lib-viet-2024-09-02-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Innerstaatliche Ausweichmöglichkeiten existieren kaum für Oppositionelle, die aufgrund „staatsgefährdender“ Aktivitäten ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten. Das Staatssicherheitsnetz ist eng und spannt sich über das gesamte Land. Legale (vorübergehende) Ausreisen ins Ausland scheitern in vielen Fällen an fehlenden Ausreisegenehmigungen bzw. an der Weigerung der Behörden, Pässe auszustellen (AA 12.2.2024). Die Verordnung Nr. 44 aus dem Jahr 2002 gibt Verwaltungsorganen die Möglichkeit, missliebige Personen ohne Gerichtsverfahren per Verwaltungsentscheid bis zu zwei Jahre unter Hausarrest zu stellen oder in psychiatrische Kliniken bzw. Erziehungsheime einzuweisen. Ein Dekret aus dem Jahr 2001 (Nr. 53/2001/ND-CP) sieht zudem die Möglichkeit eines bis zu fünfjährigen Hausarrests im Anschluss an das Verbüßen einer Haftstrafe vor - ein Mittel, von dem gegenüber entlassenen politischen Häftlingen häufig Gebrauch gemacht wird (AA 12.2.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 – Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103153.html, Zugriff 13.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 14. Haftbedingungen Vietnam bekennt sich zu den Mindeststandards der Vereinten Nationen über Haftbedingungen von 1984; jedoch entsprechen die Haftbedingungen in vietnamesischen Gefängnissen bei weitem nicht den Mindeststandards in der Europäischen Union (AA 12.2.2024). Die Haftbedingungen sind gekennzeichnet durch einfache, nicht klimatisierte bzw. ungeheizte Gebäude, in denen bis zu 60 Gefangene in einem Raum auf Strohmatten schlafen, durch eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sowie kaum gegebene ärztliche Betreuung. Dabei sind die Bedingungen starken regionalen Schwankungen unterworfen (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen sind von Provinz zu Provinz und von Gefängnis zu Gefängnis sehr unterschiedlich. Ehemalige Häftlinge, Familienmitglieder und Anwälte berichten, dass die Bedingungen in den meisten Gefängnissen zwar streng, aber im Allgemeinen nicht lebensbedrohlich sind (USDOS 23.4.2024). Häufig gibt es auch große Unterschiede der Haftbedingungen einzelner Gefangener unter Berücksichtigung der Delikte, wegen derer sie in Haft sind. Insbesondere kommt es oftmals zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 36

einer getrennten und schlechteren Behandlung von politischen Gefangenen. Defizite liegen zum Teil in unzureichender und schlechter Ernährung, mangelndem Trinkwasser, Überfüllung der Haftanstalten und unzureichender Hygienestandards. Nach einem (wohl versehentlich veröffentlichen) Bericht beträgt die Größe von Schlafplätzen oft nur 1,60 Quadratmeter. Es gibt auch einen hohen Anteil von Häftlingen mit HIV/AIDS, genaue Zahlenangaben hierzu liegen nicht vor (AA 12.2.2024). Die Strafvollzugsverordnung von 1992 und das Strafvollzugsgesetz von 2010 führen Rechte und Pflichten der Häftlinge auf und garantieren insbesondere auch deren Grundrechte (AA 12.2.2024). Laut Gesetz benötigen die Behörden für die Festnahme eines Verdächtigen in der Regel einen von einem Staatsanwalt genehmigten Haftbefehl oder einen Gerichtsbeschluss. Das Gesetz erlaubt den Behörden bei Vorliegen „dringender Umstände“, eine Person auch ohne Haftbefehl festzuhalten, beispielsweise bei Vorliegen von Beweisen, dass eine Person ein Verbrechen vorbereitet oder wenn die Polizei eine Person auf frischer Tat ertappt. Menschenrechtsanwälte behaupten jedoch, dass die Inhaftierung ohne Haftbefehl eine gängige Praxis ist. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Aktivisten ohne Haftbefehl in Gewahrsam genommen werden (USDOS 23.4.2024). Die Situation in der Untersuchungshaft und im Polizeigewahrsam ist oft besonders entwürdigend. Das Recht auf Anwaltskonsultation und Kommunikation mit Angehörigen wird regelmäßig beschnitten, die Gewährung von grundlegenden Rechten wird nach Berichten häufig erst nach Zahlung von Schmiergeld ermöglicht (AA 12.2.2024). Die maximale Dauer der Untersuchungshaft liegt bei 23 Monaten in Fällen „besonders schwerer Straftaten“. Die Behörden ignorieren jedoch ungestraft die Vorschriften für die Untersuchungshaft, und Polizei und Staatsanwaltschaft nutzen gemäß Aktivisten eine lange Untersuchungshaft, um Menschenrechtsverteidiger zu bestrafen oder unter Druck zu setzen, damit sie Straftaten gestehen (USDOS 23.4.2024). Die meist mit Isolation verbundene Untersuchungshaft darf bis zu 24 Monate dauern und bei besonderer Komplexität des Sachverhalts vom Gericht noch verlängert werden (AA 12.2.2024). Das Ministerium für öffentliche Sicherheit, die für die Verwaltung der Gefängnisse zuständige Behörde, gewährt unabhängigen inländischen oder internationalen Beobachtern in der Regel keinen Zutritt zu Gefängnissen, obwohl gelegentlich Besuche von Diplomaten zugelassen werden (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 36

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 15. Todesstrafe Die Todesstrafe wird in Vietnam nicht nur verhängt, sondern auch vollstreckt. Eine Reduzierung der mit Todesstrafe belegten Delikte von 25 auf 18 ist Anfang 2018 in Kraft getreten, hat jedoch in der Praxis nicht zu einer Verringerung der Todesurteile geführt. Nicht mehr mit Todesstrafe bedroht sind nunmehr die Straftatbestände Raub, Herstellung und Vertrieb verunreinigter Lebensmittel, Missachtung von Befehlen sowie Fahnenflucht. Überdies kann bei Korruptionsdelikten an Stelle der Todesstrafe eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn der Beschuldigte mindestens ein Drittel des erlangten Geldes zurückzahlt. Von der Todesstrafe ausgenommen sind Personen über 75 Jahre, jugendliche Straftäter (bis 18 Jahre) sowie Schwangere und Mütter, die Kinder im Alter bis zu drei Jahren versorgen. Mit der Todesstrafe bedroht bleiben künftig so genannte „besonders schwere Straftaten“. Wegen ihres weiten und auslegungsfähigen Tatbestandes problematisch sind insbesondere diverse die Staatssicherheit betreffende Tatbestände wie „Umsturz“, „Rebellion“ und „Terrorismus“ (AA 12.2.2024). Informationen zu Todesurteilen, Hinrichtungen und Vollstreckungsart sind als Staatsgeheimnisse eingestuft (AA 12.2.2024; vgl. AI 2024). Die Veröffentlichung solcher Informationen kann laut Gesetz mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Dennoch werden sporadisch Einzelheiten bekannt gegeben. Im September 2021 wurde ein Regierungsbericht an die Nationalversammlung publik, wonach 57 von 69 Haftanstalten separate Trakte für zum Tode Verurteilte haben (700 Zellen für insgesamt 1.200 Personen). Die Zahl der zum Tode Verurteilten soll diesen Angaben zufolge jährlich um ca. 30 % angestiegen sein. Laut einem weiteren Bericht der Obersten Staatsanwaltschaft an die Nationalversammlung seien zwischen 2016 und 2021 insgesamt 2.339 Menschen zum Tode verurteilt worden; 429 Todesurteile seien vollstreckt, 266 Todesurteile in Haftstrafen umgewandelt worden. 1.644 zum Tode verurteilte Personen befänden sich in Haft (AA 12.2.2024). Laut Amnesty International wurden 2023 mehr als 122 Personen Personen zum Tode verurteilt, mehr als 1.200 waren bereits verurteilt. Über die Zahl der Hinrichtungen liegen keine Zahlen für das Jahr 2023 vor (AI 2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 36

