palg-westbank-lib-2022-06-03-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Dazu darf auch auf separate Informationen zu den Zuständigkeiten der UNRWA (The United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees) verwiesen werden. Aufgrund der Dauerfinanzkrise von UNRWA und dem politischen Druck von manchen Seiten, UNRWA aufzulösen, kann in Anfragebeantwortungen besser auf den konkreten Informationsbedarf zu der komplexen Thematik eingegangen werden. UNRWA-Flüchtlinge werden daher per se nicht im LIB thematisiert. Das LIB bezieht sich nicht auf die Lage der BewohnerInnen der israelischen Siedlungen. Informationen zu Themen, wie z.B. Kollaboration, werden bei Bedarf AUF ANFRAGE entspre - chend ergänzt, bzw. wird eine Anfragebeantwortung dazu erstellt. Hinweis: Das Länderinformationsblatt geht nur eingeschränkt auf die Auswirkungen der COVID-19- Pandemie sowie auf eventuelle Maßnahmen gegen diese ein – wie etwa Einstellungen des Reiseverkehrs in oder aus einem Land oder Bewegungseinschränkungen im Land. Dies betrifft insbesondere auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, die Möglichkeiten zur Selbst-Quarantäne, die Versorgungslage, wirtschaftliche, politische und andere Folgen, die derzeit nicht absehbar sind. Diese Informationen werden in den jeweiligen relevanten Kapiteln zur Verfügung gestellt, sind jedoch aufgrund der Möglichkeit schneller Änderungen im Land als Momentaufnahme zu sehen. Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/ bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 52

Inhaltsverzeichnis 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen .................................................................. 7 2. Politische Lage ............................................................................................................................ 8 3. Sicherheitslage ......................................................................................................................... 12 4. Rechtsschutz / Justizwesen ...................................................................................................... 16 5. Sicherheitsbehörden ................................................................................................................. 20 6. Folter und unmenschliche Behandlung ..................................................................................... 22 7. Korruption ................................................................................................................................. 23 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten ....................................................................................... 24 9. Wehrdienst und Rekrutierungen ............................................................................................... 26 10. Allgemeine Menschenrechtslage .......................................................................................... 26 11. Meinungs- und Pressefreiheit ................................................................................................ 28 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition ........................................................... 30 13. Todesstrafe ............................................................................................................................ 32 14. Religionsfreiheit ..................................................................................................................... 33 15. Relevante Bevölkerungsgruppen .......................................................................................... 35 15.1. Frauen ............................................................................................................................ 35 15.2. Kinder ............................................................................................................................. 38 15.3. Homosexuelle ................................................................................................................ 41 16. Bewegungsfreiheit ................................................................................................................. 41 17. Grundversorgung und Wirtschaft .......................................................................................... 46 18. Medizinische Versorgung ...................................................................................................... 51 19. Rückkehr ............................................................................................................................... 52 1. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 52

2. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden. 3. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 52

4. Politische Lage Die Palästinensischen Gebiete bestehen aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost- Jerusalem (AA 3.2.2022a). Palästina hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, wird aber von Österreich nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 18.5.2022). 138 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) stimmten am 29.11.2012 für eine Aufwertung des völkerrechtlichen Status der Palästinenser zu einem „Beobachterstaat“. Konkret bedeutet der Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat, den etwa auch der Vatikan innehat, mehr Mitspracherechte bei den Vereinten Nationen. Künftig können die Palästinenser im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung – sofern sie betroffen sind – an Diskussionen teilnehmen und Resolutionen einbringen. Ein weiterer wichtiger Zugewinn ist der Zugang zu Unterorganisationen der UN wie dem Internationalen Strafgerichtshof. Dadurch hätten die Palästinenser das Recht, etwaige Militäroperationen der Israelis in den Palästinensergebieten oder die Siedlungspolitik der israelischen Regierung vor Gericht zu bringen (BPB 30.11.2012). Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die „Quasi“-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber stellt ein Signal an die internationale Gemeinschaft dar. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014). Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO – Palestinian Liberation Organisation) wurde 1964 gegründet, 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt und erhielt den Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen (VP o.D.; vgl. Britannica o.D.). 1993 kam es zum Oslo-Abkommen zwischen Israel und der PLO (BPB 17.7.2011). Im Jahr 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel (Haaretz 9.9.1993). Die PLO ist die Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen, darunter die Fatah, die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), die Arabische Befreiungsfront, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und die Palästinensische Volkspartei (PPP). Hamas und Islamischer Dschihad sind nicht in der PLO vertreten (VP o.D.; vgl. SZ 12.1.2018). Die Palästinensischen Autonomiebehörde (PA – Palestinian Authority) wurde 1994 nach Abschluss der Osloer Verträge zwischen Israel und der PLO gegründet. Am 13.4.2019 wurde die neue PA unter Premierminister Mohammad Shtayyeh vereidigt. Grundpfeiler des politischen Systems sind der Präsident, die Regierung unter Vorsitz eines Premierministers sowie das Parlament, der sogenannte Legislativrat (Palestinian National Council – PLC) mit 132 Sitzen. Das Wahlrecht sieht Verhältniswahl (Landesebene) und Direktwahl (Bezirksebene) vor. Letzte Wahlen in der Westbank und Gaza fanden im Januar 2006 statt; die vierjährige Legislaturperiode ist seit 2010 abgelaufen. Der Legislativrat tagt seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza im Juni 2007 nicht mehr. Am .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 52

