myan-lib-2022-08-26-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Private Diskussionen und persönliche Meinungsäußerungen - die bereits durch staatliche Überwachung und Gesetze zur Unterbindung von Online-Diskussionen eingeschränkt waren - wurden nach dem Putsch von 2021 noch schwieriger. Nach der Machtübernahme erließ das Regime weitreichende Änderungen am bestehenden Gesetzbuch und hob mehrere wichtige Menschenrechtsschutzbestimmungen auf, darunter jene gegen willkürliche Überwachung (FH 28.2.2022). Die Militärbehörden verhängten in regelmäßigen Abständen landesweite Internet- und Telekommunikationsabschaltungen und verletzten damit das Recht auf freie Meinungsäußerung. Während der Proteste im Februar waren die sozialen Medien für Demonstranten und führende Aktivisten ein wichtiges Instrument, um die Unterstützung der Demokratiebewegung zu organisieren und zu fördern. In jenem Monat zensierte das Regime soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter, die von pro demokratischen Gruppen und Demonstranten genutzt wurden, um sich dem Regime zu widersetzen. Hunderte von Menschen wurden auf der Grundlage des überarbeiteten Strafgesetzbuchs verhaftet und strafrechtlich verfolgt, in der Regel aufgrund von Online-Kommentaren; Hunderte von anderen wurden gezwungen, unterzutauchen oder ins Exil zu gehen, um einer Verhaftung zu entgehen (FH 28.2.2022). Berichten zufolge setzte das Regime Gewalt und gezielte Tötungen ein, um Kritiker in der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen. Gewalt gegen Personen, die sich regimekritisch äußerten, wurde angeblich sowohl von ultranationalistischen buddhistischen Gruppen, die dem Regime nahestehen, als auch von den Sicherheitskräften angewandt und umfasste Verstümmelungen, Entführungen und Folter. Das Regime schüchterte viele prodemokratische Stimmen in der Öffentlichkeit ein, die zuvor offen über politisch sensible Themen gesprochen hatten (USDOS 12.4.2022). Vor dem Putsch waren unabhängige Medien aktiv und konnten trotz zahlreicher offizieller und inoffizieller Beschränkungen, wirtschaftlicher Schwierigkeiten und eines unsicheren Geschäftsumfelds arbeiten. Nach dem Putsch berichteten Analysten über die Schließung von 71 Medien, von bekannten nationalen, regionalen und ethnischen Medien bis hin zu kleinen Facebook-Seiten. Im Februar 2021 änderte das Militär Teile des Strafgesetzbuchs und des Gesetzes über elektronische Transaktionen, um Bestimmungen zur Kriminalisierung regimefeindlicher Äußerungen aufzunehmen (USDOS 12.4.2022; vgl. RSF 3.5.2022). Das harte Vorgehen des Regimes gegen die Medien führte zur Verhaftung, Inhaftierung, zum Verlust des Arbeitsplatzes und zum erzwungenen Exil von mehr als 1.000 Journalisten, Redakteuren und Medienmitarbeitern - etwa 50 % der Gesamtzahl vor Machtübernahme durch das Militär (USDOS 12.4.2022). Im März 2021 wurden die Lizenzen für mehrere unabhängige Medienorganisationen entzogen. Eine Reihe unabhängiger Medien, die im Verborgenen oder im Exil arbeiten, berichteten jedoch weiterhin über das Geschehen (FH 28.2.2022). Das Regime setzte Journalisten und andere Medienschaffende wegen ihrer Berichterstattung Gewalt, Schikanen, Inhaftierung und Einschüchterung aus. Nach Angaben von AAPP wurden seit Februar 2021 mindestens 95 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 29 von 55

Journalisten zu Unrecht verhaftet, und mehr als die Hälfte von ihnen befand sich im November 2021 noch immer in Haft (USDOS 12.4.2022). Zu einer Änderung des Strafgesetzbuches durch die Militärregierung gehörte die Hinzufügung von Abschnitt 505(a), der Kommentare unter Strafe stellt, die „Angst verursachen“ und „falsche Nachrichten“ verbreiten (HRW 13.1.2022; vgl AI 29.3.2022), sowie die Kriminalisierung von Personen, die „direkt oder indirekt eine Straftat gegen einen Regierungsangestellten begehen oder dazu aufhetzen“. Bis zum 31. Dezember waren 189 Personen nach Abschnitt 505(a) verurteilt worden. Nach Angaben von AAPP warteten mindestens 1.143 weitere inhaftierte Personen auf ihre Verurteilung, und gegen 1.545 weitere Personen waren Haftbefehle erlassen worden, unter anderem nach Paragraf 505(a), der eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (AI 29.3.2022). Angesichts des Risikos, inhaftiert, gefoltert oder ermordet zu werden, ist der Beruf des Journalisten in Myanmar, das nach China das Land mit den meisten Inhaftierungen von Journalisten ist, extrem gefährlich. Im Dezember 2021 und Januar 2022 wurden drei Journalisten von der Junta getötet. Zwei von ihnen starben an den Folgen missbräuchlicher Behandlung während der Gefangenschaft (RSF 3.5.