liby-lib-2022-05-30-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
regelmäßigen Militäreinheiten, Milizen, zivilen Freiwilligen sowie ausländischen Truppen und Söldnern zusammensetzen. Die Libysche Nationale Armee (LNA) [Anm.: Nunmehr, Stand 2022 Libyan Arab Armed Forces, LAAF] unter dem De-facto-Befehlshaber der LNA, Khalifa Haftar, verfügt ebenfalls über verschiedene Boden-, Luft- und Seestreitkräfte, die sich aus halb- regelmäßigen Militärangehörigen, Milizen sowie ausländischen Truppen und Söldnern zusammensetzen; Ende 2021 operierte die LNA weiterhin unabhängig von der GNU und übte ihren Einfluss im gesamten Osten, Zentrum und Süden Libyens aus (CIA 11.5.2022). In Libyen besteht kein verpflichtender Wehrdienst (WPR 2022). Es gibt Berichte über vermehrte Rekrutierung von Kindern durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen (USDOS 12.4.2022). Quellen: -CIA - Central Intelligence Agency [USA] (11.5.2022): The World Factbook - Libya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/libya/, Zugriff 17.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN- RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020 -WPR - World Population Review (2022): Countries With Mandatory Military Service 2022, https://worldpopulationreview.com/country-rankings/countries-with-mandatory-military-servic e , Zugriff 17.5.2022 10. Allgemeine Menschenrechtslage Seit dem bewaffneten Volksaufstand im Jahr 2011, bei dem der langjährige Diktator Mu'ammar al- Qaddafi gestürzt wurde, leidet Libyen unter internen Spaltungen und zeitweiligen Bürgerkriegen. Internationale Bemühungen, die rivalisierenden Verwaltungen in einer Einheitsregierung zusammenzubringen, waren Anfang 2021 erfolgreich und schufen einen fragilen Frieden. Die Verbreitung von Waffen und autonomen Milizen, florierende kriminelle Netzwerke, die Einmischung regionaler Mächte und die Präsenz extremistischer Gruppen haben jedoch dazu beigetragen, dass es dem Land nach wie vor an physischer Sicherheit mangelt. Mehr als ein Jahrzehnt der Gewalt hat Hunderttausende von Menschen vertrieben und die Menschenrechtslage hat sich stetig verschlechtert (FH 28.2.2022). Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen durch verschiedene bewaffnete Gruppen; gewaltsames Verschwindenlassen durch verschiedene bewaffnete Gruppen; Folter durch bewaffnete Gruppen auf allen Seiten; harte und lebensbedrohliche Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene oder Häftlinge; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Missbräuche im internen Konflikt, einschließlich der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 24

Tötung von Zivilisten und der Rekrutierung oder des Einsatzes von Kindern in Konflikten; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt gegen Journalisten und der Existenz von Verleumdungsgesetzen; erhebliche Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit; Zurückweisung von Flüchtlingen und Asylbewerbern; schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt; Menschenhandel; Androhung von Gewalt gegen ethnische Minderheiten und Ausländer; Existenz oder Anwendung von Gesetzen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen kriminalisieren; erhebliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern, einschließlich der Einschränkung von Tarifverhandlungen und des Streikrechts; und Zwangsarbeit (USDOS 12.4.2022). Es gibt ein breites Spektrum libyscher Medien mit Sitz innerhalb und außerhalb des Landes. Die meisten sind jedoch sehr parteiisch und produzieren Inhalte, die eine der politischen und militärischen Fraktionen des Landes begünstigen, und in vielen Fällen verbreiten sie Propaganda, Hassreden oder Desinformationen in Abstimmung mit ausländischen Geldgebern. Die