lib-viet-2024-09-02-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Ermittler. Obwohl Straffreiheit bei den Sicherheitskräften ein erhebliches Problem darstellt und Polizei, Staatsanwaltschaft und staatliche Aufsichtsbehörden nur selten konkreten Berichten über Misshandlungen nachgehen, verfolgten die Behörden in einigen Fällen Polizisten wegen Amtsmissbrauchs (USDOS 23.4.2024). Die Regierung unternimmt – häufig in Kooperation mit internationalen Partnern (Deutschland, Belgien, Niederlande, USA) – Anstrengungen, die Angehörigen der Sicherheitsbehörden im korrekten Umgang, etwa mit Straftätern, zu schulen (AA 12.2.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 8. Korruption Vietnam scheint im Korruptionswahrnehmungsindex 2023 von Transparency International auf Platz 83 von insgesamt 180 Ländern auf (TI 2024). Allgegenwärtige Korruption zerstört das Vertrauen in staatliches Handeln (AA 12.2.2024). Obwohl das Gesetz strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vorsieht, wird das Gesetz von der Regierung nicht wirksam umgesetzt und Beamte beteiligen sich häufig an korrupten Praktiken. Dies betrifft unter anderem amtierende und pensionierte Beamte des Politbüros, der zentralen Partei, des Militärs und der öffentlichen Sicherheitsdienste. Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach politische Einflussnahme, endemische Korruption und Bestechung das Justizsystem stark verzerren (USDOS 23.4.2024). Die KPV (Kommunistische Partei Vietnams) und die Regierung räumen die wachsende Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit der Korruption ein, und in den letzten Jahren hat die Zahl der Festnahmen im Zusammenhang mit Korruption zugenommen. Hochrangige Funktionäre, darunter auch Mitglieder des Zentralkomitees, müssen mit Disziplinarmaßnahmen der Partei und Gefängnisstrafen rechnen (FH 2024). Im Frühjahr 2017 begann eine öffentlichkeitswirksame Kampagne der KPV gegen die Korruption, die mittlerweile zahlreiche KPV-Kader sowie Spitzenkräfte der staatseigenen Unternehmen trifft (z.T. mit Todes- und lebenslangen Haftstrafen). Häufig scheinen die Strafverfahren mit parteiinternen Machtkämpfen zusammenzuhängen. Die Kampagne führt zu Entscheidungsschwäche aus Angst vor korruptionsrechtlichen Ermittlungen und damit einer weitgehenden Lähmung der gesamten Verwaltung (AA 12.2.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 36

Das harte Vorgehen der Behörden gegen die Korruption wurde 2023 verschärft. Im Laufe des Jahres wurden mehrere Spitzenbeamte verhaftet oder gezwungen, ihr Amt im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen aufzugeben. Trotz des jüngsten harten Durchgreifens erfolgt die Durchsetzung der Antikorruptionsgesetze oft selektiv und ist mit politischen Rivalitäten verbunden. Viele Spitzenbeamte, die festgenommen oder inhaftiert wurden, gehörten einer anderen KPV- Fraktion an als jener des Generalsekretärs Trọng (FH 2024). Die KPV duldet weder journalistische Untersuchungen noch unabhängige Gerichte oder andere autonome Einrichtungen, die als Kontrollinstanz für Korruption dienen könnten (FH 2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - TI - Transparency International (2024): Corruption Perception Index 2023, https://web.archive.org/web/20240801200734/https://www.transparency.org/en/cpi/2023/index/ vnm, Zugriff 1.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Die Gründung unabhängiger Menschenrechtsorganisationen ist in Vietnam ebenso wenig erlaubt (AA 12.2.2024; vgl. FH 2024, USDOS 23.4.2024) wie Versuche von Organisationen oder Einzelpersonen, die Menschenrechtspraxis der Regierung öffentlich zu kritisieren (USDOS 23.4.2024). Dennoch setzt sich eine kleine, aber aktive Gemeinschaft von NGOs für die Erhaltung der Umwelt, für Landrechte, die Entwicklung von Frauen und die öffentliche Gesundheit ein (FH 2024). Wer sich jedoch für etwas einsetzt, das die Behörden als feindlich betrachten, riskiert eine Inhaftierung (FH 2024; vgl. HRW 11.1.2024). Die Behörden vertreten oftmals die Auffassung, dass das Eintreten für Menschenrechte und Demokratie ein Akt gegen die kommunistische Partei und den Staat sei (USDOS 23.4.2024). Im Jahr 2023 hat Vietnam die Unterdrückung von Aktivisten von NGOs nicht eingestellt (HRW 11.1.2024). Aktivisten und NGO-Mitarbeiter werden manchmal wegen ihrer Arbeit verhaftet und strafrechtlich verfolgt (FH 2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 36