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 16.8.2022 -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 16.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 16.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 16.8.2022 -RSF – Reporters Sans Frontières (3.5.2022): Myanmar, https://rsf.org/en/country/myanmar, Zugriff 16.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 16.8.2022 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung von 2008 erlaubt die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, allerdings nur, solange die Ausübung dieser Freiheiten nicht gegen bestehende Sicherheitsgesetze verstößt. Von 2011 bis 2020 machten die Behörden immer noch von dem aus der Kolonialzeit stammenden Gesetz über rechtswidrige Vereinigungen von 1908 Gebrauch, um politische Aktivisten einzuschüchtern und zu verhaften (BS 23.2.2022). Die Versammlungsfreiheit wurde in den letzten Jahren zunehmend eingeschränkt. Seit 2017 gilt ein generelles Verbot von Protesten in 11 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 30 von 55

Stadtbezirken im Zentrum von Yangon, und im Jahr 2020 hat eine ausgedehnte Internetsperre in Teilen der Bundesstaaten Rakhine und Chin die Möglichkeiten von Aktivisten, Proteste zu organisieren, stark eingeschränkt. Ungenehmigte Demonstrationen werden nach dem Gesetz über friedliche Versammlungen und friedliche Umzüge mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft; eine Reihe anderer, vage definierter Verstöße können mit geringeren Strafen geahndet werden (FH 28.2.2022). Das Regime schränkte die Ausübung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit seit Februar 2021 weiter ein. In den ersten Tagen nach dem Militärputsch gingen Hunderttausende von Menschen friedlich auf die Straße, um gegen die Machtübernahme durch das Militär zu protestieren und die Freilassung von Aung San Suu Kyi zu fordern. Am 8. Februar 2021 ordnete das Regime Ausgangssperren und Beschränkungen für die Größe von Versammlungen an, wodurch friedliche öffentliche Demonstrationen im ganzen Land verboten wurden (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022) und mit tödlicher und willkürlicher Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgegangen wurde (FH 28.2.2022; vgl. HRW 14.3.2022). Berichten in den lokalen Medien zufolge fanden im November 2021 trotz gewaltsamer Einschüchterung und Unterdrückung durch die Sicherheitskräfte weiterhin kleinere Proteste für die Demokratie im ganzen Land statt. Das Gesetz über die Registrierung von Organisationen sieht eine freiwillige Registrierung für lokale NGOs vor und hebt die Strafen für die Nichteinhaltung sowohl für lokale als auch für internationale NGOs auf. Vor dem Militärputsch legte die Regierung das Gesetz so aus, dass sich NGOs, die aus dem Ausland finanziert wurden, bei der Regierung registrieren lassen mussten (USDOS 12.4.2022). Es wurden weitreichende Internetbeschränkungen verhängt, um die Organisation von Protesten zu verhindern (FH 28.2.2022). Die Opposition in Myanmar ist vielfältig: Sie besteht aus einem Ausschuss, der die bei den Parlamentswahlen 2020 gewählten Abgeordneten vertritt, einer auf der Grundlage der Wahlergebnisse gebildeten Regierung, Bündnissen zahlreicher zivilgesellschaftlicher Gruppen und Basisorganisationen, Partnerschaften mit ethnischen politischen Parteien und mehreren bewaffneten ethnischen Gruppen, die Gebiete in Myanmar kontrollieren, in denen Oppositionsmitglieder Schutz vor Verfolgung gefunden haben (The Diplomat 7.6.2022). Myanmars Militärmachthaber Min Aung Hlaing lehnt jede Gespräche mit der Opposition kategorisch ab bis hin zur Drohung oppositionelle Gruppen und ihre Anhänger bis zum Ende vernichten zu wollen (Zeit Online 27.3.2022). Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 12.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 12.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 31 von 55

