-de/themen/laenderinfos/innenpolitik, Zugriff 30.8.2023 - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Guinea 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094490.html, Zugriff 5.9.2023 - AJ - Al Jazeera (7.10.2021): Guinea military government names Mohamed Beavogui as PM, https://www.aljazeera.com/news/2021/10/7/guinea-military-government-names-mohamed- beavogui-as-prime-minister, Zugriff 4.9.2023 - AJ - Al Jazeera (1.10.2021): Guinea coup leader Mamady Doumbouya sworn in as interim president, https://www.aljazeera.com/news/2021/10/1/guinea-coup-mamady-doumbouya- interim, Zugriff 30.8.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Juli bis Dezember 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-guinea.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 31.8.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.7.2022): Briefing Notes Zusammenfassung: Guinea, Januar bis Juni 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2022-guinea.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 31.8.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (13.9.2021): Briefing Notes, Guinea, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw37-2021.html, Zugriff 4.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (6.9.2021): Briefing Notes, Guinea, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw36-2021.html, Zugriff 4.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (24.1.2022): Briefing Notes, Guinea, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw04-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=5, Zugriff 4.9.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (3.1.2022): Briefing Notes, Guinea, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw01-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 4.9.2023 - Le Journal 2 l’Afrique (7.10.2021): Qui est Mohamed Béavogui, le nouveau Premier ministre?, https://lejournaldelafrique.com/de/guinee-qui-est-mohamed-beavogui-le-nouveau-premier- ministre/, Zugriff 4.9.2023 - LM - Le Monde (22.9.2023): A l’ONU, le chef de la junte en Guinée proclame l’échec du modèle démocratique occidental en Afrique, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 41

https://www.lemonde.fr/afrique/article/2023/09/22/a-l-onu-le-chef-de-la-junte-en-guinee- proclame-l-echec-du-modele-democratique-occidental-en-afrique_6190464_3212.html, Zugriff 28.9.2023 - NZZ - Neue Zürcher Zeitung (7.10.2021): Nach Putsch in Guinea: Ehemaliger Uno-Beamter wird Ministerpräsident, https://www.nzz.ch/international/guinea-ehemaliger-un-beamter-wird- ministerpraesident-ld.1649255?reduced=true, Zugriff 4.9.2023 - SWI - Swissinfo.ch (21.9.2023): Guinea junta leader denounces Western democracy amid wave of coups, https://www.swissinfo.ch/eng/reuters/guinea-junta-leader-denounces-western- democracy-amid-wave-of-coups/48831800, Zugriff 28.9.2023 -Taz.de (25.9.2023): Zeitenwende in Westafrika Brandrede aus Guinea, https://taz.de/Zeitenwende-in-Westafrika/! - USDOS - US Department of State (USA) (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Guinea, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089137.html, Zugriff 31.8.2023 - ZO - Zeit Online (5.9.2021): Militär in Guinea erklärt Regierung für aufgelöst, https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-09/guinea-conakry-militaer-regierung-aufgeloest- alpha-conde-mamadi-doumbouya, Zugriff 30.8.2023 4. Sicherheitslage Es bestehen nach wie vor politische und soziale Spannungen bzw. kann es immer wieder zu Demonstrationen und teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen und politischen Gruppen sowie den Sicherheitskräften kommen. Eine rasche Verschlechterung der Sicherheitslage ist jederzeit möglich (EDA 9.5.2023; vgl. AA 4.9.2023). Seit Mai 2022 sind ständige Spannungen vor allem in der Hauptstadt Conakry im Zusammenhang mit dem anhaltenden politischen Übergang zu beobachten. Politische Demonstrationen im Juli, August und September 2022 und Februar 2023 lösten gewalttätige Zusammenstöße und führten zu zahlreichen Opfern (FD 20.9.2023). Die Sicherheitslage hat sich verschlechtert, insbesondere in Conakry und seinen Vororten, wo die Zahl der bewaffneten Angriffe zunimmt (FD 20.9.2023). Vor allem in der Hauptstadt kommt es, u. a. aufgrund der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition zu unangekündigten Demonstrationen, Streiks und gewalttätigen Ausschreitungen (AA 4.9.2023; vgl. FD 20.9.2023; EDA 9.5.2023). Aufgrund des Demonstrations- und Versammlungsverbots muss damit gerechnet werden, dass die Polizei diese gewaltsam auflöst. Wiederholt haben Proteste Todesopfer und Verletzte gefordert. Es kommt zu Brandstiftung und Straßenblockaden (EDA 9.5.2023). Wegen der terroristischen Bedrohung in Westafrika kann ein Anschlag in Guinea nicht ausgeschlossen werden (FD 20.9.2023). Es gibt Hinweise, dass Terrorgruppen aus der Sahara- Region ihren Aktionsradius nach Guinea ausdehnen. Sie sind gut organisiert, operieren grenzübergreifend und haben Verbindungen zu lokalen, kriminellen Gruppen. Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. In einzelnen Grenzgebieten besteht zudem das Risiko von Entführungen (EDA 9.5.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 41
