myan-lib-2022-08-26-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
einer Rekordzahl von schweren Opfern, die sie in intensiven Kämpfen im ganzen Land zu beklagen hatte allerdings bereits im Januar 2022 mit der Zwangsrekrutierung an Orten begonnen, die durch die Anwesenheit der von der Junta-Armee gesponserten Miliztruppe Pyo Saw Htee geprägt zu sein scheinen. Die Junta-Armee soll in Begleitung von Dorfverwaltern und ihrer Milizgruppe im Bezirk Thayet in Magway männliche Dorfbewohner im Alter zwischen 20 und 30 Jahren gewaltsam zum Militärdienst einberufen haben (The Chindwin 20.1.2022). 2022 gab es in Myanmar auch eine große Anzahl bewaffneter Milizen, die viele verschiedene Formen annahmen und sich in Bezug auf ihre Zugehörigkeit und Größe unterschieden, die meisten waren pro-militärisch und mit der Tatmadaw verbunden. Einige waren als Grenzschutztruppen (BGF) in die Kommandostruktur der Tatmadaw integriert. Andere regierungsnahe Milizen waren nicht in die Kommandostruktur der Tatmadaw integriert, erhielten aber Anweisungen vom Militär und wurden als Regierungsmilizen anerkannt. Der Umfang der Unterstützung, die sie von der Tatmadaw erhielten, variierte je nach den örtlichen Sicherheitsbedingungen. Die dritte Art regierungsnaher Milizen waren kleine Einheiten auf Gemeindeebene, die von den örtlichen Tatmadaw-Kräften bewaffnet, koordiniert und ausgebildet und bei Bedarf aktiviert wurden. Im Jahr 2022 stellte die Militärjunta-Regierung Berichten zufolge neue Milizeinheiten auf, um den Volksaufstand zu bekämpfen (CIA 16.8.2022). Das Militär und einige EAOs (Kachin Independence Army, AA, Ta'ang National Liberation Army, Karen National Liberation Army, Shan State Army und Arakan Rohingya Salvation Army) wurden im Jahresbericht 2021 des UN-Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte als Täter aufgeführt, die unrechtmäßig Kinder rekrutieren und einsetzen. Der Nationale Beschwerdemechanismus, der unter anderem den Einsatz und die Rekrutierung von Kindersoldaten verbietet, wurde nach dem Militärputsch nur in begrenztem Umfang in Anspruch genommen (USDOS 12.4.2022). Internationale Beobachter berichteten im Jahr 2021, dass das Militär weiterhin Kinder in unterstützenden Funktionen einsetzt; die formelle Rekrutierung und der Einsatz von Kindern für Kampfeinsätze ist nach wie vor gering. Die meisten Kinder, die zum Militärdienst eingezogen werden, werden zunächst unter der Schirmherrschaft von zivilen Vermittlern oder auf Betreiben ihrer eigenen Familien einberufen (USDOS 29.7.2022). Quellen: -CIA – Central Intelligence Agency [USA] (16.8.2022): The World Factbook - Myanmar, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bm.html, Zugriff 22.8.2022 -Eleven Myanmar (4.2.2022): Every citizen has a responsibility to participate in the military service says chair of State administration Council, https://elevenmyanmar.com/news/every-citizen-has-a- responsibility-to-participate-in-the-military-service-says-chair-of-state, Zugriff 22.8.2022 -The Chindwin (20.1.2022): Myanmar’s military junta starts forced conscription in Magway region: Source, https://www.thechindwin.com/myanmars-military-junta-starts-forced-conscription-in- magway-region-source/, Zugriff 22.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 55

-USDOS – US Department of State [USA] (29.7.2022): 2022 Trafficking in Persons Report: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2077649.html, Zugriff 22.8.2022 -USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html , Zugriff 22.8.2022 11. Allgemeine Menschenrechtslage Myanmar ist Vertragspartei mehrerer Menschenrechtsverträge und ist an die Grundsätze des internationalen Menschenrechtsgewohnheitsrecht gebunden, das willkürlichen Lebensentzug, Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie willkürlichen Freiheitsentzug verbietet, sowie an Aspekte des Rechts auf ein faires Verfahren (OHCHR 15.3.2022). Die bürgerlichen Rechte sind kodifiziert, aber selbst die grundlegendsten Rechte werden in der Praxis verletzt (BS 23.2.2022). Im Zusammenhang mit friedlichen Anti-Putsch-Protesten