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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Christliche Kirchen und Gruppen werden häufig wegen illegaler Missionstätigkeit belangt und mit Geldstrafen belegt, wenn sie unregistrierte ausländische Staatsbürger oder Ordensmitglieder predigen lassen (USDOS 26.6.2024). Die Zeugen Jehovas sind in Kirgisistan seit 1998 registriert und die Religionsausübung ist auch legal. Die erste lokale Gemeinde nahm ihre Tätigkeit 1993 auf. Die Zahl der aktiven Mitglieder der Zeugen Jehovas in Kirgisistan mit insgesamt 41 Gemeinden (darunter in Bischkek und in Gebieten Osch, Talas und Jalalabad) liegt bei 5.282 Menschen (Stand: 2021) (ÖB 1.2023). Am 25. März 2021 durchsuchte die Polizei das nationale Verwaltungszentrum der Zeugen Jehovas in Bischkek. In dem Durchsuchungsbefehl hieß es, die Zeugen Jehovas schüren religiösen Hass und sind an extremistischen Aktivitäten beteiligt. Die Beamten beschlagnahmten religiöse Literatur, Computer und einen Server (EAJW 29.9.2022). Darüber hinaus verweigern die Behörden die Registrierung neuer Gemeinden der Zeugen Jehovas in den Regionen Osh, Naryn und Jalalabad (USDOS 26.6.2024). Im August 2024 kam es bei Treffen der Zeugen Jehovas in Kyzyl-Kyia und Naryn zu neuerlichen Durchsuchungen und Verhaftungen (USCIRF 22.11.2024). Quellen: •EAJW - European Assciation of Jehovah’s Witnesses (29.9.2022): Kyrgyzstan: Jehovah’s Witnesses Religious Freedom Report. OSCE Warsaw Human Dimension Conference 26.9.-7.10.2022, https://meetings.odihr.pl/resources/download-file-dds/188/220930163859_0094.pdf, Zugriff 9.12.2024 •EB - Encyclopaedia Britannica (29.5.2023): Madrash, Muslim educational institution, https://www.britannica.com/topic/madrasah, Zugriff 9.12.2024 •ER - Eurasia Review (13.9.2024): Kyrgyzstan: Public Discussion Of Latest Repressive Draft Religion Law – Analysis, https://www.eurasiareview.com/13092024-kyrgyzstan-public- discussion-of-latest-repressive-draft-religion-law-analysis/, Zugriff 9.12.2024 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •USCIRF - US Commission on International Religious Freedom [USA] (22.11.2024): Reli- gious Freedom Challenges for Jehovah’s Witnesses, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024- 11/2024%20Jehovah%27s%20Witness%20Issue%20Update.pdf, Zugriff 9.12.2024 •USCIRF - US Commission on International Religious Freedom [USA] (1.5.2024): Annual re- port on religious freedom (covering 2023), Recommended for Special Watch List: Kyrgyzs- tan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2112007/Kyrgyzstan.pdf, Zugriff 9.12.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Reli- gious Freedom: Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111899.html, Zugriff 9.12.2024 14. Ethnische Minderheiten Kirgisistan hat circa 7,1 Millionen Einwohner, von denen 74 % der ethnischen Gruppe der Kirgisen angehören. Die restlichen 26 % verteilen sich auf andere Ethnien. Die fünf größten ethnischen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 43

Minderheiten sind Usbeken (999.300; 14% der Gesamtbevölkerung), Russen (335.237; 5%), Dunganen (76.573; 1,13%), Tadschiken (61.033; 0,9%) und Uiguren (61.000; 0,9%) (IOM 12.2023; vgl. NSC o.D.), gefolgt von weiteren größeren Gruppen von u.a. Türken, Kasachen, Tataren, Ukrainern, Koreanern und Deutschen (CIA 19.1.2025; vgl. NSC o.D.). Ethnische Minderheiten, insbesondere Usbeken, sehen sich mit politischer Marginalisierung und Diskriminierung in wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und anderen Bereichen konfrontiert (FH 29.2.2024). Nur 5,2 % der öffentlich Bediensteten des Staates und der Kommunen sind Mitglieder ethnischer Minderheiten (CERD 15.6.2023). Quellen: •CERD - United Nations Committee on the Elimination of Racial Discrimination (15.6.2023): Combined eleventh and twelfth periodic reports submitted by •Kyrgyzstan under article 9 of the Convention, due in 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2100343/G2312217.pdf, Zugriff 15.1.2025 •CIA - Central Intelligence Agency [USA] (19.1.2025): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/, Zugriff 23.1.2025 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108023.html, Zugriff 9.1.2025 •IOM - International Organization for Migration (12.2023): Migration Situation Report – Kyr- gyzstan, https://kyrgyzstan.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1321/files/documents/2024-04/ compilation_report_dec_2023.pdf, Zugriff 9.1.2025 •NSC - National Statistical Committee of the Kyrgyz Republic [Kirgisistan] (o.D.): Total popu- lation by nationality, https://www.stat.gov.kg/en/opendata/category/312/, Zugriff 9.1.2025 14.1. Usbeken Die zahlenmäßig größte Minderheit Kirgisistans konzentriert sich hauptsächlich auf die südlichen und westlichen Teile des Landes, insbesondere das Ferghana-Tal und die drei Verwaltungsbezirke Batken, Osch und Jalalabad (ISPI 2.2.2021). Die Spannungen zwischen ethnischen Usbeken und ethnischen Kirgisen werden als problematisch eingestuft, besonders in der südlichen Oblast [Region] Osch, wo Usbeken fast die Hälfte der Bevölkerung stellen (USDOS 23.4.2024). Usbeken sind aufgrund fragwürdiger Terrorismus- oder Extremismusvorwürfe häufig Ziel von Schikanen, Verhaftungen und Misshandlungen durch die Strafverfolgungsbehörden (FH 29.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Zudem gibt es Berichte von anhaltenden Festnahmen und strafrechtlichen Verfolgungen von Personen, die des Besitzes und der Verbreitung von Literatur der Hizb ut-Tahrir beschuldigt wurden. Die meisten dieser Festnahmen mutmaßlicher Mitglieder der Hizb ut-Tahrir erfolgten im Süden des Landes und betrafen ethnische Usbeken (USDOS 23.4.2024). Südkirgisistan hat sich noch nicht vollständig von den ethnischen Unruhen des Jahres 2010 erholt. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen die Regierung in Gewalttaten gegen Usbeken in der Region verwickelt war oder diese zumindest duldete. Neben zahlreichen Todesopfern und Verletzten wurden viele usbekische Häuser und Geschäfte zerstört oder beschlagnahmt. Obwohl auch weiterhin von Einschüchterungen berichtet wird, sind doch .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 43

Schritte unternommen worden, um zum Beispiel die usbekischsprachigen Medien in der Region wiederherzustellen (FH 29.2.2024). Zur Stärkung der nationalen Einheit und interethnischer Beziehungen gibt es zahlreiche Initiativen, wie Theateraufführungen, Kulturveranstaltungen, Volksmusikgruppen oder Volkstanzgruppen von Russen, Uiguren, Ukrainern, Dunganen und vielen mehr. In der Provinz Osch führt das Babur Academy Music und Drama Theater Stücke sowohl in Kirgisisch als auch Usbekisch auf (CERD 15.6.2023). Die Angst vor weiteren Unruhen ist allerdings weiterhin vorhanden (FH 29.2.2024). Zudem berichten Usbeken in Südkirgisistan über Diskriminierung bei der Registrierung ihrer Unternehmen durch lokale Behörden, wodurch die Gründung kleiner Betriebe erschwert wird (USDOS 23.4.2024). Es gibt derzeit an 161 Schulen die Möglichkeit, Usbekisch zu lernen, davon sind 22 reine usbekischsprachige Schulen und 139 gemischtsprachige Schulen, mit Unterricht in Kirgisisch, Russisch und Usbekisch. Vor dem Hintergrund der verstärkten Migration in die Russische Föderation oder andere Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion ziehen es viele usbekische Familien verstärkt vor, ihre Kinder in Schulen mit