jord-lib-2024-29-01-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 40 von Amtsträgern, Drogen- und Waffenhandel, Schwarzhandel und "Sicherheitsdelikte". Die Fälle werden in der Regel von Militärrichtern verhandelt (USDOS o.D.). Gegen Urteile des SSC kann beim Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt werden (USDOS 20.3.2023). Per Gesetz sind alle Zivilgerichtsverhandlungen und Verhandlungen mit Bezug zur Staatssicherheit öffentlich, es sei denn das Gericht beschließt, dass es für den Schutz der Allgemeinheit notwendig ist, die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung (USDOS 20.3.2023). Die Polizei kann Verdächtige bis zu sechs Monate festhalten, ohne formelle Anklage zu erheben, und die Gouverneure sind befugt, Verwaltungshaft bis zu einem Jahr zu verhängen. In der Praxis ignorieren die Behörden oft die verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen gegen willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und halten Personen ohne Kontakt zur Außenwelt oder über die gesetzlichen Fristen hinaus fest. Angeklagte haben in der Regel vor Prozessbeginn keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, was ihre Möglichkeiten zur Verteidigung beeinträchtigt. Trotz eines verfassungsrechtlichen Verbots akzeptieren Gerichte angeblich unter Folter erzwungene Geständnisse (FH 2023). Angeklagte haben das Recht auf einen Rechtsbeistand, der – im Fall von Anklagen für Verbrechen, die mit der Todesstrafe bzw. lebenslänglicher Haft bestraft werden – bedürftigen Personen auf Staatskosten zur Verfügung gestellt wird. Jedoch haben in der Praxis viele Angeklagte in strafrechtlichen Fällen keinen zeitgerechten Rechtsbeistand (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die Behörden missachten das Recht der Angeklagten auf frühzeitige und detaillierte Information über ihre Anklagepunkte, auch wird ihnen oft keine angemessene Zeit zur Vorbereitung des Gerichtsprozesses zur Verfügung gestellt. Trotz bestehender Bemühungen die Situation zu verbessern, erhalten ausländische Einwohner, insbesondere nicht-arabischsprachige Gastarbeiter, zum Teil keinen Dolmetscher oder Rechtsbeistand. Wie gesetzlich vorgesehen, hat das Justizministerium in Zusammenarbeit mit der jordanischen Anwaltskammer und einer Menschenrechts-NGO eine eigene Stelle für die Rechtsberatung von Zeugen und Angeklagten eingerichtet (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI Transformation Index. Jordan Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/JOR#pos4, Zugriff 23.1.2024 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 23.1.2024 - FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071876.html, Zugriff 16.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068595.html, Zugriff 23.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/jordan, Zugriff 23.1.2024 - United States Embassy in Jordan [USA] (o.D.): Jordanian Legal System, https://jo.usembassy.gov/u-s-citizen-services/local-resources-of-u-s-citizens/attorneys/jordanian- legal-system/, Zugriff 1.2.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 40 - USDOS – United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 1.2.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 6. Sicherheitsbehörden Der König ernennt eigenmächtig die Leitung der Streitkräfte, des Geheimdienstes und der Gendarmerie (FH 2023). Das Direktorat für öffentliche Sicherheit (PSD, Public Security Directorate) ist für die Strafverfolgung zuständig und untersteht dem Innenministerium. Das PSD und das GID (General Intelligence Directorate, Anm.: der Geheimdienst, arabisch "Mukhabaraat") teilen sich die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das GID berichtet in der Praxis direkt dem König (USDOS 20.3.2023). Die Streitkräfte unterstehen verwaltungstechnisch dem Verteidigungsminister und haben eine unterstützende Funktion für die innere Sicherheit. Es gibt kein separates Verteidigungsministerium; der Premierminister fungiert auch als Verteidigungsminister (USDOS 20.3.2023). Die zivilen Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begangen haben (USDOS 20.3.2023). Polizeibeamte müssen sich vor