palg-westbank-lib-2022-06-03-ke

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter

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Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen  
und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der  
Methodologie der Staatendokumentation erstellt.
Ein Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist ein COI-Dokument, das beruhend  
auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (RD, EASt, ASt, BVwG) mittels  
Recherche  von  vorhandenen,  vertrauenswürdigen  und  vorrangig  öffentlichen  Informationen 
gemäß  den  Standards  der  Staatendokumentation  erstellt  wird.  Ein  LIB  gibt  eine  
einzelfallunabhängige  Darstellung über  die  Lage  betreffend  relevanter  Tatsachen  in  
Herkunftsländern bzw. in EU-Mitgliedsstaaten.
Die LIB dienen den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Für sie gilt § 5  
Abs.  5  letzter  Satz  BFA-G,  d.h.  sie  sind  als  solche  nicht  Teil  der  allgemein  zugänglichen, 
öffentlichen  Staatendokumentation.  Sie  werden  aber  durch  Verwendung  im  Verfahren 
(Parteiengehör,  Verwendung  im  Bescheid)  der  jeweiligen  Partei  zugänglich  und  durch 
Verwendung im Bescheid öffentlich gemacht.
Wie  bereits  erwähnt,  ist  dieses  Produkt  als  Arbeitsbehelf  für  österreichische  Behörden  und 
Gerichte entworfen worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache  
Verwertbarkeit  in  Entscheidungen  im  Vordergrund.  Grundsätzlich  wird  jede  Information  mit 
mindestens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung  
von  Originalzitaten  verzichtet  –  nicht  zuletzt  auch  deshalb,  weil  sich  daraus  für  die 
Entscheidungsfindung kein Mehrwert ergibt.
Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen  
Anspruch  auf  Vollständigkeit.  Aus  dem  vorliegenden  Produkt  ergeben  sich  keine  
Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das LIB stellt keine 
allgemeine  oder  individuelle  Entscheidungsvorgabe  dar.  Das  vorliegende  Dokument  kann 
insbesondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder  
des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden.
Zugunsten  der  besseren  Les-  und  Verwendbarkeit  wird  im  vorliegenden  Produkt  auf  eine 
genderneutrale  Schreibweise  verzichtet.  So  nicht  explizit  angemerkt,  sind  immer  alle 
Geschlechter gemeint.
Qualitäts- und Aktualisierungshinweis
Das LIB  beinhaltet Arbeitsübersetzungen  fremdsprachiger Quellen. Auswahl, Verwertung und  
Verwendung von Informationen im vorliegenden Produkt unterliegen dem Qualitätsmanagement  
der Staatendokumentation.
Dieses LIB wird mittels Einbezug relevanter Kurzinformationen der Staatendokumentation auf  
aktuellem Stand gehalten. Eine Gesamtaktualisierung des LIB erfolgt bei gegebenem Bedarf.
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 2 von 52
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Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Daher  
können auch im LIB verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden.
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3 von 52
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Länderspezifische Anmerkungen
Aufgrund der divergierenden Entwicklungen werden zum Gaza-Streifen und zum Westjordanland  
separate LIBs erstellt.  Das LIB bezieht sich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf das gesamte  
bis 1967 jordanisch verwaltete Gebiet zwischen den aktuell international anerkannten Grenzen  
Israels und Jordaniens und klammert das von Israel als Teil Jerusalems annektierte Gebiet (Ost-
Jerusalem und Umgebung) aus. Bei Bedarf werden zu Ost-Jerusalem Informationen auf Anfrage  
erstellt. Wo relevant, wird auf Ost-Jerusalem und den Gaza-Streifen Bezug genommen. Besonders 
bei  der  Sicherheitslage  kann  es  im  Fall  von  Eskalationen  zum  Übergreifen  von  
sicherheitsrelevanten Entwicklungen auf andere Gebiete kommen. Auch unterscheiden nicht alle  
Berichte z.B. bei statistischen Angaben explizit zwischen Ost-Jerusalem und dem Großteil des  
Westjordanlandes, bzw. zwischen Westjordanland und Gaza-Streifen.
