liby-lib-2022-05-30-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
-ICG - International Crisis Group (25.5.2022): Reuniting Libya, Divided Once More, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/north-africa/libya/reuniting-libya-divided- once-more?utm_source=Sign+Up+to+Crisis+Group %27s+Email+Updates&utm_campaign=0cb4d2e9bd- EMAIL_CAMPAIGN_2019_01_28_08_41_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_1dab8 c11ea-0cb4d2e9bd-359282001, Zugriff 30.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 4. Sicherheitslage Seit dem bewaffneten Volksaufstand im Jahr 2011, bei dem der langjährige Diktator Mu'ammar al- Qaddafi gestürzt wurde, leidet Libyen unter internen Spaltungen und zeitweiligen Bürgerkriegen. Die Verbreitung von Waffen und autonomen Milizen, florierende kriminelle Netzwerke, die Einmischung regionaler Mächte und die Präsenz extremistischer Gruppen haben dazu beigetragen, dass es dem Land nach wie vor an physischer Sicherheit mangelt. Mehr als ein Jahrzehnt der Gewalt hat Hunderttausende von Menschen vertrieben und die Menschenrechtslage hat sich stetig verschlechtert (FH 28.2.2022). Die innenpolitische Lage in Libyen ist weiterhin fragil. Eine erneute militärische Eskalation ist vorstellbar. Es kann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen, von denen auch Ausländer betroffen sein können. In den vergangenen Monaten kam es zu Kampfhandlungen im Süden Libyens in der Region Sabha. Es besteht vielerorts auch nach Ende von Kampfhandlungen eine Gefahr von Landminen (AA 30.5.2022). Militärisch hat die wieder aufgeflammte Auseinandersetzung zwischen den beiden Machtblöcken die bereits ins Stocken geratenen Bemühungen um eine Einigung der parallelen Sicherheitsstrukturen untergraben und in Tripolis zu gelegentlichen Kämpfen zwischen Loyalisten der rivalisierenden Regierung geführt (ICG 25.5.2022). Die Einsetzung einer neuen rivalisierenden Regierung wird wahrscheinlich lokale Kämpfe auslösen, aber das Risiko groß angelegter Kämpfe zwischen östlichen und westlichen Kräften bleibt gering. Loyale Milizen der GNU und des HoR werden wahrscheinlich in Tripolis mobilisiert werden, um ihre Stärke zu demonstrieren, was die Wahrscheinlichkeit lokaler Kämpfe um wichtige Ministerien, den Flughafen Mitiga und wichtige Zugangsstraßen zur Hauptstadt erhöht (Crisis24 o.D.). Der Islamische Staat hat die durch den anhaltenden Bürgerkrieg geschaffene Gelegenheit genutzt, um in der südlichen Region Fezzan fest Fuß zu fassen und im Norden Tripolitaniens wieder Fuß zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 24

fassen. Die Gruppe wird nun wahrscheinlich ihre Schläferzellen aktivieren, um ihre aufständische Kampagne gegen die GNA-treuen Kräfte wieder aufzunehmen und die laufenden Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien zu stören (Crisis24 o.D.). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (30.5.2022): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 31.5.2022 -Crisis24 (o.D.): Libya Country Report, https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/intelligence/country-reports/libya?origin=gwc24, Zugriff 31.5.2022 -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -ICG - International Crisis Group (25.5.2022): Reuniting Libya, Divided Once More, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/north-africa/libya/reuniting-libya-divided- once-more?utm_source=Sign+Up+to+Crisis+Group %27s+Email+Updates&utm_campaign=0cb4d2e9bd- EMAIL_CAMPAIGN_2019_01_28_08_41_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_1dab8 c11ea-0cb4d2e9bd-359282001, Zugriff 30.5.2022 5. Rechtsschutz / Justizwesen Die Verfassungserklärung sieht ein unabhängiges Justizwesen vor und legt fest, dass jede Person das Recht hat, sich an das Justizsystem zu wenden. Die Verfassungserklärung sieht die Unschuldsvermutung und das Recht auf einen Rechtsbeistand vor, der dem Beschuldigten auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt wird. Diese Standards werden weder von der Regierung noch von nichtstaatlichen Akteuren erfüllt (USDOS 12.4.2022). Da alle Versuche, eine neue Verfassung auszuarbeiten und darüber