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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Abwesenheit der Eltern oder Anwälte verhören, obwohl dies gesetzlich verboten ist (USDOS 23.4.2024). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •UNICEF – United Nations Children’s Fund (o.D.): Children in Kyrgyzstan, https://www.unicef.org/kyrgyzstan/children-kyrgyzstan, Zugriff 15.11.2024 •USDOL - US Department of Labor [USA] (5.9.2024): 2023 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2116199.html, Zugriff 18.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 15.3. Sexuelle Minderheiten Obwohl Kirgisistan einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr zwischen Erwachsenen nicht unter Strafe gestellt hat (USDOS 23.4.2024), ist die soziale Stigmatisierung sexueller Minderheiten weit verbreitet (FH 29.2.2024). Sexuelle Minderheiten sind laut der LGBT+- NGO Kyrgyz Indigo einem hohen Maß an Homophobie, Transphobie, sozialer Stigmatisierung und Gewalt ausgesetzt; zu 70 % ereignet sich die Gewalt im häuslichen Umfeld. Darüber hinaus schikanieren Insassen und Beamte inhaftierte schwule Männer oftmals offen (USDOS 23.4.2024). Ein „LGBT+-Propaganda“-Gesetz vom August 2023 verbietet die Verbreitung sogenannter schädlicher Informationen, darunter Informationen über LGBT+-Personen, -Rechte und -Identitäten. LGBT+-Rechtsaktivisten haben das Gesetz scharf kritisiert und es als Versuch bezeichnet, sexuelle Minderheiten zu stigmatisieren und sie der Gefahr willkürlicher Strafverfolgung auszusetzen (FH 29.2.2024). Zudem wurde die Definition „schädlicher Informationen“ erweitert, um „alle Informationen einzuschließen, die traditionelle Familienwerte leugnen [oder] nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagieren“ (USDOS 23.4.2024; vgl. ECOM 2024). Obwohl Diskriminierung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure aufgrund des Geschlechts verboten ist, gibt es jedoch keine Gesetze, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks untersagen (USDOS 23.4.2023). Sexuelle Minderheiten, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität öffentlich bekannt ist, riskieren körperliche und verbale Misshandlungen, Diskriminierung am oder einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes und unerwünschte Aufmerksamkeit von Polizei und anderen Behörden. Die am stärksten gefährdete LGBT+-Gruppe in Bezug auf Diskriminierung am Arbeitsplatz sind Transgender-Frauen, die häufig aus Beschäftigungsmöglichkeiten gedrängt werden (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 43

Strafverfolgungsbeamte drohen sexuellen Minderheiten mit der Offenlegung ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität und erpressen diese Personen. Es gibt auch Fälle illegaler Inhaftierung durch die Polizei. Die betroffenen Personen haben das Gefühl, dass es sinnlos ist, Gerechtigkeit zu suchen und Beschwerden bei höheren Behörden einzureichen, und haben Angst vor den negativen Konsequenzen, die eintreten können, wenn sie Schritte zum Schutz ihrer Rechte unternehmen. In anderen Fällen verweigern medizinische Fachkräfte entweder die weitere Behandlung, schicken Patienten in andere Krankenhäuser oder verlangen unangemessene zusätzliche Zahlungen für ihre Leistungen, nachdem sie von der sexuellen Orientierung oder einer HIV-Infektion eines Patienten erfahren haben. Zudem kam es in einigen Fällen auch zur unrechtmäßigen Weitergabe des HIV-Status an Dritte durch das Gesundheitspersonal. Transfrauen wiederum sind aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt (ECOM 2024). LGBT+-NGOs berichten von Schikanen und anhaltender Überwachung ihrer Mitarbeiter und Büros durch Sicherheitsdienste. Sexuelle Minderheiten berichten, dass die Behörden regelmäßig Chatrooms und Dating-Sites überwachen, um diejenigen zu bestrafen und zu erpressen, die über Online-Foren nach gleichgeschlechtlichen Partnern suchen (USDOS 23.4.2024). Seit 2020 das Gesetz der