Das LIB betrifft sowohl diejenigen Gebiete in der Westbank unter direkter israelischer Kontrolle wie  
auch Gebiete unter vorwiegend palästinensischer Kontrolle.
Die  Palästinensische  Autonomiebehörde  (PA)  verfügt  aufgrund  der  israelischen  Präsenz  und 
Aktivitäten in der Westbank sowie aufgrund der israelischen Siedlungen nicht über alle Attribute  
eines souveränen Staates und  kann  nur teilweise  staatliche Aufgaben ausführen, auch wenn  
Palästina den Nicht-Mitglieder-Beobachterstatus in der UNO erlangt hat. Die PA hat zum Beispiel  
weder die Gewalthoheit über die gesamte Westbank noch die vollständige Steuerhoheit – mit  
entsprechender budgetärer Abhängigkeit von Israel (das Steuern für die PA einhebt, aber deren  
Überweisung  oft  als  Druckmittel  aussetzt)  als  Folge  und  ist  von  internationalen  Geldgebern 
abhängig. Im Gaza-Streifen regiert die als Terrororganisation eingestufte Hamas – siehe dazu das  
LIB zum Gaza-Streifen.
Das LIB bietet nur einen allgemeinen Überblick über die Lage. Die lokalen Verhältnisse können  
sich schnell ändern und sind auch davon abhängig, welche Zuständigkeiten vor Ort bei der PA  
oder Israel liegen. Zudem unterscheiden sich die theoretischen und tatsächlichen Zuständigkeiten  
Israels und der Palästinensischen Autonomiebehörde von Gebiet zu Gebiet und unterliegen auch  
phasenweisen Fluktuationen bei der Umsetzung des Oslo-Abkommens.
Die Bewegungsfreiheit innerhalb der Westbank sowie die Möglichkeit, die Westbank zu verlassen  
und wieder dorthin einzureisen, sind von Israel (und fallweise Jordanien) abhängig und können  
kurzfristigen  Änderungen  unterliegen,  die  nicht  notwendigerweise  zeitnah  öffentlich  bekannt 
werden. Hinzu kommen individuelle Faktoren, welche eine Rolle spielen können (Dokumente,  
politische Positionierung der Person etc.).
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 52
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Dazu darf auch auf separate Informationen zu den Zuständigkeiten der UNRWA (The United  
Nations  Relief  and  Works  Agency  for  Palestine  Refugees)  verwiesen  werden.  Aufgrund  der 
Dauerfinanzkrise  von  UNRWA  und  dem  politischen  Druck  von  manchen  Seiten,  UNRWA 
aufzulösen, kann in Anfragebeantwortungen besser auf den konkreten Informationsbedarf zu der  
komplexen Thematik eingegangen werden. UNRWA-Flüchtlinge werden daher per se nicht im LIB  
thematisiert.
Das LIB bezieht sich nicht auf die Lage der BewohnerInnen der israelischen Siedlungen.
Informationen zu Themen, wie z.B. Kollaboration, werden bei Bedarf AUF ANFRAGE entspre -
chend ergänzt, bzw. wird eine Anfragebeantwortung dazu erstellt.
Hinweis:
Das Länderinformationsblatt geht nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19-
Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese ein – wie etwa Einstellungen des  
Reiseverkehrs in oder aus einem Land oder Bewegungseinschränkungen im Land. Dies  
betrifft  insbesondere  auch  Auswirkungen  auf  die  Gesundheitsversorgung,  die  
Möglichkeiten zur Selbst-Quarantäne, die Versorgungslage, wirtschaftliche, politische und  
andere  Folgen,  die  derzeit  nicht  absehbar  sind.  Diese  Informationen  werden  in  den 
jeweiligen relevanten Kapiteln zur Verfügung gestellt, sind jedoch aufgrund der Möglichkeit 
schneller Änderungen im Land als Momentaufnahme zu sehen.
