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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 40 eines Kabinetts (BS 23.2.2022). Die verfassungsrechtliche Autorität der Monarchie führt dazu, dass keine Oppositionskraft die Kontrolle über die Exekutive allein mit demokratischen Mitteln gewinnen kann. Zuvor beobachteter Stimmenkauf wurde bei der Wahl im November 2020 noch häufiger, was teilweise auf die durch die Pandemie verursachte schlechte wirtschaftliche Lage zurückzuführen ist (FH 2023). Frauen haben gleiche politische Rechte, und weibliche Kandidaten haben in der Vergangenheit Sitze außerhalb der gesetzlichen Quoten für das Parlament und die subnationalen Räte gewonnen, aber kulturelle Vorurteile sind in der Praxis weiterhin ein Hindernis für die volle Beteiligung von Frauen. Bei den Wahlen im November 2020 gewann keine Frau einen zusätzlichen Sitz im Parlament, der über die Quote von 15 Sitzen hinausgeht. In Lokalwahlen konnten Frauen rund 27 % aller Sitze in unterschiedlichen Räten für sich beanspruchen (FH 2023). Die jordanische Regierung hat die Bemühungen um eine dauerhafte Beendigung des israelisch- palästinensischen Konflikts seit langem als eine ihrer höchsten Prioritäten bezeichnet. Im Jahr 1994 unterzeichneten Jordanien und Israel einen Friedensvertrag. 30 Jahre nach der Unterzeichnung des jordanisch-israelischen Friedensvertrags stellt der anhaltende israelisch-palästinensische Konflikt nach wie vor eine große Herausforderung für Jordanien dar. Die Frage der Rechte der Palästinenser hallt in weiten Teilen der Bevölkerung nach und der Konflikt hat die Bemühungen um eine Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Jordaniern und Israelis beeinträchtigt (CRS 23.6.2023). Besonders deutlich wurde dies nach dem brutalen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und der darauffolgenden militärischen Reaktion Israels im Gazastreifen. Da ein erheblicher Teil der jordanischen Bevölkerung palästinensischer Herkunft ist, ist die politische Atmosphäre besonders angespannt. Seit Beginn des Krieges kommt es regelmäßig - vor allem nach den Freitagsgebeten - zu teilweise emotional aufgeheizten Demonstrationen. Unter anderem wird von Zwischenfällen wie brennenden Autoreifen, Vandalismus, Sachbeschädigungen und Zusammenstößen mit Sicherheitskräften berichtet. Trotz alldem entspricht die offizielle Haltung Jordaniens der Stimmung innerhalb der Bevölkerung. Nebst einem totalen Zusammenbruch der Kommunikation zwischen Jordanien und Israel, haben der jordanische König sowie führende Politiker die israelische Militäraktion im Gazastreifen wiederholt verurteilt. Man befürchtet u.a. ein Erstarken der Hamas im eigenen Land und den möglichen Zustrom palästinensischer Flüchtlinge aus dem Gazastreifen (Washington Institute 22.12.2023). Daher fordert Jordanien regelmäßig ein Kriegsende und eine ernsthafte Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung (Washington Institute 22.12.23; vgl. Al-Jazeera 6.1.2024). Auf internationaler Ebene ist Jordanien nach wie vor eines der wichtigsten Gastländer für Flüchtlinge aus dem Irak, Syrien und (in geringerem Maße) dem Jemen. Sowohl in politischer und wirtschaftlicher als auch in sozialer Hinsicht stellen die Flüchtlinge aus den benachbarten

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 40 Konfliktländern, die Jordanien aufnimmt, eine große Belastung für die jordanische Bevölkerung dar (BS 23.2.2022; vgl. CRS 23.6.2023). Die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga Mitte Mai ging Hand in Hand mit einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Syrien und Jordanien. Im vergangenen Sommer besuchte der jordanische Außenminister den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Jordanien erhofft sich dadurch unter anderem eine freiwillige Rückkehr syrischer Flüchtlinge zu ermöglichen und den illegalen Drogenhandel an der syrisch-jordanischen Grenze in Zusammenarbeit mit den syrischen Behörden bekämpfen (Arab News 22.10.2023). Die Jordanier kämpfen an der syrisch-jordanischen Grenze gegen den Schmuggel mit der Droge Captagon, die den Nahen Osten geradezu überschwemmt. Damit finanziert sich das Assad-Regime. Die Hoffnung der Araber auf Verbesserung durch die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga hat sich nicht erfüllt (Der Standard 25.1.2024). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.2.2022a): Jordanien: Steckbrief, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/jordanien-node/steckbrief/218006, Zugriff 16.1.2024 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.2.2022b): Jordanien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/jordanien-node/politisches- portrait/218042, Zugriff 16.1.2024 - Al-Jazeera (6.1.2024): Jordan’s King Abdullah II presses Blinken to push for a ceasefire in Gaza, https://www.aljazeera.com/news/2024/1/7/jordans-king-abdullah-ii-presses-blinken-to-push-for-a- ceasefire-in-gaza, Zugriff 6.1.2024 - Arab News (22.10.2023): How Jordan and Syria can cooperate to improve relations, https://www.arabnews.com/node/2395876, Zugriff 26.1.2024 - BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (16.1.2024): Jordanien, Stand 16.01.2024 (Unverändert gültig seit: 19.10.2023), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/jordanien/, Zugriff 16.1.2024 - BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI Transformation Index. Jordan Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/JOR#pos4, Zugriff 16.1.2024 - Carnegie – Carnegie Endowment for International Peace (1.3.2022): Constitutional Amendments in Jordan, https://carnegieendowment.org/sada/86538, Zugriff 8.7.2022 - CRS – Congressional Research Service (23.6.2023): Jordan: Background and U.S. Relations, https://sgp.fas.org/crs/mideast/RL33546.pdf, Zugriff 16.1.2024 - Der Standard (21.1.2024): Brisante Konflikte im Schatten des Gaza-Kriegs, https://www.derstandard.at/story/3000000204029/brisante-konflikte-im-schatten-des-gaza-kriegs, Zugriff 24.1.2024 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/en/document/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071876.html, Zugriff 16.1.2024 - KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (2.2021): Jordan’s 2020 Parliamentary Election: Settling for the Status Quo, https://www.kas.de/documents/279984/280033/Elections+Article.pdf/4504ba80-43e8- 1e18-c5ef-0fd525b30e01?version=1.2&t=1614079882642, Zugriff 14.7.2022 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 16.1.2024 - Washington Institute – Fikra Forum (22.12.2023): What Does the War in Gaza Mean for Jordan's National Security?, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/what-does-war-gaza- mean-jordans-national-security, Zugriff 16.1.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 40 4. Sicherheitslage Laut den Sicherheits- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland besteht insbesondere aufgrund der Lage in Syrien, Irak und Israel landesweit die Gefahr von Terroranschlägen in Jordanien und eine Sicherheitsgefährdung auch an Orten, die von Ausländern besucht werden. Die jordanischen Behörden haben daher ihre Sicherheitsvorkehrungen an diesen Orten entsprechend erhöht. An den Grenzen zu Syrien und dem Irak kommt es wiederholt zu Zwischenfällen und vereinzelten Auseinandersetzungen. Das syrisch-jordanische und das irakisch-jordanische Grenzgebiet sind militärisches Sperrgebiet (AA 22.1.2024). Seit einigen Jahren kommt es im jordanisch-syrischen Grenzgebiet auch zu verstärkten Einsätzen der jordanischen Armee gegen Drogenschmugglerbanden und allen voran dem Schmuggel von Captagon. Beispielsweise kam es am 18. Dezember 2023 zu starken Gefechten zwischen dem jordanischen Militär und bewaffneten syrischen Drogenhändlern. Dabei bombardierte die jordanische Luftwaffe auch Drogenbanden im syrischen Grenzgebiet und tötete dabei mehrere Rauschgifthändler (The New Arab 17.1.2024). Es kommt sowohl in der Hauptstadt Amman als auch in anderen Städten und Ortschaften des Landes vor allem an den Wochenenden nach dem Freitagsgebet des Öfteren zu Demonstrationen und Protestaktionen, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen artikulieren. In der Folge kann es zu Verkehrsbeeinträchtigungen und auch vereinzelten gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen (AA 22.1.2024). Im Kontext des Gazakrieges ist zudem in Jordanien regelmäßig mit Demonstrationen oder Straßensperren – vor allem in den Grenzgebieten zu Israel - zu rechnen (BMEIA 22.1.2024). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2024): Jordanien - Reise- und Sicherheitshinweise, Stand - 22.01.2024 (Unverändert gültig seit: 23.10.2023), https://www.auswaertiges- amt.de/de/service/laender/jordanien-node/jordaniensicherheit/218008,Zugriff 22.1.2024 - BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (22.1.2024): Jordanien, Stand 22.01.2024 (Unverändert gültig seit: 19.10.2023) – Sicherheit und Kriminialität, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/jordanien, Zugriff 22.1.2024 - The New Arab (17.1.2024) - Syria Insight: Captagon drug trade sees tense stand-off with Jordan, https://www.newarab.com/analysis/syria-insight-captagon-drug-trade-sees-jordan-stand, Zugriff 22.1.2024 5. Rechtsschutz / Justizwesen Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, was laut US-amerikanischem Außenministerium im Allgemeinen auch respektiert wird (USDOS 20.3.2023). Laut der NGO Freedom House ist die Unabhängigkeit der Justiz allerdings auch eingeschränkt. Der König ernennt einseitig das gesamte

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 40 Verfassungsgericht und den Vorsitzenden des Justizrates, der die Richter für das Zivilgerichtssystem benennt und sich überwiegend aus hochrangigen Mitgliedern der Justiz zusammensetzt. Die Richter, sowohl des Zivilgerichts als auch des Scharia-Gerichts (islamisches Recht), die sich mit Personenstandsangelegenheiten von Muslimen befassen, werden formell per königlichem Erlass ernannt. Das Justizministerium ist befugt, die Richter zu überwachen, sie zu befördern und ihre Gehälter festzulegen, was die Autonomie der Richterschaft schwächt (FH 28.2.2022). Dem Justizsystem mangelt es an Unabhängigkeit, was dazu führt, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren häufig nicht gewährleistet werden kann (FH 2023) Dennoch gibt es Fälle richterlicher Unabhängigkeit, in denen sich Bürger erfolgreich gegen staatliche Akteure durchsetzen können (FH 28.2.2022). Das jordanische Justizsystem unterscheidet zwischen Zivil-, Religions- und Sondergerichten. Die Zivilgerichte entscheiden grundsätzlich über alle Zivil- und Strafsachen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben. Zu den zivilen Gerichten gehören u.a. Amtsgerichte, Gerichte erster Instanz, Berufungsgerichte, ein Gericht für bestimmte Schwerverbrechen (Major Felonies Court) und der Kassationsgerichtshof (Oberster Gerichtshof) (USDOS o.D.). (Anm.: Zu den religiösen Gerichten siehe weiter unten.) Das formelle Rechtssystem beseitigt nicht das Stammeskonzept der Familien: Die Zivilgesellschaft in Jordanien hat ihre Wurzeln im Stammessystem, das tief in der Gesellschaft verankert ist, und neben dem formellen Rechtssystem funktioniert. Die Stämme in Jordanien spielen eine politische Rolle, bieten ein alternatives Rechtssystem und erbringen Dienstleistungen für die Gemeinschaften. (ICNL 12.1.2024). Stammestribunale und Stammesrechtsbräuche (z.B. „Jalwa“, die Verbannung von Großfamilien als kollektive Bestrafung für die verurteilten Verbrechen eines Familienmitglieds) können in die reguläre Gerichtsbarkeit einfließen (BS 23.2.2022). Zu den religiösen Gerichten gehören die Scharia-Gerichte (islamisches Recht) und die Gerichte anderer Religionsgemeinschaften, insbesondere der christlichen Minderheit. Das Personenstandsrecht, das die Religionszugehörigkeit, die Eheschließung, die Ehescheidung, das Sorgerecht für die Kinder und das Erbrecht umfasst, fällt nach der Verfassung in die Zuständigkeit der religiösen Gerichte. Das anzuwendende Personenstandsrecht richtet sich somit nach der Religionszugehörigkeit. Für Muslime sind ausschließlich die Scharia-Gerichte zuständig. Für Fragen des Personenstandsrechts christlicher Minderheiten sind je nach Konfession (Orthodoxe, Katholiken, Melkiten usw.) die jeweiligen Kirchengerichte zuständig. Fälle, in denen eine Partei Muslim und die andere Nicht-Muslim ist, werden vor einem Zivilgericht verhandelt, es sei denn, beide Parteien stimmen der Anrufung eines Scharia-Gerichts zu (USDOS 15.5.2023). Obwohl das Kriegsrecht 1991 aufgehoben wurde, werden bestimmte Straftaten, die die Staatssicherheit berühren, immer noch vor den vom jordanischen Militär verwalteten Staatssicherheitsgerichten (SSC) verhandelt. Zu diesen Straftaten gehören Spionage, Bestechung