Polizeigerichten verantworten, wenn sie entweder strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich bestraft werden sollen. Das National Center for Human Rights (NCHR) und mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) forderten wiederholt, dass Polizeibeamte, die grober Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, vor unabhängigen Zivilgerichten und nicht vor Polizeigerichten verurteilt werden sollten, weil diese dem Innenministerium unterstehen, und nach Ansicht der NGOs als weniger unabhängig gelten. Die NGOs beklagten sich häufig darüber, dass sie keinen Zugang zu Informationen über die Ergebnisse der Verfahren erhalten haben (USDOS 20.3.2023). Es gibt keine Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch Behörden oder ihre Vertreter. Darüber hinaus gab es im beobachteten Zeitraum einen Todesfall in Gewahrsam, bei dem glaubhaft behauptet wurde, er sei durch Folter verursacht worden (Anm.: siehe Kapitel „Folter und unmenschliche Behandlung“). Es gab Entwicklungen in Bezug auf Todesfälle in Gewahrsam aus den Vorjahren. Beispielsweise äußerte eine NGO ihre Besorgnis darüber, dass nach dem Tod einer namentlich nicht genannten Person in einem Krankenhaus in Irbid, nicht genügend Informationen öffentlich zugänglich seien, um eine willkürliche oder unrechtmäßige Tötung durch Sicherheitskräfte auszuschließen (USDOS 20.3.2023). Quellen:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 40 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/en/document/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 7. Folter und unmenschliche Behandlung Die Verfassung verbietet Folter, einschließlich psychischer Schäden, durch Amtsträger und sieht Strafen von bis zu drei Jahren Freiheitsentzug für ihre Anwendung vor, bei schweren Verletzungen bis zu 15 Jahre (USDOS 20.3.2023). Diesbezüglich verweisen Menschenrechtsanwälte jedoch auf Unklarheiten im Strafgesetzbuch und fordern nebst einer klaren Definition des Folterbegriffes verbesserte Richtlinien im Kontext von Strafvollstreckungen. Während das Gesetz solche Praktiken verbietet, berichten internationale und lokale NGOs weiterhin über Folter und Misshandlungen in Polizei- und Sicherheitsgefängnissen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Laut der NGO Freedom House werden solche Praktiken häufig angewandt (FH 2023). Amnesty International (AI) zufolge, wurden im Jahr 2022 bei Foltervorwürfen „keine umgehenden, unparteiischen und unabhängigen Untersuchungen“ eingeleitet. In diesem Fall bezieht sich AI konkret auf den Tod des Inhaftierten Zaid Sudqi Ali Dabash am 6.September 2022. Nach Angaben des Familienanwalts wies der Leichnam Folterspuren auf (AI 28.3.2023), nachdem die Familie auf eine zweite Autopsie durch unabhängige Ärzte bestanden hatte. Laut USDOS hatten die jordanischen Justizbehörden wegen eines Fluchtversuchs Gewalt angewendet. In einer ersten Autopsie durch die Behörden war Folter als Todesursache ausgeschlossen worden. Laut jordanischen Medien wurden im Fall Dabash acht Beamte wegen Folter und Körperverletzung angeklagt. Von Seiten der jordanischen Behörden gab es dazu jedoch keine Stellungnahme (USDOS 20.3.2023). Kritisiert wurde, dass der Fall als Menschenrechtsverletzung an ein Militärgericht und nicht an ein Zivilgericht übergeben wurde (AI 28.3.2023). Laut Angaben des Direktorats für öffentliche Sicherheit (PSD, Public Security Directorate) wurden im Jahr 2022 91 Beschwerden gegen Beamte wegen angeblicher Schädigung (ein geringerer Vorwurf als Folter, bei dem kein Vorsatz nachgewiesen werden muss) gemeldet; 36 Beschwerden wurden an die Gerichte weitergeleitet. Das Büro für Menschenrechte und Transparenz meldete, dass im selben Zeitraum 29 Anschuldigungen (im Vorjahr 12) wegen Folter und Misshandlung in Gefängnissen und Rehabilitationszentren eingegangen seien (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AI – Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Jordan 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089544.html, Zugriff 10.1.2024 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 10.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 10.1.