Nutzung sozialer Medien ist weit verbreitet, aber die digitalen Plattformen sind voll von Desinformationskampagnen und Propaganda, was zu Verwirrung und geringem Vertrauen bei den Verbrauchern führt. Der Bürgerkrieg und die damit verbundene Gewalt durch kriminelle und extremistische Gruppen haben eine objektive Berichterstattung gefährlich gemacht und Journalisten sind Einschüchterungen, willkürlichen Verhaftungen und körperlichen Misshandlungen durch beide Konfliktparteien ausgesetzt. Trotz dieser Risiken haben sich einige unabhängige Journalisten und Medien um eine faktenbasierte Berichterstattung bemüht (FH 28.2.2022). Eine Reihe von Bestimmungen in den libyschen Gesetzen schränken die Rede- und Meinungsfreiheit unangemessen ein. Das Strafgesetzbuch sieht die Todesstrafe für die "Förderung von Theorien oder Prinzipien" vor, die auf den Umsturz des politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Systems abzielen (HRW 13.1.2022). Gemäß Strafgesetzbuch wird die sexuelle Betätigung zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Sexuelle Minderheiten sind mit schwerer Diskriminierung und Belästigung konfrontiert und wurden von militanten Gruppen ins Visier genommen (FH 28.2.2022). Nach Angaben der UNSMIL und verschiedener UN-Organisationen waren Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten regelmäßig Opfer von rechtswidrigen Tötungen, willkürlicher Inhaftierung, Folter, sexueller Ausbeutung und anderen Misshandlungen. Zu den Tätern gehörten Staatsbeamte, bewaffnete Gruppen, Schmuggler, Menschenhändler und kriminelle Banden (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 24

Quellen: -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 11. Haftbedingungen Überbelegte Gefängnisse, in denen harte und lebensbedrohende Haftbedingungen herrschen (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022), entsprechen nicht internationalen Standards. Viele Gefängnisse befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung. Berichten zufolge gibt es keine Jugendstrafanstalten im Land und die Behörden halten Jugendliche in Gefängnissen für Erwachsene fest, wenn auch manchmal in getrennten Abschnitten. Oft gibt es getrennte Einrichtungen für Männer und Frauen (USDOS 12.4.2022). Nach Angaben der UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL) hielt das libysche Justizministerium Stand August 2021 12.300 Gefangene, darunter Frauen und Kinder, in 27 von ihm kontrollierten Gefängnissen und anderen von der GNU "anerkannten" Hafteinrichtungen fest (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). 41% der Gefangenen befanden sich laut UNSMIL in willkürlicher, langfristiger Untersuchungshaft (HRW 13.1.2022). Tausende andere wurden von bewaffneten Gruppen in irregulären Hafteinrichtungen festgehalten (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Quellen: -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 12. Todesstrafe Im Strafgesetz bestehen 30 Paragraphen, welche die Todesstrafe vorsehen. Seit 2010 wurde kein Todesurteil vollstreckt, obwohl Militär- und Zivilgerichte die Todesstrafe weiter verhängen (HRW 13.1.2022). Im Jahr 2021 wurden mehr als 12 Todesurteile verhängt (AI 5.2022). Quellen: - AI - Amnesty International (5.2022): Death sentences and executions 2021, https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2022/05/Amnesty-International-Death- Sentences-and-Executions-2021-EN.pdf, Zugriff 19.5.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 24

-HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 13. Relevante Bevölkerungsgruppen 13.1. Frauen In der Verfassungserklärung von 2011 heißt es, dass die Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz gleich sind und die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte sowie die gleichen Chancen in allen Bereichen haben, ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht. In Ermangelung von Durchführungsvorschriften und mit begrenzten Kapazitäten hat die GNU diese Erklärungen nicht wirksam durchgesetzt (USDOS 12.4.2022). Frauen werden vor dem Gesetz nicht gleich behandelt und sehen sich praktischen Beschränkungen bei der Teilnahme am Arbeitsleben gegenüber (FH 28.2.2022). Frauen waren mit sozialen Formen der Diskriminierung konfrontiert, die ihren Zugang zur Beschäftigung, zu ihrem Arbeitsplatz, ihre Mobilität und ihre persönliche Freiheit beeinträchtigten. Obwohl das Gesetz die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet, war die kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen weit verbreitet. In einer Studie aus dem Jahr 2020 stellte die UN-Organisation für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau (UN Women) fest, dass die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, für Frauen zwölfmal höher ist als für Männer und dass arbeitende Frauen fast dreimal weniger verdienen als Männer. Beim Zugang von Frauen zu Versicherungen, Krediten und anderen Formen des Sozialschutzes bestehen erhebliche Ungleichheiten (USDOS 12.4.2022). Das Land verfügt über kein einheitliches Familienrecht. Die Scharia (islamisches Religionsrecht) regelt häufig Familienangelegenheiten, einschließlich Erbschaft, Scheidung und das Recht auf Eigentum. Während das Zivilrecht gleiche Rechte bei der Erbschaft vorschreibt, erhalten Frauen aufgrund von Auslegungen der Scharia, die Männer bevorzugen, oft weniger (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Gesetze und gesellschaftliche Gepflogenheiten benachteiligen Frauen in Fragen des Personenstands, einschließlich Heirat und Scheidung. Libysche Frauen mit ausländischen Ehemännern genießen nicht die vollen Staatsbürgerschaftsrechte und können die libysche Staatsbürgerschaft nicht auf ihre Kinder übertragen (FH 28.2.2022). Das Gesetz stellt Vergewaltigung unter Strafe, geht aber nicht auf Vergewaltigung in der Ehe ein (USDOS 12.4.2022). Nach dem Gesetz kann ein verurteilter Vergewaltiger einer 25-jährigen Haftstrafe entgehen, indem er die Überlebende ungeachtet ihres Wunsches heiratet, sofern ihre Familie zustimmt (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Vergewaltigungsüberlebende, die die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 24

hohen Beweisanforderungen nicht erfüllen konnten, könnten wegen Ehebruchs angeklagt werden (USDOS 12.4.2022). Vergewaltigung und andere sexuelle Gewalt sind in dem durch den Bürgerkrieg geschaffenen rechtsfreien Raum zu einem immer größeren Problem geworden (FH 28.2.2022). Die Verfassungserklärung von 2011 verbietet häusliche Gewalt, enthält jedoch keinen Hinweis auf Strafen für Personen, die wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt werden (USDOS 12.4.2022). Es gibt keine Gesetze, die sich speziell mit häuslicher Gewalt befassen oder diese unter Strafe stellen (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022), und die meisten Fälle von Gewalt werden aufgrund der sozialen Stigmatisierung und der Gefahr von Repressalien nicht gemeldet (FH 28.2.2022). Es gibt keine zuverlässigen Statistiken über das Ausmaß der häuslichen Gewalt. Soziale und kulturelle Barrieren - einschließlich der Zurückhaltung von Polizei und Justiz und des Widerwillens von Familien, einen Übergriff öffentlich zu machen - trugen dazu bei, dass die Regierung die Gesetze nicht wirksam durchsetzen konnte. Mehrere inländische zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten im Laufe des Jahres, dass Frauen aufgrund der COVID-19-Pandemie-Sperrstunden und der längeren Zeit, die sie zu Hause verbringen, nach