Unterrichtssprachen Kirgisisch und Russisch zu schicken (CERD 15.6.2023). Quellen: •CERD - United Nations Committee on the Elimination of Racial Discrimination (15.6.2023): Kirgistan - Staatenbericht über die Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung von Rassendiskriminierung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2100343/G2312217.pdf, Zugriff 15.1.2025 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108023.html, Zugriff 9.1.2025 •ISPI - Italian Institute for International Political Studies (2.2.2021): Uzbek Communities in Central Asia as Human Connectivity Factor: Elements for a Kin-State Policy, https://www.ispionline.it/en/publication/uzbek-communities-central-asia-human-connectivity- factor-elements-kin-state-policy-29131, Zugriff 16.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 14.2. Uiguren Die in Kirgisistan ansässige uigurische Bevölkerung wird als relativ gut integriert beschrieben und ist weniger Feindseligkeiten seitens der einheimischen kirgisischen Bevölkerung ausgesetzt, als im Vergleich die Uiguren in Kasachstan. Uiguren in Kirgisistan können sich auch direkter politisch betätigen, insbesondere durch ihre Kulturorganisation Ittipaq (Uigurisch für „Einheit“). Dennoch sehen sich die einheimischen Uiguren in Kirgisistan zunehmender Überwachung und staatlicher Kontrolle ausgesetzt und empfinden ihre Lage im Land als immer unsicherer und ungewisser (REX / Steenberg 2.4.2024). Das in den USA ansässige UHRP (Uyghur Human Rights Project) berichtet über transnationale Repression gegen Uiguren weltweit und geht davon aus, dass China als wichtigster Handelspartner und Gläubiger Kirgisistans vermehrt Druck auf die Regierung ausüben .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 43

könnte, um kritische Uiguren rückzuführen (UHRP 1.2.2023; vgl. UHRP 24.6.2021, GAM 9.12.2024). Im Oktober 2023 verhafteten die kirgisischen Behörden den Geschäftsmann, ehemaligen Parlamentsabgeordneten (RA 9.10.2023) und im März 2023 gewählten Vorsitzenden von Ittipaq (TP 12.10.2023), Tursuntai Salimov, wegen angeblicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität (REX / Steenberg 2.4.2024). Die Verhaftung löste unter den einheimischen Uiguren Besorgnis aus und viele sehen Salimov als Opfer eines Erpressungsversuches. Vor seiner Verhaftung hatten die kirgisischen Sicherheitskräfte ihn und andere, in uigurischen Organisationen engagierte Uiguren, davor gewarnt, nach Japan zu reisen, um an einer Konferenz teilzunehmen, die vom Weltkongress der Uiguren und den ihm angeschlossenen Organisationen organisiert worden war. Der kirgisische Sicherheitsdienst hatte Ittipaq bereits seit einiger Zeit infiltriert, doch haben die direkten Eingriffe 2023 zugenommen (REX / Steenberg 2.4.2024). Im März 2024 wurde Salimov, nach Zahlung von 15 Millionen US Dollar (OCCRP 2.11.2024) und mit der Auflage, die Stadt nicht zu verlassen, aus der Gefangenschaft entlassen (24.kg 26.3.2024). Salimovs Unternehmen und das Land, auf dem es steht, wechselten zwei Monate später zu einem Sohn von Khabibula Abdukadyr, welcher wiederum ein mit dem Sohn des Präsidenten Dschaparow befreundeter Geschäftspartner ist. Auch gegen Salimovs Söhne wird ermittelt (OCCRP 2.11.2024). Neben der autochthonen uigurischen Bevölkerung Kirgisistans leben und arbeiten auch Uiguren aus XUAR (Xinjiang Uygur Autonomous Region) in Kirgisistan, mehrheitlich in Bischkek und um Karasuu in der Nähe von Osch. Die genaue Anzahl dieser XUAR-Uiguren ist nicht bekannt, wird aber auf 500-1.000 Personen geschätzt, die vorwiegend als Händler von Kleidung und im Dienstleistungssektor, in Restaurants, am Bazar oder in Bäckereien arbeiten. Jedes Jahr müssen XUAR-Uiguren in Kirgisistan