liba-lib-2023-03-01-ke

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter

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Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und 
Asyl  wurde  gemäß  den  vom  Staatendokumentationsbeirat  beschlossenen  Standards  und  der 
Methodologie der Staatendokumentation erstellt.
Ein Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist ein COI-Dokument, das beruhend auf
den  Bedürfnissen  in  Verfahren  des  Asyl-  und  Fremdenwesens  (RD,  EASt,  ASt,  BVwG)  mittels
Recherche von vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß 
den  Standards  der  Staatendokumentation  erstellt  wird.  Ein  LIB  gibt  eine  einzelfallunabhängige
Darstellung über  die  Lage  betreffend  relevanter  Tatsachen  in  Herkunftsländern  bzw.  in  EU-
Mitgliedsstaaten.
Die LIB dienen den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Für sie gilt § 5 Abs.
5 letzter Satz BFA-G, d.h. sie sind als solche nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen 
Staatendokumentation.  Sie  werden  aber  durch  Verwendung  im  Verfahren  (Parteiengehör,
Verwendung  im  Bescheid)  der  jeweiligen  Partei  zugänglich  und  durch  Verwendung  im  Bescheid 
öffentlich gemacht.
Dieses Produkt ist als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Gerichte entworfen worden. In 
diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen
im  Vordergrund.  Grundsätzlich  wird  jede  Information  mit  mindestens  einer  Quelle  belegt;  aus 
vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt 
auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungsfindung kein Mehrwert ergibt.
Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfolgerungen
für  die  rechtliche  Beurteilung  eines  konkreten  Verfahrens.  Das  LIB  stellt  keine  allgemeine  oder 
individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann insbesondere auch nicht als
politische  Stellungnahme  seitens  der  Staatendokumentation  oder  des  Bundesamtes  für 
Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. 
Zugunsten  der  besseren  Les-  und  Verwendbarkeit  wird  im  vorliegenden  Produkt  auf  eine 
genderneutrale Schreibweise verzichtet. So nicht explizit angemerkt, sind immer alle Geschlechter
gemeint.
Qualitäts- und Aktualisierungshinweis
Das  LIB  beinhaltet  Arbeitsübersetzungen  fremdsprachiger  Quellen.  Auswahl,  Verwertung  und 
Verwendung von Informationen im vorliegenden Produkt unterliegen dem Qualitätsmanagement der 
Staatendokumentation.
Die  Aktualität  der  verwendeten  Quellen  wird  seitens  der  Staatendokumentation  überprüft.  Daher
können auch im LIB verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden.
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 2 von 68
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Länderspezifische Anmerkungen
COVID-19: 
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die 
Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: 
https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der 
Johns-Hopkins-Universität:
https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/
bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 
mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3 von 68
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Inhaltsverzeichnis
 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen................................................................6
 2. COVID-19..................................................................................................................................7
 3. Politische Lage..........................................................................................................................8
 4. Sicherheitslage........................................................................................................................11
 5. Rechtsschutz / Justizwesen....................................................................................................13
 6. Sicherheitsbehörden...............................................................................................................15
 7. Folter und unmenschliche Behandlung...................................................................................18
 8. Korruption................................................................................................................................20
 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten.....................................................................................22
 10. Wehrdienst und Rekrutierungen.............................................................................................23
 11. Allgemeine Menschenrechtslage............................................................................................24
 12. Meinungs- und Pressefreiheit.................................................................................................26
 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition............................................................28
 14. Haftbedingungen.....................................................................................................................29
 15. Todesstrafe..............................................................................................................................31
 16. Religionsfreiheit.......................................................................................................................32
 17. Minderheiten...........................................................................................................................34
17.1. Beduinen – al-Ashaer, bzw. al-Arabiya...............................................................................36
 18. Relevante Bevölkerungsgruppen............................................................................................37
18.1. Frauen................................................................................................................................37
18.2. Kinder.................................................................................................................................41
18.3. LGBTI-Personen................................................................................................................44
 19. Bewegungsfreiheit...................................................................................................................46
 20. IDPs und Flüchtlinge...............................................................................................................47
20.1. Syrische Flüchtlinge...........................................................................................................49
20.2. Palästinensische Flüchtlinge..............................................................................................54
 21. Grundversorgung und Wirtschaft............................................................................................58
 22. Medizinische Versorgung........................................................................................................63
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23. Rückkehr.................................................................................................................................67
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1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.