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die 
Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: 
https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der 
Johns-Hopkins-Universität:
https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/
bda7594740fd40299423467b48e9ecf6
mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 52
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Inhaltsverzeichnis
1.         Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen                                                                      ..................................................................  7  
2.         Politische Lage                                                                                                                                ............................................................................................................................  8  
3.         Sicherheitslage                                                                                                                             .........................................................................................................................  12  
4.         Rechtsschutz / Justizwesen                                                                                                          ......................................................................................................  16  
5.         Sicherheitsbehörden                                                                                                                     .................................................................................................................  20  
6.         Folter und unmenschliche Behandlung                                                                                         .....................................................................................  22  
7.         Korruption                                                                                                                                     .................................................................................................................................  23  
8.         NGOs und Menschenrechtsaktivisten                                                                                           .......................................................................................  24  
9.         Wehrdienst und Rekrutierungen                                                                                                   ...............................................................................................  26  
10.           Allgemeine Menschenrechtslage                                                                                              ..........................................................................................  26  
11.           Meinungs- und Pressefreiheit                                                                                                    ................................................................................................  28  
12.           Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition                                                               ...........................................................  30  
13.           Todesstrafe                                                                                                                                ............................................................................................................................  32  
14.           Religionsfreiheit                                                                                                                         .....................................................................................................................  33  
15.           Relevante Bevölkerungsgruppen                                                                                              ..........................................................................................  35  
15.1.           Frauen                                                                                                                                ............................................................................................................................  35  
15.2.           Kinder                                                                                                                                 .............................................................................................................................  38  
15.3.           Homosexuelle                                                                                                                    ................................................................................................................  41  
16.           Bewegungsfreiheit                                                                                                                     .................................................................................................................  41  
17.           Grundversorgung und Wirtschaft                                                                                              ..........................................................................................  46  
18.           Medizinische Versorgung                                                                                                          ......................................................................................................  51  
19.           Rückkehr                                                                                                                                   ...............................................................................................................................  52  
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2. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.
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4. Politische Lage
Die Palästinensischen Gebiete bestehen aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost-
Jerusalem (AA 3.2.2022a). Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von  
Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 18.5.2022). 138 der 193  
Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) stimmten am 29.11.2012 für eine Aufwertung des  
völkerrechtlichen  Status  der  Palästinenser  zu  einem  „Beobachterstaat“.  Konkret  bedeutet  der 
Beobachterstatus  als  Nicht-Mitgliedstaat,  den  etwa  auch  der  Vatikan  innehat,  mehr  
Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat  
und in der Generalversammlung – sofern sie betroffen sind – an Diskussionen teilnehmen und  
Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen  
der UN wie dem Internationalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht,  
etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der  
israelischen Regierung vor Gericht zu bringen (BPB 30.11.2012). Im Dezember 2014 stimmte das  
europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für  
die „Quasi“-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber stellt  
ein Signal an die internationale Gemeinschaft dar. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und 
hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014).
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO – Palestinian Liberation Organisation) wurde  
1964 gegründet, 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO  
anerkannt und erhielt den Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen (VP o.D.; vgl. Britannica  
o.D.). 1993 kam es zum Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO (BPB 17.7.2011). Im Jahr  
1993  folgte  die  Anerkennung  der  PLO  als  einzige  Vertreterin  der  Palästinenser  durch  Israel 
(Haaretz 9.9.1993). Die PLO ist die Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen  
Parteien und Bewegungen, darunter die Fatah, die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP),  
die  Arabische  Befreiungsfront,  die  Demokratische  Front  zur  Befreiung  Palästinas  (DFLP),  die 
Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und die Palästinensische Volkspartei (PPP). Hamas und  
Islamischer Dschihad sind nicht in der PLO vertreten (VP o.D.; vgl. SZ 12.1.2018).
Die Palästinensischen Autonomiebehörde (PA – Palestinian Authority) wurde 1994 nach Abschluss 
der Osloer Verträge zwischen Israel und der PLO gegründet. Am 13.4.2019 wurde die neue PA  
unter Premierminister Mohammad Shtayyeh vereidigt. Grundpfeiler des politischen Systems sind  
der  Präsident,  die  Regierung  unter  Vorsitz  eines  Premierministers  sowie  das  Parlament,  der 
sogenannte Legislativrat (Palestinian National Council – PLC) mit 132 Sitzen. Das Wahlrecht sieht  
Verhältniswahl (Landesebene) und Direktwahl (Bezirksebene) vor. Letzte Wahlen in der Westbank  
und Gaza fanden im Januar 2006 statt; die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen.  