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 40 von Amtsträgern, Drogen- und Waffenhandel, Schwarzhandel und "Sicherheitsdelikte". Die Fälle werden in der Regel von Militärrichtern verhandelt (USDOS o.D.). Gegen Urteile des SSC kann beim Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt werden (USDOS 20.3.2023). Per Gesetz sind alle Zivilgerichtsverhandlungen und Verhandlungen mit Bezug zur Staatssicherheit öffentlich, es sei denn das Gericht beschließt, dass es für den Schutz der Allgemeinheit notwendig ist, die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung (USDOS 20.3.2023). Die Polizei kann Verdächtige bis zu sechs Monate festhalten, ohne formelle Anklage zu erheben, und die Gouverneure sind befugt, Verwaltungshaft bis zu einem Jahr zu verhängen. In der Praxis ignorieren die Behörden oft die verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen gegen willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und halten Personen ohne Kontakt zur Außenwelt oder über die gesetzlichen Fristen hinaus fest. Angeklagte haben in der Regel vor Prozessbeginn keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, was ihre Möglichkeiten zur Verteidigung beeinträchtigt. Trotz eines verfassungsrechtlichen Verbots akzeptieren Gerichte angeblich unter Folter erzwungene Geständnisse (FH 2023). Angeklagte haben das Recht auf einen Rechtsbeistand, der – im Fall von Anklagen für Verbrechen, die mit der Todesstrafe bzw. lebenslänglicher Haft bestraft werden – bedürftigen Personen auf Staatskosten zur Verfügung gestellt wird. Jedoch haben in der Praxis viele Angeklagte in strafrechtlichen Fällen keinen zeitgerechten Rechtsbeistand (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Die Behörden missachten das Recht der Angeklagten auf frühzeitige und detaillierte Information über ihre Anklagepunkte, auch wird ihnen oft keine angemessene Zeit zur Vorbereitung des Gerichtsprozesses zur Verfügung gestellt. Trotz bestehender Bemühungen die Situation zu verbessern, erhalten ausländische Einwohner, insbesondere nicht-arabischsprachige Gastarbeiter, zum Teil keinen Dolmetscher oder Rechtsbeistand. Wie gesetzlich vorgesehen, hat das Justizministerium in Zusammenarbeit mit der jordanischen Anwaltskammer und einer Menschenrechts-NGO eine eigene Stelle für die Rechtsberatung von Zeugen und Angeklagten eingerichtet (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI Transformation Index. Jordan Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/JOR#pos4, Zugriff 23.1.2024 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 23.1.2024 - FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071876.html, Zugriff 16.1.2024 - HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068595.html, Zugriff 23.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/jordan, Zugriff 23.1.2024 - United States Embassy in Jordan [USA] (o.D.): Jordanian Legal System, https://jo.usembassy.gov/u-s-citizen-services/local-resources-of-u-s-citizens/attorneys/jordanian- legal-system/, Zugriff 1.2.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 40 - USDOS – United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 1.2.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 6. Sicherheitsbehörden Der König ernennt eigenmächtig die Leitung der Streitkräfte, des Geheimdienstes und der Gendarmerie (FH 2023). Das Direktorat für öffentliche Sicherheit (PSD, Public Security Directorate) ist für die Strafverfolgung zuständig und untersteht dem Innenministerium. Das PSD und das GID (General Intelligence Directorate, Anm.: der Geheimdienst, arabisch "Mukhabaraat") teilen sich die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das GID berichtet in der Praxis direkt dem König (USDOS 20.3.2023). Die Streitkräfte unterstehen verwaltungstechnisch dem Verteidigungsminister und haben eine unterstützende Funktion für die innere Sicherheit. Es gibt kein separates Verteidigungsministerium; der Premierminister fungiert auch als Verteidigungsminister (USDOS 20.3.2023). Die zivilen Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begangen haben (USDOS 20.3.2023). Polizeibeamte müssen sich vor Polizeigerichten verantworten, wenn sie entweder strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich bestraft werden sollen. Das National Center for Human Rights (NCHR) und mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) forderten