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2. COVID-19
Laut  einem  Bericht  des  libanesischen  Gesundheitsministerium  (MoPH)  zur  Beobachtung  von 
COVID-19-Infektionen im Libanon betrug die COVID-19 bedingte Belegung der Intensivstationen in 
der Woche vom 13.2.2023 bis zum 20.2.2023 13 %. Die lokale PCR-Positivitätsrate lag bei 8,4 %. 
71,2  %  der  Bevölkerung  haben  laut  offiziellen  Daten  mindestens  eine  COVID-19  Impfdosis 
erhalten  (MoPH  20.2.2023).  Das  Gesundheitsministerium  hat  eine  Hotline  für  Aufklärung  und 
Fragen  zu  COVID-19  eingerichtet  (MoPH  2023).  Der  Libanon  hat  im  Januar  2021  eine 
elektronische Plattform für Bürger und Einwohner eingerichtet, die sich gegen COVID-19 impfen 
lassen wollen (AN 29.1.2021; vgl. MoPH 28.1.2021). Ähnlich wie in vielen anderen Ländern wurde
eine  App  zur  Ermittlung  von  Kontaktpersonen,  „Ma3an“,  entwickelt,  um  Menschen  zu 
benachrichtigen, die möglicherweise mit COVID-19 in Kontakt gekommen sind. Auf kommunaler 
Ebene  haben  die  lokalen  Gemeinden  die  Aufgabe  der  Nachverfolgung  von  Fällen  und  der 
Verhängung von Quarantänen übernommen (RAND 6.5.2022). 
Im Libanon traf die Pandemie mit der Wirtschaftskrise zusammen. Die Krankenhäuser befanden 
sich bereits in einer schwierigen Situation, was sich auf alle gesundheitsbezogenen Aspekte, auch 
auf COVID-19 Patienten, auswirkte. Unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie wurde deutlich, 
dass  private  Krankenhäuser  keine  Abteilung  für  COVID-19  Patienten  öffnen  wollten,  und  der 
libanesische  Staat  war  nicht  in  der  Lage,  sie  dazu  zu  verpflichten,  zumal  die  für  die 
Gesundheitsversorgung  bereitgestellten  öffentlichen  Gelder  aufgebraucht  waren  und  in  der 
Vergangenheit nicht vollständig an diese Krankenhäuser gezahlt wurden. Es dauerte Wochen, bis 
einige private Krankenhäuser beschlossen, einige Abteilungen für COVID-19-Patienten zu öffnen 
(HBS 2.12.2022). Die COVID-19-Krise verschärfte auch die bereits bestehenden Ungleichheiten in 
den Bereichen Beschäftigung und Bildung und verringerte die Chancen für viele der am stärksten 
gefährdeten Bevölkerungsgruppen (UNICEF 6.2022). Besonders schwerwiegende Auswirkungen 
hatte  COVID-19  auf  Flüchtlingsgemeinschaften,  insbesondere  auf  Frauen  und  Mädchen,  was 
durch  die  grundlegenden  Hindernisse,  mit  denen  sie  konfrontiert  sind,  noch  verstärkt  wurde: 
Bewegungsfreiheit, Schutz, Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beschäftigung. Auch über die 
Pandemie hinaus deuten Schätzungen von Hilfsstudien darauf hin, dass COVID-19 noch lange
Zeit  unverhältnismäßig  starke  Auswirkungen  auf  Flüchtlingsfrauen  im  Libanon  haben  wird, 
insbesondere auf diejenigen, die Gewalt ausgesetzt waren (HBS 2.12.2022). 
