kirg-lib-2025-01-23-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
(BS 19.3.2024). 2021 befanden sich 63,2 % der Arbeiter in einem informellen Beschäftigungsverhältnis (ILO 2.2023). 2023 betrug der Anteil der informellen Wirtschaft am BIP 19,2 % (NSC o.D.). Formal ist Kirgisistan ein sozial orientierter Wohlfahrtsstaat mit klaren Verpflichtungen zur Gewährleistung der sozialen Sicherheit seiner Bürger. Eine Bestimmung in Artikel 44 der Verfassung von 2021 legt fest, dass alle grundlegenden Sozialleistungen (z.B. Pensions-, Invaliditäts- und Arbeitslosenzahlungen) den gesetzlich festgelegten Verbraucherpreisindex nicht unterschreiten dürfen. Allerdings liegt die Mindestpension etwa bei einem Viertel des monatlichen Verbraucherpreisindex (BS 19.3.2024). Einkommensschwache Familien und vulnerable Personengruppen haben laut dem Gesetz über staatliche Sozialleistungen vom 28.7.2017 Anspruch auf finanzielle Unterstützung, wenn das durchschnittliche Haushaltseinkommen unter dem Mindestverbrauch liegt. Die Sozialleistungen werden für ein Jahr gewährt, danach ist der Antrag auf Sozialleistungen neu zu stellen (ÖB 1.2023). Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld ist, dass der Antragsteller in den letzten drei Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit mindestens zwölf Monate Beiträge in den Sozialfonds der Kirgisischen Republik eingezahlt hat und in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Selbständige haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Anspruchsberechtigt sind nur kirgisische Staatsangehörige (ISSA 1.1.2022). Für Familien und Kinder gibt es eine Familienbeihilfe und eine Geburtszulage. Die Familienbeihilfe ist eine Sozialbeihilfe für kirgisische Staatsbürger, die nach einer Einkommensüberprüfung für jedes Kind jünger als 16 Jahre bezahlt werden kann. Auch die Geburtszulage ist nur für kirgisische Staatsbürger zugänglich. Anders als bei der Familienbeihilfe handelt es sich hier allerdings um eine universelle, einkommensunabhängige Förderung. Die Leistung wird in Form eines Pauschalbetrages ausbezahlt und muss innerhalb von 6 Monaten nach der Geburt beantragt werden (ISSA 1.1.2022). Das Pensionssystem bietet den Versicherten oder ihren Hinterbliebenen folgende Arten von Leistungen: Alters- oder Teilpension, Invaliditätspension, Hinterbliebenenpension und eine soziale Alterspension (-beihilfe). Als Altersvoraussetzung gelten bei Männern 63 Jahre mit mindestens 25 Beschäftigungsjahren bzw. 58 Jahre mit mindestens 20 Beschäftigungsjahren bei Frauen. Versicherungszeiten können angerechnet oder käuflich erworben werden. Das Arbeitsverhältnis kann bei Pensionierung fortgesetzt werden. Eine Auszahlung im Ausland erfolgt nur im Rahmen einer gegenseitigen Vereinbarung. Personen, die keinen Anspruch auf eine Alterspension haben, erhalten eine Soziale Alterspension (-beihilfe). Männer müssen sich für eine Anspruchsberechtigung einer Prüfung unterziehen, um die finanzielle Bedürftigkeit feststellen zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 39 von 43

können. Für Frauen gibt es keinen Einkommenstest, sie erfüllen die Voraussetzungen, wenn sie keinen Anspruch auf eine einkommensabhängige Alterspension haben. Dieser Betrag wird jährlich auf Grundlage von Änderungen des Existenzminimums und der verfügbaren Ressourcen angepasst. Für die Invaliditätspension sind je nach Alter der versicherten Person ein bis fünf Jahre Versicherungszeiten notwendig. Eine Expertenkommission des Ministeriums für Arbeit und Soziale Entwicklung bewertet den Grad der Behinderung und damit die Einstufung für Voll- oder Teilinvalidität. Benötigt der Versicherte die ständige Anwesenheit von anderen zur Erfüllung seiner täglichen Aufgaben, wird eine ständige Pflegezulage gewährt. Darüber hinaus gibt es noch eine soziale Invaliditätspension (-beihilfe) für Personen mit einer Behinderung, die in der Kindheit begann, bzw. für Kinder mit einer Behinderung (ISSA 1.1.2022). Quellen: •ADB - Asian Development Bank (2024): 2024 Basic Statistics, https://www.adb.org/mobile/basic-statistics-2024/, Zugriff 21.11.2024 •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report — Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 •ILO - International Labour Organization (2.2023): Diagnostic Report, Transition from infor- mal to formal employment: Extension of social protection schemes (maternity and unem- ployment) in Kyrgyzstan, https://www.ilo.org/sites/default/files/wcmsp5/groups/public/%40europe/%40ro-geneva/ %40sro-moscow/documents/publication/wcms_897155.pdf, Zugriff 