für mehrere hundert Dollar ihre Visa verlängern. Einige XUAR- Uiguren heiraten deshalb einheimische Kirgisinnen, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder die kirgisische Staatsbürgerschaft zu erhalten (REX / Steenberg 2.4.2024). Quellen: •GAM - Global and Mail, The (9.12.2024): First Uyghur refugee arrives under Canadian ef- fort to resettle persecuted minority groups from China, https://www.theglobeandmail.com/politics/article-first-uyghur-refugee-arrives-under- canadian-effort-to-resettle/, Zugriff 16.1.2025 •OCCRP - Organized Crime and Corruption Reporting Project (2.11.2024): Kyrgyz Elite Tar- geted as Japarov Allies Gain Key Assets, https://www.occrp.org/en/news/kyrgyz-elite- targeted-as-japarov-allies-gain-key-assets, Zugriff 21.1.2025 •RA – Radio Azattyk (9.10.2023): В КР задержан экс-депутат парламента, сват убитого кримавторитета Турсунтай Салимов [Ehemaliger Parlamentsabgeordneter und Zeuge des ermordeten Gangsterbosses Tursuntai Salimov in Kirgisistan festgenommen], https://rus.azathabar.com/a/v-kr-zaderzhan-eks-deputat-parlamenta-svat-ubitogo- krimavtoriteta-tursuntay-salimov/32629187.html, Zugriff 23.1.2025 •REX / Steenberg - Remote Ethnography XUAR, Steenberg R. (2.4.2024): Remote Ethno- graphic Glances Across the Chinese Border: Part 2, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 29 von 43

https://www.remote-xuar.com/post/remote-ethnographic-glances-across-the-chinese- border-part-2, Zugriff 16.1.2025 •TP – Turkistan Press (12.10.2023): Uyghur businessman was detained in Kyrgysztan, https://turkistanpress.com/en/page/uyghur-businessman-was-detained-in-kyrgyzstan/833, Zugriff 23.1.2025 •UHRP - Uyghur Human Rights Project (1.2.2023): “On the Fringe of Society”: Humanitarian Needs of the At-Risk Uyghur Diaspora, https://uhrp.org/report/on-the-fringe-of-society/, Zu- griff 16.1.2025 •UHRP - Uyghur Human Rights Project (24.6.2021): No Space Left to Run: China’s Transnational Repression of Uyghurs, https://uhrp.org/report/no-space-left-to-run-chinas- transnational-repression-of-uyghurs/, Zugriff 16.1.2025 •24.kg (26.3.2024): Founder of Madina market Tursuntai Salimov released under travel re- strictions, https://24.kg/english/289828__Founder_of_Madina_market_Tursuntai_Salimov_released_u nder_travel_restrictions/, Zugriff 20.1.2025 15. Relevante Bevölkerungsgruppen 15.1. Frauen Geschlechterspezifische Gewalt ist ein kritisches Problem und es wird berichtet, dass die häusliche Gewalt zunimmt. Im Jahr 2024 kam es in Kirgisistan zu zahlreichen tödlichen Fällen geschlechtsbezogener und häuslicher Gewalt gegen Frauen (HRW 16.1.2025). Vergewaltigung, auch innerhalb der Ehe, sowie häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind im Gesetz ausdrücklich verboten. Die Strafen für eine Verurteilung wegen sexueller Übergriffe reichen von drei bis acht Jahren Haft und jene für häusliche Gewalt reichen von Geldstrafen bis hin zu 15 Jahren Haft, bei Missbrauch mit Todesfolge (USDOS 23.4.2024). Im August 2024 unterzeichnete Präsident Sadir Dschaparow ein neues Gesetz zur Änderung mehrerer Gesetze, um den Schutz vor familiärer, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Die Änderungen schließen die Möglichkeit einer Versöhnung in Fällen von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch aus, erhöhen die Strafen für Körperverletzung und schaffen die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe für Personen ab, die wegen sexueller Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren, Brautraub und Zwangsheirat verurteilt wurden (HRW 16.1.2025). Viele Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen werden nicht ausreichend gemeldet. Überlebende sehen sich beim Zugang zu Dienstleistungen