_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - AI - Amnesty International (2024): Death Sentences and Executions 2023, https://www.amnestyusa.org/wp-content/uploads/2024/05/Amnesty-International-Global-Report- Death-Sentences-and-Executions-2023.pdf, Zugriff 20.8.2024 16. Religionsfreiheit Gemäß CIA Factbook gehören 86,3 % keiner Religion an, 6,1 % sind katholisch, 5,8 % buddhistisch, 1 % protestantisch. Die meisten Vietnamesen sind kulturell Buddhisten (CIA 7.8.2024). Gemäß USDOS gehören 27 % der Bevölkerung einer Religion an. 13,3 % der Bevölkerung sind demzufolge Buddhisten und 6,6 % Katholiken. GCRA-Beamte (Government Committee for Religious Affairs) schätzen außerdem, dass 90 % der Bevölkerung irgendeiner Art von Glaubenstradition anhängen, ob registriert oder nicht. Beobachtern zufolge wollten viele religiöse Anhänger ihre Religionszugehörigkeit aus Angst vor nachteiligen Folgen nicht öffentlich machen, was zu erheblichen Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Schätzungen führt (USDOS 3.7.2024). Die Verfassung besagt, dass alle Menschen das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit haben (USDOS 3.7.2024). Religionsausübung ist im Privaten möglich, Religionsgemeinschaften unterliegen aber restriktiv gehandhabten Registrierungs- und Aufsichtspflichten (AA 12.2.2024). Das Gesetz sieht eine erhebliche staatliche Kontrolle der religiösen Praktiken vor und enthält vage Bestimmungen, die Einschränkungen der Religionsfreiheit im erklärten Interesse der nationalen Sicherheit und der sozialen Einheit zulassen und es den lokalen Beamten ermöglichen, willkürliche Entscheidungen über die Registrierung und Anerkennung neuer religiöser Gruppen oder Gebetsstätten zu treffen. Das Gesetz über Glauben und Religion (LBR) sieht ein mehrstufiges Registrierungs- und Anerkennungsverfahren für religiöse Gruppen vor, das in jeder Phase eine solche Entscheidung erfordert (USDOS 3.7.2024; vgl. FH 2024). Innerhalb der buddhistischen Glaubensrichtung ist allein die „Buddhist Church of Vietnam“ staatlich anerkannt; sie fasst die verschiedenen Richtungen zusammen. Die Führung der nicht zugelassenen „Unified Buddhist Church of Vietnam“ (UBCV) wird von den staatlichen Organen als politische Opposition betrachtet und ist entsprechenden Repressalien ausgesetzt. Zahlreiche unabhängige Pagoden wurden und werden zerstört, Mönche bekommen keine Ausweispapiere und dürfen sich nicht niederlassen. Die im Jahr 2000 gegründete, von der Regierung unabhängige, Hoa Hao Central Buddhist Church (HHCBC) leidet in ähnlicher Weise unter staatlichem Misstrauen wie die UBCV (AA 12.2.2024). Die Christen bilden nach den Buddhisten die zweitstärkste religiöse Gruppe in Vietnam. Die Haltung der Regierung gegenüber der katholischen Kirche ist ambivalent und von Spannungen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 36

gekennzeichnet: Allerdings erfreut sich die katholische Kirche im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften eines vergleichsweise großen Handlungsspielraums, und ihre Beiträge zur sozialen Entwicklung werden zumindest von einigen KPV-Vertretern gebilligt und im Einzelfall auch öffentlich anerkannt (AA 12.2.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): The World Factbook - Vietnam, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/vietnam/#people-and-society, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (3.7.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111985.html, Zugriff 20.8.2024 17. Ethnische Minderheiten In Vietnam leben 99 (AA 12.2.2024) bis 105,8 Millionen Menschen (CIA 7.8.2024), wobei die Kinh (Vietnamesen) etwa 8 5 % der Bevölkerung ausmachen (AA 12.2.2024; vgl. CIA 7.8.2024). Etwa neun Mio. Menschen gehören 53 unterschiedlichen ethnischen Minoritäten an (AA 1 2.2.2024). Zu den Minderheiten zählen unter anderem Tay 1,9 %, Thai 1,9 %, Muong 1,5 %, Khmer 1,4 %, Mong 1,4 % und Nung 1,1 %, während sich weitere Minderheiten auf einen gemeinsamen Anteil von etwa 5,5 % summieren (CIA 