mali-lib-2023-11-10-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Informationen zu COVID-19 befinden sich im Kapitel 23. Medizinische Versorgung. 2. Politische Lage Das politische System von Mali beruht im Allgemeinen auf der Verfassung von 1992. Sie sieht die Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative und, angelehnt an das französische, ein republikanisches, semipräsidentielles Regierungssystem vor (AA 3.6.2022). Der Präsident, der das Staatsoberhaupt ist, wird in der Regel vom Volk bestimmt und darf nicht mehr als zwei fünfjährige Amtszeiten bekleiden (FH 2023; vgl. CIA 19.10.2023). Wie der Präsident wird auch das Parlament, die Nationalversammlung (Assemblée nationale), laut Verfassung in freien, gleichen und geheimen Wahlen durch das Volk gewählt (AA 3.6.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Parlament besteht aus einer Kammer mit 147 Sitzen, 13 davon sind für im Ausland lebende Staatsangehörige reserviert. Die Abgeordneten werden direkt in Einzel- und Mehrmandatswahlkreisen mit absoluter Mehrheit in zwei Wahlgängen für fünf Jahre gewählt (CIA 19.10.2023). Die politische Lage in Mali ist aber fragil (BMZ 25.7.2023), weil die andauernde Unsicherheit sowie politische Spannungen sowohl in 2020 als auch in 2021 in Militärputschen kulminierten (FH 2023). Seither sind Exekutive wie Legislative nicht durch Wahlen legitimiert (BS 23.2.2022). Durch die im Nachgang des ersten Staatsstreichs verabschiedete Übergangscharta gibt es zudem staatliche Spitzenorgane, die nicht demokratisch bzw. verfassungskonform bestimmt wurden (AA 3.6.2022). Zu Beginn der 1990er-Jahre vollzog sich im Land eine Abkehr von der autoritären Herrschaft und demokratische Institutionen wurden in etwa 20 Jahre lang schrittweise aufgebaut (FH 2023). 2012 erhoben sich jedoch separatistische Tuareg und Rebellengruppen im Norden und stürzten Mali in eine schwere, vielschichtige Krise (BMZ 25.7.2023; vgl. BS 23.2.2022), deren Folgen das Land bis heute konfrontieren (BS 23.2.2022; vgl. AA 3.6.2022). Im Anschluss einer militärischen Intervention durch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States - ECOWAS), unterstützt von Paris und malischen Streitkräften (BS 23.2.2022), wurde 2015 ein Friedensabkommen - das Algiers Peace Agreement - unterzeichnet (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023). Seitdem wurde durch mehrere UN-Missionen versucht, das Land zu stabilisieren, die staatliche Autorität zu restaurieren und die Zivilbevölkerung zu schützen (BMZ 25.7.2023), insbesondere durch die Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der UN in Mali (Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali - MINUSMA) (BS 23.2.2022). Gleichwohl lässt sich das Abkommen weiterhin nur schwer umsetzen (ICG o.D.; vgl. BS 23.2.2022), vor allem bzgl. Entwaffnung und (Wieder-)Eingliederung der Rebellen (BS 23.2.2022). Außerdem greifen die Vertragsparteien, darunter ethnische Bewegungen, dschihadistische Gruppen sowie transnationale kriminelle Netzwerke zur Beilegung ihrer Differenzen nach wie vor auf Gewalt zurück (ICG o.D.). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 66
