keni-lib-2023-08-09-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
4. Sicherheitslage Grundsätzlich hat der kenianische Staat das Gewaltmonopol im Land inne, welches jedoch nicht immer und nicht in vollem Umfang auf dem gesamten Staatsgebiet ausgeübt wird. Besonders in den ausgedehnten, spärlich besiedelten Trocken- und Halbtrockengebieten des Nordens und Nordostens ist die staatliche und polizeiliche Präsenz gering, während es häufig sowohl an der Fähigkeit als auch am Willen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung fehlt (BS 2022). Im ganzen Land bestehen große politische und soziale Spannungen. Sie können jederzeit zu Demonstrationen, Straßenblockaden und Gewaltausbrüchen führen. Das Risiko, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt ist groß (EDA 18.7.2023). Seit dem 20.3.2023 kam es in verschiedenen Landesteilen Kenias zu Demonstrationen seitens der Oppositionspartei „Azimio“ gegen die kenianische Regierung, letztmalig am 12.7.2023 mit Plünderungen und erheblichen Sachbeschädigungen. Die kenianischen Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. Es kam zu über 300 Festnahmen (AA 28.7.2023). Unbestätigten Meldungen zufolge kam es unter den Demonstranten zu sieben Todesopfern in unterschiedlichen Landesteilen (AA 28.7.2023; vgl. EDA 18.7.2023). Betroffen waren am 12.7.2023 vor allem die südlichen Counties (AA 28.7.2023). In Kenia besteht eine erhöhte Gefahr terroristischer Anschläge (AA 28.7.2023; vgl. FCDO 4.8.2023a). Gemäß dem alljährlich erscheinenden Global Terrorism Index (GTI), der die Auswirkungen von Terrorismus auf ein Land misst, belegt Kenia 2023 wie im Vorjahr den 20. Platz, gleichbedeutend mit einem hohen Risiko (IEP 3.2023). Weiterhin stellen die in Somalia ansässige [Anm.: al-Qaida nahestehende] Miliz al-Shabaab und ihren kenianischen Sympathisanten die größte terroristische Bedrohung dar (GW 26.4.2022; vgl. FCDO 4.8.2023a). Die somalische Al-Shabaab-Terrororganisation hat mit Vergeltungsaktionen als Reaktion auf die Beteiligung der kenianischen Streitkräfte an der ATMIS-Mission (ehemals AMISOM-Mission) in Somalia gedroht. Mehrere Anschläge und eine Reihe vereitelter Anschläge haben die Entschlossenheit der Terroristen unter Beweis gestellt. So erfolgte 2019 ein Anschlag auf den DusitD2-Hotel- und Bürokomplex; 2020 ein Selbstmordanschlag auf ein kenianisches Militärlager in der Provinz Lamu. Regierungsgebäude, Hotels, Bars und Restaurants, Einkaufszentren, kirchliche Einrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, Kleinbusse, Fähren, Flughäfen und andere stark frequentierte Einrichtungen zählen zu den Orten mit erhöhter Gefährdung (AA 28.7.2023; vgl. FCDO 4.8.2023a). Auch der IS in Kenia dürfte am Erstarken sein (FCDO 4.8.2023a). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 35

Im Allgemeinen haben sich die Aktivitäten von al-Shabaab in Kenia während 2022 ausgeweitet. Die NGO ACLED (Armed Conflict Location and Event Data Project) registriert einen 66- prozentigen Anstieg der politischen Gewalttaten, an denen die Miliz beteiligt war, im Vergleich zu 2021 (ACLED 2.3.2023). In Todeszahlen bedeutet das einen Anstieg von 43 zu 51 Toten im Jahr 2022, die meisten davon wiederum im County Mandera (IEP 3.2023). Die neue Regierung Kenias unter Ruto geht weiterhin gegen al-Shabaab vor. Das kenianische Militär ist nicht nur im eigenen Land gegen die islamistische Miliz aktiv, sondern beteiligt sich auch an der ATMIS-Mission [Anm.: ehemals AMISOM-Mission] in Somalia (ACLED 2.3.2023; vgl. CIA 16.5.2023). Als Reaktion auf diese Beteiligung hat al-Shabaab mit Vergeltungsaktionen gedroht (AA 28.7.2023). In ländlichen Teilen Kenias können Spannungen zwischen Gemeinschaften aufgrund ethnischer Zugehörigkeit und Ressourcenzugangs zu sporadischen Zusammenstößen führen, welche durch die weit verbreitete Verfügbarkeit von Schusswaffen noch verschärft werden (GW 26.4.2022; vgl. ACLED 2.3.2023). Insbesondere sogenannte Hirtenmilizen und deren Aktivitäten stellen eine Sicherheitsbedrohung dar: 2022 wurden 170 Fälle politischer Gewalt, an denen Hirtenmilizen beteiligt waren und welche insgesamt 193 Todesopfer - vornehmlich Zivilisten - forderten, von ACLED verzeichnet (ACLED 2.3.2023). Polizei und paramilitärische Kräfte verfolgen aktuell verstärkt bewaffnete Banden, die sich im Norden des Landes in schwierigem Gelände, abgelegenen Schluchten, Hügeln und Wäldern zurückgezogen haben (AA 28.7.2023). 