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 40 8. Korruption Der Corruption Perception Index von Transparency International liegt im Fall von Jordanien bei 47/100 (0 für sehr korrupt, 100 für nicht korrupt). Jordanien belegt damit im Ranking den 61. von 180 Plätzen (TI 2023; vgl. TI 31.1.2023). Demnach hat Jordanien im Vergleich zu den Vorjahren zwei Punkte verloren. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Regierung ist somit aufgrund vermehrter Einschränkungen gestiegen. Grund dafür ist vor allem die Verhängung des Ausnahmezustands während der COVID-19-Pandemie und das damit verbundene Vorgehen gegen Zivilgesellschaft und Journalisten, die Kritik an der Regierung äußerten (TI 31.1.2023). Dabei wurden in vergangenen Jahren Sicherheitsmaßnahmen missbraucht, um die Versammlungs- und Redefreiheit einzuschränken. Hinzu kommt, dass die schwache Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Parlament, die Korruption und die seit Jahren versprochenen demokratischen Reformen verzögern (TI 25.1.2022). Aktivisten und Journalisten fanden es zudem schwierig, Zugang zu staatlichen Berichten und Statistiken zu erhalten. Sie führten das auf einen mangelnden Zugang, ineffiziente Aktenführung und auf die Vorenthaltung von Informationen durch die Regierung zurück (USDOS 20.3.2023). Die Regierung hat Bemühungen unternommen, um die weitverbreitete Korruption zu bekämpfen. Die Integrity and Anticorruption Commission (JIACC) ist als Antikorruptionsbehörde zuständig für die Untersuchung von Korruptionsvorwürfen. Erfolgreiche strafrechtliche Verfolgungen gibt es allerdings selten, vor allem wenn es sich um hochrangige Beamte handelt (FH 2023). Behörden zeigten jedoch in den letzten Jahren eine zunehmende Bereitschaft, Ermittlungen wegen Korruption im öffentlichen Dienst einzuleiten. Im Laufe des Jahres 2022 wurden zahlreiche lokale Beamte sowie der ehemalige Präsident der jordanischen Phosphat- und Bergbaugesellschaft, Walid al-Kurdi, verurteilt. Im September 2022 bestätigte das jordanische Berufungsgericht erstinstanzliche Verurteilungen lokaler Beamter, die in einen Korruptionsfall im Zusammenhang mit illegaler Tabakproduktion und Schmuggel verwickelt waren (USDOS 20.3.2023). Die Nutzung von familiären, geschäftlichen und anderen persönlichen Verbindungen zur Förderung persönlicher wirtschaftlicher Interessen ist weit verbreitet (USDOS 20.3.2023). Dieses Phänomen ist in Jordanien auch als „Wasta-Netzwerk“ bekannt. Diese Art der Vetternwirtschaft führt z.B. dazu, dass Unternehmen und Sektoren nur Personen aus der gleichen Gemeinschaft einstellen. Die Regierung war bislang nicht in der Lage, das Erbe der mit der Elite verbundenen Privilegien und Wasta-Netzwerke zu überwinden und gleichzeitig Sparmaßnahmen zu ergreifen. Da die Korruption in Jordanien immer stärker wahrgenommen wird, fühlen sich große Teile der jordanischen Gesellschaft von der herrschenden Klasse und der von ihr gesteuerten Wirtschaftspolitik entfremdet (FES 10.2020). Quellen:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 40 - FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (10.2020): Jordan, International and Financial Institutions and Social Justice, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/amman/16643.pdf, Zugriff 11.1.2023 - FH – Freedom House (2023): Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom- world/2023, Zugriff 11.1.2023 - TI – Transparency International (31.1.2023): CPI 2022 for Middle East & North Africa, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2022-middle-east-north-africa-corruption-fuels-ongoing- conflict, Zugriff 10.1.2024 - TI – Transparency International (2023): Jordan – Corruption Perception Index, Jordan - Transparency.org, Zugriff 10.01.2024 - TI – Transparency International (25.1.2022): CPI 2021 for Middle East & North Africa, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2021-middle-east-north-africa-systemic-corruption- endangers-democracy-human-rights, Zugriff 11.1.2023 - USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 11.1.2023 - USDOS – United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 11.1.2023 