Ausländische bzw. internationale Menschenrechtsorganisationen sind in Vietnam nicht vertreten, ihren Vertretern wird die Einreise selbst zu Recherchezwecken regelmäßig verwehrt. Anfragen an die Regierung zu Menschenrechtsfällen werden nur in Einzelfällen beantwortet. Insgesamt gibt es kaum noch Spielraum für zivilgesellschaftliche Aktivitäten und ausländische Akteure. Der verstärkte Kontrollanspruch der KPV betrifft sämtliche Bereiche des politischen Lebens. 2023 war ein massiv- repressives Vorgehen auch gegen solche Organisationen zu verzeichnen, die sich in mutmaßlich „unsensiblen“ Bereichen betätigen (z.B. Energiewende, Klimawandel). Noch problematischer sind Aktivitäten im engeren politischen Bereich (Sozialstandards, Innen- und Rechtspolitik, Medienpolitik, Anti-Korruption, Landnutzungsrechte) sowie künstlerische Aktivitäten. Themen, die den Kernbereich der KPV-Herrschaft berühren – Mehrparteiensystem, pluralistische Demokratie, Pressefreiheit und Gewaltenteilung – bleiben tabu. Aktivitäten in den letztgenannten Bereichen ziehen massive Repressionen nach sich (AA 12.2.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103153.html, Zugriff 13.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 10. Wehrdienst und Rekrutierungen In Vietnam besteht eine allgemeine Wehrpflicht für Männer zwischen 18 und 25 Jahren. Im Falle einer vorläufigen Freistellung, beispielsweise aus Gesundheitsgründen oder wegen einer laufenden Ausbildung, wird das Wehrpflichtsalter bis zum 27. Lebensjahr verlängert (AA 12.2.2024; vgl. CIA 7.8.2024). Die Dauer der Wehrpflicht beträgt zwei Jahre (Heer, Luftverteidigung) bzw. drei Jahre (Marine und Luftwaffe) (CIA 7.8.2024). Frauen können freiwillig Wehrdienst ableisten. Ein Ersatzdienst existiert nicht. Wehrdienstverweigerung kann mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft werden. Die Überwachung der Einhaltung der Wehrpflicht ist derzeit nicht sehr streng, da die Armee aus finanziellen Gründen nicht in der Lage ist, alle Wehrpflichtigen aufzunehmen (AA 12.2.2024). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 36

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): The World Factbook - Vietnam, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/vietnam/#people-and-society, Zugriff 8.8.2024 11. Allgemeine Menschenrechtslage Die im September 2013 verabschiedete Verfassung führt zahlreiche Grundrechte auf. Diese werden einfachgesetzlich allerdings selten mit Leben gefüllt – die Regel ist eine restriktive Konkretisierung durch umfassende Eingriffsrechte oder ein mangelhafter Schutz aufgrund von Umsetzungsdefiziten. Die Vorstellung von Grundrechten als Abwehr- und Schutzrechte gegenüber dem Staat beginnt sich nur zögerlich zu entwickeln (AA 12.2.2024). Vietnam hat sieben der wichtigsten Menschenrechtskonventionen unterzeichnet bzw. ratifiziert. Probleme gibt es vor allem bei der Umsetzung international eingegangener Verpflichtungen (AA 12.2.2024). So werden elementare, von den Menschenrechtskonventionen garantierte Menschenrechte wie Meinungs-, Versammlungs-, Religionsfreiheit weiterhin zum Teil stark eingeschränkt (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, HRW 11.1.2024). Vietnam ist an folgende internationale Menschenrechtsabkommen gebunden: •Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte; •Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; •Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung; •Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; •Übereinkommen