abzustimmen, gescheitert sind, mangelt es der Gewaltenteilung in Libyen nach wie vor an rechtlicher Klarheit. Der Oberste Justizrat organisiert die Justiz nach dem Gesetz 4 von 2011, aber der genaue Aufbau und die Zuständigkeiten der Justiz werden jedoch unklar bleiben, bis eine richtige Verfassung in Kraft getreten ist. Da die politischen Entscheidungsträger zudem auf Milizen zurückgreifen, um ihre Verhandlungsmacht zu stärken, machen Gerichtsurteile heute keinen wirklichen Unterschied (BS 23.2.2022). Das Justizsystem ist im Wesentlichen zusammengebrochen; die Gerichte sind in weiten Teilen des Landes nicht mehr funktionsfähig (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Libyens wichtigste Institutionen sind extrem schwach und der mangelnde Schutz der Justiz hat das Justizsystem sowohl im Osten als auch im Westen des Landes beschädigt (BS 23.2.2022). Richter, Anwälte und Staatsanwälte sehen sich häufigen Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022, BS 23.2.2022, HRW 13.1.2022). Seit der Revolution von 2011 wird das Recht .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 24

der Bürger auf einen fairen Prozess und ein ordnungsgemäßes Verfahren durch die anhaltende Einmischung bewaffneter Gruppen und die Unfähigkeit, Zugang zu Anwälten und Gerichtsdokumenten zu erhalten, infrage gestellt (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). In den Fällen, in denen Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren stattfinden, gibt es ernsthafte Bedenken hinsichtlich eines ordnungsgemäßen Verfahrens, und die Militärgerichte verurteilen weiterhin Zivilisten (HRW 13.1.2022). Milizen und halboffizielle Sicherheitskräfte führen regelmäßig ungestraft willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen und Einschüchterungen durch (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Tausende Gefangene haben keinen Zugang zu Anwälten und Informationen über die gegen sie erhobenen Anklagen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Die insgesamt mangelnde Sicherheitslage behindert die Rechtsstaatlichkeit weiter. Zivil- und Militärgerichte arbeiteten, je nach örtlicher Sicherheitslage, sporadisch; insbesondere in den von anhaltenden Feindseligkeiten betroffenen Gebieten und im Süden des Landes (USDOS 12.4.2022). Quellen: -BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Libya, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069673/country_report_2022_LBY.pdf, Zugriff 16.5.2022 -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 6. Sicherheitsbehörden Der von den Vereinten Nationen vermittelte Prozess führte im März 2021 zur Vereidigung der Regierung der Nationalen Einheit (GNU), die mit der Vorbereitung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen beauftragt wurde. Die politischen Spaltungen blieben bestehen und die Libyschen Arabischen Streitkräfte (LAAF), eine bewaffnete Gruppe [Anm.: die Khalifa Haftar untersteht], behielten die Kontrolle über große Teile des Ostens und des Südens Libyens (AI 28.3.2022). Die Regierung hat nur begrenzte Kontrolle über die Sicherheitskräfte, die sich aus einer Mischung aus halbstaatlichen Einheiten, bewaffneten Stammesgruppen und zivilen Freiwilligen zusammensetzen. Die dem Innenministerium unterstellte nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig und wird von den Streitkräften des Verteidigungsministeriums unterstützt. Sicherheitsrelevante polizeiliche Aufgaben werden im Allgemeinen von informellen bewaffneten Gruppen übernommen, die zwar von der Regierung bezahlt werden, aber keine formelle .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 24