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sind mit einigen Einschränkungen im Land tätig. Das Gesetz gibt der Regierung die Möglichkeit, die inneren Angelegenheiten der NGOs zu kontrollieren (USDOS 20.3.2023). Das Ministerium für soziale Entwicklung verfügt über weitreichende Aufsichtsbefugnisse über die Tätigkeit der NGOs. Es ist befugt, die Registrierung und die Beantragung ausländischer Mittel zu verweigern und kann Organisationen auflösen, die es für bedenklich hält. Die Vorstandsmitglieder von NGOs müssen von staatlichen Sicherheitsbeamten überprüft werden. In der Praxis werden diese Vorschriften auf undurchsichtige und willkürliche Weise angewandt (FH 2023). In Jordanien sind NGOs im Allgemeinen in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und öffentlich darüber zu berichten, obwohl Regierungsbeamte nicht immer kooperativ sind. Zudem wurden, nach Aussage lokaler Quellen, im Jahr 2022 die Telefone von fast 200 jordanischen Aktivisten, Journalisten, Politikern und Regierungsbeamten durch die Spionagesoftware Pegasus überwacht (USDOS 20.3.2023) Viele offizielle zivilgesellschaftliche Organisationen in Jordanien konzentrierten sich anfangs hauptsächlich auf karitative und Hilfstätigkeiten. Nach dem Beitritt Jordaniens zu internationalen Übereinkommen wie beispielsweise dem UN-Übereinkommen über bürgerliche und politische Rechte wurden einige Organisationen gegründet, um die Öffentlichkeit für die Menschenrechte, einschließlich des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, zu sensibilisieren (ICNL 12.1.2024). Das Gesetz verlangt, dass der Gouverneur mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung von Sitzungen oder Veranstaltungen lokaler oder internationaler NGOs darüber informiert wird. Mehrere NGOs berichteten, dass Hotels vor der Durchführung von Schulungen, privaten Treffen oder öffentlichen Konferenzen von ihnen die Vorlage eines entsprechenden Genehmigungsschreibens des Gouverneurs verlangten, wobei derartige Genehmigungen durchaus auch verweigert wurden. Ohne

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 40 Genehmigungsschreiben der Regierung wurden die Veranstaltungen und Schulungen von den Hotels abgesagt. In einigen Fällen verlagerten NGOs die Veranstaltungen und Schulungen in private Büros. NGOs können ihre Aktivitäten freier durchführen, wenn sie Videokonferenzsoftware verwenden, weil die Behörden diese Online-Plattformen nicht zensieren können (USDOS 20.3.2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom-world/2023, Zugriff 23.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom-world/2023, Zugriff 23.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 23.1.2024 10. Wehrdienst und Rekrutierungen Die Wehrpflicht wurde 1991 abgeschafft. 2019 wurde ein freiwilliger viermonatiger Wehrdienst für Männer und Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten arbeitslos sind, angekündigt. Der Dienst würde einen Monat militärische Ausbildung und die restlichen drei Monate berufliche Ausbildung in den Bereichen Bauwesen und Tourismus umfassen (CIA 17.1.2024). Im Jahr 2020 kündigte die jordanische Regierung auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht für arbeitslose Männer zwischen 25 und 29 Jahren an, und zwar mit einer Dienstdauer von 12 Monaten (CIA 17.1.2024), um die Arbeitslosigkeit im Land zu bekämpfen (Arab News 9.9.2020). Die Vereinbarung sieht vor, dass die Männer eine dreimonatige militärische Ausbildung absolvieren und alle Wehrpflichtigen in den verbleibenden neun Monaten ihres Dienstes in der Privatwirtschaft ausgebildet und eingesetzt werden. Die Armee zahlt den Wehrpflichtigen 100 Dinar (141 US-Dollar) pro Monat und übernimmt ihre Gehälter bis zu einem Mindestlohn von 220 Dinar, wenn sie eine Stelle in einem Privatunternehmen antreten (Arab News 9.9.2020). Mit 17 Jahren kann ein freiwilliger Militärdienst angetreten werden. Die anfängliche Dienstdauer beträgt zwei Jahre, mit der Option sich für weitere 18 Jahre zu verpflichten (CIA 17.1.2024). Mit Stand 2023 machten Frauen rund 3% der jordanischen Heeres aus (CIA 17.1.2024). Quellen: - Arab News (9.9.2020): Jordan orders army conscription for 25-29-year-olds to help tackle unemployment, https://www.arabnews.com/node/1732116/middle-east, Zugriff 24.1.2024 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (17.1.2024): The World Fact Book – Jordan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/jordan/#military-and-security, Zugriff 24.1.