über die Rechte des Kindes mit seinen beiden Zusatzprotokollen betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und den Verkauf von Kindern sowie Kinderprostitution und Kinderpornographie; •Anti-Folter-Konvention; •UN-Behindertenrechtskonvention (AA 12.2.2024). Im Mai 2009 unterzog sich Vietnam erstmals dem „Universal Periodic Review“ (UPR) der Vereinten Nationen. Im Februar 2014 und dann im Januar 2019 durchlief Vietnam den UPR erneut. Es erhielt von den 121 wortnehmenden Staaten Lob u. a. für Armutsbekämpfung und die Beschränkung der Zahl mit Todesstrafe zu bestrafender Verbrechen sowie die Ratifizierung der Anti-Folter- Konvention. Kritisiert wurden v. a. die Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die Situation von Menschenrechtsverteidigern (AA 12.2.2024). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 36

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103153.html, Zugriff 13.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 12. Meinungs- und Pressefreiheit Die Verfassung garantiert Meinungs- und Pressefreiheit. Unbestimmt gefasste und frei auslegbare Eingriffsnormen, vor allem die Straftatbestände zum Schutz der nationalen Sicherheit (Missbrauch demokratischer Rechte, Sabotage, Umsturzversuch) schränken diese Grundrechte allerdings massiv ein (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024). Die Regierung schränkt weiterhin Äußerungen ein, die einzelne Regierungsmitglieder oder die Partei kritisieren, den politischen Pluralismus oder die Mehrparteiendemokratie fördern oder die Politik in sensiblen Fragen wie den Menschenrechten, der Religionsfreiheit oder den Souveränitätsstreitigkeiten mit China in Frage stellten (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 12.2.2024). Kritiker der Regierung werden von der Polizei eingeschüchtert, schikaniert, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, willkürlich festgenommen und inhaftiert und nach unfairen Gerichtsverfahren verurteilt (HRW 11.1.2024). Verhaftungen, Angriffe und strafrechtliche Verurteilungen von Journalisten und Bloggern wurden auch im Jahr 2023 in großer Zahl gemeldet (FH 2024). Die Regierung nutzt weiterhin weit gefasste Bestimmungen zur nationalen Sicherheit und zur Bekämpfung von Verleumdung, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. In diesen Bestimmungen werden Straftaten wie "Sabotage der Infrastruktur des Sozialismus", "Säen von Spaltungen zwischen religiösen und nicht-religiösen Menschen" und "Propaganda gegen den Staat" als schwere Verstöße gegen die nationale Sicherheit festgelegt. Das Gesetz verbietet auch ausdrücklich, "die demokratischen Freiheiten und Rechte auszunutzen, um die Interessen des Staates oder die rechtmäßigen Rechte und Interessen von Organisationen oder Einzelpersonen zu verletzen" (USDOS 23.4.2024). Die Regierung verbietet unabhängige oder in Privatbesitz befindliche Medien (HRW 11.1.2024) und übt eine strenge Kontrolle über Radio- und Fernsehsender sowie Printmedien aus (HRW 11.1.2024; vgl. AA 12.2.2024). Obwohl das Gesetz Organisationen erlaubte, ihre eigenen Medien zu betreiben, üben die von der KPV, der Regierung und der Partei kontrollierten .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 36