Ausbildung, keine Aufsicht und keine konsequente Rechenschaftspflicht besitzen. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte zahlreiche Übergriffe begehen (USDOS 12.4.2022). Die Regierung der Nationalen Einheit und nichtstaatliche Akteure halten sich weitgehend an das Waffenstillstandsabkommen von 2020, obwohl beide Seiten weiterhin Unterstützung von ausländischen Streitkräften, ausländischen Kämpfern und Söldnern erhalten. Informelle nichtstaatliche bewaffnete Gruppen füllen Sicherheitslücken im ganzen Land. ISIS-Libyen versucht, eine begrenzte Präsenz in der südwestlichen Wüste aufrechtzuerhalten (USDOS 12.4.2022). Das Waffenstillstandsabkommen vom Oktober 2020 zwischen der ehemaligen Regierung der Nationalen Eintracht und Haftars LAAF sah den Abzug aller ausländischen Kämpfer aus dem Land vor. Nach Angaben der UN-Mission in Libyen hielten sich im September 2021 Tausende ausländischer Kämpfer aus Syrien, Russland, dem Tschad und dem Sudan, darunter auch Mitglieder privater Militärfirmen, in Libyen auf (HRW 13.1.2022; vgl. AI 29.3.2022). Die staatlichen Sicherheitsorgane können grundsätzlich keinen ausreichenden Schutz garantieren. Bewaffnete Gruppen mit zum Teil unklarer Zugehörigkeit treten häufig als Vertreter der öffentlichen Ordnung auf, sind jedoch nicht ausgebildet und wenig berechenbar (AA 30.5.2022). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (30.5.2022): Libyen: Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/libyensicherheit/219624, Zugriff 31.5.2022 -AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Libya 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070278.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 7. Folter und unmenschliche Behandlung Die Verfassungserklärung und nach-revolutionäre Gesetzgebung verbietet Folter. Folter und andere Misshandlungen sind in Gefängnissen, Haftanstalten und inoffiziellen Haftanstalten jedoch verbreitet (USDOS 12.4.2022) bzw. wird diese systematisch angewendet (AI 29.3.2022). Bewaffnete Gruppen, Milizen und Sicherheitskräfte führen außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen und Folter sowie sexuelle Gewalt und willkürliche Verhaftungen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 24

durch (FH 28.2.2022). Es gibt Berichte über grausame und erniedrigende Behandlung in staatlichen und extralegalen Haftanstalten, darunter Schläge, Verabreichung von Elektroschocks, Verbrennungen und Vergewaltigungen (USDOS 12.4.2022). Quellen: -AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Libya 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070278.html, Zugriff 16.5.2022 -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 8. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Beamte wegen Korruption vor (USDOS 12.4.2022). Der Inlandskonflikt und die Schwäche der öffentlichen Institutionen untergraben die Umsetzung des Gesetzes (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Korruption ist weit verbreitet (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Berichten des libyschen Rechnungsprüfungsamtes zufolge verübten Beamte häufig ungestraft korrupte Praktiken wie Bestechung, Schmiergeldzahlungen und Vetternwirtschaft. Es gab zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung, einschließlich Fällen von angeblicher Geldwäsche, Menschenschmuggel und anderen kriminellen Aktivitäten (USDOS 12.4.2022). Im Index der Korruptionswahrnehmung (CPI, Corruptions Perception Index) von Transparency International für das Jahr 2021 liegt Libyen auf Rang 171 von 180 untersuchten Staaten (TI 2022). Quellen: -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -TI - Transparency International (2022): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021, Zugriff 17.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Libyen verfügt über kein landesweites Militär und die Übergangsregierung, die Regierung der Nationalen Einheit (GNU), ist für ihre Sicherheit auf die Zusammenarbeit mit verschiedenen Milizen angewiesen, die sie nicht vollständig kontrollieren kann; die GNU hat Zugang zu verschiedenen Boden-, Luft- und Seestreitkräften/Küstenwache, die sich aus einer Mischung aus halb- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 24

