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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 40 - FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (10.2020): Jordan, International and Financial Institutions and Social Justice, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/amman/16643.pdf, Zugriff 11.1.2023 - FH – Freedom House (2023): Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom- world/2023, Zugriff 11.1.2023 - TI – Transparency International (31.1.2023): CPI 2022 for Middle East & North Africa, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2022-middle-east-north-africa-corruption-fuels-ongoing- conflict, Zugriff 10.1.2024 - TI – Transparency International (2023): Jordan – Corruption Perception Index, Jordan - Transparency.org, Zugriff 10.01.2024 - TI – Transparency International (25.1.2022): CPI 2021 for Middle East & North Africa, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2021-middle-east-north-africa-systemic-corruption- endangers-democracy-human-rights, Zugriff 11.1.2023 - USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 11.1.2023 - USDOS – United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 11.1.2023 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sind mit einigen Einschränkungen im Land tätig. Das Gesetz gibt der Regierung die Möglichkeit, die inneren Angelegenheiten der NGOs zu kontrollieren (USDOS 20.3.2023). Das Ministerium für soziale Entwicklung verfügt über weitreichende Aufsichtsbefugnisse über die Tätigkeit der NGOs. Es ist befugt, die Registrierung und die Beantragung ausländischer Mittel zu verweigern und kann Organisationen auflösen, die es für bedenklich hält. Die Vorstandsmitglieder von NGOs müssen von staatlichen Sicherheitsbeamten überprüft werden. In der Praxis werden diese Vorschriften auf undurchsichtige und willkürliche Weise angewandt (FH 2023). In Jordanien sind NGOs im Allgemeinen in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und öffentlich darüber zu berichten, obwohl Regierungsbeamte nicht immer kooperativ sind. Zudem wurden, nach Aussage lokaler Quellen, im Jahr 2022 die Telefone von fast 200 jordanischen Aktivisten, Journalisten, Politikern und Regierungsbeamten durch die Spionagesoftware Pegasus überwacht (USDOS 20.3.2023) Viele offizielle zivilgesellschaftliche Organisationen in Jordanien konzentrierten sich anfangs hauptsächlich auf karitative und Hilfstätigkeiten. Nach dem Beitritt Jordaniens zu internationalen Übereinkommen wie beispielsweise dem UN-Übereinkommen über bürgerliche und politische Rechte wurden einige Organisationen gegründet, um die Öffentlichkeit für die Menschenrechte, einschließlich des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, zu sensibilisieren (ICNL 12.1.2024). Das Gesetz verlangt, dass der Gouverneur mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung von Sitzungen oder Veranstaltungen lokaler oder internationaler NGOs darüber informiert wird. Mehrere NGOs berichteten, dass Hotels vor der Durchführung von Schulungen, privaten Treffen oder öffentlichen Konferenzen von ihnen die Vorlage eines entsprechenden Genehmigungsschreibens des Gouverneurs verlangten, wobei derartige Genehmigungen durchaus auch verweigert wurden. Ohne

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 40 Genehmigungsschreiben der Regierung wurden die Veranstaltungen und Schulungen von den Hotels abgesagt. In einigen Fällen verlagerten NGOs die Veranstaltungen und Schulungen in private Büros. NGOs können ihre Aktivitäten freier durchführen, wenn sie Videokonferenzsoftware verwenden, weil die Behörden diese Online-Plattformen nicht zensieren können (USDOS 20.3.2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom-world/2023, Zugriff 23.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom-world/2023, Zugriff 23.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 23.1.2024 10. Wehrdienst und Rekrutierungen Die Wehrpflicht wurde 1991 abgeschafft. 