22.1124 •ISSA - International Social Security Association (1.1.2022): Kyrgyzstan, Policies as of 1 January 2022, https://www.issa.int/sites/default/files/documents/2024-03/Kyrgyzstan%202022%20- %20ISSA%20country%20profile.pdf, Zugriff 25.11.2024 •NSC - National Statistical Committee [Kirgisistan] (o.D.): Dynamic table - Non observed (hidden and informal) economy, https://stat.gov.kg/en/statistics/download/dynamic/855/, Zu- griff 23.1.2025 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •WKO - Wirtschaftskammer Österreich (9.2024): Kirgisistan Wirtschaftsbericht, https://www.wko.at/oe/aussenwirtschaft/kirgisistan-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.11.2024, Quelle liegt in Staatendokumentation auf 19. Medizinische Versorgung Die Gesundheitsversorgung in Kirgisistan entspricht nicht europäischen Standards. Selbst in der Hauptstadt können Notfälle meist nur unzureichend behandelt werden (AA 1.10.2024). Die Finanzierung des Gesundheits- und Sozialbereichs erfolgt seit 1991 aus Mitteln des Staatshaushaltes und des Sozialfonds (ÖB 1.2023; vgl. WHO 27.9.2024). Als eine weitere Finanzierungsquelle dienen beschäftigungsabhängige obligatorische Krankenversicherungsbeiträge (WHO 27.9.2024). Laut Artikel 34 der kirg. Verfassung hat jeder Staatsangehörige von Kirgisistan ein unabdingbares Recht auf Gesundheitsschutz (ÖB 1.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 40 von 43

Primär- und Notfallversorgung sowie ambulante fachärztliche Behandlungen nach ärztlicher Überweisung werden ohne Selbstbehalt gewährleistet. Für Krankenhausaufenthalte nach ärtzlicher Überweisung besteht dagegen ein Selbstbehalt (WHO 27.9.2024). Medizinische Ersthilfe und medizinische Versorgung bei bestimmten, gesetzlich festgelegten Krankheiten sowie medizinische Versorgung für sozial schwache Bevölkerungsgruppen sind kostenfrei und werden von staatlichen und privaten medizinischen Einrichtungen bereitgestellt (ÖB 1.2023). Insgesamt definiert die kirgisische Regierung 46 Kategorien von Personen, die aufgrund von sozialem Status (30) oder medizinischen Gründen (16), unter anderem alle Kinder bis 6 Jahre, Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien bis 16 Jahre oder Personen mit HIV/AIDS, kostenlosen Zugang zu ambulanter und stationärer medizinischer Behandlung haben (WHO 27.9.2022). Des Weiteren profitieren Beitragszahler (bzw. Personen, für die der Staat Beiträge bezahlt) von reduzierten Selbstbehalten bei stationären Behandlungen (HRC 21.4.2023). Arbeitnehmer, Selbständige und registrierte Arbeitslose, für die in eine Krankenversicherung eingezahlt wird, haben einen Anspruch auf Kranken- und Mutterschaftsgeld (ISSA 1.1.2022). Arbeitskräfte in der informellen Wirtschaft oder Binnenmigranten, die oftmals nicht über die notwendigen Dokumente verfügen, zahlen keine Krankenversicherungsbeiträge und haben somit auch keinen Zugang zu dieser Form der Unterstützung. Für arbeitslose Personen wird nur dann ein Beitrag eingezahlt, wenn sie auch offiziell als arbeitslos beim Arbeitsamt registriert sind (WHO 27.9.2024). Die Selbstbehalte stellen eine große finanzielle Herausforderung und Hürde für viele Menschen dar. Haushalte müssen etwa auf Ersparnisse zurückgreifen, den Konsum einschränken, Familienangehörige um Hilfe bitten oder Eigentum verkaufen, um für medizinische Kosten aufkommen zu können. Selbstbehalte gelten als Hauptursache, weshalb bestimmte Haushalte ihren Bedarf an Medikamenten nicht decken können (EOHSP 12.9.2022). Daneben stellt auch Korruption ein mögliches Hindernis für den Zugang zum nationalen Gesundheitssystem dar. So berichtet der UNO-Sonderberichterstatter von vielen in Armut lebenden Personen, die zusätzlich Bestechungsgelder an medizinisches Personal zahlen müssen, um eine Behandlung zu erhalten. In Bischkek müssen demzufolge Angehörige armer Haushalte neben den Bestechungsgeldern an die Ärzte zusätzlich auch das chirurgische Material selbst kaufen. Seit 2017 gibt es daher eine Hotline, bei der sich Patienten über die Qualität der erbrachten medizinischen Betreuung beschweren können, und 2021 erhöhte die Regierung die Gehälter für das Gesundheitspersonal (HRC 21.4.2024). Die staatlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen sind seit Jahren rückläufig. Die medizinische Versorgung im Land besteht aus halbautonomen öffentlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen sowie privaten Apotheken (HRC 21.4.2023). Hausärzte in Gemeinschaftspraxen (Family Group Practices, FGPs) sind für Erstbesuche, Kontrollen und wenn notwendig für Untersuchungen und Behandlungen zuständig. Bei Bedarf erfolgt eine Überweisung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 41 von 43