regelmäßigen Militäreinheiten, Milizen, zivilen Freiwilligen sowie ausländischen Truppen und Söldnern zusammensetzen. Die Libysche Nationale Armee (LNA) [Anm.: Nunmehr, Stand 2022 Libyan Arab Armed Forces, LAAF] unter dem De-facto-Befehlshaber der LNA, Khalifa Haftar, verfügt ebenfalls über verschiedene Boden-, Luft- und Seestreitkräfte, die sich aus halb- regelmäßigen Militärangehörigen, Milizen sowie ausländischen Truppen und Söldnern zusammensetzen; Ende 2021 operierte die LNA weiterhin unabhängig von der GNU und übte ihren Einfluss im gesamten Osten, Zentrum und Süden Libyens aus (CIA 11.5.2022). In Libyen besteht kein verpflichtender Wehrdienst (WPR 2022). Es gibt Berichte über vermehrte Rekrutierung von Kindern durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen (USDOS 12.4.2022). Quellen: -CIA - Central Intelligence Agency [USA] (11.5.2022): The World Factbook - Libya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/libya/, Zugriff 17.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/LIBYA-2019-HUMAN- RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.9.2020 -WPR - World Population Review (2022): Countries With Mandatory Military Service 2022, https://worldpopulationreview.com/country-rankings/countries-with-mandatory-military-servic e , Zugriff 17.5.2022 10. Allgemeine Menschenrechtslage Seit dem bewaffneten Volksaufstand im Jahr 2011, bei dem der langjährige Diktator Mu'ammar al- Qaddafi gestürzt wurde, leidet Libyen unter internen Spaltungen und zeitweiligen Bürgerkriegen. Internationale Bemühungen, die rivalisierenden Verwaltungen in einer Einheitsregierung zusammenzubringen, waren Anfang 2021 erfolgreich und schufen einen fragilen Frieden. Die Verbreitung von Waffen und autonomen Milizen, florierende kriminelle Netzwerke, die Einmischung regionaler Mächte und die Präsenz extremistischer Gruppen haben jedoch dazu beigetragen, dass es dem Land nach wie vor an physischer Sicherheit mangelt. Mehr als ein Jahrzehnt der Gewalt hat Hunderttausende von Menschen vertrieben und die Menschenrechtslage hat sich stetig verschlechtert (FH 28.2.2022). Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen durch verschiedene bewaffnete Gruppen; gewaltsames Verschwindenlassen durch verschiedene bewaffnete Gruppen; Folter durch bewaffnete Gruppen auf allen Seiten; harte und lebensbedrohliche Bedingungen in Gefängnissen und Haftanstalten; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene oder Häftlinge; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Missbräuche im internen Konflikt, einschließlich der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 24

Tötung von Zivilisten und der Rekrutierung oder des Einsatzes von Kindern in Konflikten; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt gegen Journalisten und der Existenz von Verleumdungsgesetzen; erhebliche Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit; Zurückweisung von Flüchtlingen und Asylbewerbern; schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt; Menschenhandel; Androhung von Gewalt gegen ethnische Minderheiten und Ausländer; Existenz oder Anwendung von Gesetzen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen kriminalisieren; erhebliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern, einschließlich der Einschränkung von Tarifverhandlungen und des Streikrechts; und Zwangsarbeit (USDOS 12.4.2022). Es gibt ein breites Spektrum libyscher Medien mit Sitz innerhalb und außerhalb des Landes. Die meisten sind jedoch sehr parteiisch und produzieren Inhalte, die eine der politischen und militärischen Fraktionen des Landes begünstigen, und in vielen Fällen verbreiten sie Propaganda, Hassreden oder Desinformationen in Abstimmung mit ausländischen Geldgebern. Die Nutzung sozialer Medien ist weit verbreitet, aber die digitalen Plattformen sind voll von Desinformationskampagnen und Propaganda, was zu Verwirrung und geringem Vertrauen bei den Verbrauchern führt. Der Bürgerkrieg und die damit verbundene Gewalt durch kriminelle und extremistische Gruppen haben eine objektive Berichterstattung gefährlich gemacht und Journalisten sind Einschüchterungen, willkürlichen Verhaftungen und körperlichen Misshandlungen durch beide Konfliktparteien ausgesetzt. Trotz dieser Risiken haben sich einige unabhängige Journalisten und Medien um eine faktenbasierte Berichterstattung bemüht (FH 28.2.2022). Eine Reihe von Bestimmungen in den libyschen Gesetzen schränken die Rede- und Meinungsfreiheit unangemessen ein. Das Strafgesetzbuch sieht die Todesstrafe für die "Förderung von Theorien oder Prinzipien" vor, die auf den Umsturz des politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Systems abzielen (HRW 13.1.2022). Gemäß Strafgesetzbuch wird die sexuelle Betätigung zwischen Angehörigen des gleichen Geschlechts mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Sexuelle Minderheiten sind mit schwerer Diskriminierung und Belästigung konfrontiert und wurden von militanten Gruppen ins Visier genommen (FH 28.2.2022). Nach Angaben der UNSMIL und verschiedener UN-Organisationen waren Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten regelmäßig Opfer von rechtswidrigen Tötungen, willkürlicher Inhaftierung, Folter, sexueller Ausbeutung und anderen Misshandlungen. Zu den Tätern gehörten Staatsbeamte, bewaffnete Gruppen, Schmuggler, Menschenhändler und kriminelle Banden (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 24

Quellen: -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 11. Haftbedingungen Überbelegte Gefängnisse, in denen harte und lebensbedrohende Haftbedingungen herrschen (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022), entsprechen nicht internationalen Standards. Viele Gefängnisse befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung. Berichten zufolge gibt es keine Jugendstrafanstalten im Land und die Behörden halten Jugendliche in Gefängnissen für Erwachsene fest, wenn auch manchmal in getrennten Abschnitten. Oft gibt es getrennte Einrichtungen für Männer und Frauen (USDOS 12.4.2022). Nach Angaben der UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL) hielt das libysche Justizministerium Stand August 2021 12.300 Gefangene, darunter Frauen und Kinder, in 27 von ihm kontrollierten Gefängnissen und anderen von der GNU "anerkannten" Hafteinrichtungen fest (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). 41% der Gefangenen befanden sich laut UNSMIL in willkürlicher, langfristiger Untersuchungshaft (HRW 13.1.2022). Tausende andere wurden von bewaffneten Gruppen in irregulären Hafteinrichtungen festgehalten (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Quellen: -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 12. Todesstrafe Im Strafgesetz bestehen 30 Paragraphen, welche die Todesstrafe vorsehen. Seit 2010 wurde kein Todesurteil vollstreckt, obwohl Militär- und Zivilgerichte die Todesstrafe weiter verhängen (HRW 13.1.2022). Im Jahr 2021 wurden mehr als 12 Todesurteile verhängt (AI 5.2022). Quellen: - AI - Amnesty International (5.2022): Death sentences and executions 2021, https://www.amnesty.org/en/wp-content/uploads/2022/05/Amnesty-International-Death- Sentences-and-Executions-2021-EN.pdf, Zugriff 19.5.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 24

-HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 13. Relevante Bevölkerungsgruppen 13.1. Frauen In der Verfassungserklärung von 2011 heißt es, dass die Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz gleich sind und die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte sowie die gleichen Chancen in allen Bereichen haben, ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht. In Ermangelung von Durchführungsvorschriften und mit begrenzten Kapazitäten hat die GNU diese Erklärungen nicht wirksam durchgesetzt (USDOS 12.4.2022). Frauen werden vor dem Gesetz nicht gleich behandelt und sehen sich praktischen Beschränkungen bei der Teilnahme am Arbeitsleben gegenüber (FH 28.2.2022). Frauen waren mit sozialen Formen der Diskriminierung konfrontiert, die ihren Zugang zur Beschäftigung, zu ihrem Arbeitsplatz, ihre Mobilität und ihre persönliche Freiheit beeinträchtigten. Obwohl das Gesetz die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet, war die kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen weit verbreitet. In einer Studie aus dem Jahr 2020 stellte die UN-Organisation für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau (UN Women) fest, dass die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, für Frauen zwölfmal höher ist als für Männer und dass arbeitende Frauen fast dreimal weniger verdienen als Männer. Beim Zugang von Frauen zu