wiederholt, dass Polizeibeamte, die grober Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, vor unabhängigen Zivilgerichten und nicht vor Polizeigerichten verurteilt werden sollten, weil diese dem Innenministerium unterstehen, und nach Ansicht der NGOs als weniger unabhängig gelten. Die NGOs beklagten sich häufig darüber, dass sie keinen Zugang zu Informationen über die Ergebnisse der Verfahren erhalten haben (USDOS 20.3.2023). Es gibt keine Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch Behörden oder ihre Vertreter. Darüber hinaus gab es im beobachteten Zeitraum einen Todesfall in Gewahrsam, bei dem glaubhaft behauptet wurde, er sei durch Folter verursacht worden (Anm.: siehe Kapitel „Folter und unmenschliche Behandlung“). Es gab Entwicklungen in Bezug auf Todesfälle in Gewahrsam aus den Vorjahren. Beispielsweise äußerte eine NGO ihre Besorgnis darüber, dass nach dem Tod einer namentlich nicht genannten Person in einem Krankenhaus in Irbid, nicht genügend Informationen öffentlich zugänglich seien, um eine willkürliche oder unrechtmäßige Tötung durch Sicherheitskräfte auszuschließen (USDOS 20.3.2023). Quellen:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 40 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/en/document/2094369.html, Zugriff 25.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 25.1.2024 7. Folter und unmenschliche Behandlung Die Verfassung verbietet Folter, einschließlich psychischer Schäden, durch Amtsträger und sieht Strafen von bis zu drei Jahren Freiheitsentzug für ihre Anwendung vor, bei schweren Verletzungen bis zu 15 Jahre (USDOS 20.3.2023). Diesbezüglich verweisen Menschenrechtsanwälte jedoch auf Unklarheiten im Strafgesetzbuch und fordern nebst einer klaren Definition des Folterbegriffes verbesserte Richtlinien im Kontext von Strafvollstreckungen. Während das Gesetz solche Praktiken verbietet, berichten internationale und lokale NGOs weiterhin über Folter und Misshandlungen in Polizei- und Sicherheitsgefängnissen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Laut der NGO Freedom House werden solche Praktiken häufig angewandt (FH 2023). Amnesty International (AI) zufolge, wurden im Jahr 2022 bei Foltervorwürfen „keine umgehenden, unparteiischen und unabhängigen Untersuchungen“ eingeleitet. In diesem Fall bezieht sich AI konkret auf den Tod des Inhaftierten Zaid Sudqi Ali Dabash am 6.September 2022. Nach Angaben des Familienanwalts wies der Leichnam Folterspuren auf (AI 28.3.2023), nachdem die Familie auf eine zweite Autopsie durch unabhängige Ärzte bestanden hatte. Laut USDOS hatten die jordanischen Justizbehörden wegen eines Fluchtversuchs Gewalt angewendet. In einer ersten Autopsie durch die Behörden war Folter als Todesursache ausgeschlossen worden. Laut jordanischen Medien wurden im Fall Dabash acht Beamte wegen Folter und Körperverletzung angeklagt. Von Seiten der jordanischen Behörden gab es dazu jedoch keine Stellungnahme (USDOS 20.3.2023). Kritisiert wurde, dass der Fall als Menschenrechtsverletzung an ein Militärgericht und nicht an ein Zivilgericht übergeben wurde (AI 28.3.2023). Laut Angaben des Direktorats für öffentliche Sicherheit (PSD, Public Security Directorate) wurden im Jahr 2022 91 Beschwerden gegen Beamte wegen angeblicher Schädigung (ein geringerer Vorwurf als Folter, bei dem kein Vorsatz nachgewiesen werden muss) gemeldet; 36 Beschwerden wurden an die Gerichte weitergeleitet. Das Büro für Menschenrechte und Transparenz meldete, dass im selben Zeitraum 29 Anschuldigungen (im Vorjahr 12) wegen Folter und Misshandlung in Gefängnissen und Rehabilitationszentren eingegangen seien (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AI – Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Jordan 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089544.html, Zugriff 10.1.2024 - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094369.html, Zugriff 10.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 10.1.2024