und militärischen „Säuberungsaktionen“ lassen die von der Tatmadaw angewandten Taktiken, einschließlich gezielter Kopfschüsse und Brandschatzungen, darauf schließen, dass es sich bei diesem Verhalten nicht um ein Fehlverhalten einiger weniger handelt, sondern vielmehr um das Ergebnis von Anweisungen, die über die Kommandostruktur weitergegeben wurden (OHCHR 15.3.2022). Laut OHCHR gibt es hinreichende Gründe für die Annahme, dass die Handlungen der Tatmadaw im Rahmen eines weit verbreiteten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in offensichtlicher Verfolgung einer Organisationspolitik durchgeführt wurden. Seit dem 1. Februar 2021 können Handlungen begangen worden sein, die den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen (OHCHR 15.3.2022), insbesondere: Mord, gewaltsame Verbringung, Inhaftierung oder andere schwere Formen des Entzugs der körperlichen Freiheit unter Verletzung grundlegender Regeln des Völkerrechts, Folter, Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder eines identifizierbaren Kollektivs aus politischen Gründen, erzwungenes Verschwindenlassen und andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, die vorsätzlich großes Leid verursachen, sowie schwere Verletzungen der geistigen oder körperlichen Gesundheit (OHCHR 15.3.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Seit dem Putsch gibt es keine Informationen über Ermittlungen oder strafrechtliche Verfolgung von Soldaten in Myanmar wegen begangener Menschenrechtsverstöße. Dadurch wird die völlige Straffreiheit, die die Tatmadaw-Kräfte in den vergangenen Jahrzehnten genossen haben, weiter verfestigt (OHCHR 15.3.2022; AI 29.3.2022). Der bewaffnete Konflikt zwischen dem Militär und der muslimischen Minderheit der Rohingya hat mehrere Hunderttausend zur Flucht nach Bangladesch und anderen Orten gezwungen. Rohingya- Frauen und - Mädchen sind in den letzten Jahrzehnten Opfer schwerster Gewalt durch die Sicherheitskräfte in Myanmar geworden. Verhaftungen, Folter, Vergewaltigungen, weit verbreitete Tötungen, Zwangsarbeit und andere schwerwiegende Misshandlungen führen zu Wellen von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 55

Massenvertreibungen (Diplomatist 26.6.2021; vgl. VoIA 11.8.2022). Die UN-Untersuchungsmission stellte fest, dass das Vorgehen des Militärs in den Staaten Shan und Kachin seit 2011 Völkermord und Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt (Diplomatist 26.6.2021). Quellen: -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 16.8.2022 -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 16.8.2022 -Diplomatist (26.6.2021): Rohingyas: A Security Threat or A Matter of Human Rights violation?, https://diplomatist.com/2021/06/26/rohingyas-a-security-threat-or-a-matter-of-human-rights- violation/, Zugriff 16.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 16.8.2022 -OHCHR – Office of the High Commissioner for Human Rights (15.3.2022): Situation of human rights in Myanmar since 1 February 2021 - Report of the UN High Commissioner for Human Rights (A/HRC/49/72) (Advance Unedited Version), https://reliefweb.int/report/myanmar/situation- human-rights-myanmar-1-february-2021-report-un-high-commissioner-human, Zugriff 16.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 16.8.2022 -VoIA – Voice of International Affairs (11.8.2022): The Human Rights Situation of the Rohingya and the International Community, https://internationalaffairsbd.com/the-human-rights-situation-of-the- rohingya-and-the-international-community/, Zugriff 16.8.2022 12. Meinungs- und Pressefreiheit Die Verfassung von 2008 sieht vor, dass jeder Bürger seine Überzeugungen und Meinungen frei äußern und veröffentlichen kann. Sie enthält jedoch den weit gefassten und zweideutigen Vorbehalt, dass die Ausübung dieser Rechte nicht gegen die Gesetze verstoßen darf, die zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit, der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, des Friedens und der Ruhe in der Gemeinschaft oder der öffentlichen Ordnung und Moral erlassen wurden (USDOS 