-HRW – Human Rights Wach (14.3.2022): A Year On, No Justice for Myanmar Massacre. Military Crackdown in Hlaing Tharyar Continues, https://www.hrw.org/news/2022/03/14/year-no-justice- myanmar-massacre, Zugriff 12.8.2022 -The Diplomat (7.6.2022): Fighting the Fear: The Execution of Members of Myanmar’s Opposition Must be Stopped, https://thediplomat.com/2022/06/fighting-the-fear-the-execution-of-members-of- myanmars-opposition-must-be-stopped/, Zugriff 12.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 12.8.2022 -Zeit Online (27.3.2022): Myanmars Junta droht Opposition mit „Vernichtung“, https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-03/myanmar-opposition-demonstrationen-vernichtung, Zugriff 12.8.2022 14. Haftbedingungen Im Jahr 2020 gab es 48 bekannte Gefängnisse und 50 bekannte Arbeitslager. Mehr als 20.000 Häftlinge verbüßten im Jahr 2020 gerichtlich angeordnete Strafen in Arbeitslagern im ganzen Land; für das Berichtsjahr waren keine Daten verfügbar. Die Associated Press berichtete am 28. Oktober 2021, dass das Militär nach dem Putsch landesweit Dutzende von öffentlichen Einrichtungen (z. B. Gemeindehäuser) in Verhörzentren umgewandelt hat (USDOS 12.3.2022). Eine große Zahl politischer Gefangener ist seit dem Putsch im Februar 2021 in mehreren berüchtigten Haftanstalten des Landes inhaftiert. Die Assistance Association for Political Prisoners (AAPP) schätzt, dass fast 11.700 Menschen wegen ihres Widerstands gegen den Militärputsch inhaftiert wurden. Von der Gesamtzahl der Inhaftierten wurden mindestens 1.212 zu Haftstrafen verurteilt (PD 20.7.2022). Viele politische Gefangene wurden in Isolationshaft gehalten. Willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen wurden laut AAPP drastisch ausgeweitet, um politisch Andersdenkende zu unterdrücken, und die Inhaftierten hatten nur begrenzte Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor einem Gericht anzufechten, da die Justiz nicht unabhängig vom Regime ist (USDOS 12.4.2022). In mehreren Berichten wird von schlechten Bedingungen in den Gefängnissen berichtet, darunter unzureichende Abwassersysteme, unzureichende - und oft ungenießbare - Verpflegung und ein Mangel an lebensnotwendigen Gütern. Die Überbelegung war Berichten zufolge in vielen Gefängnissen und Arbeitslagern ein ernstes Problem. Die medizinische Versorgung war unzureichend, was Berichten zufolge zu Todesfällen in der Haft beitrug. In den Gefängnissen wurden keine Maßnahmen zum Schutz der Gefangenen vor COVID-19 ergriffen, und es gab zahlreiche Berichte über die Übertragung von COVID-19, Krankheiten und Todesfälle unter den Gefangenen. Es gab auch zahlreiche Berichte über politische Gefangene, denen die medizinische Versorgung verweigert wurde (USDOS 12.3.2022). Angehörige, die inhaftierte Familienmitglieder besuchen konnten, berichteten von körperlichen Verletzungen und anderen Anzeichen von Folter oder Misshandlung. Die Vereinten Nationen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 55

dokumentierten auch die weit verbreitete Anwendung von Folter durch Sicherheitskräfte gegen Inhaftierte, die in einigen Fällen zum Tod führte (AI 29.3.2022). Viele Personen, die wegen ihrer Teilnahme an pro-demokratischen Demonstrationen inhaftiert waren, gaben nach ihrer Freilassung an, dass sie und andere in Haft befindliche Personen vom Sicherheitspersonal gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Zu den Foltermethoden gehörten Schläge, Scheinhinrichtungen mit Gewehren, Verbrennungen mit Zigaretten sowie Vergewaltigung und angedrohte Vergewaltigung (HRW 13.1.2022). Nach dem Staatsstreich nahmen auch sexuelle