Die staatliche Ordnung im Norden - in den Regionen Gao, Kidal, Ménaka und Taoudénit - ist dementsprechend noch immer nicht vollständig wiederhergestellt, während sie auch im Zentrum - in Mopti und Timbuktu sowie in Teilen von Koulikoro und Ségou - teilweise zusammengebrochen ist (AA 3.6.2022). Insgesamt sind weiterhin zwei Drittel des Landes von bewaffneten terroristischen Gruppen besetzt (BS 23.2.2022). In diesem schwierigen Kontext fanden 2018 Präsidentschaftswahlen statt. Ibrahim Boubacar Keïta wurde mit mehr als 67 % der Stimmen im Vergleich zu den 33 % seiner Herausforderers, Soumaila Cissé, als Präsident wiedergewählt (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023). Trotz einiger Regelwidrigkeiten stuften internationale Beobachter die Wahlen als weitgehend glaubwürdig ein (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 23.2.2022). Ursprünglich für 2018 angesetzte Parlamentswahlen wurden 2020 abgehalten, die von Unregelmäßigkeiten, u.a. begrenzte Bewegungsfreiheit, Vorwürfe der Einschüchterung von Wählern oder Wahlmanipulation, begleitet wurden. In den Monaten nach diesen Wahlen annullierte das Verfassungsgericht wichtige Wahlergebnisse zugunsten der seinerzeit regierenden Partei, vor allem in Bamako (USDOS 20.3.2023). Das Verhalten des Gerichtshofs löste Massenunruhen aus (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 23.2.2022, FH 2023), die begünstigten, dass das Militär am 18.8.2020 intervenierte und die Regierung von Präsident Keïta absetzte (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023), wobei Letzteres von den Demonstrierenden gefordert wurde. Die Sicherheitskräfte gingen wiederholt mit übermäßiger Gewalt gegen diese Proteste vor und verhafteten Protestführer (BS 23.2.2022). Eine Gruppe von Militärangehörigen, das Nationale Komitee zur Rettung des Volkes (Comité national pour le salut du peuple - CNSP), unter Führung von Oberst Assimi Goïta übernahm die Macht (FH 2023; vgl. AA 3.6.2022) mit der Rechtfertigung, dass Keïta und dessen Umfeld die Hauptschuld für den Verfall des Landes trügen (ICG 21.9.2021). Der Putsch verlief unblutig, da eine unmittelbare Gegenwehr des alten Systems ausblieb (AA 3.6.2022): Keïta kündigte umgehend seinen Rücktritt sowie die Auflösung der Nationalversammlung an (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023), wurde jedoch mit Mitgliedern seines Kabinetts verhaftet (C24 7.7.2022). Dafür wurde eine Übergangsregierung mit ziviler Führung gebildet (USDOS 20.3.2023). Das CNSP ernannte Bah N’Daw, ein ehemaliger Militäroffizier und Verteidigungsminister der Keïta- Ära, zum Übergangspräsidenten, Goïta zu dessen Vize (FH 2023; vgl. AA 3.6.2022) und Moctar Ouane, ein Diplomat und früherer Außenminister (ICG 21.9.2021) zum Premierminister, d.h. zum Regierungschef (FH 2023), der die Minister ernennt (CIA 19.10.2023). Das Parlament wurde indes vom Nationalen Übergangsrat (Conseil national de la transition - CNT) ersetzt, der nicht gewählt (USDOS 20.3.2023), sondern laut der Übergangscharta vom Vizepräsidenten, also Goïta, ernannt wird (JA 9.3.2021). Von den 121 Sitzen kontrollieren die Sicherheitskräfte 22 Sitze direkt, politische Parteien und Organisationen elf und M5-RFP (Mouvement du 5 Juin - Rassemblement des forces patriotiques), das Oppositionsbündnis, welches die Anti-Keïta-Protestbewegung anführte, acht (FH .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 66
2023). Die erste Phase des Übergangsprozesses, zunächst auf 18 Monate bis Mai 2021 angelegt, verlief schleppend (AA 3.6.2022; vgl. ICG 21.9.2021). Spannungen zwischen Zivilisten und Militärs innerhalb der Regierung sowie ihre schwache soziopolitische Basis führten zu einer Lähmung der Exekutive. Zwar löste sich das CNSP nach dem Putsch offiziell auf, blieb aber hinter den Kulissen aktiv (ICG 21.9.2021; vgl. JA 9.3.2021). Nach Angaben der Bertelsmann Stiftung (BS) ist es sogar determiniert, Mali bis zur nächsten Wahl zu regieren (BS 23.2.2022). Trotz der Ausarbeitung eines ehrgeizigen Fahrplans - das CNSP versprach