2019 wurde ein freiwilliger viermonatiger Wehrdienst für Männer und Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten arbeitslos sind, angekündigt. Der Dienst würde einen Monat militärische Ausbildung und die restlichen drei Monate berufliche Ausbildung in den Bereichen Bauwesen und Tourismus umfassen (CIA 17.1.2024). Im Jahr 2020 kündigte die jordanische Regierung auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht für arbeitslose Männer zwischen 25 und 29 Jahren an, und zwar mit einer Dienstdauer von 12 Monaten (CIA 17.1.2024), um die Arbeitslosigkeit im Land zu bekämpfen (Arab News 9.9.2020). Die Vereinbarung sieht vor, dass die Männer eine dreimonatige militärische Ausbildung absolvieren und alle Wehrpflichtigen in den verbleibenden neun Monaten ihres Dienstes in der Privatwirtschaft ausgebildet und eingesetzt werden. Die Armee zahlt den Wehrpflichtigen 100 Dinar (141 US-Dollar) pro Monat und übernimmt ihre Gehälter bis zu einem Mindestlohn von 220 Dinar, wenn sie eine Stelle in einem Privatunternehmen antreten (Arab News 9.9.2020). Mit 17 Jahren kann ein freiwilliger Militärdienst angetreten werden. Die anfängliche Dienstdauer beträgt zwei Jahre, mit der Option sich für weitere 18 Jahre zu verpflichten (CIA 17.1.2024). Mit Stand 2023 machten Frauen rund 3% der jordanischen Heeres aus (CIA 17.1.2024). Quellen: - Arab News (9.9.2020): Jordan orders army conscription for 25-29-year-olds to help tackle unemployment, https://www.arabnews.com/node/1732116/middle-east, Zugriff 24.1.2024 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (17.1.2024): The World Fact Book – Jordan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/jordan/#military-and-security, Zugriff 24.1.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 40 11. Allgemeine Menschenrechtslage Die jordanische Verfassung garantiert grundlegende bürgerliche Freiheitsrechte (USDOS 20.3.2023). Dennoch sind wichtige Grundrechte und -freiheiten nach wie vor Gegenstand staatlicher Eingriffe, wobei sich die Regierung auf den Schutz der nationalen Sicherheit beruft (ICNL 12.1.2024): Die Regierung stützt sich bei Straftaten im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung regelmäßig auf das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung, was zur Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung einer Reihe von Journalisten führte (OHCHR 31.12.2021; vgl. OHCHR 14.11.2023). Die jordanische Verfassung überträgt alle Fragen des Personenstandsrechts von Muslimen an spezielle Gerichte, die familienbezogene Fälle auf der Grundlage der Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, behandeln. Scharia-Gerichte behandeln Frauen vor dem Gesetz nicht als gleichgestellt (Al-Jazeera 18.2.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Jordanien verfügt in Übereinstimmung mit den einschlägigen UN-Konventionen über ein staatlich gelenktes nationales Menschenrechtszentrum, das National Center for Human Rights (NCHR) (USDOS 20.3.2023). Das Zentrum hat ein umfassendes Menschenrechtsmandat und befasst sich mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen, Beschwerden, Aufklärung und Förderung, Überwachung und Integration der Menschenrechte in die jordanische Gesetzgebung und Praxis (APF 20.5.2023). (Anm.: Für Informationen zu Menschenrechtsorganisationen siehe Kapitel „NGOs und Menschenrechtsaktivisten“.) Die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen blieb bestehen, obwohl die Regierung einige begrenzte Schritte unternimmt, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Informationen über die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind nicht für alle Fälle öffentlich zugänglich. Fehlende Transparenz bei Ermittlungen und Gerichtsverfahren verstärkten innerhalb der Bevölkerung den Eindruck von Straflosigkeit (USDOS 20.3.2023). NGOs meldeten einzelne Fälle von Misshandlungen. Im Laufe des Jahres 2022 gab es Beschwerden über Misshandlungen durch den Geheimdienst d GID (General Intelligence Directory) und durch die Strafverfolgungsbehörde PSD (Public Security Directorate) Örtliche NGOs berichteten, dass Folterungen in Haftanstalten weiterhin bestehen, Bürger diese jedoch aus Angst vor Repressalien nicht melden. Die Behörden beschränken den Zugang zu Informationen über die Untersuchungsergebnisse von Folter- oder Misshandlungsfällen. Zudem melden NGOs weitverbreitete Misshandlungen Inhaftierter durch die Polizei (USDOS 20.3.2023). Es kommt auch zu Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Arbeitsmigranten. Jordanien beherbergte im Jahr 2023 schätzungsweise 49.000 ausländische Hausangestellte, vor allem von den Philippinen, Sri Lanka und Indonesien. NGOs verwiesen Hausangestellte, die mehrfach