Gewalt, geschlechtsspezifische Belästigungen und Demütigungen durch Beamte zu (USDOS 12.3.2022). Einige inhaftierte Frauen und LGBTI- Personen waren während der Verhöre und der Haft sexueller Gewalt, Belästigung und Demütigung ausgesetzt, einschließlich invasiver Körperdurchsuchungen als Foltermethode (AI 2.8.2022). Allein im Juni 2022 gab es landesweit mindestens sechs Gefängnisproteste, während es 2021 mindestens 22 gegeben hat. Sechs davon fanden im Insein-Gefängnis in Yangon statt, und auch in den Gefängnissen von Obo, Pathein, Hpa-an, Monywa und Dawei haben politische Gefangene protestiert. Mindestens neun Insassen wurden bei der Niederschlagung der Gefängnisproteste getötet, während Hunderte von Häftlingen wegen ihrer Teilnahme an den Protesten verprügelt wurden. Einem Bericht der AAPP zufolge bedrohen Überbelegung, Nahrungsmangel sowie psychische und physische Folter das Leben der Gefangenen (Irrawady 8.7.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 12.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 12.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 12.8.2022 -Irrawady (8.7.2022): Revolutionary Spirit Still Strong in Myanmar’s Deadly Prisons, https://www.irrawaddy.com/news/burma/revolutionary-spirit-still-strong-in-myanmars-deadly- prisons.html, Zugriff 12.8.2022 -PD – Peoples Dispatch (20.7.2022): Workers and political prisoners not safe in Myanmar, say union representatives, https://peoplesdispatch.org/2022/07/20/workers-and-political-prisoners- not-safe-in-myanmar-say-union-representatives/, Zugriff 12.08.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 12.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 55

15. Todesstrafe Die Militärjunta von Myanmar hat am 25. Juli 2022 die Hinrichtung von vier Männern bekannt gegeben. Es handelt sich um die ersten Hinrichtungen in Myanmar seit 1988 (AI 25.7.2022; vgl. HRW 25.7.2022). Seit Februar 2021 ist in Myanmar eine alarmierende Zunahme der Todesstrafe zu verzeichnen, die das Militär als Mittel für die andauernde und weit verbreitete Verfolgung, Einschüchterung, Schikanierung und Gewalt gegen die Bevölkerung, einschließlich Demonstranten und Journalisten, einsetzt. Amnesty International hat Medienberichte und andere Informationen über mindestens 114 Todesurteile gesammelt, die seit Februar 2021 verhängt wurden. Alle diese Todesurteile wurden von Militärgerichten oder, in einem Fall, von einem Jugendgericht auf Überweisung eines Militärgerichts verhängt (AI 2.8.2022) Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI - Amnesty International (25.7.2022): Myanmar: First executions in decades mark atrocious escalation in state repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2075959.html, Zugriff 5.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (25.7.2022): Myanmar Junta Executes Four, https://www.ecoi.net/de/dokument/2075961.html, Zugriff 5.8.2022 16. Religionsfreiheit Die Verfassung sieht Religionsfreiheit vor (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 2.6.2022), vorbehaltlich der Wahrung der öffentlichen Ordnung, Moral oder Gesundheit oder sonstiger Verfassungsbestimmungen (USDOS 2.6.2022). Sie weist den Buddhismus als Mehrheitsreligion aus, erkennt aber auch das Christentum, den Islam, den Hinduismus und den Animismus an (FH 28.2.2022). Nach den letzten verfügbaren Schätzungen sind etwa 88 % der Bevölkerung in Myanmar Theravada-Buddhisten. Etwa 6 % sind Christen, vor allem Baptisten, römische Katholiken und Anglikaner sowie mehrere kleine protestantische Konfessionen. Die Muslime (meist Sunniten) machen etwa 4 % der Bevölkerung aus. Es gibt kleine Gemeinschaften von Hindus und Anhängern des Judentums, traditioneller chinesischer Religionen und animistischer Religionen. Das U.S. Department of State berichtet von Bedenken der U.S. Regierung hinsichtlich der Religionsfreiheit, einschließlich der Notlage der mehrheitlich muslimischen Rohingya im Rakhine- Staat und der Schwierigkeiten, denen sich christliche religiöse Minderheiten in den Kachin-, nördlichen Shan- und Chin-Staaten angesichts der anhaltenden Gewalt gegenübersehen (USDOS 2.6.2022). Antimuslimische Hassreden und Diskriminierung wurden durch soziale Medien, einige staatliche Institutionen und Mainstream-Nachrichten-Websites verstärkt (FH 28.2.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 55