u. a. die nationale Einheit wiederherzustellen und die Korruption zu bekämpfen - gelang es der Regierung nicht, nennenswerte Reformen umzusetzen (ICG 21.9.2021). Der Übergang war überdies weder inklusiv noch einvernehmlich. Die wichtigsten Staatsämter, das Vizepräsidium und die Schlüsselressorts, wurden allesamt von Militärs geleitet. Gleichzeitig spielten die politische Klasse, zivilgesellschaftliche Organisationen und vor allem die M5-RFP in der ersten Übergangsphase keine Rolle (BS 23.2.2022). Im Mai 2021 traten im Rahmen einer Kabinettsumbildung Spannungen zutage, die den Boden für einen zweiten Militärputsch bereiteten. Monatelang hatte die Regierung Ouane versucht, sich aus dem Einflussbereich des CNSP bzw. der Armee zu lösen (ICG 21.9.2021). Nach Bekanntgabe des neuen Kabinetts, aus dem zwei hochrangige Militärs ausgeschlossen waren, kam es zum zweiten Staatsstreich (FH 2023; vgl. ICG 21.9.2021), der erneut unblutig verlief (AA 3.6.2022). N’Daw und Ouane wurden beiden verhaftet, während sich Goïta selbst zum Übergangspräsidenten ernannte (FH 2023; vgl. C24 7.7.2022, ICG 21.9.2021). Die putschenden Offiziere des vormaligen CNSP waren aber nicht in der Lage, die volle Kontrolle im Land zu übernehmen. Deshalb haben sie den M5-RFP-Sprecher, Choguel Maïga, bei der Bildung eines neuen Kabinetts miteinbezogenen (ICG 21.9.2021); er wurde zum Premier ernannt (AA 3.6.2022; vgl. FH 2023). Das Verfassungsgericht bestätigte diese Entscheidungen bereits wenige Tage nach dem Coup d’État, und im August 2021 wurden N’Daw wie Ouane aus dem Hausarrest entlassen (FH 2023). Dieses erneute Bündnis zwischen Zivilisten und Militärs ist aber brüchig, da die M5-RFP in puncto Regierungsbeteiligung gespalten ist und noch nach dem ersten Militärputsch in 2020 gegen die Militarisierung der Macht protestiert hat. Die Zusammensetzung der Regierung lässt zudem keine Zweifel aufkommen, dass zurzeit die Putschisten der CNSP an der Macht in Mali sind (ICG 21.9.2021). Wegen des zweiten Putsches und der damit verbundenen Verzögerung der Machtrückgabe an gewählte Staatsorgane, verhängten die Mitgliedsländer der ECOWAS sowie der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (Union Économique et Monétaire Ouest-Africaine - UEMOA) am 9.1.2022 vielfältige Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Mali (AA 3.6.2022; vgl. AJ 9.1.2022, REU 10.1.2022). Überdies wurde das Land von der ECOWAS sowie der AU auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen (HRW 12.1.2023). Im Feber 2022 verhängte die EU ein Reiseverbot gegen fünf Mitglieder der Interimsregierung (HRW 12.1.2023; vgl. AA 3.6.2022), welche zur Verzögerung der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 66
Transition wesentlich beigetragen hatten (AA 3.6.2022). Außerdem wurden deren Vermögenswerte eingefroren, während die USA im August 2022 ihre Militärhilfe für die malische Regierung bis zur Abhaltung freier und fairer Wahlen einfror (HRW 12.1.2023). Außerdem gab die US-Regierung am 24.7.2023 bekannt, Sanktionen gegen mehrere ranghohe Politiker in Mali zu verhängen. Als Grund wird die Unterstützung der russischen Wagner-Gruppe genannt. Diese Sanktionen beinhalten u.a. das Einfrieren des Vermögens des Verteidigungsministers, Sadio Camara. Ihm sowie anderen wird vorgeworfen, den Aufstieg der Söldnertruppe in Mali erleichtert zu haben (BAMF 31.7.2023). Am 30.8.2023 scheiterte im UN-Sicherheitsrat ein Versuch am Veto Russlands, Sanktionen gegen Mali auf UN-Ebene zu verhängen (SCR 19.10.2023). Die Beziehungen zwischen Bamako und Paris haben sich stark verschlechtert (HRW 