7.8.2024). In bestimmten Gebieten, darunter im Nordwesten, im zentralen Hochland und in Teilen des Mekong-Deltas, machen Angehörige ethnischer Minderheiten einen beträchtlichen Anteil der Bevölkerung aus (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 12.2.2024). Die Verfassung postuliert die Gleichheit aller ethnischen Gruppen; jede hat das Recht auf Wahrung ihrer kulturellen Identität (AA 12.2.2024) . Diskriminierung aufgrund einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit ist verboten (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024) , aber eine gesellschaftliche Diskriminierung besteht weiterhin. Die Verfassung erkennt das Recht ethnischer Minderheiten an, ihre Sprachen zu verwenden sowie ihre Traditionen und Kulturen zu schützen und zu pflegen. Es gibt jedoch Berichte, dass nicht alle Angehörigen ethnischer Minderheiten in der Lage sind, sich an Entscheidungen zu beteiligen, die ihr Land, ihre Kultur und ihre Traditionen betreffen (USDOS 23.4.2024). Zwischen dem Lebensstandard ethnischer Vietnamesen und jenem der Minderheiten klafft in der Praxis dennoch immer noch eine Lücke (AA 12.2.2024; vgl. BS 2024). Im zentralen Hochland sind viele ethnische Minderheiten in Folge der Ansiedlung ethnischer Vietnamesen landlos geworden .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 36

(AA 12.2.2024); die Enteignung von Land im zentralen Hochland ist häufig (USDOS 23.4.2024). Schätzungen zu Folge machen Mitglieder von ethnischen Minderheiten 86 % aller in Armut lebender Menschen in Vietnam aus (AA 12.2.2024). Obwohl sich die öffentlichen Dienstleistungen verbessert haben, sind die Armutsquoten unter ländlichen Haushalten und Haushalten ethnischer Minderheiten, die hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig sind, landesweit immer noch viel höher als unter städtischen Haushalten, die keiner Minderheit angehören (BS 2024). Obwohl Angehörige ethnischer Minderheiten in der KPV (Kommunistische Partei Vietnam) nominell vertreten sind, ist es ihnen nur selten möglich, in höhere Positionen aufzusteigen, und die Dominanz der KPV-Führung verhindert ein wirksames Eintreten für Fragen, die die Minderheiten betreffen (FH 2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2022 Country Report Vietnam, https://bti-project.org/de/reports/country-report/VNM, Zugriff 8.8.2024 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.8.2024): The World Factbook - Vietnam, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/vietnam/#people-and-society, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA ] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 18. Relevante Bevölkerungsgruppen 18.1. Frauen Vietnam ist Vertragsstaat des UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (AA 12.2.2024). Männer und Frauen sind im Rechtssystem gleichgestellt (FH 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Gleichstellung ist in der Verfassung und in Einzelgesetzen garantiert. Es gibt ein Gleichstellungsgesetz (AA 12.2.2024) sowie NGOs, die sich für Frauenrechte einsetzen (FH 2024). Dennoch sind Frauen - trotz gewisser Fortschritte - mit einer Situation konfrontiert, in der formale Rechte und Schutzmaßnahmen leicht ignoriert oder unzureichend durchgesetzt werden (BS 2024). Frauenspezifische Verfolgungen kommen nicht vor (AA 12.2.2024). In der Realität kommt es aber v.a. in ländlichen Regionen zu gesellschaftlicher Diskriminierung von Frauen, so in den Bereichen Beschäftigung, Bildung oder Wohnen (USDOS 23.4.2024). Im Allgemeinen haben Frauen den gleichen Bildungszugang wie Männer. Die ökonomische Situation von Frauen hat sich verbessert .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 36