Versicherungen, Krediten und anderen Formen des Sozialschutzes bestehen erhebliche Ungleichheiten (USDOS 12.4.2022). Das Land verfügt über kein einheitliches Familienrecht. Die Scharia (islamisches Religionsrecht) regelt häufig Familienangelegenheiten, einschließlich Erbschaft, Scheidung und das Recht auf Eigentum. Während das Zivilrecht gleiche Rechte bei der Erbschaft vorschreibt, erhalten Frauen aufgrund von Auslegungen der Scharia, die Männer bevorzugen, oft weniger (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Gesetze und gesellschaftliche Gepflogenheiten benachteiligen Frauen in Fragen des Personenstands, einschließlich Heirat und Scheidung. Libysche Frauen mit ausländischen Ehemännern genießen nicht die vollen Staatsbürgerschaftsrechte und können die libysche Staatsbürgerschaft nicht auf ihre Kinder übertragen (FH 28.2.2022). Das Gesetz stellt Vergewaltigung unter Strafe, geht aber nicht auf Vergewaltigung in der Ehe ein (USDOS 12.4.2022). Nach dem Gesetz kann ein verurteilter Vergewaltiger einer 25-jährigen Haftstrafe entgehen, indem er die Überlebende ungeachtet ihres Wunsches heiratet, sofern ihre Familie zustimmt (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Vergewaltigungsüberlebende, die die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 24

hohen Beweisanforderungen nicht erfüllen konnten, könnten wegen Ehebruchs angeklagt werden (USDOS 12.4.2022). Vergewaltigung und andere sexuelle Gewalt sind in dem durch den Bürgerkrieg geschaffenen rechtsfreien Raum zu einem immer größeren Problem geworden (FH 28.2.2022). Die Verfassungserklärung von 2011 verbietet häusliche Gewalt, enthält jedoch keinen Hinweis auf Strafen für Personen, die wegen Gewalt gegen Frauen verurteilt werden (USDOS 12.4.2022). Es gibt keine Gesetze, die sich speziell mit häuslicher Gewalt befassen oder diese unter Strafe stellen (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022), und die meisten Fälle von Gewalt werden aufgrund der sozialen Stigmatisierung und der Gefahr von Repressalien nicht gemeldet (FH 28.2.2022). Es gibt keine zuverlässigen Statistiken über das Ausmaß der häuslichen Gewalt. Soziale und kulturelle Barrieren - einschließlich der Zurückhaltung von Polizei und Justiz und des Widerwillens von Familien, einen Übergriff öffentlich zu machen - trugen dazu bei, dass die Regierung die Gesetze nicht wirksam durchsetzen konnte. Mehrere inländische zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten im Laufe des Jahres, dass Frauen aufgrund der COVID-19-Pandemie-Sperrstunden und der längeren Zeit, die sie zu Hause verbringen, nach wie vor häufiger von häuslicher Gewalt betroffen sind (USDOS 12.4.2022). Quellen: -FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068755.html, Zugriff 16.5.2022 -HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066557.html, Zugriff 16.5.2022 -USDOS - U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Libya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071167.html, Zugriff 16.5.2022 13.2. Kinder Nach dem Gesetz erhalten Kinder die Staatsbürgerschaft vom Vater (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Das Gesetz erlaubt es einheimischen Frauen, die einen ausländischen Mann heiraten, die Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weiterzugeben, obwohl einige widersprüchliche Bestimmungen Diskriminierung möglicherweise aufrechterhalten (USDOS 12.4.2022), gemäß einer anderen Quelle ist es libyschen Staatsbürgerinnen mit ausländischem Ehepartner nicht möglich, die libysche Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weiterzugeben (FH 28.2.2022). Viele Schulen blieben das ganze Jahr 2021 wegen fehlender Materialien, Schäden oder Sicherheitsbedenken geschlossen (USDOS 12.4.2022). Die Binnenvertreibung beeinträchtigte den Schulbesuch zusätzlich, da viele Schulen zu Unterkünften für Binnenvertriebene umfunktioniert wurden (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022). Nach Angaben von UNICEF benötigen derzeit rund 300.000 Kinder im schulpflichtigen Alter Bildungshilfe. Im ganzen Land hat der Konflikt etwa .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 24