12.1.2023). Mali wies den französischen Botschafter im Jänner 2022 aus, nachdem dessen Außenminister die Legitimität der Übergangsregierung infrage gestellt hatte (HRW 12.1.2023; vgl. F24 31.1.2022). Frankreich beendete hingegen seine neunjährige Antiterrorkampagne und zog seine Truppen ab; Mitte August 2022 verließ der letzte Soldat das Land [siehe Kapitel 5. Sicherheitsbehörden, Anm.] (AJ 16.8.2022; vgl. HRW 12.1.2023). Zudem setzte Paris im November 2022 die Entwicklungshilfe für Mali bis auf Weiteres aus (MEAE 16.11.2022; vgl. HRW 12.1.2023). Mehrere islamistische und dschihadistische Gruppierungen, die im Land operieren, darunter die Al-Qaida-nahe „Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime“ (Jama'at Nasr al-Islam wal Muslimin -JNIM; Groupe de Soutien à l'Islam et aux Musulmans - GSIM), deren Mutterorganisation „Al-Qaida des Islamischen Maghreb“ (Al-Qaeda in the Lands of the Islamic Maghreb - AQIM; Al-Qaïda au Maghreb islamique - AQMI), oder der „Islamische Staat in der Größeren Sahara“ (Islamic State in the Greater Sahara - ISGS; État islamique dans le Grand Sahara - EIGS), haben auch „Probleme“ mit Frankreich „vor Ort“, so Abu Ubaidah Youssef al-Annabi, der Anführer von AQIM, weshalb sie den französischen Rückzug begrüßen (JF 26.5.2023; vgl. F24 6.3.2023). Die malische Regierung hat nach Auseinandersetzungen mit der ECOWAS im Juni 2022 einen zwei Jahre laufenden Übergangsfahrplan vereinbart, der mehrere Urnengänge sowie ein Verfassungsreferendum beinhaltet (BMZ 25.7.2023; vgl. AP 25.6.2022). Die ECOWAS akzeptierte den Fahrplan und hob die Sanktionen wieder auf (AJ 3.7.2022), sodass im Sommer 2022 einige ausgesetzte Programme der Zusammenarbeit mit Mali wieder aufgenommen wurden (BMZ 25.7.2023). Das Übergangsgesetz erlaubt es Goïta und den Militärs der CNSP aber auch, bei den nächsten Präsidentschaftswahlen zu kandidieren (AP 25.6.2022). Gemäß dem Übergangsfahrplan war die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zunächst für März 2024 geplant (F24 7.6.2022), später bereits für Feber 2024. Die Übergangsregierung hat am 25.9.2023 jedoch bekannt gegeben, dass auch dieser Wahltermin „aus technischen Gründen“ .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 66
leicht verschoben wird. Als technische Gründe nannten die Behörden die Verabschiedung einer neuen Verfassung, eine Überarbeitung der Wählerverzeichnisse sowie einen Streit mit dem französischen Unternehmen Idemia, das an der Wahl beteiligt sein soll. Außerdem wurde erklärt, dass die neuen Termine der Präsidentschaftswahl zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden (AN 25.9.2023; vgl. AJ 25.9.2023, VOA 27.9.2023). Die M5-RFP verurteilte, so wie auch andere Parteien, diese Entscheidung und forderte die Regierung auf, „ihre Verpflichtungen einzuhalten“. Die ECOWAS hat Stand 6.11.2023 noch nicht offiziell auf diese jüngste Ankündigung reagiert (VOA 27.9.2023). Am 23.6.2023 haben die Malier in einem Referendum Verfassungsänderungen gebilligt, die laut der Übergangsregierung sowie regionalen Mächten den Weg für eine zivile Regierung ebnen sollen. Die Wahlbehörde erklärte, dass sich 97 % der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 39,4 % für die Änderungen aussprachen (AJ 23.6.2023; vgl. BBC 23.7.2023). Der Präsident soll fortan „die Politik der Nation bestimmen“, eine Rolle, welche gemäß der alten Verfassung von 1992 der Regierung zukommt. Zudem wird er das Recht innehaben, den Premierminister und die Minister zu ernennen und entlassen. Die Regierung wird ihm gegenüber rechenschaftspflichtig sein, nicht wie bisher