(FH 2024). Jedoch existiert zwischen Männern und Frauen ein Einkommensgefälle (BS 2024), und Frauen werden bei Beförderungen und beim Gehalt diskriminiert (FH 2024). Sie erhalten weniger Gehalt für die gleiche Arbeitsleistung und sie werden bei Jobchancen und Arbeitszeiten diskriminiert (BS 2024). Gesetzlich wird die Teilnahme von Frauen am politischen Leben nicht eingeschränkt, und in der Praxis nehmen Frauen auch tatsächlich am politischen Leben teil. Die Erwartung, dass Frauen für die Familie sorgen und sich um die Familienangelegenheiten kümmern sollten, und die kulturelle Überzeugung, dass Männer für Führungspositionen besser geeignet seien, sind Hindernisse für die Beteiligung von Frauen an der Politik (USDOS 23.4.2024). Politische Führungspositionen werden nur selten von Frauen bekleidet (AA 12.2.2024). Gewalt gegen Frauen (darunter Vergewaltigung), Vergewaltigung innerhalb der Ehe usw. sind gesetzlich verboten. Vergewaltigung wird mit Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren geahndet (USDOS 23.4.2024). Strafrechtliche Verfolgung bei häuslicher Gewalt ist nur dann möglich, wenn das Opfer schwer verletzt ist (FH 2024). Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024). Gesetzlich sind Handlungen festgelegt, die häusliche Gewalt darstellen, und es sieht Strafen für verurteilte Täter vor, die von einer Geldstrafe als zivilrechtliches Vergehen oder Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Strafverfolgung reichen. Im Juli 2023 trat ein erweitertes Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung häuslicher Gewalt in Kraft, das besseren Schutz und Unterstützung für Überlebende und härtere Strafen für die Täter vorsieht. Das neue Gesetz gibt zusätzlich eingerichteten Behörden und Organisationen die Möglichkeit, Meldungen über häusliche Gewalt entgegenzunehmen und sieht eine nationale Hotline für die Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen über häusliche Gewalt vor. Außerdem wurden neue Maßnahmen zur Verhinderung häuslicher Gewalt und zur Unterstützung von Überlebenden eingeführt, darunter die Bereitstellung von Unterkünften, Hilfsmitteln, Rechtsbeistand und psychologischer Beratung (USDOS 23.4.2024). Das Problem der häuslichen Gewalt wird durch Tabuisierung verschärft (AA 12.2.2024). Die soziale Stigmatisierung (Angst vor Schikanen durch Ehepartner und Familie) hält viele Opfer häuslicher Gewalt davon ab, an die Öffentlichkeit zu gehen (USDOS 23.4.2024). Mit Hilfe der Vereinten Nationen und verschiedener NGOs hat die Regierung diverse Reformen umgesetzt und 2014 das "National Program of Action against Domestic Violence through 2020" auf den Weg gebracht. Unter anderem wurden Hotlines eingerichtet sowie insgesamt bis zu 300 Frauenhäuser gegründet. Eine Anzeige oder gar Verurteilung der Täter von (sexueller) Gewalt erfolgt aufgrund hoher rechtlicher Hürden und mangelnder gesellschaftlicher Sensibilisierung kaum (AA 12.2.2024). Sexuelle Belästigung ist nur am Arbeitsplatz gesetzlich verboten. Sexuelle Belästigung außerhalb des Arbeitsplatzes kann Geldstrafen (administrative Strafen) nach sich ziehen (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 36

Gesetzlich gilt für Männer und Frauen dasselbe Erbrecht. In der Praxis werden Männer beim Erben bevorzugt, sofern testamentarisch nicht ausdrücklich andere Regelungen getroffen werden (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108078.html , Zugriff 8.