Quellen:
-AN  -  Arab  News  (29.1.2021):  Lebanon  launches  online  platform  for  vaccine  registration, 
https://www.arabnews.com/node/1800166/middle-east, Zugriff 21.2.2023
-HBS  -  Heinrich  Böll  Stiftung  –  Beirut  Office  (2.12.2022): 
https://lb.boell.org/sites/default/files/2022-12/fqml-en-e.pdf, Zugriff 30.1.2023
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 68
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-MoPH - Ministry of Public Health [Libanon] (20.2.2023): Monitoring of COVID-19 Infection In
Lebanon  –  20/2/2023,  https://www.moph.gov.lb/en/Pages/127/43750/monitoring-of-covid-19-, 
Zugriff 21.2.2023
-MoPH  -  Ministry  of  Public  Health  [Libanon]  (2023):  Novel  Coronavirus  2019, 
https://www.moph.gov.lb/en/Pages/2/24870/novel-coronavirus-2019-, Zugriff 21.2.2023
-MoPH  -  Ministry  of  Public  Health  [Libanon]  (28.1.2021):  
COVID-19  Vaccine  Platform  (Presentation), 
https://www.moph.gov.lb/userfiles/files/Prevention/nCoV-%202019/Covid19_Vaccine_Process(20
20)-1-1.pdf, Zugriff 21.2.2023
-RAND (6.5.2022): Lebanon: Challenges and Successes in COVID-19 Pandemic Response, 
https://www.rand.org/blog/2022/05/lebanon-challenges-and-successes-in-covid-19-
pandemic.html, Zugriff 21.2.2023
-UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (6.2022): Synthesis of the 
crisis impact on the Lebanese labour market and potential business, employment and training 
opportunities,  https://www.unicef.org/lebanon/media/8726/file/ILO%20UNICEF%20Synthesis
%20report%20EN%20.pdf, Zugriff 21.2.2023
 3. Politische Lage
Der Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Das 
politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt von 
1943 und dem im Gefolge der Ta’if-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten 
„Dokument  der  Nationalen  Versöhnung“  (AA  5.12.2022).  Der  Nationalpakt  verteilt  die 
Regierungsgewalt auf einen maronitischen christlichen Präsidenten, einen schiitischen Sprecher 
der  Abgeordnetenkammer  (Parlament)  und  einen  sunnitischen  Premierminister  (USDOS 
12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022, AA 5.12.2023).  Bei der im Abkommen von Ta’if vorgesehenen 
allmählichen  Entkonfessionalisierung  des  politischen  Systems  gibt  es  keine  Fortschritte  (AA 
5.12.2022). Die libanesische Elite ist nicht bereit, ein System abzuschaffen, das ihre Macht
garantiert, oder sich der Kontrolle durch ein neues, demokratischeres und rechenschaftspflichtiges 
Parlament zu stellen (CH 11.8.2021). 
Die 128 Abgeordnetensitze im Parlament werden nach einem detaillierten Schlüssel für die 18 
anerkannten Religionsgemeinschaften je zur Hälfte von Christen (zwölf anerkannte christliche
Konfessionen)  bzw.  Muslimen  (Sunniten,  Schiiten,  Drusen,  Alawiten  und  Ismailiten)  besetzt.
Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen religiösen Gruppen 
getragen; daneben spielen Familien- und regionale Interessen eine große Rolle (AA 5.12.2023). 
Das  komplizierte  konfessionelle  Proporzsystem,  das  Christen,  Schiiten  und  Sunniten 
gleichermaßen Zugang zu Macht und Ämtern sichern soll, hat in den vergangenen Jahren zu einer 
vollständigen Blockade des politischen Prozesses geführt (WZ 15.1.2023). In der libanesischen 
Politik bestehen formelle und informelle Allianzen, allerdings häufig auch über die religiöse Kluft 
hinweg. Die „Allianz des 8. März“ ist eine Koalition, deren zwei führende Parteien schiitische 
Muslime (Hizbollah) und Christen (Freie Patriotische Bewegung) sind, die durch eine pro-syrische 
Agenda vereint sind. Ihnen gegenüber steht die „Allianz des 14. März“, eine anti-syrische Gruppe, 
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die von sunnitischen Muslimen und christlichen Maroniten dominiert wird. Die ungewöhnliche und
mangelhafte politische Struktur des Libanon ermöglicht es der Hizbollah, über die Allianz des 8. 