Kirgisischen Republik „Über Personenstandsgesetze“ geändert wurde, ist die rechtliche Anerkennung des Geschlechts von Transgender-Personen unmöglich geworden. Die Gerichte in Kirgisistan haben keine einheitliche Praxis, was dazu führt, dass bei ähnlichen Anträgen unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden (ECOM 2024; vgl. ILGA 2.2024). Aktivisten der LGBT+-Bewegung berichten, dass einige LGBT+-Personen „Konversionstherapien“ unterzogen werden. Diese werden in der Regel von religiösen Persönlichkeiten durchgeführt, die versuchen, durch Zwang und Missbrauch die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person zu ändern. Dazu gehört auch die Praxis, durch Schläge oder Strangulation „übernatürliche Geister“ aus den Personen auszutreiben. Lesbische und bisexuelle Frauen sind wiederum von Zwangsheirat sowie von der Praxis der „korrigierenden Vergewaltigung“, einer Art „Konversionstherapie“ zur „Heilung“ ihres LGBTQI+-Status, betroffen (USDOS 23.4.2024). Zwar gibt es keine Gesetze, die die Existenz oder Meinungsäußerung sexueller Minderheiten direkt verbieten, doch Artikel 10 der Verfassung zensiert LGBT+-Aktivitäten und -Veranstaltungen indirekt, da diese als im Widerspruch zu den „moralischen Werten und dem öffentlichen Bewusstsein des kirgisischen Volkes“ stehend betrachtet werden können (USDOS 23.4.2024). Quellen: •ECOM – Eurasian Coalition on Health, Rights, Gender and Sexual Diversity (2024): Na- tional report on violations of the rights of LGBT people and MSM in Kyrgyzstan 2023, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 43

https://ecom.ngo/resource/files/2024/03/ecom_national_report_kyrg_2023_eng.pdf, Zugriff 18.11.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •ILGA - Europe, Europaorganisation der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and In- tersex Association (2.2024): Annual Review of the Human Rights Situation of LGBTI Peo- ple covering the Period of January to December 2023, https://www.ilga-europe.org/files/uploads/2024/02/2024_kyrgystan.pdf, Zugriff 18.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 16. Bewegungsfreiheit Gemäß dem Gesetz zur internen Migration wird Bewegungsfreiheit garantiert. Die Regierung respektiert das Gesetz gemeinhin, und die Bürger können sich innerhalb des Landes frei bewegen (USDOS 23.4.2024) und die Niederlassungsfreiheit ist grundsätzlich gegeben. Der Hauptwohnsitz ist zu melden (ÖB 1.2023). Jedoch beschränken bestimmte Richtlinien die interne Migration, Wiederansiedlung und Auslandsreisen. Bürger, die Zugang zu Staatsgeheimnissen hatten, dürfen nicht ins Ausland reisen, solange die Informationen nicht freigegeben werden. Das Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus ermöglicht es der Regierung, Personen, die wegen terroristischer oder extremistischer Aktivitäten verurteilt wurden, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Im Jahr 2023 hat die Regierung das Gesetz jedoch nicht angewandt (USDOS 23.4.2024). Während Kirgisistan und Uskekistan ihre Grenzstreitigkeiten beigelegt haben, gibt es zwischen Kirgisistan und Tadschikistan weiterhin Differenzen über den genauen Grenzverlauf. In den Grenzgebieten der Region (Oblast) Batken ist es deshalb wiederholt zu Demonstrationen, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der kirgisischen und tadschikischen Bevölkerung, sowie zu Schusswechseln zwischen kirgisischen und tadschikischen Sicherheitskräften gekommen. Die Grenzübergänge zwischen Kirgisistan und Tadschikistan sind zeitweise geschlossen (EDA 23.7.2024). In manchen Grenzgebieten herrscht Minengefahr (AA 1.10.2024). Quellen: •AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.10.2024): Kirgisistan – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan- node/kirgisistansicherheit/206738, Zugriff 25.11.2024 •EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (23.7.2024): Reisehinweise für Kirgisistan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender- reise-information/kirgisistan/reisehinweise-kirgisistan.html, Zugriff 19.11.2024 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 43

17. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge Die Regierung arbeitet mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, staatenlosen Personen und anderen hilfsbedürftigen Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 23.4.2024). Das Ministerium für Arbeit, soziale Sicherheit und Migration ist die für Flüchtlingsfragen und Asylverfahren zuständige staatliche Behörde (IOM 1.2024). Laut UNHCR befinden sich 25.746 Flüchtlinge, 2.477 Asylsuchende und 59 Staatenlose im Land (UNHCR o.D.). 2023 gab es 4.000 Binnenflüchtlinge aufgrund gewaltsamer Konflikte (IDMC 2024). Zugang zu Asyl: Das kirgisische Flüchtlingsgesetz definiert die Rahmenbedingungen und Gründe für die Gewährung, den Verlust und die Aberkennung des Flüchtlingsstatus sowie die Rechte und Pflichten von Flüchtlingen in Kirgisistan. Es legt zudem die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Garantien für den Schutz der Rechte von Flüchtlingen fest und enthält eine Definition des Flüchtlingsbegriffes (IOM 1.2024). Trotz lokaler Gesetze ignoriert die Regierung Asylanträge von Personen, denen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland Folter droht (USDOS 23.4.2024). Beschäftigungsmöglichkeiten: Die Regierung erteilt Personen, die sich in der Obhut des UNHCR befinden und denen die Regierung einen offiziellen Aufenthaltsstatus im Land gewährte, eine Arbeitserlaubnis. Laut Angaben der Regierung erfüllen jedoch nicht alle Flüchtlinge die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel. Personen, die gemäß UNHCR als Flüchtlinge einzustufen sind, denen seitens der Regierung jedoch kein legaler Aufenthaltsstatus gewährt wurde, sind von der Arbeitsaufnahme, Inanspruchnahme medizinischer Versorgung sowie der Ausstellung von Ausweispapieren ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass sie in besonderem Maße der Ausbeutung durch Arbeitgeber ausgesetzt sind, welche ihnen unterdurchschnittliche Löhne zahlen, keine Sozialleistungen gewähren und sich nicht an die Arbeitsvorschriften halten. Diese Personen können keine Beschwerden bei den Behörden einreichen (USDOS 23.4.2024). Zugang zu Leistungen der Grundversorgung: Laut Regierung sind Personen, die keinen Flüchtlingsstatus durch den UNHCR erhielten, beziehungsweise Asylwerber ohne offiziellen Status von staatlichen Sozialleistungen ausgeschlossen. Im Juni 2023 erfolgte eine Änderung des Flüchtlingsgesetzes. Seitdem gelten Flüchtlinge und Staatenlose als Ausländer mit dauerhaftem Wohnsitz und erhalten Zugang zur Grundversorgung. Die Regierung ermöglicht Flüchtlingskindern den Zugang zu Bildung, kann sie jedoch nicht mit den nötigen Schulmaterialian versorgen. Deshalb stellt das UN-Flüchtlingshilfswerk Schulmaterialien und einmalige Geldhilfen zur Verfügung, um die Schulbildung von Flüchtlingskindern zu ermöglichen (USDOS 23.4.2024). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 43

•IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (2024): GRID 2024, Global Report on In- ternal Displacement, https://api.internal-displacement.org/sites/default/files/publications/ documents/IDMC-GRID-2024-Global-Report-on-Internal-Displacement.pdf, Zugriff 19.11.2024 •IOM – International Organization for Migration (1.2024): Migration Data Gap Analysis Janu- ary 2024, https://kyrgyzstan.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1321/files/documents/2024-07/mtm- data-mapping_eng_final_0.pdf, Zugriff 20.11.2024 •UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (o.D.): Refugee Data Finder – Kyrgyzstan, https://www.unhcr.org/refugee-statistics/download/?v2url=f8376d, Zugriff 19.