12.4.2022; vgl. BS 23.2.2022). Darüber hinaus sieht die Verfassung weder Schutzmaßnahmen für die Medienfreiheit vor, noch garantiert sie das Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen (BS 23.2.2022). Nach dem Militärputsch hat das Regime das Recht auf freie Meinungsäußerung rigoros unterdrückt. Wer sich offen gegen das Regime oder für die NLD, die NUG oder die Demokratie im Allgemeinen ausspricht, riskiert Missbrauch und Bestrafung durch die Behörden (USDOS 12.4.2022). In diesem Kontext wurden neue Bestimmungen in die Strafprozessordnung aufgenommen, die Durchsuchungen, Beschlagnahmungen, Verhaftungen, Überwachungen und das Abhören der Kommunikation ohne Haftbefehl ermöglichen (AI 29.3.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 55

Private Diskussionen und persönliche Meinungsäußerungen - die bereits durch staatliche Überwachung und Gesetze zur Unterbindung von Online-Diskussionen eingeschränkt waren - wurden nach dem Putsch von 2021 noch schwieriger. Nach der Machtübernahme erließ das Regime weitreichende Änderungen am bestehenden Gesetzbuch und hob mehrere wichtige Menschenrechtsschutzbestimmungen auf, darunter jene gegen willkürliche Überwachung (FH 28.2.2022). Die Militärbehörden verhängten in regelmäßigen Abständen landesweite Internet- und Telekommunikationsabschaltungen und verletzten damit das Recht auf freie Meinungsäußerung. Während der Proteste im Februar waren die sozialen Medien für Demonstranten und führende Aktivisten ein wichtiges Instrument, um die Unterstützung der Demokratiebewegung zu organisieren und zu fördern. In jenem Monat zensierte das Regime soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, die von pro demokratischen Gruppen und Demonstranten genutzt wurden, um sich dem Regime zu widersetzen. Hunderte von Menschen wurden auf der Grundlage des überarbeiteten Strafgesetzbuchs verhaftet und strafrechtlich verfolgt, in der Regel aufgrund von Online-Kommentaren; Hunderte von anderen wurden gezwungen, unterzutauchen oder ins Exil zu gehen, um einer Verhaftung zu entgehen (FH 28.2.2022). Berichten zufolge setzte das Regime Gewalt und gezielte Tötungen ein, um Kritiker in der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen. Gewalt gegen Personen, die sich regimekritisch äußerten, wurde angeblich sowohl von ultranationalistischen buddhistischen Gruppen, die dem Regime nahestehen, als auch von den Sicherheitskräften angewandt und umfasste Verstümmelungen, Entführungen und Folter. Das Regime schüchterte viele prodemokratische Stimmen in der Öffentlichkeit ein, die zuvor offen über politisch sensible Themen gesprochen hatten (USDOS 12.4.2022). Vor dem Putsch waren unabhängige Medien aktiv und konnten trotz zahlreicher offizieller und inoffizieller Beschränkungen, wirtschaftlicher Schwierigkeiten und eines unsicheren Geschäftsumfelds arbeiten. Nach dem Putsch berichteten Analysten über die Schließung von 71 Medien, von bekannten nationalen, regionalen und ethnischen Medien bis hin zu kleinen Facebook-Seiten. Im Februar 2021 änderte das Militär Teile des Strafgesetzbuchs und des Gesetzes über elektronische Transaktionen, um Bestimmungen zur Kriminalisierung regimefeindlicher Äußerungen aufzunehmen (USDOS 12.4.2022; vgl. RSF 3.5.2022). Das harte Vorgehen des Regimes gegen die Medien führte zur Verhaftung, Inhaftierung, zum Verlust des Arbeitsplatzes und zum erzwungenen Exil von mehr als 1.000 Journalisten, Redakteuren und Medienmitarbeitern - etwa 50 % der Gesamtzahl vor Machtübernahme durch das Militär (USDOS 12.4.2022). Im März 2021 wurden die Lizenzen für mehrere unabhängige Medienorganisationen entzogen. Eine Reihe unabhängiger Medien, die im Verborgenen oder im Exil arbeiten, berichteten jedoch weiterhin über das Geschehen (FH 28.2.2022). Das Regime setzte Journalisten und andere Medienschaffende wegen ihrer Berichterstattung Gewalt, Schikanen, Inhaftierung und Einschüchterung aus. Nach Angaben von AAPP wurden seit Februar 2021 mindestens 95 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 29 von 55