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 40 8. Korruption Der Corruption Perception Index von Transparency International liegt im Fall von Jordanien bei 47/100 (0 für sehr korrupt, 100 für nicht korrupt). Jordanien belegt damit im Ranking den 61. von 180 Plätzen (TI 2023; vgl. TI 31.1.2023). Demnach hat Jordanien im Vergleich zu den Vorjahren zwei Punkte verloren. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Regierung ist somit aufgrund vermehrter Einschränkungen gestiegen. Grund dafür ist vor allem die Verhängung des Ausnahmezustands während der COVID-19-Pandemie und das damit verbundene Vorgehen gegen Zivilgesellschaft und Journalisten, die Kritik an der Regierung äußerten (TI 31.1.2023). Dabei wurden in vergangenen Jahren Sicherheitsmaßnahmen missbraucht, um die Versammlungs- und Redefreiheit einzuschränken. Hinzu kommt, dass die schwache Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Parlament, die Korruption und die seit Jahren versprochenen demokratischen Reformen verzögern (TI 25.1.2022). Aktivisten und Journalisten fanden es zudem schwierig, Zugang zu staatlichen Berichten und Statistiken zu erhalten. Sie führten das auf einen mangelnden Zugang, ineffiziente Aktenführung und auf die Vorenthaltung von Informationen durch die Regierung zurück (USDOS 20.3.2023). Die Regierung hat Bemühungen unternommen, um die weitverbreitete Korruption zu bekämpfen. Die Integrity and Anticorruption Commission (JIACC) ist als Antikorruptionsbehörde zuständig für die Untersuchung von Korruptionsvorwürfen. Erfolgreiche strafrechtliche Verfolgungen gibt es allerdings selten, vor allem wenn es sich um hochrangige Beamte handelt (FH 2023). Behörden zeigten jedoch in den letzten Jahren eine zunehmende Bereitschaft, Ermittlungen wegen Korruption im öffentlichen Dienst einzuleiten. Im Laufe des Jahres 2022 wurden zahlreiche lokale Beamte sowie der ehemalige Präsident der jordanischen Phosphat- und Bergbaugesellschaft, Walid al-Kurdi, verurteilt. Im September 2022 bestätigte das jordanische Berufungsgericht erstinstanzliche Verurteilungen lokaler Beamter, die in einen Korruptionsfall im Zusammenhang mit illegaler Tabakproduktion und Schmuggel verwickelt waren (USDOS 20.3.2023). Die Nutzung von familiären, geschäftlichen und anderen persönlichen Verbindungen zur Förderung persönlicher wirtschaftlicher Interessen ist weit verbreitet (USDOS 20.3.2023). Dieses Phänomen ist in Jordanien auch als „Wasta-Netzwerk“ bekannt. Diese Art der Vetternwirtschaft führt z.B. dazu, dass Unternehmen und Sektoren nur Personen aus der gleichen Gemeinschaft einstellen. Die Regierung war bislang nicht in der Lage, das Erbe der mit der Elite verbundenen Privilegien und Wasta-Netzwerke zu überwinden und gleichzeitig Sparmaßnahmen zu ergreifen. Da die Korruption in Jordanien immer stärker wahrgenommen wird, fühlen sich große Teile der jordanischen Gesellschaft von der herrschenden Klasse und der von ihr gesteuerten Wirtschaftspolitik entfremdet (FES 10.2020). Quellen:

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 40 - FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (10.2020): Jordan, International and Financial Institutions and Social Justice, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/amman/16643.pdf, Zugriff 11.1.2023 - FH – Freedom House (2023): Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom- world/2023, Zugriff 11.1.2023 - TI – Transparency International (31.1.2023): CPI 2022 for Middle East & North Africa, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2022-middle-east-north-africa-corruption-fuels-ongoing- conflict, Zugriff 10.1.2024 - TI – Transparency International (2023): Jordan – Corruption Perception Index, Jordan - Transparency.org, Zugriff 10.01.2024 - TI – Transparency International (25.1.2022): CPI 2021 for Middle East & North Africa, https://www.transparency.org/en/news/cpi-2021-middle-east-north-africa-systemic-corruption- endangers-democracy-human-rights, Zugriff 11.1.2023 - USDOS – United States Department of State [USA] (30.