Im Dezember 2021 stellte das OHCHR fest, dass die Sicherheitskräfte des Regimes seit dem Militärputsch eine alarmierende Eskalation schwerer Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 2.6.2022). Einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen des Landes, die in der Regel von den Streitkräften des Bundes begangen werden, richten sich gegen ethnische und religiöse Minderheiten (FH 28.2.2022). Wie bereits in den Vorjahren und nach dem Militärputsch im Februar 2021 war es manchmal schwierig, Vorfälle allein auf der Grundlage der religiösen Identität zu kategorisieren, da Religion und ethnische Zugehörigkeit eng miteinander verknüpft sind. Im Laufe des Jahres gab es Berichte über Drohungen, Verhaftungen und Gewalt gegen religiöse und ethn-religiöse Minderheitengruppen. Es gab zahlreiche Angriffe auf Gotteshäuser, bei denen Menschen verletzt und getötet wurden. Es gibt außerdem einige Berichte über Verhaftungen und Verurteilungen von einflussreichen Mönchen und anderen religiösen Vertretern, die Vertriebene unterstützten und sich für den Frieden im Land einsetzten. Im November 2021 verurteilte das Burma Human Rights Network (BHRN) die Angriffe des Militärs auf die Zivilbevölkerung und nannte als Beispiele den anhaltenden Beschuss der Stadt Thantlang und das Niederbrennen von Häusern und Kirchen durch das Militär. Laut BHRN sind diese Angriffe Teil der Strategie „alle töten, alle verbrennen und alle zerstören“, die das Militär nachweislich gegen andere ethnische und religiöse Minderheiten anwendet (USDOS 2.6.2022). Die christlichen Minderheiten in Myanmar wurden schon lange vor dem Militärputsch vom 1. Februar 2021 diskriminiert. Doch ihre Lage hat sich nach Angaben einiger Beobachter mit der Junta an der Macht noch verschlechtert. Mehrere Dörfer in den Bundesstaaten Chin und Kayah, in denen viele Christen leben, waren Schauplatz gewaltsamer Zusammenstöße zwischen der Junta und Widerstandsbewegungen, die sich gegen den Putsch stellen. In diesen Regionen wurden Dutzende von Kirchen bombardiert, verbrannt oder geplündert, und Zivilisten wurden getötet (OF24 21.7.2022). Nach Angaben der AAPP hat das Militärregime seit dem Militärputsch bis zum Jahresende 35 buddhistische Mönche wegen ihrer Teilnahme an Protesten sowie neun christliche Führer und einen muslimischen Religionsführer aus ungeklärten Gründen inhaftiert. Religiöse Führer äußerten auch die Sorge, dass das Regime religiöse Versammlungen als Teil von prodemokratischen Aktivitäten missverstehen könnte (USDOS 2.6.2022). Die Behörden diskriminieren in der Praxis religiöse Minderheitengruppen (insbesondere Muslime), indem sie ihnen die Genehmigung für Versammlungen verweigern und Bildungsaktivitäten, Missionierung sowie den Bau und die Reparatur von Gebetsstätten einschränken (FH 28.2.2022). Das Regime setzte mindestens drei verschiedene Gesetze zur Einschränkung von Versammlungen, einschließlich religiöser Versammlungen, durch (USDOS 2.6.2022). Die offiziell illegale Buddha Dhamma Parahita Foundation, früher bekannt als Ma Ba Tha, setzt sich für den Schutz buddhistischer Privilegien ein, ruft zum Boykott muslimisch geführter Unternehmen auf und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 55