Der Legislativrat tagt seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Juni 2007 nicht mehr. Am  
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22.12.2018 hat Präsident Abbas den PLC für aufgelöst erklärt (AA 3.2.2022b; vgl. FH 28.2.2022).  
Parlamentswahlen hätten in den folgenden sechs Monaten stattfinden sollen, was nicht passierte.  
Die Hamas lehnte die Entscheidung über die Auflösung des PLC ab. Im Januar 2021 kündigte  
Abbas nicht nur an, dass im Juli Präsidentschaftswahlen stattfinden würden, sondern rief auch  
PLC-Wahlen für Mai aus. Allerdings sagte er beide Wahlen im April ab, und es wurde kein neuer  
Termin festgelegt (FH 28.2.2022). Weder die aktuelle palästinensische Führung noch Israel haben  
Interesse an Wahlen. Die Regierungspartei  Fatah, zu der Präsident Mahmoud Abbas gehört,  
befürchtet,  bei  Wahlen  abgestraft  zu  werden  und  letztlich  Stimmen  an  die  im  Gaza-Streifen 
herrschende  Hamas  zu  verlieren.  Währenddessen  bleibt  die  palästinensische  Bevölkerung 
frustriert  zurück.  Mehr  als  25  Jahre  nach  Abschluss  der  Osloer  Verträge  ist  ein  souveräner 
palästinensischer  Staat  in  weite  Ferne  gerückt,  die  eigentlich  temporären  Vereinbarungen  im 
Sicherheitsbereich haben sich verfestigt (KAS 9.2021). Auch nach den ersten zwei Runden an  
Lokalwahlen wurde der PA kein Interesse an Legislativwahlen attestiert (Al-Haq 2.5.2022).
Der  Präsident  der  Palästinensischen  Behörde  wird  vom  Volk  direkt  gewählt.  Die  letzten 
Präsidentschaftswahlen fanden im Januar 2005 statt. Die Amtszeit von Präsident Abbas ist formal  
seit 2009 abgelaufen (AA 3.2.2022b; vgl. FH 28.2.2022). Präsident Abbas ist auch Vorsitzender der 
PLO und Generalkommandant der Fatah-Bewegung (USDOS 12.4.2022).
Nach  dem  Erdrutschsieg  der  Hamas  [Anm.:  bei  den  Wahlen  im  Jahr  2006]  begannen  die 
gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Hamas und Fatah, in deren  
Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im  
Gazastreifen  als  die  Hamas  mit  Gewalt  die  Kontrolle  über  alle  Sicherheitseinrichtungen  und 
Regierungsgebäude der PA übernahm (GIZ 11.2020a). Zahlreiche Mitglieder und Anhänger der  
Fatah  von  Palästinenserpräsident  Abbas  flohen  aus  Gaza  (Spiegel  Online  13.6.2007;  FAZ 
3.8.2008). Von diesem Zeitpunkt an war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten  
Gazastreifen  und  ein  von  Fatah  kontrolliertes  Westjordanland.  In  beiden  Gebieten  wurden 
Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen,  
ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst (GIZ 11.2020a). In den letzten Jahren  
sind mehrere Versöhnungsversuche zwischen Fatah und Hamas gescheitert (CGRS 6.3.2020).  
Obwohl die Gesetze der PA in Gaza formal gültig sind (USDOS 11.3.2020; vgl. EU 30.3.2022),  
gelten die von der PA im Westjordanland seit 2007 erlassenen Gesetze de facto nicht mehr für die  
Bürger des von der Hamas kontrollierten Gazastreifens, und die in Gaza erlassenen Gesetze  
gelten nicht im Westjordanland (ICHR 4.2022).