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 11.1.2023 - USDOS – United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071204.html, Zugriff 11.1.2023 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sind mit einigen Einschränkungen im Land tätig. Das Gesetz gibt der Regierung die Möglichkeit, die inneren Angelegenheiten der NGOs zu kontrollieren (USDOS 20.3.2023). Das Ministerium für soziale Entwicklung verfügt über weitreichende Aufsichtsbefugnisse über die Tätigkeit der NGOs. Es ist befugt, die Registrierung und die Beantragung ausländischer Mittel zu verweigern und kann Organisationen auflösen, die es für bedenklich hält. Die Vorstandsmitglieder von NGOs müssen von staatlichen Sicherheitsbeamten überprüft werden. In der Praxis werden diese Vorschriften auf undurchsichtige und willkürliche Weise angewandt (FH 2023). In Jordanien sind NGOs im Allgemeinen in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und öffentlich darüber zu berichten, obwohl Regierungsbeamte nicht immer kooperativ sind. Zudem wurden, nach Aussage lokaler Quellen, im Jahr 2022 die Telefone von fast 200 jordanischen Aktivisten, Journalisten, Politikern und Regierungsbeamten durch die Spionagesoftware Pegasus überwacht (USDOS 20.3.2023) Viele offizielle zivilgesellschaftliche Organisationen in Jordanien konzentrierten sich anfangs hauptsächlich auf karitative und Hilfstätigkeiten. Nach dem Beitritt Jordaniens zu internationalen Übereinkommen wie beispielsweise dem UN-Übereinkommen über bürgerliche und politische Rechte wurden einige Organisationen gegründet, um die Öffentlichkeit für die Menschenrechte, einschließlich des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, zu sensibilisieren (ICNL 12.1.2024). Das Gesetz verlangt, dass der Gouverneur mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung von Sitzungen oder Veranstaltungen lokaler oder internationaler NGOs darüber informiert wird. Mehrere NGOs berichteten, dass Hotels vor der Durchführung von Schulungen, privaten Treffen oder öffentlichen Konferenzen von ihnen die Vorlage eines entsprechenden Genehmigungsschreibens des Gouverneurs verlangten, wobei derartige Genehmigungen durchaus auch verweigert wurden. Ohne

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 40 Genehmigungsschreiben der Regierung wurden die Veranstaltungen und Schulungen von den Hotels abgesagt. In einigen Fällen verlagerten NGOs die Veranstaltungen und Schulungen in private Büros. NGOs können ihre Aktivitäten freier durchführen, wenn sie Videokonferenzsoftware verwenden, weil die Behörden diese Online-Plattformen nicht zensieren können (USDOS 20.3.2023). Quellen: - FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom-world/2023, Zugriff 23.1.2024 - ICNL – International Center for Not-for-Profit Law (12.1.2024): Civic Freedom Monitor – Jordan, https://freedomhouse.org/country/jordan/freedom-world/2023, Zugriff 23.1.2024 - USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Jordan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089239.html, Zugriff 23.1.2024 10. Wehrdienst und Rekrutierungen Die Wehrpflicht wurde 1991 abgeschafft. 2019 wurde ein freiwilliger viermonatiger Wehrdienst für Männer und Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten arbeitslos sind, angekündigt. Der Dienst würde einen Monat militärische Ausbildung und die restlichen drei Monate berufliche Ausbildung in den Bereichen Bauwesen und Tourismus umfassen (CIA 17.1.2024). Im Jahr 2020 kündigte die jordanische Regierung auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht für arbeitslose Männer zwischen 25 und 29 Jahren an, und zwar mit einer Dienstdauer von 12 Monaten (CIA 17.1.2024), um die Arbeitslosigkeit im Land zu bekämpfen (Arab News 9.9.2020). Die Vereinbarung sieht vor, dass die Männer eine dreimonatige militärische Ausbildung absolvieren und alle Wehrpflichtigen in den verbleibenden neun Monaten ihres Dienstes in der Privatwirtschaft ausgebildet und eingesetzt werden. Die Armee zahlt den Wehrpflichtigen 100 Dinar (141 US-Dollar) pro Monat und übernimmt ihre Gehälter bis zu einem Mindestlohn von 220 Dinar, wenn sie eine Stelle in einem Privatunternehmen antreten (Arab News 9.9.2020). Mit 17 Jahren kann ein freiwilliger Militärdienst angetreten werden. Die anfängliche Dienstdauer beträgt zwei Jahre, mit der Option sich für weitere 18 Jahre zu verpflichten (CIA 17.1.2024). Mit Stand 2023 machten Frauen rund 3% der jordanischen Heeres aus (CIA 17.1.2024). Quellen: - Arab News (9.9.2020): Jordan orders army conscription for 25-29-year-olds to help tackle unemployment, https://www.arabnews.com/node/1732116/middle-east, Zugriff 24.1.2024 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (17.1.2024): The World Fact Book – Jordan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/jordan/#military-and-security, Zugriff 24.1.2024