wie vor häufiger von häuslicher Gewalt betroffen sind (USDOS 12.4.2022). Quellen: -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 13.2. Kinder Nach dem Gesetz erhalten Kinder die Staatsbürgerschaft vom Vater (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Das Gesetz erlaubt es einheimischen Frauen, die einen ausländischen Mann heiraten, die Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weiterzugeben, obwohl einige widersprüchliche Bestimmungen Diskriminierung möglicherweise aufrechterhalten (USDOS 12.4.2022), gemäß einer anderen Quelle ist es libyschen Staatsbürgerinnen mit ausländischem Ehepartner nicht möglich, die libysche Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weiterzugeben (FH 28.2.2022). Viele Schulen blieben das ganze Jahr 2021 wegen fehlender Materialien, Schäden oder Sicherheitsbedenken geschlossen (USDOS 12.4.2022). Die Binnenvertreibung beeinträchtigte den Schulbesuch zusätzlich, da viele Schulen zu Unterkünften für Binnenvertriebene umfunktioniert wurden (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022). Nach Angaben von UNICEF benötigen derzeit rund 300.000 Kinder im schulpflichtigen Alter Bildungshilfe. Im ganzen Land hat der Konflikt etwa .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 24

212 Schulen beschädigt und 53 Schulen vollständig zerstört. Mindestens 14 Schulen werden derzeit als Unterkünfte für Binnenflüchtlinge genutzt. Darüber hinaus zwingt der Mangel an Geld für Transport und Schulgeld die Kinder dazu, die Schule nicht zu besuchen oder abzubrechen (BS 23.2.2022). Das Mindestalter für die Eheschließung beträgt sowohl für Männer als auch für Frauen 18 Jahre, obwohl Richter die Eheschließung von Personen unter 18 Jahren erlauben können. Berichten zufolge haben die Behörden der LNA ein Mindestalter von 20 Jahren für Männer und Frauen festgelegt. Nach Angaben von UN Women sind frühe Eheschließungen relativ selten, obwohl aufgrund des Fehlens eines zentralen Standesamtssystems und des anhaltenden Konflikts keine umfassenden Statistiken verfügbar sind. Es gab vereinzelte Berichte über Kinderheiraten in einigen ländlichen und Wüstengebieten, in denen Stammesbräuche stärker verbreitet sind. Es gab auch unbestätigte Berichte, wonach die Behörden bestochen werden konnten, um die Heirat von Minderjährigen zu erlauben (USDOS 12.4.2022). Körperliche Züchtigung von Kindern ist nach wie vor üblich (HRW 13.1.2022). Es gibt weder Gesetze, die die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern oder Kinderpornographie verbieten oder unter Strafe stellen, noch Gesetze, die das Mindestalter für einvernehmlichen Sex regeln (USDOS 12.4.2022). Quellen: -BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Libya, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069673/country_report_2022_LBY.pdf, Zugriff 16.5.2022 -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 14. Bewegungsfreiheit Die Verfassung gewährleistet Bewegungsfreiheit, inklusive Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Gesetzlich ist die Regierung dazu befugt, die Bewegungsfreiheit einer Person einzuschränken, wenn diese nach Ansicht der Behörde eine „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Stabilität“ darstellt, basierend auf „früheren Handlungen oder Verbindungen zum ehemaligen Regime“ der betreffenden Person. Es gibt Berichte, dass bewaffnete Gruppen, die Flughäfen innerhalb des Landes kontrollierten, stichprobenartige Kontrollen von abfliegenden nationalen und internationalen Reisenden durchführen, da das Land kein einheitliches Zoll- und Einwanderungssystem besitzt (USDOS 12.4.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 24