verbreitet antimuslimische Propaganda. Muslime werden bei der Ausstellung von Personalausweisen systematisch diskriminiert, und mit der Komplizenschaft der Behörden wurden „muslimfreie“ Dörfer eingerichtet (FH 28.2.2022). Die Behörden verlangten von Staatsbürgern und Personen mit ständigem Wohnsitz weiterhin das Mitführen eines von der Regierung ausgestellten Ausweises, der den Inhabern den Zugang zu Dienstleistungen und den Nachweis der Staatsbürgerschaft ermöglichte. In diesen Ausweisen wurden die Religionszugehörigkeit und die ethnische Zugehörigkeit angegeben. Die Bürger waren auch verpflichtet, ihre Religionszugehörigkeit auf bestimmten offiziellen Anträgen für Dokumente wie Pässen anzugeben, obwohl die Pässe selbst keinen Hinweis auf die Religionszugehörigkeit des Inhabers enthielten. Angehörige religiöser Minderheiten, insbesondere Muslime, hatten weiterhin Probleme, Ausweise und Staatsangehörigkeitsausweise zu erhalten. Einige Muslime berichteten, dass von ihnen verlangt wurde, auf ihrem Antrag auf einen Staatsbürgerschaftsausweis eine „ausländische“ ethnische Zugehörigkeit anzugeben, wenn sie sich als Muslime identifizierten (USDOS 2.6.2022). Die Gesetze zum Schutz von „Rasse und Religion in Myanmar“ (2015), deren Verabschiedung größtenteils auf das Eintreten von Ma Ba Tha zurückzuführen ist, kodifizieren schwerwiegende Formen der Diskriminierung der muslimischen Minderheit und schränken ihr Recht auf freie Heirat und ihre Entscheidung, Kinder zu bekommen (BS 23.2.2022). Quellen gaben allerdings weiterhin an, dass sowohl die Behörden der abgesetzten demokratisch gewählten Regierung als auch das Regime im Allgemeinen die 2015 verabschiedeten Gesetze zum „Schutz von Rasse und Religion“ nicht durchsetzten (USDOS 2.6.2022). Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 11.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 11.8.2022 -OF24 – Observers France 24 (21.7.2022): Burned churches: Myanmar’s junta accused of abuses against the Christian minority, https://observers.france24.com/en/asia-pacific/20220722- burned- churches-myanmar-s-junta-accused-of-abuses-against-the-christian-minority, Zugriff 11.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073989.html, Zugriff 11.8.2022 17. Minderheiten Angehörige ethnischer Minderheitengruppen machen 30 bis 40 % der Bevölkerung aus. Die sieben Staaten, in denen ethnische Minderheiten leben, machen etwa 60 % des nationalen Territoriums aus, eine beträchtliche Anzahl von Minderheiten lebt allerdings auch in mehrheitlich ethnischen birmanischen Regionen (USDOS 12.4.2022). Die ca. 57 Millionen Einwohner setzen sich aus 68 % Bamar, 9 % Shan, 7 % Karen, 4 % Rakhine, 3 % Chinesen, 2 % Inder, 2 % Mon und 5 % sonstigen Volksgruppen zusammen. Die Regierung erkennt zusätzlich 135 indigene ethnische Gruppen an .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 55

(CIA 2.8.2022). Die offizielle nationale Identität dreht sich um die buddhistische Religion und die Sprache der myanmarischen Mehrheitsbevölkerung (Bamar), die in den zentralen Ebenen und im Irrawaddy-Delta lebt (BS 23.2.2022). Birmanisch ist auch die obligatorische Unterrichtssprache in den öffentlichen Schulen. Der nationale Bildungsplan lässt keine anderen Unterrichtssprachen zu, obwohl einige öffentliche Schulen ethnische Sprachen als zusätzliche Fächer unterrichten (USDOS 12.4.2022). Die ethnischen Minderheiten leben in den Außenstaaten, entlang der Grenzen zu Bangladesch, Indien, China und Thailand. Sie bestreiten das Konzept des myanmarischen Staates und fordern die Anerkennung ihrer Geschichte, Sprachen und Religionen. Keiner der sieben ethnischen Minderheitenstaaten (Arakan, Chin, Kachin, Shan, Karen, Kayin, Mon) ist mono-ethnisch (BS 23.2.2022). Ethnische und religiöse Minderheiten erfahren de facto eine starke Diskriminierung (BS 23.2.222; vgl. FH 28.2.2022). Die offizielle Liste der 135 „nationalen Ethnien“ ist höchst umstritten und wurde vor mehr als 100 Jahren von den Kolonialverwaltern erstellt. Unter der Militärherrschaft wurde diese Liste wieder eingeführt und zur Klassifizierung und als Grundlage für die Staatsbürgerschaft verwendet. Die Staatsbürgerschaft basiert auf dem Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982, das drei Arten von Bürgern anerkennt: Vollbürger, assoziierte Bürger und eingebürgerte Bürger. Die volle Staatsbürgerschaft erhalten diejenigen, die ihre Abstammung bis in die Zeit vor der Eroberung des Landes durch die Briten im Jahr 1823 zurückverfolgen können und die den acht offiziell anerkannten „nationalen Ethnien“ angehören (d. h. Bamar, Arakan, Chin, Kachin, Shan, Karen, Kayin/Karen, Mon) (BS 