und zur Justiz mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Dazu gehören unzureichende Unterbringungsmöglichkeiten und andere grundlegende Dienstleistungen, abweisende Reaktionen von Behörden, Stigmatisierung und Einstellungen, die schädliche Stereotypen und Praktiken aufrechterhalten, unter anderem von Polizei, Justizbeamten sowie Regierungs- und Religionsführern (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). So werden Vergewaltigungsfälle selten vor Gericht gebracht. Stattdessen werden Fälle häuslicher Gewalt oftmals als Ordnungswidrigkeiten oder Vergehen eingestuft, die mit einer geringeren Strafe geahndet werden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 30 von 43

Die Polizei betrachtet eheliche Vergewaltigung im Allgemeinen als ein Verwaltungsvergehen und nicht als Straftat. Es gibt auch Berichte über Vergeltungsmaßnahmen von Ehepartnern gegen Frauen, die über Missbrauch berichten (USDOS 23.4.2024). Die Regierung hat in Bischkek ein Hilfszentrum eröffnet, das Opfern und Überlebenden von häuslicher und geschlechterspezifischer Gewalt medizinische, psychologische und juristische Hilfe an einem Ort bietet (HRW 16.1.2025). Die Regierung stellte der Organisation „Ayalzat“ Büros für eine Unterkunft für Opfer von häuslichem Missbrauch zur Verfügung und übernahm die Kosten. Im ganzen Land gibt es insgesamt 17 Krisenzentren, wovon acht begrenzte staatliche Mittel erhalten, der Großteil der Finanzmittel stammt von internationalen Organisationen und NGOs. NGOs stellen das Engagement der Regierung zur Lösung des Problems in Frage. Experten berichten von Unterfinanzierung und Unterbesetzung der Zentren (USDOS 23.4.2024). Obwohl Kirgisistan ein säkularer Staat ist, befindet sich der religiöse Fundamentalismus auf dem Vormarsch und wird dazu benutzt, Druck auf Frauen auszuüben, damit diese ihre Autonomie aufgeben, gehorsamer und unterwürfiger werden. Der zunehmende religiöse Fundamentalismus stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Bemühungen des Landes dar, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben, indem er diskriminierende Normen und Praktiken verstärkt, die Frauen und Mädchen von der vollen Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und öffentlichen Leben abhalten. Der schrumpfende Spielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen und die wiederholten Versuche, Gesetze einzuführen, die ihre Aktivitäten effektiv einschränken würden, sind ein großes Problem. Zahlreiche Gesprächspartner der UNO-Arbeitsgruppe zur Diskriminierung von Frauen und Mädchen wiesen darauf hin, dass diskriminierende patriarchale Ansichten über die Geschlechterrollen in der kirgisischen Gesellschaft, im Namen von Religion und Kultur, weithin akzeptiert sind und sich negativ auf alle Bereiche des Lebens von Frauen und Mädchen auswirken (HRC 8.5.2023). Obwohl gesetzlich verboten, sind Entführung und Zwangsehe von Frauen und Mädchen in Kirgisistan weit verbreitet (HRC 8.5.2023). Entführte Bräute sind eher Opfer von häuslichem Missbrauch (USDOS 23.4.2024). Nach dem Familiengesetz von 2005 beträgt das gesetzliche Mindestalter zur Eheschließung 18 Jahre, kann aber mit Erlaubnis örtlicher Behörden für einzelne Personen auf 17 Jahre herabgesetzt werden. Schätzungsweise 13 Prozent der Frauen unter 24 Jahren wurden durch irgendeine Form von Zwang verheiratet (HRC 8.5.2023). Beobachter berichten, dass es im Zusammenhang mit nicht eingetragenen religiösen Ehen häufiger zu Frühehen, Polygamie und Brautraub kommt (USDOS 23.4.2024). Frauen, die in einer religiösen Zeremonie (Nikah) ohne standesamtliche Trauung verheiratet sind, sind von den im Familiengesetz garantierten Schutzbestimmungen ausgeschlossen und haben bei einer Auflösung der Ehe keinerlei Rechte oder Schutz. Sie können die Vormundschaft für ihre Kinder ohne die Bestätigung ihres Ehemanns nicht nachweisen und haben daher kein formelles Recht, das .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 31 von 43