dem Parlament. Weitere Bestimmungen sehen eine Amnestie für frühere Putschisten, eine öffentliche Finanzaufsichtsreform oder eine obligatorische Vermögensoffenlegung für Abgeordnete und Senatoren vor (AJ 23.6.2023) - der Senat wird erst durch diese neue Verfassung eingerichtet. Gleichwohl wird Französisch von einer Amts- zu einer Arbeitssprache degradiert (BBC 23.7.2023). Wahlbeobachter berichten von Zwischenfällen während des Referendums (AJ 23.6.2023; vgl. BBC 23.7.2023). Schon im Vorfeld ist davon ausgegangen worden, dass die überwiegende Mehrheit mit Ja stimmen wird, da die Kritiker der Übergangsregierung vor allem in Nord- und Zentral-Mali leben, in denen aus Sicherheitsgründen keine Wahl stattfand. Laut der Wahlbehörde konnte in 1.121 von landesweit 24.416 Wahllokalen die Abstimmung nicht durchgeführt werden (BAMF 30.6.2023). Mehrere der Klauseln der neuen Verfassung sind umstritten: Während die Befürworter sagen, die schwachen politischen Institutionen werden gestärkt, meinen die Gegner, der Präsident bekäme zu viel Macht (AJ 23.6.2023). Ismaël Sacko, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, die im Juni 2023 von der Regierung aufgelöst wurde, bezeichnete das Referendum als einen „Anschlag auf die Demokratie“ (BBC 23.7.2023). Muslimische Religionsführer mobilisierten ebenfalls gegen den Verfassungsentwurf, besonders aufgrund des darin enthaltenden „Prinzip des Säkularismus“ (AN 8.3.2023). Im malischen Norden, welcher von bewaffneten Gruppen kontrolliert wird, fanden nur wenige Wahlen statt (AJ 23.6.2023). Am 17.6.2023 forderte Bamako im UN-Sicherheitsrat, dass die MINUSMA so schnell wie möglich abziehen solle, vermutlich aufgrund ihrer Ermittlungen von Menschenrechtsverletzungen, so die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 66
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), oder aufgrund populistischer Gründe, weil diese Forderung zwei Tage vor dem Verfassungsreferendum publik wurde (KAS 6.2023; vgl. BAMF 3.7.2023). Der Abzug wurde indes am 30.6.2023 einstimmig vom Sicherheitsrat beschlossen (BAMF 3.7.2023). Laut der KAS unterstützten viele Menschen im Norden wie im Zentrum des Landes die MINUSMA, da sie den schwachen oder nicht existierenden Staat in vielen Bereichen ersetzt hatte (KAS 6.2023). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand: April 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2074954/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Mali_ %28Stand_April_2022%29%2C_03.06.2022.pdf, Zugriff 6.11.2023 -AJ - Al Jazeera (25.9.2023): Mali postpones February presidential election due to „technical issues“, https://www.aljazeera.com/news/2023/9/25/mali-postpones-february-presidential- election-due-to-technical-issues, Zugriff 6.11.2023 -AJ - Al Jazeera (23.6.2023): Malians approve amendments to constitution in referendum, https://www.aljazeera.com/news/2023/6/23/mali-approves-constitutional-amendments-in-a- referendum, Zugriff 6.11.2023 -AJ - Al Jazeera (16.8.2022): Last French troops leave Mali, ending nine-year deployment, https://www.aljazeera.com/news/2022/8/16/last-french-troops-leave-mali-ending-nine-year- deployment, Zugriff 6.11.2023 -AJ - Al Jazeera (3.7.2022): West African leaders lift economic sanctions on Mali, https://www.aljazeera.com/news/2022/7/3/west-african-leaders-lift-economic-sanctions-on-mali, Zugriff 6.11.2023 -AJ - Al Jazeera (9.1.2022): West Africa bloc ECOWAS hits Mali with sanctions after poll delay, https://www.aljazeera.com/news/2022/1/9/west-africa-bloc-ecowas-hits-mali-with-sanctions-after- poll-delay, Zugriff 6.11.2023 -AN - Africa News (25.9.2023): Mali: junta announces postponement of presidential election, https://www.africanews.com/2023/09/25/mali-junta-announces-postponement-of-presidential- election/, Zugriff 6.11.2023 -AN - Africa News (8.3.2023): Mali: muslim leaders call for vote against draft constitution over „principle of secularism“, https://www.africanews.com/2023/03/08/mali-muslim-leaders-call-for- vote-against-draft-constitution-over-principle-of-secularism/, Zugriff 6.11.2023 -AP - Associated Press (25.6.2022): Leader of Mali’s junta signs election law letting him run, https://apnews.com/article/africa-elections-presidential-mali-west- 3bb6b8df5ccf273e50f7d2098d3e539c, Zugriff 6.11.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.7.2023): Briefing Notes. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/briefingnotes-kw31-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff 6.11.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.7.2023): Briefing Notes. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/briefingnotes-kw27-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=9, Zugriff 6.11.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.6.2023): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration: Mali Januar - Juni 2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2023-mali.pdf? __blob=publicationFile&v=4, Zugriff 6.11.2023 -BBC- British Broadcasting Coperation (23.7.2023): Assimi Goïta: President gets sweeping powers in new Mali constitution, https://www.bbc.com/news/world-africa-66282417? at_medium=RSS&at_campaign=KARANGA, Zugriff 6.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 66
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3. Sicherheitslage Die Sicherheitslage ist im Land nicht nur volatil (AA 3.6.2022), sondern verschlechtert sich weiter (BMZ 25.7.2022; vgl. BAMF 30.6.2023, FH 2023), vor allem im Norden und im Zentrum, aber auch im Süden (AA 3.6.2022). Es gilt weiterhin ein landesweiter Ausnahmezustand, und terroristische Anschläge sind überall möglich (BMZ 25.7.2023; vgl. C24 11.9.2023). In Nord- sowie Zentral-Mali stehen sie nach wie vor an der Tagesordnung, während sich gelegentlich öffentlichkeitswirksame Anschläge gegen Bamako richten (C24 11.9.2023). Besonders im Norden und im Zentrum kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen (BMZ 25.7.2023). Die Regierung nimmt zwar für sich in Anspruch, dschihadistische Kräfte in die Defensive gezwungen zu haben, der UN- Sicherheitsrat spricht jedoch von einer zunehmenden Verschlechterung der Sicherheitslage, in der Sahelzone im Allgemeinen wie in Mali im Speziellen (BAMF 30.6.2023). Im Norden steht das Land zudem am Rand eines Bürgerkriegs (ACSS 10.7.2023), und in den Regionen Gao, Kidal, Ménaka sowie Taoudénit, ist die staatliche Ordnung weiterhin nicht vollständig wiederhergestellt. Auch in Zentral-Mali, in Mopti, Timbuktu, sowie in Teilen von Koulikoro und Ségou, ist sie partiell zusammengebrochen (AA 3.6.2022; vgl. BS 23.2.2022). Eine Vielzahl bewaffneter Gruppen operiert in diesen Gebieten und verübt häufig Anschläge, wobei die Gewalt allmählich auch auf den Süden übergreift (C24 11.9.2023). Auch entlang der Grenze zu Burkina Faso, der Côte d’Ivoire und Mauretanien sind Terrorgruppierungen aktiv (BMZ 25.7.2023); ähnlich verhält es sich an der malisch-nigrischen Grenze (AA 3.6.2022). Die Gruppen stehen alle auch miteinander im Konflikt (BMZ 25.7.2023). Darüber hinaus kommt es in Mali zu intra- sowie interkommunitäre Auseinandersetzungen (AA 3.6.2022). Die Bedrohung durch Kriminalität ist im Land allgegenwärtig (C24 27.4.2022). Die andauernde Instabilität trägt zudem dazu bei, dass sich die Organisierte Kriminalität samt damit einhergehender Gewalt und Entführungen weiter ausbreitet (FH 2023; vgl. AA 3.6.2022). Proteste aufgrund sozioökonomischer und politischer Themen sind an der Tagesordnung und können in Gewalt ausarten (C24 27.4.2022). Die instabile Sicherheitslage begrenzt den tatsächlichen Wirkungsbereich der Behörden im Norden und im Zentrum des Landes (FH 2023). Die Ausübung der Staatsgewalt sowie Durchsetzung der staatlichen Ordnung, einschließlich rudimentärer sozialer Staatsfunktionen außerhalb von Städten und größeren Gemeinden, werden durch mehrere Faktoren, u. a. durch die Aktivitäten bewaffneter Akteure, erschwert oder verhindert (AA 3.6.2022). Ungefähr zwei Drittel des Staatsgebiets werden nicht vom malischen Staat kontrolliert, der dort weder die Integrität des Territoriums gewährleisten noch das Gewaltmonopol halten kann (BS 23.2.2022). Bewaffnete Gruppen kontrollieren de facto weite Teile des Nordens (ACSS 10.7.2023), und in von islamistischen Gruppierungen gehaltenen Gebieten werden regelmäßig brutale Strafen verhängt, einschließlich Hinrichtungen, Amputationen und Steinigungen (FH 2023; vgl. LM 5.5.2021). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 66
Ausländische Streitkräfte haben stets eine wesentliche Rolle beim Kampf der jeweiligen Regierung gegen gewaltbereite extremistische Organisationen gespielt. Nach neun Jahren militärischer Hilfe kündigte Paris im Feber 2022 an, seine Truppen abzuziehen; der letzte französische Soldat verließ das Land im August 2022 (FH 2023). Am 30.6.2023 beschloss der UN-Sicherheitsrat des Weiteren den Abzug der MINUSMA, der am 1.7.2023 begonnen hat, derzeit läuft und schon am 31.12.2023 abgeschlossen sein sollte (BAMF 3.7.2023; vgl. SCR 19.10.2023). Obwohl nie offiziell eingeräumt hat die Übergangsregierung im Dezember 2021 ein Abkommen mit Moskau verhandelt, das neben einer 10,9 Millionen USD pro Monat schweren Konzession für Goldminen in Mali die Entsendung von rund tausend Kämpfer der Gruppe Wagner vorsieht (ACSS 10.7.2023). Diese tausend Mann oder mehr sollen sich noch immer im Land befinden. Durch den Abzug der MINUSMA wird Mali außerdem stärker auf die Wagner-Gruppe angewiesen sein (BBC 30.6.2023). Die Sicherheitslage hat sich seit deren Entsendung nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums ausschließlich verschlechtert (ACSS 10.7.2023). Die gegen Zivilpersonen gerichtete Gewalt hat in Mali im Jahr 2023 bisher um 38 % zugenommen. Hauptverantwortlich für den Anstieg sind die JNIM (180 Ereignisse; d. h. 33 %), die malische Armee bzw. die Gruppe Wagner (160; 29 %), und der ISGS (90; 15 %). Die Kämpfe sowie Angriffe haben sich angesichts gemeinsamer Militäroperationen der malischen Streitkräfte mit der Wagner- Gruppe und des Wiederaufflammens der Feindseligkeiten im Norden auf weitere Orte ausgeweitet (ACLED 21.9.2023). Laut der US-Regierung sind viele der zivilen Todesfälle - seit Ankunft der Söldner Ende 2021 ist die Anzahl um 278 % gestiegen - das Ergebnis dieser gemeinsamen Operationen (BAMF 31.7.2023), da sowohl das malische Heer als auch die Gruppe Wagner laut Experten organisierte Menschenrechtsverletzungen begehen, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Deswegen ziele ihre Gewalt gerade gegen Frauen und Mädchen (BAMF 4.9.2023). Andererseits kann das Aufflackern extremistischer Gewalt u.a. durch den Rückzug einiger bewaffneter Gruppen aus dem Abkommen von Algier, das im Dezember 2022 geschah, erklärt werden (FH 2023; vgl. ICG 13.10.2023). Auch die JNIM hat eine Neuoffensive gestartet, in deren Rahmen sie militärische Stellungen großflächig angreift und Städte sowie wichtige Verkehrswege blockiert. Insgesamt hat die politische Gewalt in Mali, genauso wie in Burkina Faso und Niger, im Vergleich zum Vorjahr um 5 % und zu 2012 um 46 % zugenommen (ACLED 21.9.2023). Diese Verschlechterung der Sicherheitslage verläuft in den nördlichen, zentralen sowie südlichen Regionen unterschiedlich (ACSS 10.7.2023). Nord-Mali (Gao, Kidal, Ménaka, Timbuktu und Taoudénit): .