Die Reisefreiheit im Inland ist eingeschränkt (BS 23.2.2022). Die Infrastruktur im Land hat unter den Kriegswirren erheblich gelitten. In den Städten und auf den Hauptverbindungstraßen Libyens wie insbesondere die wichtigste Verbindungsstrecke von West nach Ost entlang der Küste gibt es eine Vielzahl militärischer Kontrollposten der Sicherheitsbehörden und bewaffneter Milizen, die umfassende und häufig willkürliche Kontrollen durchführen. Überlandstraßen und Autobahnen wie auch Grenzübergänge sind zeitweise gesperrt. Reisen im Land ist durch Kampfhandlungen vielerorts weiterhin sehr gefährlich, hinzu kommen eine fehlende Disziplin, schlechte bzw. unbefestigte Straßen und mangelnde Sicherheitsstandards von Fahrzeugen, die zu einer hohen Unfallrate führen (AA 30.5.2022). Die wichtigsten Flughäfen (z.B. der internationale Flughafen von Tripolis, der derzeit wiederaufgebaut wird) wurden in den letzten Jahren durch Kämpfe schwer beschädigt. Es gibt Verbesserungen bei den Inlands- und internationalen Flügen, die jetzt vom internationalen Flughafen Benina in Benghazi aus durchgeführt werden. Der Hauptzugang nach Tripolis erfolgt über Flüge von Tunesien zum Flughafen Mitiga mit begrenzter Kapazität. Die Kämpfe in diesem Gebiet haben jedoch wiederholt zur zeitweiligen Schließung des Flughafens geführt (Crisis 24 o.D.). Der Luftverkehr entspricht nicht europäischen Sicherheitsstandards. Libysche Luftfahrtunternehmen stehen auf der gemeinschaftlichen Liste unsicherer Fluggesellschaften der EU (AA 30.5.2022). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (30.5.2022): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 31.5.2022 -BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2020 Country Report: Libya, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069673/country_report_2022_LBY.pdf, Zugriff 16.5.2022 -Crisis 24 (o.D.): Libya Country Report - Transportation, https://crisis24.garda.com/insights- intelligence/intelligence/country-reports/libya?origin=gwc24, Zugriff 20.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 15. Grundversorgung und Wirtschaft Libyen unterscheidet sich von den anderen unruhegeschüttelten arabischen Ländern durch eine geringe Bevölkerung (6,87 Mio. – momentan sollen sich aber bis zu 2 Mio. Libyer ob der Umstände im Ausland befinden), enorme Vermögensreserven (ca. USD 73,9 Mrd. 2020) und die größten bestätigten Erdölreserven Afrikas (48 Mio. Barrel). Libyen ist unter den nordafrikanischen Staaten mit Abstand am meisten vom Ölexport abhängig, denn 62 % der staatlichen Einnahmen (lt. Budget 2015), 60 % des Bruttoinlandsprodukts (Stand 2014) und ca. 96% der Exportumsätze werden mit .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 24

Erdöl und Erdgas erwirtschaftet (Exportstatistik 2021). Außer einem Stahlwerk und mehreren Zementwerken verfügt Libyen kaum über eine eigene Industrie, obwohl einige private Investoren dahingehend langsam Pläne entwickeln (WKO 5.2022). Der zu einem großen Teil staatlich finanzierte Privatsektor (22 % des Budgets 2020 wurden als Gehälter an die Bevölkerung verteilt, weitere 16% des Budgets waren Subventionen (Benzin, Strom etc.)) entwickelte sich bis Mitte 2014 prächtig. Die Gelder flossen vor allem in die Bereiche Bau, Medizin und Konsumgüter. Dieser starke Privatkonsum kommt immer wieder vergleichsweise rasch in Fahrt (WKO 5.2022). Die mangelhafte Ölförderung bringt die libysche Wirtschaft stark unter Druck. Laut libyscher Zentralbank (Central Bank of Libya - CBL) hat das in den Jahren 2014-2017 zu direkten und indirekten Verlusten von USD 160 Mrd. Geführt. Insgesamt sanken die Exporte seit 2012 (USD 62 Mrd.) um fast 90 % auf USD 6,8 Mrd. im Jahr 2016. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 kam es zwar zu Exportzuwächsen, Exporte von USD 18,8, USD 29,8 Mrd. und USD 28,5 Mrd. sind jedoch für Libyen nicht ausreichend (WKO 5.2022). Die Verschärfung des Konflikts seit April 2019 hat die wirtschaftlichen Aktivitäten erstickt, zum Teil durch die häufigen Angriffe auf wichtige Infrastrukturen wie Ölfelder, Straßen und Flughäfen. Die COVID-19-Pandemie hat die Lage zusätzlich belastet, nachdem der erste Fall am 23.3.2020 registriert wurde. Bei einer Bevölkerung von offiziell 6,78 Millionen Einwohnern meldete die WHO bis zum 30.1.2021 118.631 Infektionen und 1.842 coronavirusbedingte Todesfälle (BS 23.2.2022). 2020 kam der Einbruch auf USD 7,4 Mrd. Im Jahr 2021 gab es aufgrund der vergleichsweise guten Ölförderung Exporte in Höhe von USD 22,5 Mrd. Libyen verlor alleine 2020 durch mangelnde Ölproduktion und -exporte USD 11 Mrd. Die Staatseinnahmen fielen auf LYD 23 Mrd. Das entspricht gerade einmal 40 % von den Einnahmen 2019. Die Devisenreserven sanken um mehr als ein Drittel, von USD 115,4 Mrd. (Ende 2013) auf USD 73,9 Mrd. Ende 2020. Für 2021 wurden noch keine offiziellen Zahlen veröffentlicht (WKO 5.2022). Die libysche Bevölkerung, die seit 2011 vom Bürgerkrieg gezeichnet ist, befindet sich inmitten einer schweren humanitären Krise. Jahre der politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Unbeständigkeit in Verbindung mit plötzlich auftretenden Schocks wie erneuten Zusammenstößen, der COVID-19-Pandemie und der Abwertung des libyschen Dinar haben die Lage noch schlimmer gemacht (WFP o.D.). Schätzungsweise 1,3 Millionen Menschen sind jetzt auf humanitäre Hilfe angewiesen (WFP o.D.; vgl. BS 23.3.2022). Mehr als die Hälfte von ihnen ist nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt (WFP o.D.). Seit 2018 hat das Welternährungsprogramm (WFP) seine Präsenz vor Ort in Libyen verstärkt und unterstützt nun jeden Monat rund 100.000 Menschen mit regelmäßigen und Notfall- Nahrungsmittelverteilungen im ganzen Land. Ergänzende Maßnahmen wie Schulspeisung und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 24

Nahrungsmittelhilfe für die Ausbildung tragen dazu bei, die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften zu stärken und Frauen und Jugendliche zu fördern. WFP unterstützt auch die Überprüfung und Wiederherstellung der Sozialschutzsysteme aus der Zeit vor der Krise (WFP o.D.). In den Jahren 2019 und 2020 kam es zu Engpässen bei Lebensmitteln, Treibstoff, Wasser, Strom und Bargeld, und der Zugang selbst zu den grundlegendsten Dienstleistungen hing von politischen und ideologischen Differenzen sowie von der Anwendung von Gewalt und der geografischen Lage ab. Beide Seiten haben die Versorgungslinien der jeweils anderen Seite angegriffen, da die beiden Kriegsparteien versucht haben, Engpässe bei grundlegenden Gütern zu schaffen. Es gab mehrere Initiativen im Zusammenhang mit sozialen Sicherheitsnetzen, darunter eine Initiative des libyschen Expertenforums im Jahr 2017 und eine weitere, die von der Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Westasien (ESCWA) im Rahmen des sozioökonomischen Dialogs in Libyen gefördert wurde. Aufgrund der politischen Spaltung und des Fehlens einer einheitlichen Regierung wurde jedoch keine dieser Initiativen jemals umgesetzt (BS 23.2.2022). Quellen: -BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2020 Country Report: Libya, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069673/country_report_2022_LBY.pdf, Zugriff 16.5.2022 -WFP - Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (o.D.): Libya, https://www.wfp.org/countries/libya, Zugriff 20.5.2022 -WKO - Wirtschaftskammer Österreich, AußenwirtschaftsCenter Kairo (5.2022): Die libysche Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/libyen-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 23.9.2020 16. Medizinische