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 18. Wirtschaft/ Grundversorgung Kirgisistan ist ein gebirgiger Binnenstaat mit bedeutenden Vorkommen an Gold, Erdöl, Erdgas, Kohle und seltenen Erden. Der Bergbau spielt für das Land eine besonders wichtige Rolle, danach folgen Industrie, Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor. Die Wirtschaft hängt stark vom Goldexport und von Rücküberweisungen (Remissen) der vielen Arbeitsmigranten ab (Beitrag zum BIP > 30 %). Mehr als 90 % der Rücküberweisungen stammen von kirgisischen Arbeitsmigranten in Russland. Anders als noch bei der COVID-19-Pandemie, die einen Einbruch der Remissen zur Folge hatte, führte der russische Krieg in der Ukraine bislang zu keinem Rückgang der wichtigen Geldtransfers aus Russland. Nach einem Einbruch des Wirtschaftswachstums aufgrund der COVID-19-Pandemie hat sich die Wirtschaft in den Folgejahren wieder erholt und erreichte in den Jahren 2022 und 2023 ein Wachstum von 6,3 % bzw. 6,2 %. Die Inflation, Importabhängigkeit, offizielle und verdeckte Arbeitslosigkeit sowie geringe Staatseinnahmen bergen allerdings weiterhin Risiken. Kirgisistan ist anfällig für externe Schocks und von seinen wichtigsten Wirtschaftspartnern Russland, China, Türkei und Kasachstan abhängig (WKO 9.2024). Kirgisistan sieht sich mit beträchtlichen Herausforderungen in Bezug auf Armut und sozioökonomische Ungleichheit, einerseits zwischen den Geschlechtern und andererseits zwischen Stadt und Land, konfrontiert. Der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie führte zu einem erheblichen Anstieg der Armut (BS 19.3.2024). Im Jahr 2022 lebten 33,2 % der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze (ADB 2024). Im Vergleich zu städtischen Gebieten sind ländliche Gemeinden, wie z.B. Batken und Naryn, von der zunehmenden Armut stärker betroffen. Die Hauptgründe für diese Ungleichheiten sind u.a. die mangelnde Erreichbarkeit, die Entfernung zu den Märkten sowie die Abhängigkeit von Rücküberweisungen kirgisischer Arbeitsmigranten aus dem Ausland (BS 19.3.2024). Mit Anfang 2021 legte die neue Regierung ihren wirtschaftspolitischen Fokus vorrangig auf die Förderung eines raschen Wirtschaftswachstums und auf die Erhöhung der Staatseinnahmen. Damit sollte unter anderem der immense informelle und unbesteuerte Sektor eingedämmt werden .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 43

(BS 19.3.2024). 2021 befanden sich 63,2 % der Arbeiter in einem informellen Beschäftigungsverhältnis (ILO 2.2023). 2023 betrug der Anteil der informellen Wirtschaft am BIP 19,2 % (NSC o.D.). Formal ist Kirgisistan ein sozial orientierter Wohlfahrtsstaat mit klaren Verpflichtungen zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit seiner Bürger. Eine Bestimmung in Artikel 44 der Verfassung von 2021 legt fest, dass alle grundlegenden Sozialleistungen (z.B. Pensions-, Invaliditäts- und Arbeitslosenzahlungen) den gesetzlich festgelegten Verbraucherpreisindex nicht unterschreiten dürfen. Allerdings liegt die Mindestpension etwa bei einem Viertel des monatlichen Verbraucherpreisindex (BS 19.3.2024). Einkommensschwache Familien und vulnerable Personengruppen haben laut dem Gesetz über staatliche Sozialleistungen vom 28.7.2017 Anspruch auf finanzielle Unterstützung, wenn das durchschnittliche Haushaltseinkommen unter dem Mindestverbrauch liegt. Die Sozialleistungen werden für ein Jahr gewährt, danach ist der Antrag auf Sozialleistungen neu zu stellen (ÖB 1.2023). Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld ist, dass der Antragsteller in den letzten drei Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit mindestens zwölf Monate Beiträge in den Sozialfonds der Kirgisischen Republik eingezahlt hat und in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Selbständige haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Anspruchsberechtigt sind nur kirgisische Staatsangehörige (ISSA 1.1.2022). Für Familien und Kinder gibt es eine Familienbeihilfe und eine Geburtszulage. Die Familienbeihilfe ist eine Sozialbeihilfe für kirgisische Staatsbürger, die nach einer Einkommensüberprüfung für jedes Kind jünger als 16 Jahre bezahlt werden