2012 einigten sich Kenia und Äthiopien ihre gemeinsame Grenze neu festzulegen. 2021 sprach der Internationale Gerichtshof (IGH) Somalia ein umstrittenes Meeresgebiet zu; Kenia erkennt diese Entscheidung nicht an. Zwei Drittel der Grenze zwischen Kenia und dem Südsudan, das sogenannte Ilemi-Dreieck, ist bis heute umstritten, wird aber von Kenia verwaltet. Die beiden Länder einigten sich 2019 auf einen gemeinsamen Demarkationsprozess binnen 90 Tagen, wobei dieser ob fehlender Mittel noch nicht einsetzte. Im Jahr 2021 wurde der Grenzverlauf zwischen Kenia und Tansania von beiden Ländern bestätigt und im selben Jahr begannen Kenia und Uganda mit einer gemeinsamen Demarkation ihrer Grenze (CIA 25.7.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.7.2023): Kenia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/keniasicherheit/208058, Zugriff 8.8.2023 - ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (2.3.2023): Context Assessment: Increasing Security Challenges in Kenya, https://acleddata.com/2023/03/02/kenya-context- assessment-increasing-security-challenges-in-kenya/, Zugriff 9.8.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 35

- FCDO - Foreign, Commonwealth and Development Office [Vereinigtes Königreich] (4.8.2023a): Foreign travel advice: Kenya, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/kenya/terrorism, Zugriff 9.8.2023 - GW - Garda World (26.4.2022): Crisis24: Kenya Country Report. Security, https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/intelligence/country-reports/kenya? origin=de_riskalert, Zugriff 9.8.2023 - IEP - Institute for Economics and Peace (3.2023): Global Terrorism Index 2023, https://www.economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2023/03/GTI-2023-web-170423.pdf, Zugriff 9.8.2023 5. Rechtsschutz / Justizwesen Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 20.3.2023). Obwohl die Gerichtsverfahren ineffizient sind, gilt die kenianische Justiz im Allgemeinen als unabhängig, und die Gerichte haben diese Unabhängigkeit in den letzten Jahren durch eine Reihe von viel beachteten Urteilen unter Beweis gestellt (FH 2023). Die Regierung respektiert die richterliche Unparteilichkeit allerdings nicht immer: Sie untergräbt zuweilen die Unabhängigkeit der Justiz und hält sich zuweilen nicht an gerichtliche Anordnungen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Das kenianische Rechtssystem basiert auf kodifiziertem Recht, dem englischen Common Law, Gewohnheitsrecht und dem islamischen Recht (GAJP 2021; vgl. CIA 25.7.2023). Das Justizwesen gliedert sich ex lege in obere - u.a. Supreme Court, Court of Appeal und High Court - und untergeordnete Gerichte, vor allem die sogenannten Magistrates’ Courts, welche befugt sind, alle Strafsachen außer Mord, Hochverrat und Verbrechen nach internationalem Strafrecht zu verhandeln (GAJP 2021). Im September 2022 entschied der Oberste Gerichtshof gegen die amtierende Regierung und bestätigte einstimmig das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen, was seine Rolle als unabhängige letzte Instanz bei Wahlstreitigkeiten stärkte (FH 2023). Auch das Urteil des Berufungsgerichts vom August 2021 über die Verfassungsmäßigkeit des BBI-Gesetzes [Anm.: „Building Bridges Initiative“] wurde weithin als Sieg für die Unabhängigkeit der Justiz angesehen; der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil im März 2022 (FH 2023; vgl. TEA 31.3.2022). Die Judicial Service Commission (JSC), ein verfassungsmäßig vorgesehenes Aufsichtsgremium, das die Justiz vor politischem Druck schützen soll, legt dem Präsidenten eine Liste mit Kandidaten für die Ernennung von Richtern vor. Der Präsident wählt einen der Kandidaten aus, der vom Parlament bestätigt werden muss. Der Präsident ernennt auf diese Weise den Obersten Richter sowie die Richter der Berufungsinstanz und des Obersten Gerichtshofs. Die Kommission überprüft die ernannten Richter öffentlich (USDOS 20.3.2023). Manchmal ignoriert die Regierung die Empfehlungen der JSC (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 35