Die  regional  geförderten  Gespräche  zur  Überbrückung  der  Kluft  zwischen  Hamas  und  Fatah 
scheiterten zuletzt, nachdem die Palästinensische Autonomiebehörde im April 2021 angekündigt  
hatte, dass die für Mai geplanten palästinensischen Parlamentswahlen und die für Juli geplanten  
Präsidentschaftswahlen  auf  unbestimmte  Zeit  verschoben  würden  (FH  28.2.2022).  
Entscheidungen  über  die  Durchführung  von  Wahlen  sind  stark  politisiert.  Im  Dezember  2021 
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wurden im Westjordanland erneut Kommunalwahlen abgehalten, eine zweite Runde ist für Anfang  
2022 angesetzt. Die Hamas lehnte jedoch die Durchführung der Wahlen im Gazastreifen ab (FH  
28.2.2022). In der ersten Runde der Lokalwahlen fehlten meist Gegenkandidaten, es gab nur eine  
Kandidatenliste, meist mit der Fatah verbunden. 70 Prozent der Sitze gingen an unabhängige  
Listen  von  lokalen,  mächtigen  Familien  oder  Stämmen  (FH  28.2.2022).  Die  palästinensische 
Menschenrechtsorganisation beobachtete die beiden Wahlrunden im Dezember 2021 und Beginn  
2022, und konstatierte trotz Beanstandungen keine maßgeblichen Vorfälle bezüglich der Integrität  
der Wahl. Allerdings kritisierte sie eine Verhaftungswelle von Opponenten der Fatah besonders  
nach Ende der ersten Wahlrunde (Al-Haq 2.5.2022).
Neben der Fatah sind eine kleine Zahl palästinensischer Parteien relativ frei in der Westbank aktiv, 
während die PA hart mit Anhängern der Hamas und mit Rivalen von Abbas innerhalb seiner Partei 
Fatah umgeht. Das israelische Militär verbietet Parteien und unterbricht politische Versammlungen 
sowie verhaftet politische Aktivisten, wenn sie diese als Bedrohung für die israelische Sicherheit 
ansieht (FH 28.2.2022).
Die Terroranschläge der jüngsten Vergangenheit, die Reaktion der Israelis und schließlich der Tod  
der  Journalistin  [Anm.:  die bekannte  al-Jazeera-Journalistin  Shireen  Abu  Aqla] entblößen  das 
dauerhafte strukturelle Problem des palästinensisch-israelischen Konflikts: Auf der israelischen  
Seite versuchen alle Regierungen in Jerusalem seit Jahren, den Konflikt mit den Palästinensern  
lediglich  zu  „managen“,  nicht  zu  lösen.  Israel  glaubt  nicht  an  die  Möglichkeit  eines 
Friedensabkommens mit den Palästinensern, die israelische Rechte lehnt einen Palästinenserstaat 
grundsätzlich ab. Doch dass der uralte Konflikt nicht gelöst wird, liegt nicht nur an der israelischen  
Siedlungspolitik und erstarkten radikal-nationalen Kräften im Land (Spiegel 13.5.2022).
Auch die palästinensischen Führungen sind mitverantwortlich für die Situation. Allein die Tatsache,  
dass  es  keine  Regierung  gibt,  die  für  alle  palästinensischen  Gebiete  zuständig  ist,  macht 
Lösungsversuche nahezu unmöglich. In Gaza herrscht die radikalislamische Hamas, die einen  
gewaltsamen  Kampf  gegen  Israel  befürwortet  und  an  einem  Frieden  mit  dem  Staat  nicht 
interessiert ist (Spiegel 13.5.2022).
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hingegen, mit ihrem greisen Präsidenten Mahmud  
Abbas, hat zwar offiziell im Westjordanland das Sagen und spricht zumindest von Frieden. Sie gilt  
als von „Korruption und Unfähigkeit durchsetzt“, die Mehrheit der eigenen Bevölkerung lehnt sie  
ab, und viele sehen sie nicht als legitim an (Spiegel 13.5.2022). Sie ist auch stark von Staaten als  
Geldgeber abhängig, welche Einfluss auf die PA ausüben, bestimmte Politiker oder Fraktionen  
auszugrenzen (FH 28.2.2022).