kann. Auch die Geburtszulage ist nur für kirgisische Staatsbürger zugänglich. Anders als bei der Familienbeihilfe handelt es sich hier allerdings um eine universelle, einkommensunabhängige Förderung. Die Leistung wird in Form eines Pauschalbetrages ausbezahlt und muss innerhalb von 6 Monaten nach der Geburt beantragt werden (ISSA 1.1.2022). Das Pensionssystem bietet den Versicherten oder ihren Hinterbliebenen folgende Arten von Leistungen: Alters- oder Teilpension, Invaliditätspension, Hinterbliebenenpension und eine soziale Alterspension (-beihilfe). Als Altersvoraussetzung gelten bei Männern 63 Jahre mit mindestens 25 Beschäftigungsjahren bzw. 58 Jahre mit mindestens 20 Beschäftigungsjahren bei Frauen. Versicherungszeiten können angerechnet oder käuflich erworben werden. Das Arbeitsverhältnis kann bei Pensionierung fortgesetzt werden. Eine Auszahlung im Ausland erfolgt nur im Rahmen einer gegenseitigen Vereinbarung. Personen, die keinen Anspruch auf eine Alterspension haben, erhalten eine Soziale Alterspension (-beihilfe). Männer müssen sich für eine Anspruchsberechtigung einer Prüfung unterziehen, um die finanzielle Bedürftigkeit feststellen zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 39 von 43

können. Für Frauen gibt es keinen Einkommenstest, sie erfüllen die Voraussetzungen, wenn sie keinen Anspruch auf eine einkommensabhängige Alterspension haben. Dieser Betrag wird jährlich auf Grundlage von Änderungen des Existenzminimums und der verfügbaren Ressourcen angepasst. Für die Invaliditätspension sind je nach Alter der versicherten Person ein bis fünf Jahre Versicherungszeiten notwendig. Eine Expertenkommission des Ministeriums für Arbeit und Soziale Entwicklung bewertet den Grad der Behinderung und damit die Einstufung für Voll- oder Teilinvalidität. Benötigt der Versicherte die ständige Anwesenheit von anderen zur Erfüllung seiner täglichen Aufgaben, wird eine ständige Pflegezulage gewährt. Darüber hinaus gibt es noch eine soziale Invaliditätspension (-beihilfe) für Personen mit einer Behinderung, die in der Kindheit begann, bzw. für Kinder mit einer Behinderung (ISSA 1.1.2022). Quellen: •ADB - Asian Development Bank (2024): 2024 Basic Statistics, https://www.adb.org/mobile/basic-statistics-2024/, Zugriff 21.11.2024 •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report — Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 •ILO - International Labour Organization (2.2023): Diagnostic Report, Transition from infor- mal to formal employment: Extension of social protection schemes (maternity and unem- ployment) in Kyrgyzstan, https://www.ilo.org/sites/default/files/wcmsp5/groups/public/%40europe/%40ro-geneva/ %40sro-moscow/documents/publication/wcms_897155.pdf, Zugriff 22.1124 •ISSA - International Social Security Association (1.1.2022): Kyrgyzstan, Policies as of 1 January 2022, https://www.issa.int/sites/default/files/documents/2024-03/Kyrgyzstan%202022%20- %20ISSA%20country%20profile.pdf, Zugriff 25.11.2024 •NSC - National Statistical Committee [Kirgisistan] (o.D.): Dynamic table - Non observed (hidden and informal) economy, https://stat.gov.kg/en/statistics/download/dynamic/855/, Zu- griff 23.1.2025 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •WKO - Wirtschaftskammer Österreich (9.2024): Kirgisistan Wirtschaftsbericht, https://www.wko.at/oe/aussenwirtschaft/kirgisistan-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.11.2024, Quelle liegt in Staatendokumentation auf 19. Medizinische Versorgung Die Gesundheitsversorgung in Kirgisistan entspricht nicht europäischen Standards. Selbst in der Hauptstadt können Notfälle meist nur unzureichend behandelt werden (AA 1.10.2024). Die Finanzierung des Gesundheits- und Sozialbereichs erfolgt seit 1991 aus Mitteln des Staatshaushaltes und des Sozialfonds (ÖB 1.2023; vgl. WHO 27.9.2024). Als eine weitere Finanzierungsquelle dienen beschäftigungsabhängige obligatorische Krankenversicherungsbeiträge (WHO 27.9.2024). Laut Artikel 34 der kirg. Verfassung hat jeder Staatsangehörige von Kirgisistan ein unabdingbares Recht auf Gesundheitsschutz (ÖB 1.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 40 von 43