März  enorme  Macht  und  parlamentarische  Kontrolle  auszuüben,  ohne  selbst  über  eine  hohe 
Anzahl von Sitzen im Parlament zu verfügen (CH 11.8.2021). Außerdem hat die Hizbollah im Laufe 
der Jahre eine mehrdimensionale Strategie verfolgt, die neben ihrem Militärapparat auch mehrere 
politische  Mittel  umfasst.  Neben  der  Bildung  eines  politischen  Gürtels  aus  nicht-schiitischen 
Verbündeten  (Christen,  Alawiten,  Drusen  und  Sunniten)  gehörte  auch  die  massive 
Unterwanderung  der  öffentlichen  Verwaltung  und  anderer  Einrichtungen  wie  der  allgemeinen 
Gewerkschaft  und  der  Verkehrsgewerkschaft  dazu  (USIP  8.6.2022).  Zumindest  in  ihren 
Hochburgen (Teile der Bekaa-Ebene, südliche Beiruter Vororte, Teilgebiete des Südens) stellt die 
Hizbollah  auch  weiterhin  eine  Art  Staat  im  Staat  dar  und  übernimmt  dort  die  sozialen  und 
politischen  Aufgaben  (AA 5.12.2022).  In  der  Europäischen  Union  wird  bislang  lediglich  der 
„militärische Arm“ der Hizbollah als Terrororganisation gelistet. Diese künstliche Unterscheidung 
zwischen einem militärischen und dem politischen Arm, die von der Hizbollah selbst negiert wird, 
ist international umstritten (ELNET 5.5.2021; vgl. ST 12.5.2021). Neben Deutschland, den USA, 
Kanada und den Niederlanden hat auch Großbritannien die Hizbollah als Ganzes verboten. In 
Österreich  gilt  für  die  Hizbollah  –  also  auch  für  den  politischen  Arm  –  ein  Symbole-
Verwendungsverbot (ST 12.5.2021). 
Die jüngsten Parlamentswahlen im Libanon fanden am 15.5.2022 statt (AA 5.12.2023). Die Wahlen 
waren die ersten seit einem landesweiten Aufstand im Jahr 2019 gegen eine politische Elite, die
weithin als korrupt und ineffektiv gilt. Die Hizbollah und ihre verbündete Allianz gewannen 62 der 
128 Sitze, und haben damit ihre Mehrheit im libanesischen Parlament verloren. Die Hizbollah 
behielt zwar ihre eigenen Sitze, aber die christliche Freie Patriotische Bewegung von Präsident 
Michel Aoun verlor an Unterstützung. Die „Lebanese Forces“, eine rivalisierende christliche Partei 
mit engen Beziehungen zu Saudi-Arabien, gewann 19 Sitze und damit 15 Sitze mehr als bei den 
letzten Wahlen im Jahr 2018 (BBC 17.5.2022). Kandidaten, die als Opposition zum Establishment 
gelten, haben 13 Sitze im Parlament gewonnen (OT 17.5.2022). Das zersplitterte Parlament war 
allerdings nicht in der Lage, einen neuen Präsidenten zu wählen, sodass nach dem Ende der 
Amtszeit  von  Michel  Aoun  im  Oktober  2022  ein  Vakuum  entsteht.  Michel  Moawad,  ein  Anti-
Hizbollah-Kandidat,  hat  in  mehreren  Wahlgängen  die  meisten  Stimmen  erhalten,  aber  keine 
Mehrheit. Die Abstimmung wird so lange fortgesetzt, bis jemand die Pattsituation durchbrechen 
kann. Da es keinen Präsidenten gibt, ist die Regierung von Premierminister Najib Mikati nur 
geschäftsführend tätig, was die anhaltende Wirtschaftskrise im Libanon noch verschärft, da die 
Währung einen neuen Rekordtiefstand erreicht hat (21Vote 21.2.2023). 