Sorgerecht zu beanspruchen. Darüber hinaus haben sie einen ungleichen Zugang zu Eigentum und Erbschaft (HRC 8.5.2023), aber auch zu Bildung und Beschäftigung. Die negativen Effekte dieser Praxis erstrecken sich auch auf Kinder entführter Bräute. Einige Opfer von Brautentführungen gehen zur örtlichen Polizei, um Schutz zu erhalten, aber die Behörden setzen Anweisungen zum Opferschutz oft mangelhaft durch. NGOs berichten, dass Staatsanwälte Entführer wegen Brautraubs nur selten verfolgen. Das Gesetz sieht für Brautraub sieben Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe vor, für den Brautraub eines Kindes bis zu zehn Jahre Gefängnis (USDOS 23.4.2024). Für die von Entführung und Zwangsehe betroffenen Frauen und Mädchen erhöht sich das Risiko von Sexhandel und Zwangsarbeit. Die Zahl der gemeldeten Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter auch solche mit Behinderungen, hat in der Kirgisischen Republik erheblich zugenommen. Dies kann die Opfer wiederum dazu veranlassen, unsichere Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen und anzunehmen, sowie über inoffizielle Migrationskanäle auszuwandern, die wiederum von Menschenhändlern ausgenutzt werden können. Menschenhändler beuten kirgisische Frauen und Mädchen im Sexhandel im Ausland und im Inland aus (USDOS 24.6.2024). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2120094.html, Zugriff 17.1.2025 •HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2103184.html, Zugriff 13.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2111699.html, Zugriff 13.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 15.2. Kinder Kirgisistan ist ein junges Land und die rund 2,1 Millionen Kinder machen 36,5% der Bevölkerung aus. Kinderarmut ist ein ernstes Problem. Fast 900.000 Kinder in Kirgisistan leben in Armut. Kinder, die in Armut leben, versäumen die Vorschul- und Schulbildung sowie die Gesundheitsversorgung und sind von Unterernährung betroffen. Die ärmsten Kinder leben hauptsächlich in ländlichen Gebieten im Süden des Landes. Viele gehören Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit arbeitslosen Erwachsenen an. Fast 73% der Kinder berichten von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Familie. Es gibt jedoch einige Verbesserungen, um .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 43

Kinder, die mit dem Gesetz in Berührung kommen, zu schützen. Mittlerweile wurde die Zahl der gegen Jugendliche verhängten Haftstrafen um 84% reduziert (UNICEF o.D.). Nach Berichten von NGOs und der UNO sind Kindesmissbrauch, einschließlich Prügel, Kinderarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen und Mädchen, ein Problem (USDOS 23.4.2024). Gemäß dem Familiengesetz von 2005 liegt das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung bei 18 Jahren, wobei mit Genehmigung der örtlichen Behörden eine Heirat bereits ab 17 Jahren möglich ist (HRC 8.5.2023). Das Gesetz stellt religiöse Ehen mit Kindern unter Strafe. Die Staatsanwaltschaft erhob jedoch in keinem Fall Anklage wegen religiöser Ehen mit Kindern (USDOS 23.4.2024). 