Das Gesetz sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, auch wenn gefährdete Personen teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen dürfen; die unabhängige Justiz hat dieses Recht im Allgemeinen durchgesetzt. Das Gesetz gibt den Angeklagten auch das Recht, unverzüglich und ausführlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert zu werden, obwohl die Behörden die Personen nicht immer unverzüglich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informieren. Es gibt keinen staatlich geförderten Pflichtverteidigerdienst mit ausreichender Finanzierung, um die Nachfrage zu decken, und die Gerichte verhandeln weiterhin die meisten Angeklagten ohne Vertretung. Viele Angeklagte vertreten sich selbst, da sie sich keinen Rechtsbeistand leisten können, oder verlassen sich auf freiwillige Anwaltsgehilfen in den Gefängnissen (USDOS 20.3.2023). Im Allgemeinen haben die Bürger Vertrauen in die Fähigkeit der Justiz, für Kontrolle und Ausgewogenheit zu sorgen, und wenden sich häufig an die Justiz, wenn sie das Gefühl haben, dass entweder die Exekutive oder das Parlament ihre Grenzen überschreiten (BS 2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - GAJP - Global Access to Justice Project [Makokha Baraza, Nancy / Kimani, Kennedy] (2021): Access to Justice in Kenya, https://globalaccesstojustice.com/files/national_reports/national- report-kenya.pdf, Zugriff 8.8.2023 - TEA - The East African (31.3.2023): Kenya's Supreme Court declares BBI unconstitutional, https://www.theeastafrican.co.ke/tea/news/east-africa/kenya-s-supreme-court-declares-bbi- unconstitutional-3766868, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 6. Sicherheitsbehörden Der Nationale Polizeidienst sorgt für die innere Sicherheit und untersteht dem Ministerium für Inneres (USDOS 20.3.2023; vgl. CIA 25.7.2023). Der Nationale Nachrichtendienst sammelt nachrichtendienstliche Informationen sowohl intern als auch extern und ist direkt dem Präsidenten unterstellt. Die kenianischen Streitkräfte sind dem Verteidigungsministerium unterstellt und haben einige Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit, einschließlich der Grenzsicherung und der Unterstützung ziviler Organisationen bei der Aufrechterhaltung der Ordnung, einschließlich der Reaktion nach Katastrophen (USDOS 20.3.2023). Die Kenya Defence Forces (KDF) verfügen über rund 24.000 Mann (20.000 Landstreitkräfte; 1.500 Marine; 2.500 Luftwaffe). Die KDF gelten als erfahrene, effektive und professionelle Streitkräfte; .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 35

sie führen seit 2011 Operationen im benachbarten Somalia durch und nehmen an zahlreichen regionalen friedenserhaltenden und sicherheitsrelevanten Missionen teil; sie sind ein führendes Mitglied der Africa Standby Force; die KDF trainieren regelmäßig, nehmen an multinationalen Übungen teil und haben Verbindungen zu einer Vielzahl ausländischer Streitkräfte, darunter Frankreich, Großbritannien und die USA. Zu ihren wichtigsten Sicherheitsanliegen und -aufgaben gehören der Schutz der Souveränität und des Territoriums des Landes, regionale Streitigkeiten, die Bedrohung durch die im benachbarten Somalia ansässige Terrorgruppe al-Shabaab, Seekriminalität und Piraterie sowie die Unterstützung der zivilen Behörden bei der Reaktion auf Notfälle, Katastrophen oder politische Unruhen, sofern dies gewünscht wird (CIA 25.7.2023). Es gibt Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte zahlreiche Übergriffe begangen haben (USDOS 20.3.2023). Der Polizeidienst ist durch Korruption, Fehlverhalten und Berichte über außergerichtliche Tötungen völlig unterminiert (FH 2023). Die Institutionen und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, die Justiz und das politische System haben sich bisher als zu schwach erwiesen, um den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen. Das Gleiche gilt für außergerichtliche Tötungen durch die Polizei im Namen der Bekämpfung von Unsicherheit und Kriminalität (BS 2022). Die zivilen Behörden üben zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 2022). Politische Einmischung, das Fehlen einer angemessenen Sicherheitsaufsicht und ein hohes Maß an Korruption sowie technische und organisatorische Mängel innerhalb der Polizei sind die Hauptgründe für diese Lücken. In ländlichen Gebieten ist es der Polizei nicht gelungen, das bewaffnete Banditentum einzudämmen (BS 2022). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 7. Folter und unmenschliche Behandlung Das Gesetz enthält Bestimmungen zur Anwendung von Verfassungsartikeln, darunter die Freiheit von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, die Achtung und der Schutz der Menschenwürde sowie die Freiheit und Sicherheit der Person. Das Gesetz bietet auch eine Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung von Folter, von der jedoch nur selten Gebrauch gemacht wurde (USDOS 20.3.2023). Trotz einiger Fortschritte bei der Förderung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 35