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 40 11. Allgemeine Menschenrechtslage Die jordanische Verfassung garantiert grundlegende bürgerliche Freiheitsrechte (USDOS 20.3.2023). Dennoch sind wichtige Grundrechte und -freiheiten nach wie vor Gegenstand staatlicher Eingriffe, wobei sich die Regierung auf den Schutz der nationalen Sicherheit beruft (ICNL 12.1.2024): Die Regierung stützt sich bei Straftaten im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung regelmäßig auf das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung, was zur Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung einer Reihe von Journalisten führte (OHCHR 31.12.2021; vgl. OHCHR 14.11.2023). Die jordanische Verfassung überträgt alle Fragen des Personenstandsrechts von Muslimen an spezielle Gerichte, die familienbezogene Fälle auf der Grundlage der Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, behandeln. Scharia-Gerichte behandeln Frauen vor dem Gesetz nicht als gleichgestellt (Al-Jazeera 18.2.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Jordanien verfügt in Übereinstimmung mit den einschlägigen UN-Konventionen über ein staatlich gelenktes nationales Menschenrechtszentrum, das National Center for Human Rights (NCHR) (USDOS 20.3.2023). Das Zentrum hat ein umfassendes Menschenrechtsmandat und befasst sich mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen, Beschwerden, Aufklärung und Förderung, Überwachung und Integration der Menschenrechte in die jordanische Gesetzgebung und Praxis (APF 20.5.2023). (Anm.: Für Informationen zu Menschenrechtsorganisationen siehe Kapitel „NGOs und Menschenrechtsaktivisten“.) Die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen blieb bestehen, obwohl die Regierung einige begrenzte Schritte unternimmt, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Informationen über die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind nicht für alle Fälle öffentlich zugänglich. Fehlende Transparenz bei Ermittlungen und Gerichtsverfahren verstärkten innerhalb der Bevölkerung den Eindruck von Straflosigkeit (USDOS 20.3.2023). NGOs meldeten einzelne Fälle von Misshandlungen. Im Laufe des Jahres 2022 gab es Beschwerden über Misshandlungen durch den Geheimdienst d GID (General Intelligence Directory) und durch die Strafverfolgungsbehörde PSD (Public Security Directorate) Örtliche NGOs berichteten, dass Folterungen in Haftanstalten weiterhin bestehen, Bürger diese jedoch aus Angst vor Repressalien nicht melden. Die Behörden beschränken den Zugang zu Informationen über die Untersuchungsergebnisse von Folter- oder Misshandlungsfällen. Zudem melden NGOs weitverbreitete Misshandlungen Inhaftierter durch die Polizei (USDOS 20.3.2023). Es kommt auch zu Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Arbeitsmigranten. Jordanien beherbergte im Jahr 2023 schätzungsweise 49.000 ausländische Hausangestellte, vor allem von den Philippinen, Sri Lanka und Indonesien. NGOs verwiesen Hausangestellte, die mehrfach

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 40 missbraucht worden waren, an die Ermittler des Arbeitsministeriums. Zu den Missbräuchen zählte die Nichtzahlung von Löhnen, unsichere Arbeitsbedingungen, lange Arbeitszeiten, die Beschlagnahmung von Dokumenten sowie körperlicher, verbaler und sexueller Missbrauch (HRW 11.1.2024). Die jordanische Regierung nutzte die Notstandsbefugnisse des aufgrund von Covid-19 verhängten Ausnahmezustandes aus, um in die bürgerliche Freiheit einzugreifen und politische Interessen durchzusetzen. Am 16. Juli 2020 löste der Kassationsgerichtshof des Landes die Muslimbruderschaft auf, eine Organisation, die seit 1945 in Jordanien tätig war. Noch im selben Monat wurde die Lehrergewerkschaft, deren 140.000 Mitglieder gegen die Regierung protestiert hatten, aufgelöst und einige ihrer Vorstandsmitglieder