an die Sekundarversorgung. In der Praxis wird die Primärversorgung allerdings aufgrund fehlender Ressourcen und eines unzureichenden Gatekeeper-Systems oftmals umgangen und die Patienten wenden sich direkt an die Fachärzte. So werden in der Primärversorgung oftmals viele Krankheiten nicht behandelt, die eigentlich am besten auf dieser Ebene behandelbar wären, wie z.B. nicht übertragbare Krankheiten. In ländlichen Gebieten gibt es zusätzlich Feldscher-Hebammen-Stellen (Feldsher-Midwife Points, FAPs), um die Gesundheitsversorgung von Müttern und ihren Kindern zu verbessern. Ein FAP wird von einem Feldscher (Arzthelfer) geleitet und verfügt über einen Hausarzt, der regelmäßige Visiten im FAP durchführt. Obwohl generell eine sehr gute Verteilung und Zugang zur Primärversorgung attestiert wird, gibt es dennoch einige geographische Barrieren und einen großen Unterschied zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen einzelnen Regionen. So sind ca. 3.000 Ärztestellen in der Primärversorgung unbesetzt. Die Abdeckung mit Pflegekräften im Land wird mehrheitlich als ausreichend berichtet, lediglich in den Städten Bischkek und Osch gibt es einen Mangel. Die spezialisierte ambulante Versorgung wird von Fachärzten in Zentren für Familienmedizin (Family Medicine Centres, FMCs) sowie von privaten Anbietern angeboten. Die sekundäre und stationäre Behandlung wird von Bezirks- und Regionalkrankenhäusern erbracht. Die tertiäre Versorgung ist allerdings lediglich in der Hauptstadt Bischkek verfügbar (EOHSP 12.9.2024). Quellen: •AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.10.2024): Kirgisistan – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan- node/kirgisistansicherheit/206738, Zugriff 25.11.2024 •EOHSP - European Observatory on Health Systems and Policies (12.9.2022): Health sys- tems in action: Kyrgyzstan, https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/362344/9789289059152-eng.pdf?sequence=1, Zugriff 27.11.2024 •HRC – UN Human Rights Council (21.4.2023): Visit to Kyrgyzstan, Report of the Special Rapporteur on extreme poverty and human rights, Olivier De Shutter, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092309/G2307313.pdf, Zugriff 25.11.2024 •ISSA - International Social Security Association (1.1.2022): Kyrgyzstan, Policies as of 1 January 2022, https://www.issa.int/sites/default/files/documents/2024-03/Kyrgyzstan%202022%20- %20ISSA%20country%20profile.pdf, Zugriff 25.11.2024 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •WHO - World Health Organization (27.9.2022): Kyrgyzstan - Health system review, https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/363175/9789289059237-eng.pdf?sequence=1, Zugriff 26.11.2024 20. Rückkehr Prinzipiell haben Abgeschobene nach ihrer Rückkehr mit keiner schlechten Behandlung zu rechnen. Jedem außerhalb Kirgisistans lebenden Kirgisen wird unabhängig von der Staatsangehörigkeit eines ausländischen Staates das Recht auf vereinfachte Erlangung der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 42 von 43

kirgisischen Staatsangehörigkeit garantiert. Kirgisistan erlaubt Doppelstaatsangehörigkeit mit Ausnahme von Staatsangehörigkeit der Grenzstaaten China, Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan. Jedes Jahr beantragen etwa 2.000 ethnische Kirgisen (zumeist aus Tadschikistan, Usbekistan, China und Afghanistan) die Übersiedlung nach Kirgisistan und Erlangung des Status eines „Kayrylman“ (eines Rückkehrers mit Recht u.a. auf soziale und medizinische Versorgung bis zur Erlangung der kirgisischen Staatsangehörigkeit). Laut offiziellen Angaben werden den Rückkehrern u. a. folgende Unterstützungsleistungen gewährt: medizinische Leistungen, Quotenplätze in den Kinderbetreuungs-, Vorschul- und Schuleinrichtungen sowie in Einrichtungen der mittleren und höheren Berufsbildung, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Renten- und Beihilfenzahlungen, Sprachkurse für Kirgisisch, zoll- und steuerfreier Transfer von persönlichen Gütern bei der Übersiedlung nach Kirgisistan. Prinzipiell ist nicht automatisch mit Problemen wegen Asylantragstellung im Ausland zu rechnen. Strafbarkeit von im Ausland gesetzten Handlungen und tatsächliche Exekution/Vollziehung allfälliger Strafen, etwa bei illegaler Ausreise, ist grundsätzlich gegeben, wobei es von der Art der Handlung und auch vom Begehungsort abhängt (ÖB 1.2023). Quellen: •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 43