einer Kultur der Achtung der Bürgerrechte kommt es immer noch in erheblichem Umfang zu willkürlichen Verhaftungen und außergerichtlichen Tötungen durch die Polizeikräfte, meist ohne rechtliche Konsequenzen für die Täter, insbesondere wenn politische Interessen im Spiel sind. Bis dato erweisen sich das politische System sowie die Justiz als zu schwach, um den Kreislauf der Straflosigkeit bei außergerichtlichen Tötungen durch die Polizei zu durchbrechen (BS 2022). Es gibt Berichte über außergerichtliche Tötungen (HRW 12.1.2023; vgl. FH 2023) und Verschwindenlassen durch die Sicherheitskräfte (HRW 12.1.2023). NGOs erhielten weiterhin Berichte über Folter und andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die Regierungstruppen. Die IMLU [Anm.: Independent Medico Legal Unit] meldete 109 Fälle von Folter zwischen Januar und September 2022, verglichen mit 78 Fällen im gleichen Zeitraum des Jahres 2021. Berichten zufolge haben Polizei- und Gefängnisbeamte Folter und Gewalt bei Verhören sowie zur Bestrafung von Untersuchungshäftlingen und verurteilten Gefangenen eingesetzt. Eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen und Medien berichteten, dass die Polizei wahllos und ungestraft Gewalt gegen arme Menschen und ethnische Minderheiten ausübt (USDOS 20.3.2023). Im Oktober 2022 ordnete Präsident Ruto die Auflösung der Special Services Unit (einer Einheit innerhalb der DCI) an, die von vielen verdächtigt wird, Menschenrechtsverletzungen, einschließlich gezielter außergerichtlicher Tötungen, begangen zu haben (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085468.html, Zugriff 1.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 8. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für behördliche Korruption vor. Im Laufe des Jahres 2022 gab es zahlreiche Berichte über staatliche Korruption. Beamte verüben häufig ungestraft mutmaßlich korrupte Praktiken. Trotz öffentlicher Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung stößt die Regierung weiterhin auf Hindernisse bei der wirksamen Umsetzung der einschlägigen Gesetze. Die Justiz beschleunigte die Bearbeitung von Korruptionsfällen durch die Einführung von virtuellen Gerichtssitzungen (USDOS 20.3.2023). Die Korruption ist nach wie vor eine Plage für die nationalen und regionalen Regierungen in Kenia (FH 2023) bzw. ist diese weit verbreitet. Verwaltungsstrukturen funktionieren aufgrund von Korruption nicht wie vorgesehen (BS 2022). Die staatlichen Institutionen, die mit der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 35

Korruptionsbekämpfung beauftragt sind, sind ineffizient (FH 2023). Der Ethik- und Antikorruptionskommission (EACC) fehlt es an Strafverfolgungsbefugnissen (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023), und sie war bei der Verfolgung von Korruptionsfällen weitgehend erfolglos. Die Schwäche der EACC wird durch Unzulänglichkeiten im Büro des Direktors der Staatsanwaltschaft (ODPP) und in der Justiz noch verstärkt (FH 2023). Die Institutionen und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sowie das Justizwesen und das politische System haben sich bisher als zu schwach erwiesen, um den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen [BS 2022). Im Februar 2022 setzte der Oberste Richter einen behördenübergreifenden Antikorruptionsausschuss ein. Der Ausschuss hat den Auftrag, die Engpässe und Herausforderungen bei der Korruptionsbekämpfung zu ermitteln und Empfehlungen zu deren Behebung abzugeben. Da die Gerichte einen erheblichen Rückstand bei der Bearbeitung von Fällen haben und sich stark auf Gerichtsverfahren (statt auf Vergleiche) verlassen, könnte es Jahre dauern, bis Korruptionsfälle abgeschlossen werden (USDOS 20.3.2023). Am Corrupion Perceptions Index von Transparency International liegt Kenia mit 32 von 100 Punkten auf Rang 123 von 180 Ländern (TIK 31.1.