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 18.2. Kinder Vietnam ist an das internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes gebunden (AA 12.2.2024). Die Verfassung erkennt die besonderen Verpflichtungen des Staates, der Familie und der Gesellschaft gegenüber Kindern an. Es existiert ein Kinderschutzgesetz aus dem Jahr 2016. Volkskommittees auf Provinz-, Bezirks- und Gemeindeebene sind für die Umsetzung der Kinderrechte verantwortlich (IOM 12.2022). Trotz gewisser Fortschritte sind Kinder mit einer Situation konfrontiert, in der formale Rechte und Schutzmaßnahmen leicht ignoriert oder unzureichend durchgesetzt werden (BS 2024). In Vietnam wird eine 2-Kind-Politik praktiziert, die seit März 2018 gelockert wurde. Söhnen wird der Vorzug gegeben. Die Selektion Ungeborener nach dem Geschlecht stellt ein wachsendes gesellschaftliches Problem dar. Mit jährlich ca. 1,35 Mio. Abtreibungen hat Vietnam eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt. Aktuell stehen 100 Geburten von Mädchen 112,1 Geburten von Buben gegenüber, wobei in Städten das Ungleichgewicht höher sein soll. Die gesetzliche Regelung, wonach Abtreibungen aus medizinischen Gründen grundsätzlich erlaubt sind, verstärkt diese Tendenz weiter (AA 12.2.2024). Um öffentliche Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen zu können, ist eine Geburtsurkunde gesetzlich erforderlich. Trotzdem ziehen es manche Eltern, insbesondere Angehörige ethnischer Minderheiten, vor, ihre Kinder nicht zu registrieren. Darüber hinaus halten lokale Behörden einige Eltern von der Registrierung ihrer Kinder ab, um Binnenmigration zu unterbinden (USDOS 23.4.2024). Gemäß gesetzlichen Vorgaben ist Bildung kostenlos, und bis zum Alter von 14 Jahren herrscht allgemeine Schulpflicht. In der Praxis sind Schulgebühren verbreitet. Schüler ethnischer Minderheiten sind im Rahmen eines staatlichen Unterstützungsprogramms von Schulgeldzahlungen befreit. Die Behörden setzen die Gesetze zur Anwesenheitspflicht nicht immer .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 36

durch bzw. setzen sie nicht in gleichem Maße für Buben und Mädchen durch, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die staatlichen und familiären Mittel für Bildung begrenzt sind und die Arbeit der Kinder in der Landwirtschaft wertvoll ist (USDOS 23.4.2024). Kinder sind besonders von Armut betroffen (AA 12.2.2024). Es gibt eine kostenlose Krankenversicherung für Kinder unter sechs Jahren (IOM 12.2022). Straßenkinder (vermutlich gibt es einige 10.000 in den großen Städten) werden besonders häufig Opfer von Menschenhandel, Prostitution und Drogenhandel (AA 12.2.2024). Kinderarbeit ist keine Seltenheit (AA 12.2.2024), laut USDOS weiterhin weit verbreitet. Die Behörden schätzen, dass über eine Million Kinder im Alter zwischen 15 und 17 Jahren arbeiten; etwa 20 % von ihnen arbeiten mehr als 40 Stunden pro Woche und fast 50 % in einem gefährlichen Umfeld. Das Arbeitsgesetz besagt hingegen, dass ein Arbeitnehmer, der älter als 14 und jünger als 18 Jahre ist, keine Arbeit verrichten darf, die der körperlichen oder geistigen Entwicklung und der Würde des Kindes schaden könnte, wie etwa das Heben schwerer Gegenstände oder der Umgang mit Alkohol oder gefährlichen Chemikalien oder Gasen. Kinder zwischen 13 und 15 Jahren dürfen bestimmte leichte berufliche Tätigkeiten ausüben, welche vom Arbeitsministerium aufgelistet sind. Minderjährige Beschäftigte benötigen hierbei die Erlaubnis ihrer Eltern. Betroffene Sektoren verbotener Kinderarbeit sind beispielsweise Bauwesen, Textil- und Bekleidungssektor, Landwirtschaft usw. Auch existieren Fälle von Kindern, die Mitglieder von Bettlerbanden sind (USDOS 23.4.2024). Das Mindestalter für einvernehmliche sexuelle Handlungen beträgt 18 Jahre. Gesetzlich ist Kindesmissbrauch verboten, es sind Geld- und Haftstrafen für die Täter vorgesehen. Die Regierung setzt die Gesetze gegen Kindesmissbrauch jedoch nicht wirksam durch, und körperliche und emotionale Misshandlungen sind weit verbreitet (USDOS 23.4.2024). Sexuelle Handlungen gegenüber Kindern stehen in Vietnam unter Strafe; laut Gesetz beträgt das Mindeststrafmaß zwölf Jahre Gefängnis. Als Höchstmaß bei schwerem Kindesmissbrauch kann auch