Massenmedienorganisationen die rechtliche Autorität über alle wichtigen Print-, Rundfunk-, Online- und elektronischen Medien aus, und zwar in erster Linie über das Ministerium für Information und Kommunikation unter der Gesamtleitung der Informations- und Bildungskommission der KPV (USDOS 23.4.2024). Das Internet, das in Vietnam derzeit von ca. 72 Mio. Menschen genutzt wird, unterliegt staatlicher Kontrolle; Internetseiten mit missliebigen politischen, religiösen oder menschenrechtlichen Inhalten werden blockiert (AA 12.2.2024; vgl. HRW 11.1.2024, USDOS 23.4.2024). Kritische Blogger werden regelmäßig zu zum Teil langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das vietnamesische Strafgesetzbuch lässt für „Propaganda gegen den Staat“ Verurteilungen von bis zu 20 Jahren zu; In einigen Fällen wurden die Anklagen um den Vorwurf der „Durchführung von Aktivitäten zum Umsturz der Volksregierung“ erweitert, wodurch der Strafrahmen bis zur Todesstrafe ausgedehnt wird (AA 12.2.2024). Vietnam befindet sich im Index der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen von insgesamt 180 Ländern auf Platz 174 (Platz 178 im Jahr 2023) (RSF 2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html, Zugriff 8.8.2024 - HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 – Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103153.html, Zugriff 13.8.2024 - RSF - Reporters san Frontiers (2024 ): 2024 World Press Freedom Index, https://rsf.org/en/index , Zugriff 14.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist in Vietnam stark eingeschränkt (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, HRW 11.1.2024, FH 2024), vor allem wegen des aus Sicht der Regierung systemgefährdenden Charakters frei operierender Vereine und vermeintlich unkontrollierbarer Demonstrationen (AA 12.2.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 36

Jede Versammlung muss bei den lokalen Behörden angemeldet werden. Diese haben das Recht, Versammlungen nach eigenem Ermessen zu verbieten oder aufzulösen, wenn nach ihrer Beurteilung die öffentliche Ordnung oder die Tätigkeit des Volkskomitees beeinträchtigt wird (AA 12.2.2024). Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, Personen festzunehmen, die sich während Gerichtsverhandlungen außerhalb der Gerichtsgebäude versammeln oder protestieren. Solange Versammlungen informell erfolgen und nicht als politisch oder als eine Bedrohung für den Staat angesehen werden , greift die Regierung nicht ein (USDOS 23.4.2024). Die Polizei wendet routinemäßig übermäßige Gewalt an, um nicht genehmigte Demonstrationen aufzulösen (FH 2024). Die Verfassung räumt dem Einzelnen das Recht auf Vereinigungsfreiheit ein, aber die Regierung schränkt die Gründung von Vereinigungen, die sich mit den von der Regierung als "sensibel" eingestuften Themen wie Politik, Religion und Arbeit befassen, stark ein (USDOS 23.4.2024). Vereinsarbeit, die nicht unter dem Dach der Massenorganisation der Vaterlandsfront stattfindet, wird massiv erschwert (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Gründung, Struktur und Organisation von Vereinen wird damit weiterhin in untergesetzlichen Verwaltungsvorschriften geregelt, die an Restriktion und Unbestimmtheit reich sind (AA 12.2.2024). Die Regierung verbietet im Allgemeinen die Gründung privater, unabhängiger Organisationen und besteht darauf, dass die Personen innerhalb etablierter, von der Partei kontrollierter Massenorganisationen arbeiten, die in der Regel unter der Schirmherrschaft der Vaterlandsfront stehen (USDOS 23.4.2024). Freie Gewerkschaften gibt es nicht. Arbeiterstreiks sind zwar formal seit 2006 (Verankerung eines Streikrechts im Arbeitsgesetz) möglich; allerdings sind die Voraussetzungen für einen zulässigen Streik prohibitiv, so dass legale Streiks in der Realität kaum stattfinden. Vor diesem Hintergrund ist seit einigen Jahren die Zunahme „wilder Streiks“ zu verzeichnen. Daneben kommt es immer wieder zu öffentlichen Aktionen der Landbevölkerung und von Fischern, die gegen die Enteignung von Grund und Boden bzw. gegen Umweltverschmutzung demonstrieren (AA 12.2.2024). Das autoritäre Staatssystem Vietnams lässt die Ausübung bürgerlicher und politischer Rechte kaum noch zu (AA 12.2.2024). Die KPV hat das Monopol auf die politische Macht und keine andere Partei darf legal tätig sein. Mitglieder illegaler Oppositionsparteien werden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt (FH 2024; vgl. HRW 11.1.2024). Oppositionelle Gruppen oder Personen, die sich für Demokratiemodelle einschließlich des Prinzips der Gewaltenteilung, des Parteipluralismus oder der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, weiters für die Gründung unabhängiger Gewerkschaften, für Landrechte oder Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturmaßnahmen einsetzen, werden mit Zensur, polizeilichen und strafrechtlichen Repressionen und Sanktionen sowie zum Teil langjährigen Haftstrafen und Einschüchterung und Druck auf das Umfeld belegt (AA 12.2.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 36