Primär- und Notfallversorgung sowie ambulante fachärztliche Behandlungen nach ärztlicher Überweisung werden ohne Selbstbehalt gewährleistet. Für Krankenhausaufenthalte nach ärtzlicher Überweisung besteht dagegen ein Selbstbehalt (WHO 27.9.2024). Medizinische Ersthilfe und medizinische Versorgung bei bestimmten, gesetzlich festgelegten Krankheiten sowie medizinische Versorgung für sozial schwache Bevölkerungsgruppen sind kostenfrei und werden von staatlichen und privaten medizinischen Einrichtungen bereitgestellt (ÖB 1.2023). Insgesamt definiert die kirgisische Regierung 46 Kategorien von Personen, die aufgrund von sozialem Status (30) oder medizinischen Gründen (16), unter anderem alle Kinder bis 6 Jahre, Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien bis 16 Jahre oder Personen mit HIV/AIDS, kostenlosen Zugang zu ambulanter und stationärer medizinischer Behandlung haben (WHO 27.9.2022). Des Weiteren profitieren Beitragszahler (bzw. Personen, für die der Staat Beiträge bezahlt) von reduzierten Selbstbehalten bei stationären Behandlungen (HRC 21.4.2023). Arbeitnehmer, Selbständige und registrierte Arbeitslose, für die in eine Krankenversicherung eingezahlt wird, haben einen Anspruch auf Kranken- und Mutterschaftsgeld (ISSA 1.1.2022). Arbeitskräfte in der informellen Wirtschaft oder Binnenmigranten, die oftmals nicht über die notwendigen Dokumente verfügen, zahlen keine Krankenversicherungsbeiträge und haben somit auch keinen Zugang zu dieser Form der Unterstützung. Für arbeitslose Personen wird nur dann ein Beitrag eingezahlt, wenn sie auch offiziell als arbeitslos beim Arbeitsamt registriert sind (WHO 27.9.2024). Die Selbstbehalte stellen eine große finanzielle Herausforderung und Hürde für viele Menschen dar. Haushalte müssen etwa auf Ersparnisse zurückgreifen, den Konsum einschränken, Familienangehörige um Hilfe bitten oder Eigentum verkaufen, um für medizinische Kosten aufkommen zu können. Selbstbehalte gelten als Hauptursache, weshalb bestimmte Haushalte ihren Bedarf an Medikamenten nicht decken können (EOHSP 12.9.2022). Daneben stellt auch Korruption ein mögliches Hindernis für den Zugang zum nationalen Gesundheitssystem dar. So berichtet der UNO-Sonderberichterstatter von vielen in Armut lebenden Personen, die zusätzlich Bestechungsgelder an medizinisches Personal zahlen müssen, um eine Behandlung zu erhalten. In Bischkek müssen demzufolge Angehörige armer Haushalte neben den Bestechungsgeldern an die Ärzte zusätzlich auch das chirurgische Material selbst kaufen. Seit 2017 gibt es daher eine Hotline, bei der sich Patienten über die Qualität der erbrachten medizinischen Betreuung beschweren können, und 2021 erhöhte die Regierung die Gehälter für das Gesundheitspersonal (HRC 21.4.2024). Die staatlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen sind seit Jahren rückläufig. Die medizinische Versorgung im Land besteht aus halbautonomen öffentlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen sowie privaten Apotheken (HRC 21.4.2023). Hausärzte in Gemeinschaftspraxen (Family Group Practices, FGPs) sind für Erstbesuche, Kontrollen und wenn notwendig für Untersuchungen und Behandlungen zuständig. Bei Bedarf erfolgt eine Überweisung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 41 von 43