Journalisten zu Unrecht verhaftet, und mehr als die Hälfte von ihnen befand sich im November 2021 noch immer in Haft (USDOS 12.4.2022). Zu einer Änderung des Strafgesetzbuches durch die Militärregierung gehörte die Hinzufügung von Abschnitt 505(a), der Kommentare unter Strafe stellt, die „Angst verursachen“ und „falsche Nachrichten“ verbreiten (HRW 13.1.2022; vgl AI 29.3.2022), sowie die Kriminalisierung von Personen, die „direkt oder indirekt eine Straftat gegen einen Regierungsangestellten begehen oder dazu aufhetzen“. Bis zum 31. Dezember waren 189 Personen nach Abschnitt 505(a) verurteilt worden. Nach Angaben von AAPP warteten mindestens 1.143 weitere inhaftierte Personen auf ihre Verurteilung, und gegen 1.545 weitere Personen waren Haftbefehle erlassen worden, unter anderem nach Paragraf 505(a), der eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (AI 29.3.2022). Angesichts des Risikos, inhaftiert, gefoltert oder ermordet zu werden, ist der Beruf des Journalisten in Myanmar, das nach China das Land mit den meisten Inhaftierungen von Journalisten ist, extrem gefährlich. Im Dezember 2021 und Januar 2022 wurden drei Journalisten von der Junta getötet. Zwei von ihnen starben an den Folgen missbräuchlicher Behandlung während der Gefangenschaft (RSF 3.5.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 16.8.2022 -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 16.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 16.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 16.8.2022 -RSF – Reporters Sans Frontières (3.5.2022): Myanmar, https://rsf.org/en/country/myanmar, Zugriff 16.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 16.8.2022 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung von 2008 erlaubt die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, allerdings nur, solange die Ausübung dieser Freiheiten nicht gegen bestehende Sicherheitsgesetze verstößt. Von 2011 bis 2020 machten die Behörden immer noch von dem aus der Kolonialzeit stammenden Gesetz über rechtswidrige Vereinigungen von 1908 Gebrauch, um politische Aktivisten einzuschüchtern und zu verhaften (BS 23.2.2022). Die Versammlungsfreiheit wurde in den letzten Jahren zunehmend eingeschränkt. Seit 2017 gilt ein generelles Verbot von Protesten in 11 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 30 von 55

Stadtbezirken im Zentrum von Yangon, und im Jahr 2020 hat eine ausgedehnte Internetsperre in Teilen der Bundesstaaten Rakhine und Chin die Möglichkeiten von Aktivisten, Proteste zu organisieren, stark eingeschränkt. Ungenehmigte Demonstrationen werden nach dem Gesetz über friedliche Versammlungen und friedliche Umzüge mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft; eine Reihe anderer, vage definierter Verstöße können mit geringeren Strafen geahndet werden (FH 28.2.2022). Das Regime schränkte die Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit seit Februar 2021 weiter ein. In den ersten Tagen nach dem Militärputsch gingen Hunderttausende von Menschen friedlich auf die Straße, um gegen die Machtübernahme durch das Militär zu protestieren und die Freilassung von Aung San Suu Kyi zu fordern. Am 8. Februar 2021 ordnete das Regime Ausgangssperren und Beschränkungen für die Größe von Versammlungen an, wodurch friedliche öffentliche Demonstrationen im ganzen Land verboten wurden (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022) und mit tödlicher und willkürlicher Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgegangen wurde (FH 28.2.2022; vgl. HRW 14.3.2022). Berichten in den lokalen Medien zufolge fanden im November 2021 trotz gewaltsamer Einschüchterung und Unterdrückung durch die Sicherheitskräfte weiterhin kleinere Proteste für die Demokratie im ganzen Land statt. Das Gesetz über die Registrierung von Organisationen sieht eine freiwillige Registrierung für lokale NGOs vor und hebt die Strafen für die Nichteinhaltung sowohl für lokale als auch für internationale NGOs auf. Vor dem Militärputsch legte die Regierung das Gesetz so aus, dass sich NGOs, die aus dem Ausland finanziert wurden, bei der Regierung registrieren lassen mussten (USDOS 12.4.2022). Es wurden weitreichende Internetbeschränkungen verhängt, um die Organisation von Protesten zu verhindern (FH 28.2.2022). Die Opposition in Myanmar ist vielfältig: Sie besteht aus einem Ausschuss, der die bei den Parlamentswahlen 2020 gewählten Abgeordneten vertritt, einer auf der Grundlage der Wahlergebnisse gebildeten Regierung, Bündnissen zahlreicher zivilgesellschaftlicher Gruppen und Basisorganisationen, Partnerschaften mit ethnischen politischen Parteien und mehreren bewaffneten ethnischen Gruppen, die Gebiete in Myanmar kontrollieren, in denen Oppositionsmitglieder Schutz vor Verfolgung gefunden haben (The Diplomat 7.6.2022). Myanmars Militärmachthaber Min Aung Hlaing lehnt jede Gespräche mit der Opposition kategorisch ab bis hin zur Drohung oppositionelle Gruppen und ihre Anhänger bis zum Ende vernichten zu wollen (Zeit Online 27.3.2022). Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 12.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 12.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 31 von 55

-HRW – Human Rights Wach (14.3.2022): A Year On, No Justice for Myanmar Massacre. Military Crackdown in Hlaing Tharyar Continues, https://www.hrw.org/news/2022/03/14/year-no-justice- myanmar-massacre, Zugriff 12.8.2022 -The Diplomat (7.6.2022): Fighting the Fear: The Execution of Members of Myanmar’s Opposition Must be Stopped, https://thediplomat.com/2022/06/fighting-the-fear-the-execution-of-members-of- myanmars-opposition-must-be-stopped/, Zugriff 12.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 12.8.2022 -Zeit Online (27.3.2022): Myanmars Junta droht Opposition mit „Vernichtung“, https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/myanmar-opposition-demonstrationen-vernichtung, Zugriff 12.8.2022 14. Haftbedingungen Im Jahr 2020 gab es 48 bekannte Gefängnisse und 50 bekannte Arbeitslager. Mehr als 20.000 Häftlinge verbüßten im Jahr 2020 gerichtlich angeordnete Strafen in Arbeitslagern im ganzen Land; für das Berichtsjahr waren keine Daten verfügbar. Die Associated Press berichtete am 28. Oktober 2021, dass das Militär nach dem Putsch landesweit Dutzende von öffentlichen Einrichtungen (z. B. Gemeindehäuser) in Verhörzentren umgewandelt hat (USDOS 12.3.2022). Eine große Zahl politischer Gefangener ist seit dem Putsch im Februar 2021 in mehreren berüchtigten Haftanstalten des Landes inhaftiert. Die Assistance Association for Political Prisoners (AAPP) schätzt, dass fast 11.700 Menschen wegen ihres Widerstands gegen den Militärputsch inhaftiert wurden. Von der Gesamtzahl der Inhaftierten wurden mindestens 1.212 zu Haftstrafen verurteilt (PD 20.7.2022). Viele politische Gefangene wurden in Isolationshaft gehalten. Willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen wurden laut AAPP drastisch ausgeweitet, um politisch Andersdenkende zu unterdrücken, und die Inhaftierten hatten nur begrenzte Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor einem Gericht anzufechten, da die Justiz nicht unabhängig vom Regime ist (USDOS 12.4.2022). In mehreren Berichten wird von schlechten Bedingungen in den Gefängnissen berichtet, darunter unzureichende Abwassersysteme, unzureichende - und oft ungenießbare - Verpflegung und ein Mangel an lebensnotwendigen Gütern. Die Überbelegung war Berichten zufolge in vielen Gefängnissen und Arbeitslagern ein ernstes Problem. Die medizinische Versorgung war unzureichend, was Berichten zufolge zu Todesfällen in der Haft beitrug. In den Gefängnissen wurden keine Maßnahmen zum Schutz der Gefangenen vor COVID-19 ergriffen, und es gab zahlreiche Berichte über die Übertragung von COVID-19, Krankheiten und Todesfälle unter den Gefangenen. Es gab auch zahlreiche Berichte über politische Gefangene, denen die medizinische Versorgung verweigert wurde (USDOS 12.3.2022). Angehörige, die inhaftierte Familienmitglieder besuchen konnten, berichteten von körperlichen Verletzungen und anderen Anzeichen von Folter oder Misshandlung. Die Vereinten Nationen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 55