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Die Hizbollah und ihr wichtigster Verbündeter, die Amal-Bewegung von Nabih Berri, setzen sich für
eine  ausschließliche  Vertretung  der  schiitischen  Gemeinschaft  ein,  indem  sie  alle  ihrer 
Gemeinschaft  zugewiesenen  Parlamentssitze  und  den  gesamten  Quotenanteil  der  Schiiten  in 
jeder Regierung kontrollieren. Im System der Machtteilung im Libanon bedeutet dies, dass sie 
gegen jede Entscheidung ein Veto einlegen oder jede Sitzung des Parlaments oder der Regierung 
für ungültig erklären können, indem sie alle schiitischen Mitglieder auffordern, nicht teilzunehmen 
oder dagegen zu stimmen. Letztlich kann die Partei außerdem immer noch auf Einschüchterung 
und  direkte  Aktionen  zurückgreifen  und  ihre  bewaffneten  Mitglieder  mobilisieren,  wenn  die 
politischen Mittel nicht ausreichen (USIP 8.6.2022).  Die wachsende wirtschaftliche Not und die 
Frustration über das politische System lösen im ganzen Land häufig weit verbreitete Proteste und 
zivile  Unruhen  aus,  bei  denen  konkrete  finanzielle  und  wirtschaftliche  Maßnahmen  zur 
Eindämmung der Krise gefordert werden (REACH 6.4.2022). Mehr als 200 Menschen protestierten 
Ende Januar 2023 vor dem libanesischen Justizpalast gegen die Versuche, die Ermittlungen im 
Zusammenhang mit der tödlichen Explosion im Beiruter Hafen im Jahr 2020 zu stoppen. Richter 
Tarek Bitar kündigte an, dass er die Ermittlungen zu der Explosion, bei der mehr als 220 Menschen 
ums  Leben  kamen,  wieder  aufnehmen  werde,  nachdem  sie  aufgrund  von  juristischen 
Auseinandersetzungen und politischem Druck auf höchster Ebene 13 Monate lang ausgesetzt 
worden waren (Reuters 26.1.2023). Im Oktober 2021 wurden bei einer Demonstration, zu der die 
Schiitische Amal und Hizbollah aufgerufen hatten, um die Absetzung des Richters Bitar zu fordern, 
sieben Menschen getötet und Dutzende verwundet (ToI 16.10.2021). 
Quellen:
-21Vote (21.2.2023): Ongoing Middle East Elections - Lebanon Indirect Presidential Election (by 
parliament): Continuing, https://21votes.com/middle-east-110/, Zugriff 1.3.2023
-AA  -  Auswärtiges  Amt  [Deutschland]  (5.12.2022):  Bericht  über  die  asyl-  und 
abschiebungsrelevante Lage in Libanon (Stand 7.10.2022), 
https://www.ecoi.net/en/file/local/2083550/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_
%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Libanon_
%28Stand_07.10.2022%29%2C_05.12.2022.pdf, Zugriff 1.2.2023
-BBC - British Broadcasting Corporation (17.5.2022): Lebanon election: Hezbollah and allies 
lose  parliamentary  majority,  https://www.bbc.com/news/world-middle-east-61463884,  Zugriff 
1.3.2023
-CH  -  Chatham  House  (11.8.2021):  Lebanon’s  politics  and  politicians, 
https://www.chathamhouse.org/2021/08/lebanons-politics, Zugriff 28.2.2023
-ELNET (5.5.2021): Gemeinsam gegen Hisbollah – eine Bestandsaufnahme für Deutschland, 
Österreich  und  die  Schweiz,  https://elnet-deutschland.de/themen/politik/gemeinsam-gegen-
hisbollah-eine-bestandsaufnahme-fuer-deutschland-oesterreich-und-die-schweiz/,  Zugriff 
1.3.2023
-FH  -  Freedom  House  (3.6.2022):  Freedom  on  the  Net  2022  –  Lebanon, 
https://freedomhouse.org/country/lebanon/freedom-net/2022, Zugriff 8.2.2023
-OT - L’Orient Today (17.5.2022): Lebanon elects a new Parliament: A breakdown of divisions, 
winners  and  losers,  https://today.lorientlejour.com/article/1299886/lebanon-elects-a-new-