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 40 missbraucht worden waren, an die Ermittler des Arbeitsministeriums. Zu den Missbräuchen zählte die Nichtzahlung von Löhnen, unsichere Arbeitsbedingungen, lange Arbeitszeiten, die Beschlagnahmung von Dokumenten sowie körperlicher, verbaler und sexueller Missbrauch (HRW 11.1.2024). Die jordanische Regierung nutzte die Notstandsbefugnisse des aufgrund von Covid-19 verhängten Ausnahmezustandes aus, um in die bürgerliche Freiheit einzugreifen und politische Interessen durchzusetzen. Am 16. Juli 2020 löste der Kassationsgerichtshof des Landes die Muslimbruderschaft auf, eine Organisation, die seit 1945 in Jordanien tätig war. Noch im selben Monat wurde die Lehrergewerkschaft, deren 140.000 Mitglieder gegen die Regierung protestiert hatten, aufgelöst und einige ihrer Vorstandsmitglieder verhaftet. Im Dezember 2020 löste das Strafgericht Amman die Organisation auf, die erst 2011 nach jahrelanger Lobbyarbeit gegründet worden war (BS 23.2.2022). Quellen: - Al-Jazeera (18.2.2022): ‚Elephant in the room‘: Jordanian women and equal rights, https://www.aljazeera.com/news/2022/2/18/elephant-in-the-room-jordanian-womens-struggle-for- rights, Zugriff 26.1.2024 - APF – Asia Pacific Forum (20.5.2023): Jordan - Jordan National Centre for Human Rights, https://www.asiapacificforum.net/members/jordan/, Zugriff 26.1.2024 - BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI Transformation Index. Jordan Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/JOR#pos4, Zugriff 26.1.2024 - CSO – Guide to Civil Society Organizations in Jordan (o.D.): Human Rights Organizations, http://www.civilsociety-jo.net/en/organizations/16/human-rights-organizations, Zugriff 26.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068595.html, Zugriff 26.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/jordan, Zugriff 26.1.2024 - OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (Autor: jordanische NGOs) (31.12.2021): Mid-term report on Jordan’s Commitment to Implement the Recommendations of the Universal Periodic Review for Human Rights (UPR), https://www.ohchr.org/sites/default/files/2021-12/Mid-term-report-on-Jordan-Commitment.docx, Zugriff 26.1.2024 - OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (14.11.2023): Summary of stakeholders’ submissions on Jordan - Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights [A/HRC/WG.6/45/JOR/3], https://www.ecoi.net/en/file/local/2102643/G2323450.pdf, Zugriff 26.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 26.1.2024 12. Meinungs- und Pressefreiheit Das jordanische Recht verbietet Äußerungen, die als kritisch gegenüber dem König, dem Ausland, Regierungsbeamten und -institutionen (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 20.3.2023), dem Islam und dem Christentum gelten oder als diffamierend wahrgenommen werden (HRW 11.1.2024). Das Gesetz sieht in derartigen Fällen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Die Regierung schränkte die Möglichkeit von Einzelpersonen ein, die Regierung zu kritisieren, indem sie mehrere