an die Sekundarversorgung. In der Praxis wird die Primärversorgung allerdings aufgrund fehlender Ressourcen und eines unzureichenden Gatekeeper-Systems oftmals umgangen und die Patienten wenden sich direkt an die Fachärzte. So werden in der Primärversorgung oftmals viele Krankheiten nicht behandelt, die eigentlich am besten auf dieser Ebene behandelbar wären, wie z.B. nicht übertragbare Krankheiten. In ländlichen Gebieten gibt es zusätzlich Feldscher-Hebammen-Stellen (Feldsher-Midwife Points, FAPs), um die Gesundheitsversorgung von Müttern und ihren Kindern zu verbessern. Ein FAP wird von einem Feldscher (Arzthelfer) geleitet und verfügt über einen Hausarzt, der regelmäßige Visiten im FAP durchführt. Obwohl generell eine sehr gute Verteilung und Zugang zur Primärversorgung attestiert wird, gibt es dennoch einige geographische Barrieren und einen großen Unterschied zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen einzelnen Regionen. So sind ca. 3.000 Ärztestellen in der Primärversorgung unbesetzt. Die Abdeckung mit Pflegekräften im Land wird mehrheitlich als ausreichend berichtet, lediglich in den Städten Bischkek und Osch gibt es einen Mangel. Die spezialisierte ambulante Versorgung wird von Fachärzten in Zentren für Familienmedizin (Family Medicine Centres, FMCs) sowie von privaten Anbietern angeboten. Die sekundäre und stationäre Behandlung wird von Bezirks- und Regionalkrankenhäusern erbracht. Die tertiäre Versorgung ist allerdings lediglich in der Hauptstadt Bischkek verfügbar (EOHSP 12.9.2024). Quellen: •AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.10.2024): Kirgisistan – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan- node/kirgisistansicherheit/206738, Zugriff 25.11.2024 •EOHSP - European Observatory on Health Systems and Policies (12.9.2022): Health sys- tems in action: Kyrgyzstan, https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/362344/9789289059152-eng.pdf?sequence=1, Zugriff 27.11.2024 •HRC – UN Human Rights Council (21.4.2023): Visit to Kyrgyzstan, Report of the Special Rapporteur on extreme poverty and human rights, Olivier De Shutter, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092309/G2307313.pdf, Zugriff 25.11.2024 •ISSA - International Social Security Association (1.1.2022): Kyrgyzstan, Policies as of 1 January 2022, https://www.issa.int/sites/default/files/documents/2024-03/Kyrgyzstan%202022%20- %20ISSA%20country%20profile.pdf, Zugriff 25.11.2024 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •WHO - World Health Organization (27.9.2022): Kyrgyzstan - Health system review, https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/363175/9789289059237-eng.pdf?sequence=1, Zugriff 26.11.2024 20. Rückkehr Prinzipiell haben Abgeschobene nach ihrer Rückkehr mit keiner schlechten Behandlung zu rechnen. Jedem außerhalb Kirgisistans lebenden Kirgisen wird unabhängig von der Staatsangehörigkeit eines ausländischen Staates das Recht auf vereinfachte Erlangung der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 42 von 43

kirgisischen Staatsangehörigkeit garantiert. Kirgisistan erlaubt Doppelstaatsangehörigkeit mit Ausnahme von Staatsangehörigkeit der Grenzstaaten China, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan. Jedes Jahr beantragen etwa 2.000 ethnische Kirgisen (zumeist aus Tadschikistan, Usbekistan, China und Afghanistan) die Übersiedlung nach Kirgisistan und Erlangung des Status eines „Kayrylman“ (eines Rückkehrers mit Recht u.a. auf soziale und medizinische Versorgung bis zur Erlangung der kirgisischen Staatsangehörigkeit). Laut offiziellen Angaben werden den Rückkehrern u. a. folgende Unterstützungsleistungen gewährt: medizinische Leistungen, Quotenplätze in den Kinderbetreuungs-, Vorschul- und Schuleinrichtungen sowie in Einrichtungen der mittleren und höheren Berufsbildung, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Renten- und Beihilfenzahlungen, Sprachkurse für Kirgisisch, zoll- und steuerfreier Transfer von persönlichen Gütern bei der Übersiedlung nach Kirgisistan. Prinzipiell ist nicht automatisch mit Problemen wegen Asylantragstellung im Ausland zu rechnen. Strafbarkeit von im Ausland gesetzten Handlungen und tatsächliche Exekution/Vollziehung allfälliger Strafen, etwa bei illegaler Ausreise, ist grundsätzlich gegeben, wobei es von der Art der Handlung und auch vom Begehungsort abhängt (ÖB 1.2023). Quellen: •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 43