Die  Sicherheitskooperation  mit  Israel  ist  grundsätzlich  ein  politischer  Spielball  für  die 
palästinensische Regierung, um Druck auf Israel auszuüben. Präsident Abbas hat daher schon  
häufig in der Vergangenheit gedroht, die Sicherheitskooperation aufzukündigen. So kam es  zwar  
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zu einer mehrmonatigen Aussetzung der Kooperation, diese wurde aber nach der Wahlniederlage  
von Donald Trump in den USA wieder fortgeführt. Die meisten Drohungen verliefen bislang meist  
ins Leere (Spiegel 13.5.2022).
Indem sich die Hamas zum Beschützer des islamischen Heiligtums in Jerusalem stilisierte, fasste  
sie zumindest ideologisch im Westjordanland Fuß – und ließ den verhassten Konkurrenten, die PA, 
bedeutungslos erscheinen (Spiegel 13.5.2022).
Ohne den Versuch einer Lösung war es nur eine Frage der Zeit, bis erneut Gewalt ausbrechen 
würde (Spiegel 13.5.2022).
Quellen:
- AA  -  Auswärtiges  Amt  (3.2.2022b):  Palästinensische  Gebiete:  Politisches  Porträt,  
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/
politisches-portrait/204438, Zugriff 19.5.2022
- Al-Haq (Autor), veröffentlicht von UN Human Rights Committee (2.5.2022): Al-Haq report to the  
Human Rights Committee on the List of Issues in relation to the comprehensive initial report of  
the  State  of  Palestine,  
https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/PSE/
INT_CCPR_ICO_PSE_48534_E.pdf, Zugriff 24.5.2022
- BBC  –  BBC  British  Broadcasting  Corporation  News  (17.12.2014):  MEPs  back  Palestinian 
statehood bid, https://www.bbc.com/news/blogs-eu-30516523, Zugriff 19.5.2022
- BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (18.5.2022):  
Palästina,  https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/palaestina/,  Zugriff  
19.5.2022
- BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (30.11.2012): Vereinte Nationen machen Palästina  
zum  Beobachterstaat,  https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/150698/un-machen-
palaestina-zum-beobachterstaat-30-11-2012, Zugriff 19.5.2022
- BPB  –  Bundeszentrale  für  politische  Bildung  (17.7.2011):  Hamas  und  Palästinensischer 
Islamischer  Jihad,  https://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36365/hamas,  Zugriff  
19.5.2022
- Britannica  –  Encyclopaedia  Britannica  (o.D.):  Palestine  Liberation  Organization,  
https://www.britannica.com/topic/Palestine-Liberation-Organization, Zugriff 19.5.2022
- CGRS-CEDOCA – Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons  
(Belgium),  COI  unit  (6.3.2020):  Territoires  Palestiniens  -  Gaza  Situation  sécuritaire,  
https://www.ecoi.net/en/file/local/2026441/coi_focus_territoires_palestiniens_-
_gaza_situation_securitaire_20200306.pdf, Zugriff 30.5.2022
- EU – Europäische Union (30.3.2022): EU Annual Report on Human Rights and Democracy in the  
World;  2021  Country  Updates,  
https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/220323%202021%20EU%20Annual%2
0Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country%20Reports.docx.pdf, Zugriff 23.5.2022
- FAZ  -  Frankfurter  Allgemeine  (3.8.2008): Schwere  Kämpfe  im  Gazastreifen. Fatah-Anhänger 
fliehen nach Israel,  http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/fatah-anhaenger-  fliehen-nach-israel-  
schwere-kaempfe-im-gazastreifen-1679341.htm  l  , Zugriff 19.5.2022
- FH  -  Freedom  House  (28.2.2022):  Freedom  in  the  World  2022  -  West  Bank*,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022
- GIZ  –  Deutsche  Gesellschaft  für  Internationale  Zusammenarbeit,  Länderinformationsportal 
(11.2020a)  [Archivversion  vom  14.5.2021]:  Palästinensische  Gebiete,  Geschichte  &  Staat, 
.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 52
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