dokumentierten auch die weit verbreitete Anwendung von Folter durch Sicherheitskräfte gegen Inhaftierte, die in einigen Fällen zum Tod führte (AI 29.3.2022). Viele Personen, die wegen ihrer Teilnahme an pro-demokratischen Demonstrationen inhaftiert waren, gaben nach ihrer Freilassung an, dass sie und andere in Haft befindliche Personen vom Sicherheitspersonal gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Zu den Foltermethoden gehörten Schläge, Scheinhinrichtungen mit Gewehren, Verbrennungen mit Zigaretten sowie Vergewaltigung und angedrohte Vergewaltigung (HRW 13.1.2022). Nach dem Staatsstreich nahmen auch sexuelle Gewalt, geschlechtsspezifische Belästigungen und Demütigungen durch Beamte zu (USDOS 12.3.2022). Einige inhaftierte Frauen und LGBTI- Personen waren während der Verhöre und der Haft sexueller Gewalt, Belästigung und Demütigung ausgesetzt, einschließlich invasiver Körperdurchsuchungen als Foltermethode (AI 2.8.2022). Allein im Juni 2022 gab es landesweit mindestens sechs Gefängnisproteste, während es 2021 mindestens 22 gegeben hat. Sechs davon fanden im Insein-Gefängnis in Yangon statt, und auch in den Gefängnissen von Obo, Pathein, Hpa-an, Monywa und Dawei haben politische Gefangene protestiert. Mindestens neun Insassen wurden bei der Niederschlagung der Gefängnisproteste getötet, während Hunderte von Häftlingen wegen ihrer Teilnahme an den Protesten verprügelt wurden. Einem Bericht der AAPP zufolge bedrohen Überbelegung, Nahrungsmangel sowie psychische und physische Folter das Leben der Gefangenen (Irrawady 8.7.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 12.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 12.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 12.8.2022 -Irrawady (8.7.2022): Revolutionary Spirit Still Strong in Myanmar’s Deadly Prisons, https://www.irrawaddy.com/news/burma/revolutionary-spirit-still-strong-in-myanmars-deadly- prisons.html, Zugriff 12.8.2022 -PD – Peoples Dispatch (20.7.2022): Workers and political prisoners not safe in Myanmar, say union representatives, https://peoplesdispatch.org/2022/07/20/workers-and-political-prisoners- not-safe-in-myanmar-say-union-representatives/, Zugriff 12.08.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 12.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 55

15. Todesstrafe Die Militärjunta von Myanmar hat am 25. Juli 2022 die Hinrichtung von vier Männern bekannt gegeben. Es handelt sich um die ersten Hinrichtungen in Myanmar seit 1988 (AI 25.7.2022; vgl. HRW 25.7.2022). Seit Februar 2021 ist in Myanmar eine alarmierende Zunahme der Todesstrafe zu verzeichnen, die das Militär als Mittel für die andauernde und weit verbreitete Verfolgung, Einschüchterung, Schikanierung und Gewalt gegen die Bevölkerung, einschließlich Demonstranten und Journalisten, einsetzt. Amnesty International hat Medienberichte und andere Informationen über mindestens 114 Todesurteile gesammelt, die seit Februar 2021 verhängt wurden. Alle diese Todesurteile wurden von Militärgerichten oder, in einem Fall, von einem Jugendgericht auf Überweisung eines Militärgerichts verhängt (AI 2.8.2022) Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI - Amnesty International (25.7.2022): Myanmar: First executions in decades mark atrocious escalation in state repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2075959.html, Zugriff 5.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (25.7.2022): Myanmar Junta Executes Four, https://www.ecoi.net/de/dokument/2075961.html, Zugriff 5.8.2022 16. Religionsfreiheit Die Verfassung sieht Religionsfreiheit vor (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 2.6.2022), vorbehaltlich der Wahrung der öffentlichen Ordnung, Moral oder Gesundheit oder sonstiger Verfassungsbestimmungen (USDOS 2.6.2022). Sie weist den Buddhismus als Mehrheitsreligion aus, erkennt aber auch das Christentum, den Islam, den Hinduismus und den Animismus an (FH 28.2.2022). Nach den letzten verfügbaren Schätzungen sind etwa 88 % der Bevölkerung in Myanmar Theravada-Buddhisten. Etwa 6 % sind Christen, vor allem Baptisten, römische Katholiken und Anglikaner