parliament.html, Zugriff 1.3.2023
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 68
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-REACH - REACH Initiative (6.4.2022): Lebanon: 2021 Multi-Sector Needs Assessment - April
2022,  https://reliefweb.int/report/lebanon/lebanon-2021-multi-sector-needs-assessment-april-
2022, Zugriff 23.1.2023
-Reuters  (26.1.2023):  Lebanese  protest  as  fate  of  blast  probe  hangs  in  balance, 
https://www.reuters.com/world/middle-east/lebanese-protest-anger-over-efforts-hamstring-blast-
probe-2023-01-26/, Zugriff 1.3.2023
-ST  -  Der  Standard  (12.5.2021):  Österreich  verbietet  sämtliche  Hisbollah-Symbole, 
https://www.derstandard.at/story/2000126602629/oesterreich-verbietet-saemtliche-hisbollah-
symbole, Zugriff 1.3.2023
-ToI - The Times of Israel (16.10.2021): A who’s who of the groups involved in Beirut violence 
that left 7 dead, https://www.timesofisrael.com/the-groups-involved-in-deadly-beirut-violence-that-
left-7-dead/, Zugriff 1.3.2023
-USIP - United States Institute of Peace (8.6.2022): Lebanon’s Election Offers Lessons for Now 
and the Future,  https://www.usip.org/publications/2022/06/lebanons-election-offers-lessons-now-
and-future, Zugriff 1.3.2023
-WZ  -  Wiener  Zeitung  (15.1.2023):  Krisenstaat  ohne  Exit-Strategie, 
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2134289-Krisenstaat-ohne-Exit-
Strategie.html, Zugriff 23.1.2023
 4. Sicherheitslage
[Anm.:  Für  Informationen  bzgl.  der  Sicherheitslage  in  den  palästinensischen  Flüchtlingslagern 
siehe Kapitel 20.2 „Palästinensische Flüchtlinge“] 
Die  allgemeine  Sicherheitslage  ist  durch  die  Proteste  und  den  wirtschaftlichen  Abschwung 
unübersichtlicher geworden (AA 12.5.2022).  Es kommt zu Demonstrationen, Straßenblockaden, 
Streiks und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Gruppierungen sowie
zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften. Dabei werden vereinzelt auch Schusswaffen 
eingesetzt (EDA 14.2.2023). Diebstähle, Schießereien und Zusammenstöße nehmen zu, da immer 
mehr Menschen verzweifelt versuchen, über die Runden zu kommen, was manchmal zu tödlichen 
Auseinandersetzungen  führt.  Die  von  den  Banken  eingeführten  informellen 
Kapitalverkehrskontrollen  für  Einlagen  haben  dazu  geführt,  dass  einige  Menschen  in 
verschiedenen  Bankfilialen  im  ganzen  Land  Geiseln  genommen  haben,  um  an  ihr  Geld  zu 
kommen. Die sich verschlechternde Sicherheitslage stellt eine besondere Herausforderung für die 
libanesischen Sicherheitskräfte dar, die ohnehin schon mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen haben, 
durch die ihre Ressourcen schrumpfen und die Gehälter ihrer Mitarbeiter gekürzt werden (NL 
27.9.2022). 
Die libanesische schiitische Miliz Hizbollah kontrolliert den Zugang zu Teilen des Libanon und 
operiert innerhalb des Landes relativ ungestraft (CRS 11.1.2023). Ihr „militärischer Arm“ ist von der
EU seit 2013 als terroristische Vereinigung gelistet. Die Hizbollah übernimmt zumindest in ihren 
Hochburgen (Teile der Bekaa-Ebene, südliche Beiruter Vororte, Teilgebiete des Südens) faktisch 
auch die Funktion einer Sicherheitsbehörde (AA 5.12.2023). Im Libanon präsent sind neben der 
Hizbollah auch andere Terrorgruppen wie die Abdallah Azzam Brigades, al-Aqsa Martyrs Brigade, 
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 68
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