verhaftet. Im Dezember 2020 löste das Strafgericht Amman die Organisation auf, die erst 2011 nach jahrelanger Lobbyarbeit gegründet worden war (BS 23.2.2022). Quellen: - Al-Jazeera (18.2.2022): ‚Elephant in the room‘: Jordanian women and equal rights, https://www.aljazeera.com/news/2022/2/18/elephant-in-the-room-jordanian-womens-struggle-for- rights, Zugriff 26.1.2024 - APF – Asia Pacific Forum (20.5.2023): Jordan - Jordan National Centre for Human Rights, https://www.asiapacificforum.net/members/jordan/, Zugriff 26.1.2024 - BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI Transformation Index. Jordan Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/JOR#pos4, Zugriff 26.1.2024 - CSO – Guide to Civil Society Organizations in Jordan (o.D.): Human Rights Organizations, http://www.civilsociety-jo.net/en/organizations/16/human-rights-organizations, Zugriff 26.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068595.html, Zugriff 26.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/jordan, Zugriff 26.1.2024 - OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (Autor: jordanische NGOs) (31.12.2021): Mid-term report on Jordan’s Commitment to Implement the Recommendations of the Universal Periodic Review for Human Rights (UPR), https://www.ohchr.org/sites/default/files/2021-12/Mid-term-report-on-Jordan-Commitment.docx, Zugriff 26.1.2024 - OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (14.11.2023): Summary of stakeholders’ submissions on Jordan - Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights [A/HRC/WG.6/45/JOR/3], https://www.ecoi.net/en/file/local/2102643/G2323450.pdf, Zugriff 26.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 26.1.2024 12. Meinungs- und Pressefreiheit Das jordanische Recht verbietet Äußerungen, die als kritisch gegenüber dem König, dem Ausland, Regierungsbeamten und -institutionen (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 20.3.2023), dem Islam und dem Christentum gelten oder als diffamierend wahrgenommen werden (HRW 11.1.2024). Das Gesetz sieht in derartigen Fällen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Die Regierung schränkte die Möglichkeit von Einzelpersonen ein, die Regierung zu kritisieren, indem sie mehrere

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 40 Aktivisten wegen politischer Äußerungen verhaftete. Die Behörden griffen auf Gesetze gegen Verleumdung von Amtsträgern und staatsanwaltlich erlassene Nachrichtensperren zurück, um die öffentliche Diskussion einzuschränken (USDOS 20.3.2023). Die jordanischen Mediengesetze sind im Allgemeinen restriktiv, vage und werden willkürlich durchgesetzt. (FH 2023). Sämtliche Medien bzw. Publikationen benötigen Lizenzen der Regierung. Die Regierung beeinflusste die Berichterstattung und die Kommentare durch politischen Druck auf die Redakteure und durch die Kontrolle über wichtige redaktionelle Positionen in regierungsnahen Medien. Einheimische und ausländische Journalisten, die im Land tätig sind, sahen sich weiterhin zunehmenden Beschränkungen ihrer Berichterstattung in Form von Nachrichtensperren, Schikanen durch Sicherheitskräfte und der Verweigerung von Genehmigungen zur Berichterstattung ausgesetzt (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Journalisten werden routinemäßig verhaftet, wenn sie gegen solche Vorschriften verstoßen. Sie sind jedoch nur selten mit ernsthafter Gewalt oder erheblichen Haftstrafen für ihre Arbeit konfrontiert, üben aber häufig Selbstzensur (FH 2023). Die Regierung verfügt über die Mehrheit der Sitze im Aufsichtsrat der führenden halbamtlichen Tageszeitung al-Rai und über einen Teil der Sitze im Aufsichtsrat der Tageszeitung ad-Dustour. Nach Angaben von Verfechtern der Pressefreiheit muss die Medienabteilung des GID (der Geheimdienst General Intelligence Directorate) die Chefredakteure der regierungsnahen Zeitungen genehmigen. Medienbeobachter stellten fest, dass das staatliche jordanische Fernsehen und Radio und die jordanische Nachrichtenagentur bei der Berichterstattung über kontroverse Themen nur den Standpunkt der Regierung wiedergeben (USDOS 20.3.2023). Es gab laut US-amerikanischem