34% der Kinder in der Altersgruppe von 5-14 Jahren gehen einer Arbeit nach. Die Tätigkeitsbereiche sind Landwirtschaft, Industrie und Produktion, Dienstleistungssektor sowie die schlimmsten Formen von Kinderarbeit, die kommerzielle sexuelle Ausbeutung sowie der Einsatz bei illegalen Tätigkeiten wie zB Drogenhandel. Kinder von Eltern, die auf der Suche nach Arbeit ins Ausland ausgewandert sind, insbesondere Mädchen, sind besonders anfällig für kommerzielle sexuelle Ausbeutung sowie Kinderarbeit und können ins Visier von Menschenhändlern geraten. NGOs berichten, dass mehr als 85 Prozent der Kinder, die für kommerzielle sexuelle Ausbeutung gehandelt werden, Kinder von Migranten sind. Das Mindestalter für Beschäftigung beträgt 16 Jahre und für gefährliche Arbeiten 18 Jahre. Diese Schutzbestimmungen gelten nicht für Kinder in außervertraglichen Beschäftigungsverhältnissen. Kinder aus ländlichen und einkommensschwachen Familien sowie solche, die im Kinderfürsorgesystem untergebracht sind, darunter auch Waisen, sind ebenfalls einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel zu werden. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Kinder, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, was bedeutet, dass sie manchmal in Waisenhäusern untergebracht werden, wo sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, erneut Opfer von Menschenhandel oder Kinderarbeit zu werden. Darüber hinaus setzt die Praxis der Brautentführung [siehe Kapitel 15.1.] Mädchen einem höheren Risiko einer Zwangsheirat und einer möglichen anschließenden Zwangsarbeit oder des Menschenhandels zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung aus (USDOL 5.9.2024). Es gibt Berichte, dass die Polizei Überlebende des Kindersexhandels bedroht, erpresst und vergewaltigt. Nach dem Strafgesetzbuch ist es für Personen ab 18 Jahren illegal, sexuelle Beziehungen mit jemandem unter 16 Jahren zu haben (USDOS 23.4.2024). Verbote der kommerziellen Ausbeutung von Kindern sind jedoch unzureichend, denn es fehlen Gesetze, die Nutzer (Kunden) von Kinderprostitution eindeutig kriminalisieren (USDOL 5.9.2024). Menschenrechtsgruppen berichten von Vorfällen, bei denen die Behörden Anwälten den Zugang zu verhafteten Kindern verweigern, sie ohne Benachrichtigung der Eltern festhalten und sie in .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 43

Abwesenheit der Eltern oder Anwälte verhören, obwohl dies gesetzlich verboten ist (USDOS 23.4.2024). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •UNICEF – United Nations Children’s Fund (o.D.): Children in Kyrgyzstan, https://www.unicef.org/kyrgyzstan/children-kyrgyzstan, Zugriff 15.11.2024 •USDOL - US Department of Labor [USA] (5.9.2024): 2023 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2116199.html, Zugriff 18.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 15.3. Sexuelle Minderheiten Obwohl Kirgisistan einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr zwischen Erwachsenen nicht unter Strafe gestellt hat (USDOS 23.4.2024), ist die soziale Stigmatisierung sexueller Minderheiten weit verbreitet (FH 29.2.2024). Sexuelle Minderheiten sind laut der LGBT+- NGO Kyrgyz Indigo einem hohen Maß an Homophobie, Transphobie, sozialer Stigmatisierung und Gewalt ausgesetzt; zu 70 % ereignet sich die Gewalt im häuslichen Umfeld. Darüber hinaus schikanieren Insassen und Beamte inhaftierte schwule Männer oftmals offen (USDOS 23.4.2024). Ein „LGBT+-Propaganda“-Gesetz vom August 2023 verbietet die Verbreitung sogenannter schädlicher Informationen, darunter Informationen über LGBT+-Personen, -Rechte und -Identitäten. LGBT+-Rechtsaktivisten haben das Gesetz scharf kritisiert und es als Versuch bezeichnet, sexuelle Minderheiten zu stigmatisieren und sie der Gefahr willkürlicher Strafverfolgung auszusetzen (FH 29.2.2024). Zudem wurde die Definition „schädlicher Informationen“ erweitert, um „alle Informationen einzuschließen, die traditionelle Familienwerte leugnen [oder] nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagieren“ (USDOS 23.4.2024; vgl. ECOM 2024). Obwohl