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - TIK – Transparency International Kenya (31.1.2023): Corruption Perceptions Index 2022 Press Release, https://tikenya.org/2023/01/31/corruption-perceptions-index-2022/, Zugriff 1.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Der Wehrdienst in Kenia ist freiwillig. Freiwillige 18-26 jährige kenianische Staatsbürger beiderlei Geschlechts können sich rekrutieren lassen. Obergrenze ist ein Alter von 30 Jahren für Spezialisten, Handwerker oder Frauen mit Diplom; 39 Jahre für Kapläne/Imame); 9-jährige Dienstverpflichtung (7 Jahre für kenianische Marine) und anschließende 3-jährige Wiederverpflichtung; Bewerber müssen kenianische Staatsbürger sein (Stand 2022) (CIA 25.7.2023). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 35

10. Allgemeine Menschenrechtslage Heute zählt Kenia zu den politisch stabilsten Ländern Ostafrikas. Die kenianische Zivilgesellschaft und der Großteil der Medien können weitgehend frei arbeiten. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus kommt es jedoch immer wieder zu Versuchen, den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft einzuschränken (AA 31.5.2023). Nach der Verfassung kann sich jede Gruppe frei versammeln oder zusammenschließen. Die kenianische Regierung schränkt das Recht auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung jedoch weiterhin stark ein, indem sie unverhältnismäßige Gewalt anwendet, friedliche Demonstranten, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten festnimmt und inhaftiert (BS 2022). Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen; gewaltsames Verschwindenlassen; Folter und Fälle grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medien, einschließlich Gewalt oder Gewaltandrohung gegen Journalisten und Zensur; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich der Schikanierung von Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten; schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Untersuchung und Rechenschaftspflicht für geschlechtsspezifische Gewalt; und die Existenz von Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen, obwohl es keine Berichte über die Durchsetzung des Gesetzes gab (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht Meinungsfreiheit vor, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien, aber die Regierung schränkt dieses Recht manchmal ein. Journalisten geben an, dass Sicherheitskräfte oder Anhänger von Politikern auf nationaler und regionaler Ebene sie manchmal belästigen und physisch einschüchtern oder angreifen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Kenia verfügt über eine der dynamischsten Medienlandschaften des afrikanischen Kontinents, in der Journalisten aktiv daran arbeiten, Korruption und Fehlverhalten der Regierung aufzudecken (FH 2023). Die Mainstream-Medien sind im Allgemeinen unabhängig, aber es gibt Berichte von Journalisten, dass sie von Regierungsbeamten unter Druck gesetzt werden (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), bestimmte Themen und Geschichten zu vermeiden, und dass sie eingeschüchtert werden, wenn die Beamten der Meinung waren, dass die Journalisten bereits zu regierungskritische Geschichten veröffentlicht oder gesendet haben. Die Journalisten üben sich daher in Selbstzensur, um Konflikte mit der Regierung über sensible Themen zu vermeiden (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 35

Obwohl die Verfassung und das Gesetz die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vorsehen, schränkte die Regierung diese Rechte manchmal ein. Das Versäumnis der Regierung, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und friedliche Demonstranten zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen, führt de facto zu Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023). Die Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass die Organisatoren öffentlicher Versammlungen die örtliche Polizei im Voraus informieren müssen. In der Praxis verbietet die Polizei regelmäßig Versammlungen aus Sicherheits- oder anderen Gründen und löst Versammlungen, die sie nicht ausdrücklich verboten hatte, gewaltsam auf (FH 2023). Den Bürgern steht es frei, sich in politischen Parteien zu organisieren. Kenianischen Parteien vertreten eine Reihe ideologischer, regionaler und ethnischer Interessen, sind aber notorisch schwach und werden oft zu Koalitionen zusammengeschlossen, die