23.2.2022). Angehörige historisch marginalisierter Gruppen und Minderheiten waren vor dem Putsch in der Regierung unterrepräsentiert (USDOS 12.4.2022). Sie sehen sich mit Einschränkungen ihrer politischen Rechte und Wahlmöglichkeiten konfrontiert, unter anderem durch diskriminierende Staatsbürgerschafts-, Wohnsitz- und Parteiregistrierungsgesetze. Einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen des Landes, die in der Regel von den Streitkräften des Zentralstaates begangen werden, richten sich gegen ethnische und religiöse Minderheiten. Die Kämpfe zwischen der Armee und ethnischen Minderheiten in den Bundesstaaten Chin, Kachin, Karen, Rakhine und Shan haben sich im Laufe des Jahres verschärft, so dass Tausende von Zivilisten vertrieben und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Ethnische Rebellengruppen boten denjenigen Zuflucht, die dem Militärregime entkommen wollten (FH 28.2.2022). Die weitreichende staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Mitgliedern von Minderheitengruppen hält an, auch in Bereichen wie Bildung, Wohnen, Beschäftigung und Zugang zu Gesundheitsdiensten (USDOS 12.4.2022; vgl BS 23.2.2022) Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 55

-BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 10.8.2022 -CIA – Central Intelligence Agency (2.8.2022): The World Factbook, Burma, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/burma/, Zugriff 10.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068763.html, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 10.8.2022 17.1. Rohingya Die Rohingya sind eine muslimische ethnische Minderheit, die seit Jahrhunderten im überwiegend buddhistischen Myanmar lebt. Obwohl die Rohingya seit vielen Generationen in Myanmar leben, werden sie nicht als offizielle ethnische Gruppe anerkannt. Seit 1982 wird ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert, was sie zur größten staatenlosen Bevölkerung der Welt macht (UNHCR 13.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Regierung von Myanmar betrachtet die Rohingya als relativ neue Migranten aus Bangladesch, obwohl die meisten Rohingya ihre Abstammung bis in die späte Kolonialzeit oder sogar bis in die Zeit vor der britischen Kolonisierung zurückverfolgen können. Die meisten ihrer Dokumente wurden bei den Wellen von Gewalt und Vertreibung zerstört (BS 23.2.2022). Die Rohingya haben in Myanmar jahrzehntelang unter Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung gelitten (UNHCR 13.7.2022). Ihr größter Exodus begann im August 2017, als im myanmarischen Bundesstaat Rakhine eine massive Welle der Gewalt ausbrach, die mehr als 700.000 Menschen - die Hälfte von ihnen Kinder - zwang, in Bangladesch Zuflucht zu suchen (UNHCR 13.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Ganze Dörfer wurden niedergebrannt, Tausende von Familien wurden getötet oder getrennt und es wurden massive Menschenrechtsverletzungen gemeldet (UNHCR 13.7.2022). Weit verbreitete Berichte deuten auf wahllose Tötungen und das Niederbrennen von Rohingya-Dörfern hin, was so weit eskalierte, dass der UN-Menschenrechtskommissar die Situation im Bundesstaat Rakhine als „ein Paradebeispiel für ethnische Säuberung“ bezeichnete (CFR 12.5.2022). Vertreter der Vereinten Nationen und einzelner Länder haben die an den Rohingya begangenen Gräueltaten als ethnische Säuberung und/oder Völkermord bezeichnet (BS 23.2.2022). Das oberste Gericht der Vereinten Nationen entschied im Juli 2022, dass ein Verfahren, in dem Myanmar beschuldigt wird, Völkermord an den Rohingya-Muslimen begangen zu haben, fortgesetzt werden kann. Damit ist der Weg frei für Anhörungen, in denen die Schuld des Staates an der Gewalt untersucht wird, die fast 1 Million Rohingya aus ihrer Heimat vertrieben hat (Washington Post 22.7.2022). Die schätzungsweise 600.000 Rohingya, die sich noch im Bundesstaat Rakhine aufhalten, sind Verfolgung und Gewalt durch die Regierung ausgesetzt, leben in Lagern und Dörfern, ohne sich .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 55