sowie mehrere kleine protestantische Konfessionen. Die Muslime (meist Sunniten) machen etwa 4 % der Bevölkerung aus. Es gibt kleine Gemeinschaften von Hindus und Anhängern des Judentums, traditioneller chinesischer Religionen und animistischer Religionen. Das U.S. Department of State berichtet von Bedenken der U.S. Regierung hinsichtlich der Religionsfreiheit, einschließlich der Notlage der mehrheitlich muslimischen Rohingya im Rakhine- Staat und der Schwierigkeiten, denen sich christliche religiöse Minderheiten in den Kachin-, nördlichen Shan- und Chin-Staaten angesichts der anhaltenden Gewalt gegenübersehen (USDOS 2.6.2022). Antimuslimische Hassreden und Diskriminierung wurden durch soziale Medien, einige staatliche Institutionen und Mainstream-Nachrichten-Websites verstärkt (FH 28.2.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 55

Im Dezember 2021 stellte das OHCHR fest, dass die Sicherheitskräfte des Regimes seit dem Militärputsch eine alarmierende Eskalation schwerer Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 2.6.2022). Einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen des Landes, die in der Regel von den Streitkräften des Bundes begangen werden, richten sich gegen ethnische und religiöse Minderheiten (FH 28.2.2022). Wie bereits in den Vorjahren und nach dem Militärputsch im Februar 2021 war es manchmal schwierig, Vorfälle allein auf der Grundlage der religiösen Identität zu kategorisieren, da Religion und ethnische Zugehörigkeit eng miteinander verknüpft sind. Im Laufe des Jahres gab es Berichte über Drohungen, Verhaftungen und Gewalt gegen religiöse und ethn-religiöse Minderheitengruppen. Es gab zahlreiche Angriffe auf Gotteshäuser, bei denen Menschen verletzt und getötet wurden. Es gibt außerdem einige Berichte über Verhaftungen und Verurteilungen von einflussreichen Mönchen und anderen religiösen Vertretern, die Vertriebene unterstützten und sich für den Frieden im Land einsetzten. Im November 2021 verurteilte das Burma Human Rights Network (BHRN) die Angriffe des Militärs auf die Zivilbevölkerung und nannte als Beispiele den anhaltenden Beschuss der Stadt Thantlang und das Niederbrennen von Häusern und Kirchen durch das Militär. Laut BHRN sind diese Angriffe Teil der Strategie „alle töten, alle verbrennen und alle zerstören“, die das Militär nachweislich gegen andere ethnische und religiöse Minderheiten anwendet (USDOS 2.6.2022). Die christlichen Minderheiten in Myanmar wurden schon lange vor dem Militärputsch vom 1. Februar 2021 diskriminiert. Doch ihre Lage hat sich nach Angaben einiger Beobachter mit der Junta an der Macht noch verschlechtert. Mehrere Dörfer in den Bundesstaaten Chin und Kayah, in denen viele Christen leben, waren Schauplatz gewaltsamer Zusammenstöße zwischen der Junta und Widerstandsbewegungen, die sich gegen den Putsch stellen. In diesen Regionen wurden Dutzende von Kirchen bombardiert, verbrannt oder geplündert, und Zivilisten wurden getötet (OF24 21.7.2022). Nach Angaben der AAPP hat das Militärregime seit dem Militärputsch bis zum Jahresende 35 buddhistische Mönche wegen ihrer Teilnahme an Protesten sowie neun christliche Führer und einen muslimischen Religionsführer aus ungeklärten Gründen inhaftiert. Religiöse Führer äußerten auch die Sorge, dass das Regime religiöse Versammlungen als Teil von prodemokratischen Aktivitäten missverstehen könnte (USDOS 2.6.2022). Die Behörden diskriminieren in der Praxis religiöse Minderheitengruppen (insbesondere Muslime), indem sie ihnen die Genehmigung für Versammlungen verweigern und Bildungsaktivitäten, Missionierung sowie den Bau und die Reparatur von Gebetsstätten einschränken (FH 28.2.2022). Das Regime setzte mindestens drei verschiedene Gesetze zur Einschränkung von Versammlungen, einschließlich religiöser Versammlungen, durch (USDOS 2.6.2022). Die offiziell illegale Buddha Dhamma Parahita Foundation, früher bekannt als Ma Ba Tha, setzt sich für den Schutz buddhistischer Privilegien ein, ruft zum Boykott muslimisch geführter Unternehmen auf und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 55