Versorgung Die Ausbreitung des Coronavirus erforderte zusätzliche Ausgaben für Notfälle, die jedoch nicht ausreichten, um ein Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, das aufgrund des Krieges bereits zusammenbgebrochen war. Da es zwei Regierungen gab, war die Reaktion auf die Pandemie im ganzen Land uneinheitlich, was die Effizienz der Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus reduzierte (BS 23.2.2022). Die medizinische Versorgung ist insbesondere außerhalb der Hauptstadt vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Gewalttätig ausgetragene Konflikte und die Ausreise des häufig ausländischen Pflegepersonals der staatlichen Krankenhäuser und privaten Kliniken stellen eine zusätzliche Belastung für das angeschlagene Gesundheitssystem dar (AA 19.4.2022). Bis zum 15.8.2020 gab es nach Angaben von UNSMIL während der COVID-19-Pandemie über 37 Angriffe auf medizinisches Personal und Einrichtungen. Etwa 19 Krankenhäuser wurden angegriffen und 11 medizinische Mitarbeiter getötet. Haftars LAAF griffen am 7.4.2020 die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 24

Entbindungsstation des al-Khadra-Krankenhauses in Tripolis an, das ebenfalls zu den Gesundheitseinrichtungen gehörte, die für einen möglichen Einsatz von COVID-19 vorgesehen waren. Später im selben Monat wurde auch das Tariq al- houq Royal Hospital südlich von Tripolis zerstört. Auch für das medizinische Personal besteht ein Infektionsrisiko, da es nach wie vor an der notwendigen Ausrüstung, Wasser und Betten fehlt, um einen möglichen Zustrom von Patienten zu versorgen (BS 23.2.2022). MedCOI kann zu Libyen keine verlässlichen Informationen zur Verfügbarkeit von Behandlungen und Medikamenten zur Verfügung stellen (MedCOI 10.8.2020a, b). Standardmäßige medizinische Beratung in einer Privatklinik kostet ca. 20 Euro, ein Arztbesuch ca. 23-35 Euro. Preis pro Tag im Krankenhaus: 100-150 Euro exklusive Behandlungen und Medikamenten (MSZ o.D.). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.4.2022): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 22.9.2020- -BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2020 Country Report: Libya, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069673/country_report_2022_LBY.pdf, Zugriff 16.5.2022 -MedCOI / International SOS (10.8.2020a): BMA 13821, Zugriff 22.9.2020 -MedCOI / International SOS (10.8.2020b): BMA 13867, Zugriff 22.9.2020 -MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych [Außenministerium der Republik Polen] (o.D.): Informacje dla podróżujących - Libia, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/libia, Zugriff 27.5.2022 17. Rückkehr Die IOM Displacement Tracking Matrix (DTM), welche die Daten und Ergebnisse zu Binnenvertriebenen (IDPs) und Rückkehrern zwischen Dezember 2021 und Januar 2022 präsentiert, entspricht Runde 40 des DTM Mobility Tracking in Libyen. Im Einklang mit dem im Jahr 2021 beobachteten Trend ging die Zahl der Binnenvertriebenen in dieser Berichtsrunde weiter zurück, während die Zahl der Rückkehrer parallel dazu anstieg. Im Vergleich zu 661.892 Rückkehrern, die in Runde 39 identifiziert wurden, stieg die Zahl der in Runde 40 identifizierten Personen auf 673.554. Dies bedeutet einen leichten Anstieg des prozentualen Anteils der Rückkehrer (2%), was einem Gesamtanstieg von 19% seit dem Waffenstillstand in Libyen im Oktober 2020 entspricht (IOM 11.3.2022). Die Zivilbevölkerung in ganz Libyen, insbesondere Binnenvertriebene und Rückkehrer, steht weiterhin vor großen Herausforderungen in Bezug auf den Schutz. Der Zugang zu medizinischer Versorgung, Medikamenten und lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen, einschließlich .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 24