Außenministerium glaubwürdige Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht. Das Gesetz schreibt die Lizenzierung und Registrierung von Online-Nachrichten-Websites vor und macht Redakteure für die Leserkommentare auf ihren Websites verantwortlich. Zudem wird von den Website-Besitzern verlangt, dass sie der Regierung die persönlichen Daten ihrer Nutzer zur Verfügung stellen. Außerdem schreibt es auch vor, dass Chefredakteure Mitglieder des jordanischen Presseverbandes (JPA) sein müssen. Das Gesetz gibt den Behörden ausdrücklich die Befugnis, Webseiten zu blockieren und zu zensieren. Das Presse- und Veröffentlichungsgesetz erlaubt es dem Medienbeauftragten, Webseiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren (USDOS 20.3.2023). Gemäß der Gesetzgebung zur Cyberkriminalität können Internetnutzer mit Geld- oder Gefängnisstrafen von bis zu drei Monaten bestraft werden, wenn sie wegen Verleumdung in Online- Kommentaren verurteilt werden. Im August verkündeten die jordanischen Behörden ein neues repressives Gesetz zur Cyberkriminalität, das die freie Meinungsäußerung im Internet weiter zu untergraben droht. Es bedroht zusätzlich das Recht der Internetnutzer auf Anonymität und führt eine neue Behörde zur Überwachung sozialer Medien ein, die den Weg für eine verstärkte Online-Zensur bahnen könnte (HRW 11.1.2024).

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 40 Zwischen März und April 2022 wurden hunderte Journalisten, Politiker und Aktivisten teilweise aufgrund der bestehenden Gesetzgebung zur Cyberkriminalität verhaftet (FH 2023) (Anm.: für mehr Informationen siehe Kapitel „Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition“). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103171.html, Zugriff 25.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung gewährt Versammlungsfreiheit (USDOS 20.3.2023), aber die Regierung beschränkt dieses Recht in der Praxis (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Öffentliche Versammlungen und Demonstrationen müssen seit einem im März 2011 geänderten Gesetz nicht mehr von der Regierung genehmigt werden. Es ist aber weiterhin eine Genehmigung des Innenministeriums oder des General Intelligence Directorate (GID) einzuholen (HRW 11.1.2024). Das Innenministerium hat geplante öffentliche Veranstaltungen ohne Vorankündigung oder Erklärung abgesagt. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz können mit Geld- und Haftstrafen geahndet werden. Die Sicherheitskräfte sind dafür bekannt, dass sie gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen (FH 2023). Im März und April 2022 wurden hunderte Journalisten, Politiker und Aktivisten, die an Demonstrationen beteiligt waren, aufgrund vager Bestimmungen im Strafgesetzbuch und im Gesetz zur Verhinderung von Cyberkriminalität verhaftet. Mit diesen Verhaftungen wollte die Regierung regierungsfeindliche Demonstrationen und Sitzstreiks verhindern, mit denen gegen die Regierungskorruption, die Auflösung der Lehrergewerkschaft und das Gedenken an die Protestbewegung von 2011 protestiert werden sollte. Im Dezember kam es auch zu Protesten gegen gestiegene Kraftstoff- und Lebenshaltungskosten. Dabei kam es zu Ausschreitungen und anderen gewalttätigen Aktionen, bei denen ein Polizeibeamter getötet wurde (FH 2023). Die Verfassung sieht das Recht auf Vereinigungsfreiheit vor, aber in der Praxis wurde diese Freiheit durch die Regierung beschränkt. Laut Gesetz steht mehreren Ministerien das Recht zu, Anträge für die Registrierung einer Organisation oder für den Erhalt ausländischer Finanzierung aus beliebigen Gründen abzulehnen. Außerdem verbietet das Gesetz, Vereinigungen zur Stärkung politischer Organisationen zu nutzen. Das Gesetz gewährt den Ministerien außerdem signifikante Kontrolle über das interne Management von Vereinigungen, darunter das Recht, letztere aufzulösen, neue Vorstände zu ernennen und Regierungsvertreter zu den Vorstandstreffen zu senden. Vereinigungen sind verpflichtet, das Ministerium für soziale Entwicklung über Vorstandssitzungen zu informieren, die Namen aller Mitglieder preiszugeben und alle Vorstandsentscheidungen dem Ministerium zur