Diskriminierung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure aufgrund des Geschlechts verboten ist, gibt es jedoch keine Gesetze, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks untersagen (USDOS 23.4.2023). Sexuelle Minderheiten, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität öffentlich bekannt ist, riskieren körperliche und verbale Misshandlungen, Diskriminierung am oder einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes und unerwünschte Aufmerksamkeit von Polizei und anderen Behörden. Die am stärksten gefährdete LGBT+-Gruppe in Bezug auf Diskriminierung am Arbeitsplatz sind Transgender-Frauen, die häufig aus Beschäftigungsmöglichkeiten gedrängt werden (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 43

Strafverfolgungsbeamte drohen sexuellen Minderheiten mit der Offenlegung ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität und erpressen diese Personen. Es gibt auch Fälle illegaler Inhaftierung durch die Polizei. Die betroffenen Personen haben das Gefühl, dass es sinnlos ist, Gerechtigkeit zu suchen und Beschwerden bei höheren Behörden einzureichen, und haben Angst vor den negativen Konsequenzen, die eintreten können, wenn sie Schritte zum Schutz ihrer Rechte unternehmen. In anderen Fällen verweigern medizinische Fachkräfte entweder die weitere Behandlung, schicken Patienten in andere Krankenhäuser oder verlangen unangemessene zusätzliche Zahlungen für ihre Leistungen, nachdem sie von der sexuellen Orientierung oder einer HIV-Infektion eines Patienten erfahren haben. Zudem kam es in einigen Fällen auch zur unrechtmäßigen Weitergabe des HIV-Status an Dritte durch das Gesundheitspersonal. Transfrauen wiederum sind aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt (ECOM 2024). LGBT+-NGOs berichten von Schikanen und anhaltender Überwachung ihrer Mitarbeiter und Büros durch Sicherheitsdienste. Sexuelle Minderheiten berichten, dass die Behörden regelmäßig Chatrooms und Dating-Sites überwachen, um diejenigen zu bestrafen und zu erpressen, die über Online-Foren nach gleichgeschlechtlichen Partnern suchen (USDOS 23.4.2024). Seit 2020 das Gesetz der Kirgisischen Republik „Über Personenstandsgesetze“ geändert wurde, ist die rechtliche Anerkennung des Geschlechts von Transgender-Personen unmöglich geworden. Die Gerichte in Kirgisistan haben keine einheitliche Praxis, was dazu führt, dass bei ähnlichen Anträgen unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden (ECOM 2024; vgl. ILGA 2.2024). Aktivisten der LGBT+-Bewegung berichten, dass einige LGBT+-Personen „Konversionstherapien“ unterzogen werden. Diese werden in der Regel von religiösen Persönlichkeiten durchgeführt, die versuchen, durch Zwang und Missbrauch die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person zu ändern. Dazu gehört auch die Praxis, durch Schläge oder Strangulation „übernatürliche Geister“ aus den Personen auszutreiben. Lesbische und bisexuelle Frauen sind wiederum von Zwangsheirat sowie von der Praxis der „korrigierenden Vergewaltigung“, einer Art „Konversionstherapie“ zur „Heilung“ ihres LGBTQI+-Status, betroffen (USDOS 23.4.2024). Zwar gibt es keine Gesetze, die die Existenz oder Meinungsäußerung sexueller Minderheiten direkt verbieten, doch Artikel 10 der Verfassung zensiert LGBT+-Aktivitäten und -Veranstaltungen indirekt, da diese als im Widerspruch zu den „moralischen Werten und dem öffentlichen Bewusstsein des kirgisischen Volkes“ stehend betrachtet werden können (USDOS 23.4.2024). Quellen: •ECOM – Eurasian Coalition on Health, Rights, Gender and Sexual Diversity (2024): Na- tional report on violations of the rights of LGBT people and MSM in Kyrgyzstan 2023, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 43