Innerstaatliche Ausweichmöglichkeiten existieren kaum für Oppositionelle, die aufgrund „staatsgefährdender“ Aktivitäten ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten. Das Staatssicherheitsnetz ist eng und spannt sich über das gesamte Land. Legale (vorübergehende) Ausreisen ins Ausland scheitern in vielen Fällen an fehlenden Ausreisegenehmigungen bzw. an der Weigerung der Behörden, Pässe auszustellen (AA 12.2.2024). Die Verordnung Nr. 44 aus dem Jahr 2002 gibt Verwaltungsorganen die Möglichkeit, missliebige Personen ohne Gerichtsverfahren per Verwaltungsentscheid bis zu zwei Jahre unter Hausarrest zu stellen oder in psychiatrische Kliniken bzw. Erziehungsheime einzuweisen. Ein Dekret aus dem Jahr 2001 (Nr. 53/2001/ND-CP) sieht zudem die Möglichkeit eines bis zu fünfjährigen Hausarrests im Anschluss an das Verbüßen einer Haftstrafe vor - ein Mittel, von dem gegenüber entlassenen politischen Häftlingen häufig Gebrauch gemacht wird (AA 12.2.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 – Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103153.html, Zugriff 13.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 14. Haftbedingungen Vietnam bekennt sich zu den Mindeststandards der Vereinten Nationen über Haftbedingungen von 1984; jedoch entsprechen die Haftbedingungen in vietnamesischen Gefängnissen bei weitem nicht den Mindeststandards in der Europäischen Union (AA 12.2.2024). Die Haftbedingungen sind gekennzeichnet durch einfache, nicht klimatisierte bzw. ungeheizte Gebäude, in denen bis zu 60 Gefangene in einem Raum auf Strohmatten schlafen, durch eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sowie kaum gegebene ärztliche Betreuung. Dabei sind die Bedingungen starken regionalen Schwankungen unterworfen (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen sind von Provinz zu Provinz und von Gefängnis zu Gefängnis sehr unterschiedlich. Ehemalige Häftlinge, Familienmitglieder und Anwälte berichten, dass die Bedingungen in den meisten Gefängnissen zwar streng, aber im Allgemeinen nicht lebensbedrohlich sind (USDOS 23.4.2024). Häufig gibt es auch große Unterschiede der Haftbedingungen einzelner Gefangener unter Berücksichtigung der Delikte, wegen derer sie in Haft sind. Insbesondere kommt es oftmals zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 36

einer getrennten und schlechteren Behandlung von politischen Gefangenen. Defizite liegen zum Teil in unzureichender und schlechter Ernährung, mangelndem Trinkwasser, Überfüllung der Haftanstalten und unzureichender Hygienestandards. Nach einem (wohl versehentlich veröffentlichen) Bericht beträgt die Größe von Schlafplätzen oft nur 1,60 Quadratmeter. Es gibt auch einen hohen Anteil von Häftlingen mit HIV/AIDS, genaue Zahlenangaben hierzu liegen nicht vor (AA 12.2.2024). Die Strafvollzugsverordnung von 1992 und das Strafvollzugsgesetz von 2010 führen Rechte und Pflichten der Häftlinge auf und garantieren insbesondere auch deren Grundrechte (AA 12.2.2024). Laut Gesetz benötigen die Behörden für die Festnahme eines Verdächtigen in der Regel einen von einem Staatsanwalt genehmigten Haftbefehl oder einen Gerichtsbeschluss. Das Gesetz erlaubt den Behörden bei Vorliegen „dringender Umstände“, eine Person auch ohne Haftbefehl festzuhalten, beispielsweise bei Vorliegen von Beweisen, dass eine Person ein Verbrechen vorbereitet oder wenn die Polizei eine Person auf frischer Tat ertappt. Menschenrechtsanwälte behaupten jedoch, dass die Inhaftierung ohne Haftbefehl eine gängige Praxis ist. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Aktivisten ohne Haftbefehl in Gewahrsam genommen werden (USDOS 23.4.2024). Die Situation in der Untersuchungshaft und im Polizeigewahrsam ist oft besonders entwürdigend. Das Recht auf Anwaltskonsultation und Kommunikation mit Angehörigen wird regelmäßig beschnitten, die Gewährung von grundlegenden Rechten wird nach Berichten häufig erst nach Zahlung von Schmiergeld ermöglicht (AA 12.2.2024). Die maximale Dauer der Untersuchungshaft liegt bei 23 Monaten in Fällen „besonders schwerer Straftaten“. Die Behörden ignorieren jedoch ungestraft die Vorschriften für die Untersuchungshaft, und Polizei und Staatsanwaltschaft nutzen gemäß Aktivisten eine lange Untersuchungshaft, um Menschenrechtsverteidiger zu bestrafen oder unter Druck zu setzen, damit sie Straftaten gestehen (USDOS 23.4.2024). Die meist mit Isolation verbundene Untersuchungshaft darf bis zu 24 Monate dauern und bei besonderer Komplexität des Sachverhalts vom Gericht noch verlängert werden (AA 12.2.2024). Das Ministerium für öffentliche Sicherheit, die für die Verwaltung der Gefängnisse zuständige Behörde, gewährt unabhängigen inländischen oder internationalen Beobachtern in der Regel keinen Zutritt zu Gefängnissen, obwohl gelegentlich Besuche von Diplomaten zugelassen werden (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 36

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 15. Todesstrafe Die Todesstrafe wird in Vietnam nicht nur verhängt, sondern auch vollstreckt. Eine Reduzierung der mit Todesstrafe belegten Delikte von 25 auf 18 ist Anfang 2018 in Kraft getreten, hat jedoch in der Praxis nicht zu einer Verringerung der Todesurteile geführt. Nicht mehr mit Todesstrafe bedroht sind nunmehr die Straftatbestände Raub, Herstellung und Vertrieb verunreinigter Lebensmittel, Missachtung von Befehlen sowie Fahnenflucht. Überdies kann bei Korruptionsdelikten an Stelle der Todesstrafe eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn der Beschuldigte mindestens ein Drittel des erlangten Geldes zurückzahlt. Von der Todesstrafe ausgenommen sind Personen über 75 Jahre, jugendliche Straftäter (bis 18 Jahre) sowie Schwangere und Mütter, die Kinder im Alter bis zu drei Jahren versorgen. Mit der Todesstrafe bedroht bleiben künftig so genannte „besonders schwere Straftaten“. Wegen ihres weiten und auslegungsfähigen Tatbestandes problematisch sind insbesondere diverse die Staatssicherheit betreffende Tatbestände wie „Umsturz“, „Rebellion“ und „Terrorismus“ (AA 12.2.2024). Informationen zu Todesurteilen, Hinrichtungen und Vollstreckungsart sind als Staatsgeheimnisse eingestuft (AA 12.2.2024; vgl. AI 2024). Die Veröffentlichung solcher Informationen kann laut Gesetz mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Dennoch werden sporadisch Einzelheiten bekannt gegeben. Im September 2021 wurde ein Regierungsbericht an die Nationalversammlung publik, wonach 57 von 69 Haftanstalten separate Trakte für zum Tode Verurteilte haben (700 Zellen für insgesamt 1.200 Personen). Die Zahl der zum Tode Verurteilten soll diesen Angaben zufolge jährlich um ca. 30 % angestiegen sein. Laut einem weiteren Bericht der Obersten Staatsanwaltschaft an die Nationalversammlung seien zwischen 2016 und 2021 insgesamt 2.339 Menschen zum Tode verurteilt worden; 429 Todesurteile seien vollstreckt, 266 Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt worden. 1.644 zum Tode verurteilte Personen befänden sich in Haft (AA 12.2.2024). Laut Amnesty International wurden 2023 mehr als 122 Personen Personen zum Tode verurteilt, mehr als 1.200 waren bereits verurteilt. Über die Zahl der Hinrichtungen liegen keine Zahlen für das Jahr 2023 vor (AI 2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 36