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 40 Aktivisten wegen politischer Äußerungen verhaftete. Die Behörden griffen auf Gesetze gegen Verleumdung von Amtsträgern und staatsanwaltlich erlassene Nachrichtensperren zurück, um die öffentliche Diskussion einzuschränken (USDOS 20.3.2023). Die jordanischen Mediengesetze sind im Allgemeinen restriktiv, vage und werden willkürlich durchgesetzt. (FH 2023). Sämtliche Medien bzw. Publikationen benötigen Lizenzen der Regierung. Die Regierung beeinflusste die Berichterstattung und die Kommentare durch politischen Druck auf die Redakteure und durch die Kontrolle über wichtige redaktionelle Positionen in regierungsnahen Medien. Einheimische und ausländische Journalisten, die im Land tätig sind, sahen sich weiterhin zunehmenden Beschränkungen ihrer Berichterstattung in Form von Nachrichtensperren, Schikanen durch Sicherheitskräfte und der Verweigerung von Genehmigungen zur Berichterstattung ausgesetzt (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Journalisten werden routinemäßig verhaftet, wenn sie gegen solche Vorschriften verstoßen. Sie sind jedoch nur selten mit ernsthafter Gewalt oder erheblichen Haftstrafen für ihre Arbeit konfrontiert, üben aber häufig Selbstzensur (FH 2023). Die Regierung verfügt über die Mehrheit der Sitze im Aufsichtsrat der führenden halbamtlichen Tageszeitung al-Rai und über einen Teil der Sitze im Aufsichtsrat der Tageszeitung ad-Dustour. Nach Angaben von Verfechtern der Pressefreiheit muss die Medienabteilung des GID (der Geheimdienst General Intelligence Directorate) die Chefredakteure der regierungsnahen Zeitungen genehmigen. Medienbeobachter stellten fest, dass das staatliche jordanische Fernsehen und Radio und die jordanische Nachrichtenagentur bei der Berichterstattung über kontroverse Themen nur den Standpunkt der Regierung wiedergeben (USDOS 20.3.2023). Es gab laut US-amerikanischem Außenministerium glaubwürdige Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht. Das Gesetz schreibt die Lizenzierung und Registrierung von Online-Nachrichten-Websites vor und macht Redakteure für die Leserkommentare auf ihren Websites verantwortlich. Zudem wird von den Website-Besitzern verlangt, dass sie der Regierung die persönlichen Daten ihrer Nutzer zur Verfügung stellen. Außerdem schreibt es auch vor, dass Chefredakteure Mitglieder des jordanischen Presseverbandes (JPA) sein müssen. Das Gesetz gibt den Behörden ausdrücklich die Befugnis, Webseiten zu blockieren und zu zensieren. Das Presse- und Veröffentlichungsgesetz erlaubt es dem Medienbeauftragten, Webseiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren (USDOS 20.3.2023). Gemäß der Gesetzgebung zur Cyberkriminalität können Internetnutzer mit Geld- oder Gefängnisstrafen von bis zu drei Monaten bestraft werden, wenn sie wegen Verleumdung in Online- Kommentaren verurteilt werden. Im August verkündeten die jordanischen Behörden ein neues repressives Gesetz zur Cyberkriminalität, das die freie Meinungsäußerung im Internet weiter zu untergraben droht. Es bedroht zusätzlich das Recht der Internetnutzer auf Anonymität und führt eine neue Behörde zur Überwachung sozialer Medien ein, die den Weg für eine verstärkte Online-Zensur bahnen könnte (HRW 11.1.2024).

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 40 Zwischen März und April 2022 wurden hunderte Journalisten, Politiker und Aktivisten teilweise aufgrund der bestehenden Gesetzgebung zur Cyberkriminalität verhaftet (FH 2023) (Anm.: für mehr Informationen siehe Kapitel „Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition“). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103171.html, Zugriff 25.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung gewährt Versammlungsfreiheit (USDOS 20.3.2023), aber die Regierung beschränkt dieses Recht in der Praxis (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Öffentliche Versammlungen und Demonstrationen müssen seit einem im März 2011 geänderten Gesetz nicht mehr von der Regierung genehmigt werden. Es ist aber weiterhin eine Genehmigung des Innenministeriums oder des General Intelligence Directorate (GID) einzuholen (HRW 11.1.2024). Das Innenministerium hat geplante öffentliche Veranstaltungen ohne Vorankündigung oder Erklärung abgesagt. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz können mit Geld- und Haftstrafen geahndet werden. Die Sicherheitskräfte sind dafür bekannt, dass sie gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen (FH 2023). Im März und April 2022 wurden hunderte Journalisten, Politiker und Aktivisten, die an Demonstrationen beteiligt waren, aufgrund vager Bestimmungen im Strafgesetzbuch und im Gesetz zur Verhinderung von Cyberkriminalität verhaftet. Mit diesen Verhaftungen wollte die Regierung regierungsfeindliche Demonstrationen und Sitzstreiks verhindern, mit denen gegen die Regierungskorruption, die Auflösung der Lehrergewerkschaft und das Gedenken an die Protestbewegung von 2011 protestiert werden sollte. Im Dezember kam es auch zu Protesten gegen gestiegene Kraftstoff- und Lebenshaltungskosten. Dabei kam es zu Ausschreitungen und anderen gewalttätigen Aktionen, bei denen ein Polizeibeamter getötet wurde (FH 2023). Die Verfassung sieht das Recht auf Vereinigungsfreiheit vor, aber in der Praxis wurde diese Freiheit durch die Regierung beschränkt. Laut Gesetz steht mehreren Ministerien das Recht zu, Anträge für die Registrierung einer Organisation oder für den Erhalt ausländischer Finanzierung aus beliebigen Gründen abzulehnen. Außerdem verbietet das Gesetz, Vereinigungen zur Stärkung politischer Organisationen zu nutzen. Das Gesetz gewährt den Ministerien außerdem signifikante Kontrolle über das interne Management von Vereinigungen, darunter das Recht, letztere aufzulösen, neue Vorstände zu ernennen und Regierungsvertreter zu den Vorstandstreffen zu senden. Vereinigungen sind verpflichtet, das Ministerium für soziale Entwicklung über Vorstandssitzungen zu informieren, die Namen aller Mitglieder preiszugeben und alle Vorstandsentscheidungen dem Ministerium zur

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 40 Genehmigung vorzulegen. Vorstandsmitglieder benötigen eine Sicherheitsfreigabe des Innenministeriums (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht Sanktionen, einschließlich Geldstrafen, für Verstöße gegen diese Vorschriften vor. Das Ministerium für soziale Entwicklung ist gesetzlich befugt, in die Aktivitäten von NGOs einzugreifen und bei Verstößen gegen das Gesetz Verwarnungen auszusprechen. In der Bevölkerung ist der Verdacht weit verbreitet, dass die Regierung zivilgesellschaftliche Organisationen, politische Parteien und Menschenrechtsorganisationen unterwandert und dass die Sicherheitsdienste politische und zivilgesellschaftliche Konferenzen und Treffen überwachen (USDOS 20.3.2023). Politische Parteien, die auf ethnischer Zugehörigkeit, Rasse, Geschlecht oder Religion basieren, sind in Jordanien verboten. Parteien müssen vom Ministerium für politische und parlamentarische Angelegenheiten genehmigt werden. Berichten zufolge haben die Behörden Personen eingeschüchtert, die versuchten, politische Parteien zu gründen. Die Islamic Action Front (IAF, Anm.: eine wichtige Oppositionspartei) wird zwar geduldet, leidet aber unter der Fehlverteilung im Wahlsystem, die sich auf ihre Unterstützerbasis in den Städten auswirkt. Ihre Mutterorganisation, die Muslimbruderschaft, wurde 2015 aus dem Register gestrichen und 2016 geschlossen. Die Regierung ließ ihre Ablegergruppe, die Muslim Brotherhood Society (MBS), zu. Dadurch wurden die bereits bestehenden Spaltungen verschärft und die Organisation politisch geschwächt. Im Jahr 2020 verlor die Organisation einen Einspruch gegen die Übertragung ihrer Büros an die MBS, woraufhin der Kassationsgerichtshof ihre Auflösung anordnete. Die IAF nahm trotz dieses Urteils an den Wahlen im November 2020 teil (FH 2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 – Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 – Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103171.html, Zugriff 25.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 14. Haftbedingungen Die Bedingungen in den 17 Gefängnissen des Landes sind unterschiedlich: alte Einrichtungen weisen schlechte Bedingungen auf, während neue Gefängnisse internationalen Standards entsprechen. Internationale Nichtregierungsorganisationen und Rechtshilfeorganisationen weisen auf Probleme wie Überbelegung, begrenzte medizinische Versorgung, unzureichende Rechtshilfe für die Insassen und begrenzte soziale Betreuung der Insassen und ihrer Familien hin. Obwohl in allen Haftanstalten eine medizinische Grundversorgung zur Verfügung steht, beklagt das medizinische Personal, dass es in den Haftanstalten im ganzen Land an angemessenen medizinischen Einrichtungen, Material und Personal mangelt. Gefangene beklagen sich über