nur dazu dienen, an Wahlen teilzunehmen (FH 2023; vgl. BS 2022). Zudem passen sie sich häufig an das jeweilige Regime an und neigen dann entweder zur Auflösung oder zur Reformierung (BS 2022). Oppositionsparteien und -kandidaten sind bei kenianischen Wahlen wettbewerbsfähig. Bei den Wahlen im August 2022 besiegte der damalige stellvertretende Präsident Ruto, der sich als Außenseiter gegenüber den langjährigen politischen Dynastien Kenias darstellte, den fünfmaligen Präsidentschaftskandidaten Odinga, der vom amtierenden Präsidenten Kenyatta unterstützt worden war. Die Wahlen im Jahr 2022 waren hart umkämpft und wurden im Gegensatz zu den vorherigen Wahlen nicht von Oppositionsgruppen boykottiert (FH 2023). Kenia verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft (FH 2023). Eine Vielzahl inländischer und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitet im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlichte ihre Ergebnisse, obwohl einige Gruppen berichteten, dass sie von der Regierung schikaniert wurden. Beamte waren manchmal kooperativ und gingen auf die Anfragen dieser Gruppen ein, aber die Regierung setzte Empfehlungen von Menschenrechtsgruppen nicht um, wenn diese Empfehlungen ihrer Politik zuwiderliefen (USDOS 20.3.2023). NGOs sind in den letzten Jahren zunehmend auf Hindernisse gestoßen, darunter wiederholte Versuche der Regierung, Hunderte von NGOs wegen angeblicher finanzieller Verstöße die Registrierung abzuerkennen (FH 2023). Ombudsorganisation: Die KNCHR (Kenya National Commission on Human Rights) ist eine unabhängige Institution, die durch die Verfassung geschaffen und 2011 eingerichtet wurde. Ihr Mandat ist die Förderung und der Schutz der Menschenrechte im Land. Die Kommission erklärte, ihr Budget decke lediglich die Kosten für Gebäude Instandhaltung und Mitarbeitergehälter ab und reiche nicht aus, um ihre Ausgaben zu decken und ihr Mandat zu erfüllen. Die Kommission verfügt .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 35

über 115 Mitarbeiter, laut Mandat solle sie 400 Mitarbeiter haben. Ihr programmatisches Budget wurde von der Regierung überhaupt nicht finanziert, so dass die Kommission gezwungen war, Mittel von Entwicklungspartnern einzuwerben (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.5.2023): Kenia: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kenia-node/politisches-portraet/208078, Zugriff 2.8.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 11. Haftbedingungen Gemäß Menschenrechtsorganisationen sind die Bedingungen in Gefängnissen, Haftanstalten und Polizeistationen aufgrund von Überbelegung, Nahrungsmittel- und Wassermangel sowie unzureichenden sanitären Bedingungen und medizinischer Versorgung hart und lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023). Im März 2022 schätzte die Nichtregierungsorganisation World Prison Brief die Gesamtzahl der Gefangenen im Land auf fast 53.000, einschließlich der Untersuchungshäftlinge, in einem System mit einer Kapazität von 30.000 (USDOS 20.3.2023). Obwohl seit 2012 mehrere neue Gefängnisse gebaut wurden (USDOS 20.3.2023), bleibt die durchschnittliche Gefangenenpopulation bei fast 200 Prozent der Kapazität (USDOS 20.3.2023; vgl. OHCHR 5.5.2022), einschließlich einer großen Zahl von Untersuchungshäftlingen (USDOS 20.3.2023), im Jahr 2018 ca. 50 Prozent (OHCHR 5.5.2022). Einige Gefängnisse sind bis zu 400 Prozent ausgelastet (USDOS 20.3.2023; vgl. OHCHR 5.5.2022). Mit Stand 5.12.2022 befinden sich in Kenia insgesamt 58.887 Personen in Haft, von denen 41 % in Untersuchungshaft, 5,1 % Frauen und 0,6 % Unmündige bzw. mündige Minderjährige sind. Da das Gefängniswesen auf 34.000 Häftlinge ausgelegt ist, beträgt der Überbelegungsgrad 173,2 % (WPB o.D.) Im Laufe des Jahres 2022 bemühte sich die Justiz weiterhin, der Überbelegung entgegenzuwirken, indem sie Alternativen zur Untersuchungshaft einführte und eine Strafminderung förderte (USDOS 20.3.2023). Die Behörden trennen im Allgemeinen Kinder von Erwachsenen, außer während der ersten Zeit der Inhaftierung auf den Polizeistationen, wo die Behörden häufig männliche und weibliche Erwachsene und Jugendliche in einer Zelle unterbringen. In mehreren Bezirken fehlen geeignete Einrichtungen, um Jugendliche und Frauen getrennt von Männern in Gerichten und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 35