die Todesstrafe verhängt werden (AA 12.2.2024). Geschlechtsverkehr mit Kindern unter 13 Jahren wird vom Gesetz als Vergewaltigung gewertet und mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder der Todesstrafe geahndet. Die Produktion, Verbreitung oder der Verkauf von Kinderpornografie ist gesetzlich verboten (USDOS 23.4.2024). Es gibt eine geringe Anzahl staatlicher sog. „sozialer Schutzzentren“, in denen betroffene Kinder vorübergehend Aufnahme finden können. Diese haben allerdings eher den Charakter von geschlossenen Heimen (AA 12.2.2024). Das Mindestalter für die Eheschließung beträgt für Frauen 18 und für Männer 20 Jahre. Zwangsheirat ist gesetzlich verboten (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). In der Praxis treffen vor allem Eltern auf dem Land häufig Absprachen über die Eheschließung ihrer Kinder (AA 12.2.2024) bzw. vorwiegend in abgelegenen Regionen mit einem hohen Anteil ethnischer Minderheiten (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 36

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Sozialistischen_Republik_Vietnam%2C_12.02.2024. pdf, Zugriff 8.8.2024 - BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2022 Country Report Vietnam, https://bti-project.org/de/reports/country-report/VNM, Zugriff 8.8.2024 - IOM - Internationale Organisation für Migration (12.2022): Länderinformationsblatt Vietnam 2022 , https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetchcsui/-26803252/Vietnam_%2D_Country_Fact_Sheets_20 22%2C_englisch.pdf?nodeid=24077930&vernum=-2 , Zugriff 2 1.8.2024 - USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Vietnam, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107615.html, Zugriff 8.8.2024 18.3. Sexuelle Minderheiten Die Gleichstellung von LGBT-Personen ist rechtlich und tatsächlich noch nicht vollzogen. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen sind in Vietnam nicht strafbar (AA 12.2.2024). Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder von Geschlechtsidentität ist gesetzlich nicht verboten (FH 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Im Alltag kommt es häufig zu Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, vor allem bei Transgender-Personen (AA 12.2.2024; vgl. AI 29.3.2022). Gleichgeschlechtliche Ehen oder Lebenspartnerschaften sind nicht verboten, werden aber rechtlich nicht anerkannt (AA 12.2.2024; vgl. FH 28.2.2022). Gesellschaftliche Diskriminierung bleibt ein Problem (FH 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Verbreitet ist der Glaube, dass gleichgeschlechtliche Neigungen eine diagnostizierbare und heilbare geistige Erkrankung darstellen. Dadurch sind Betroffene offenbar dem Risiko einer „Konversionstherapie“ ausgesetzt. Einige Lesben berichten von korrektiven Vergewaltigungen und Zwangs- verheiratungen. Ein offizielles Schreiben des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2022 an die Gesundheitsämter der Provinzen und medizinische Einrichtungen im ganzen Land besagt, dass LGBT-Identitäten keine Krankheit sind, die geheilt werden muss; das Schreiben verbietet unfreiwillige Behandlungen (USDOS 23.4.2024). Transgender-Personen können ihr Geschlecht in einem behördlichen Verfahren ändern lassen. Auch intersexuelle Menschen können nach dem neuen Zivilgesetzbuch ihr Geschlecht neu bestimmen (AA 12.2.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die gesetzliche Umsetzung dieser Bestimmungen hinkt hinterher (USDOS 23.4.2024). In den letzten Jahren fanden „Viet-Pride“-Veranstaltungen an verschiedenen Orten in Vietnam statt (AA 12.2.2024; vgl. FH 2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Sozialistischen Republik Vietnam (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2104342/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 36