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 66
[Es gibt keine einheitliche Aufteilung des Landes in Nord-, Zentral- bzw. Süd-Mali. Je nach Quelle werden bestimmte Regionen zu dem einen oder anderen Teil gezählt - insbesondere bei Koulikoro und Timbuktu scheiden sich die Geister. Die Gliederung dieses Kapitels übernimmt die Auffassung des Africa Center for Strategic Studies - ACSS 10.7.2023, Anm.] Der Schritt der Übergangsregierung, einen Abzug der MINUSMA-Truppen zu erwirken, hat Mali an den Rand eines neuen Bürgerkriegs im Norden gebracht, da die UN-Mission das Abkommen von Algier zwischen der Regierung und den Separatisten im Norden garantierte (ACSS 10.7.2023). Ein Abzug wurde z. B. von führenden Vertretern der nördlichen Gemeinschaften als „Todesstoß“ für das Friedensabkommen bezeichnet (AJ 22.6.2023; vgl. ACSS 10.7.2023). Es wird eine Wiederholung der Ereignisse von 2012 befürchtet, als Dschihadisten einige Städte im Norden unter ihre Kontrolle brachten (BAMF 4.9.2023). Derzeit nehmen Angriffe von bewaffneten Islamlistengruppierungen sowie Tuareg-Rebellen weiter zu (BAMF 16.10.2023), welche bereits bedeutende Gebiete faktisch kontrollieren (ACSS 10.7.2023). Die malische Armee hat dem bisher wenig entgegenzusetzen (BAMF 16.10.2023) und führt nur vereinzelt Luftschläge oder Aufklärungsmissionen durch (ACSS 10.7.2023) - die Luftwaffe soll z. B. am 28. bzw. 29.8.2023 Positionen von Rebellen in Anéfis (Kidal) bombardiert haben (BAMF 4.9.2023). Nord-Mali hat sich in der Folge zu einem Schlachtfeld zwischen rivalisierenden Islamistengruppen entwickelt, die sich um Gebiete streiten, die zuvor von UN-Friedenstruppen gehalten wurden. Vor allem der 2021 von der französischen Armee und der MINUSMA stark geschwächte ISGS konnte wiedererstarken (ACSS 10.7.2023; vgl. BAMF 4.9.2023) - in weniger als einem Jahr hat er die von ihm kontrollierten Gebiete nahezu verdoppelt, insbesondere im Osten von Ménaka und im Norden von Gao. Gleichzeitig profitiert auch die JNIM von der Schwäche der anderen Akteure, weil sie sich als Beschützer der Zivilbevölkerung positionieren kann (BAMF 4.9.2023). Diese Islamistengruppen bekämpfen sich aber auch untereinander, wie beispielsweise ISGS und JNIM in Gao wie Timbuktu (ACSS 10.7.2023). Wie in den UN-Vorschriften vorgesehen leitete die MINUSMA im Juli 2023 den Übergabeprozess ihrer zwölf Militärbasen an den malischen Staat ein (ICG 13.10.2023), der auch plant, diese Basen zu übernehmen (BAMF 16.10.2023). Zwischen ihm und dem „Ständigen Strategischen Rahmen“ (Cadre Stratégique Permanent - CSP) herrschen in dieser Frage aber Meinungsverschiedenheiten - der CSP umfasst die separatistische „Koordination der Azawad-Bewegungen“ (Coordination des mouvements de l'Azawad - CMA) und einen Teil der bewaffneten Gruppen von der ursprünglich regierungsnahen „Plattform“ (Plateforme), die allesamt das Abkommen von Algier unterzeichneten. Einige der UN-Stützpunkte, insbesondere die in Ber (Timbuktu), Adjelhoc, Tessalit und Kidal (alle in .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 66