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 40 Einzelhaft, Isolation und lange Untersuchungshaft von bis zu sechs Monaten. Lokale und internationale NGOs erhielten Berichte über Misshandlungen, Missbrauch und Folter in den Hafteinrichtungen des GID (General Intelligence Directorate). Insgesamt werden die Bedingungen in den Frauenvollzugsanstalten als besser eingeschätzt als in denen für Männern (USDOS 20.3.2023). Lokale Gouverneure nutzen weiterhin die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbrechensverhütung von 1954, um Personen unter Umgehung des Strafverfahrensrechts bis zu ein Jahr lang in Verwaltungshaft zu nehmen. Die nationale jordanische Menschenrechtsinstitution (NCHR) berichtet diesbezüglich, dass die Anzahl der betroffenen Inhaftierten zwischen 2020 und 2021 (von 21.322 auf 2258) äußerst stark gesunken ist. Jordanien ist nach wie vor eines der wenigen Länder, das Personen aufgrund von Schulden inhaftiert. Nachdem der pandemiebedingte Ausnahmezustand 2023 aufgehoben wurde, endete auch die damit verbundene Aussetzung von Inhaftierungen bei Schuldbeträgen über 7.000 US-Dollar. In weiterer Folge, so Human Rights Watch, mussten Zehntausende Jordanier Kredite aufnehmen, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen (HRW 11.1.2024). Die Behörden haben weitere Schritte unternommen, um Alternativen zu Gefängnisstrafen für gewaltlose Straftäter zu nutzen. Beispielsweise wurden 2022 rund 1400 Ersttäter zu gemeinnütziger Arbeit anstelle von Haftstrafen verurteilt. Überdies wurden auch zahlreiche Hausarreste oder Reiseverbote als Haftersatz ausgesprochen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 – Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103171.html, Zugriff 16.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 16.1.2024 15. Todesstrafe Das jordanische Strafrecht sieht die Todesstrafe vor, die auch weiterhin verhängt wird (AA 22.1.2024; vgl. AI 16.5.2023). Jordanischen Medienberichten zufolge ist die Todesstrafe seit 2017 jedoch ausgesetzt. Dennoch gibt es weiterhin 260 Gefangene, darunter 21 Frauen, die rechtskräftig zum Tode verurteilt wurden. Für die Vollstreckung der Todesstrafe ist laut Gesetz die Zustimmung des jordanischen Königs erforderlich (Jordan News 17.7.2023). Einem Bericht von Amnesty International zufolge wurden im Jahr 2022 insgesamt vier Todesurteile verhängt und Ende 2022 galten 219 Personen als zum Tode verurteilt (AI 16.5.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (AA 22.1.2024): Jordanien: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand - 22.01.2024 (Unverändert gültig seit: 23.10.2023), https://www.auswaertiges- amt.de/de/service/laender/jordanien-node/jordaniensicherheit/218008#content, Zugriff 1.2.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 40 - AI - Amnesty International (16.5.2023): Death sentences and executions 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091962/ACT5065482023ENGLISH.pdf, Zugriff 15.1.2024 - Jordan News (17.7.2023): Jordan reconsiders death penalty – 3 sentenced since 2006, https://www.jordannews.jo/Section-109/News/Jordan-reconsiders-death-penalty-3-sentenced- since-2006-29780, Zugriff 15.1.2024 16. Religionsfreiheit Nach US-Schätzungen sind rund 97.1 % der Bevölkerung sunnitische Muslime, 2.1 % Christen (nach Schätzungen lokaler Kirchen 1.8 – 3 %) während die restlichen 1 % aus Buddhisten, Bahai, Hindus und Drusen (werden von jordanischen Behörden als Muslime angesehen) bestehen. Bei den christlichen Religionsgemeinschaften werden offiziell 11 anerkannt; diese umfassen: Griechisch- Orthodoxe, Katholiken, Armenisch-Orthodoxe, Melkitische Katholiken, Anglikaner, Maroniten, Protestanten, Syrisch-Orthodoxe, Siebenten-Tags-Adventisten, Vereinigte Pfingstgemeinden und Kopten. Nach wie vor lehnt die jordanische Regierung, die Anerkennung religiöser Gruppen, einschließlich der Bahai und Zeugen Jehovas ab (USDOS 15.5.2023). Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 15.5.2023; vgl. FH 2023), garantiert aber die freie Ausübung aller Formen des Glaubens und religiöser Rituale, sofern diese mit der öffentlichen Ordnung und Moral vereinbar sind. Die Verfassung sieht vor, dass es keine Diskriminierung aufgrund der Religion geben darf (USDOS 15.5.2023). Die Verfassung lässt religiöse Gerichte zu, darunter Scharia-Gerichte für Muslime und kirchliche Gerichte, für die von der Regierung anerkannten christlichen Konfessionen. Angelegenheiten, die den persönlichen und familiären Status von Muslimen betreffen, fallen in die Zuständigkeit der Scharia-Gerichte (USDOS 15.5.2023). Die Regierung überwacht weiterhin Predigten in Moscheen und verlangt, dass Prediger auf politische Kommentare verzichten und sich an genehmigte Themen und Texte halten (USDOS 15.5.2023; vgl. FH 2023). Ein offizieller Ausschuss unter dem Vorsitz des Großmuftis regelt, welche islamischen Geistlichen Fatwas erlassen dürfen (USDOS 15.5.2023) Viele christliche Gruppen sind als religiöse Konfessionen oder Vereinigungen anerkannt und können ihre Religion frei ausüben. Die Missionierung unter Muslimen ist jedoch verboten (FH 2023). Die Scharia ist vorrangig zu beachten, was beispielsweise für Muslime ein Konversionsverbot zu anderen Religionen mit sich bringt. Dennoch berichtet USDOS weiterhin von Konversionen von Muslimen zu anderen Religionen. Einige Konvertiten zum Christentum berichten über Ausgrenzung sowie körperlichen und verbalen Missbrauch, und dass Sicherheitsbeamte sie nach der Konversion weiterhin über ihre religiösen Überzeugungen und Praktiken befragen. Manche von ihnen beten aufgrund des sozialen Stigmas, mit dem sie als Konvertiten konfrontiert sind, weiterhin heimlich (USDOS 15.5.2023). Die Regierung verfolgt Konvertiten aus dem Islam zwar nicht wegen Apostasie

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 40 (USDOS 15.5.2023; vgl. FH 28.2.2023), Betroffene berichten aber zum Teil von anhaltenden und glaubwürdigen Drohungen von Familienmitgliedern, die mit dem Schutz der traditionellen Ehre argumentieren (USDOS 15.5.2023) oder davon bürokratischen Hürden und Belästigungen ausgesetzt zu sein (FH 2023). Nach dem Personenstandsgesetz sind gemäß der Auslegung der Scharia Eheschließungen zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann nicht zulässig; der Mann muss zum Islam konvertieren, damit die Ehe als rechtmäßig gilt (USDOS 15.5.2023). Die Regierung verwehrt weiterhin einigen religiösen Gruppen, darunter den Bahais und den Zeugen Jehovas, die offizielle Anerkennung (USDOS 15.5.2023). Nicht registrierte Gruppen können ihren Glauben ausüben, sind aber aufgrund ihres illegalen Status einer Reihe von Nachteilen ausgesetzt (FH 2023). So hatten die Mitglieder dieser Gemeinschaften weiterhin Probleme bei der Registrierung ihrer Ehen und der religiösen Zugehörigkeit ihrer Kinder (USDOS 15.5.2023). Es wird über eine Zunahme von online verbreiteten Hassreden gegen religiöse Minderheiten und Gemäßigte berichtet. Spannungen in Israel und den palästinensischen Gebieten gehen oft Hand in Hand mit antisemitischen Hassreden in sozialen Medien. Mehrfach berichteten jüdische Reisende, dass sich die Grenzbehörden diskriminierend verhielten, indem sie beispielsweise religiöse Gegenstände an den Grenzübergängen beschlagnahmten (USDOS 15.5.2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 25.1.2024 17. Minderheiten Zwischen 95 und 97 % der in etwa 11.4 Millionen Jordanier sind Araber (WPR 22.1.2024). Schätzungsweise 60 % der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft (BESA 12.9.2021; vgl. Middle East Eye 26.10.2023), davon sind ungefähr 2,380 Millionen bei UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) registrierte Palästina-Flüchtlinge (UNRWA 2023). Die meisten Jordanier, einschließlich eines Teils der großen palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung, stammen von Beduinen oder Stammesangehörigen ab (MRG 6.2020). Zu den ethnischen Minderheiten in Jordanien gehören Tscherkessen, Tschetschenen, Armenier, Assyrer, Bani Murra (jordanische/syrische „Roma“, die in der Region als „Dom“ bekannt sind) sowie syrische, irakische, jemenitische und sudanesische Flüchtlinge (USDOS 20.3.2023; vgl. MRG 6.2020).