22.12.2018 hat Präsident Abbas den PLC für aufgelöst erklärt (AA 3.2.2022b; vgl. FH 28.2.2022). Parlamentswahlen hätten in den folgenden sechs Monaten stattfinden sollen, was nicht passierte. Die Hamas lehnte die Entscheidung über die Auflösung des PLC ab. Im Januar 2021 kündigte Abbas nicht nur an, dass im Juli Präsidentschaftswahlen stattfinden würden, sondern rief auch PLC-Wahlen für Mai aus. Allerdings sagte er beide Wahlen im April ab, und es wurde kein neuer Termin festgelegt (FH 28.2.2022). Weder die aktuelle palästinensische Führung noch Israel haben Interesse an Wahlen. Die Regierungspartei Fatah, zu der Präsident Mahmoud Abbas gehört, befürchtet, bei Wahlen abgestraft zu werden und letztlich Stimmen an die im Gaza-Streifen herrschende Hamas zu verlieren. Währenddessen bleibt die palästinensische Bevölkerung frustriert zurück. Mehr als 25 Jahre nach Abschluss der Osloer Verträge ist ein souveräner palästinensischer Staat in weite Ferne gerückt, die eigentlich temporären Vereinbarungen im Sicherheitsbereich haben sich verfestigt (KAS 9.2021). Auch nach den ersten zwei Runden an Lokalwahlen wurde der PA kein Interesse an Legislativwahlen attestiert (Al-Haq 2.5.2022). Der Präsident der Palästinensischen Behörde wird vom Volk direkt gewählt. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden im Januar 2005 statt. Die Amtszeit von Präsident Abbas ist formal seit 2009 abgelaufen (AA 3.2.2022b; vgl. FH 28.2.2022). Präsident Abbas ist auch Vorsitzender der PLO und Generalkommandant der Fatah-Bewegung (USDOS 12.4.2022). Nach dem Erdrutschsieg der Hamas [Anm.: bei den Wahlen im Jahr 2006] begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Hamas und Fatah, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen als die Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm (GIZ 11.2020a). Zahlreiche Mitglieder und Anhänger der Fatah von Palästinenserpräsident Abbas flohen aus Gaza (Spiegel Online 13.6.2007; FAZ 3.8.2008). Von diesem Zeitpunkt an war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst (GIZ 11.2020a). In den letzten Jahren sind mehrere Versöhnungsversuche zwischen Fatah und Hamas gescheitert (CGRS 6.3.2020). Obwohl die Gesetze der PA in Gaza formal gültig sind (USDOS 11.3.2020; vgl. EU 30.3.2022), gelten die von der PA im Westjordanland seit 2007 erlassenen Gesetze de facto nicht mehr für die Bürger des von der Hamas kontrollierten Gazastreifens, und die in Gaza erlassenen Gesetze gelten nicht im Westjordanland (ICHR 4.2022). Die regional geförderten Gespräche zur Überbrückung der Kluft zwischen Hamas und Fatah scheiterten zuletzt, nachdem die Palästinensische Autonomiebehörde im April 2021 angekündigt hatte, dass die für Mai geplanten palästinensischen Parlamentswahlen und die für Juli geplanten Präsidentschaftswahlen auf unbestimmte Zeit verschoben würden (FH 28.2.2022). Entscheidungen über die Durchführung von Wahlen sind stark politisiert. Im Dezember 2021 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 52

wurden im Westjordanland erneut Kommunalwahlen abgehalten, eine zweite Runde ist für Anfang 2022 angesetzt. Die Hamas lehnte jedoch die Durchführung der Wahlen im Gazastreifen ab (FH 28.2.2022). In der ersten Runde der Lokalwahlen fehlten meist Gegenkandidaten, es gab nur eine Kandidatenliste, meist mit der Fatah verbunden. 70 Prozent der Sitze gingen an unabhängige Listen von lokalen, mächtigen Familien oder Stämmen (FH 28.2.2022). Die palästinensische Menschenrechtsorganisation beobachtete die beiden Wahlrunden im Dezember 2021 und Beginn 2022, und konstatierte trotz Beanstandungen keine maßgeblichen Vorfälle bezüglich der Integrität der Wahl. Allerdings kritisierte sie eine Verhaftungswelle von Opponenten der Fatah besonders nach Ende der ersten Wahlrunde (Al-Haq 2.5.2022). Neben der Fatah sind eine kleine Zahl palästinensischer Parteien relativ frei in der Westbank aktiv, während die PA hart mit Anhängern der Hamas und mit Rivalen von Abbas innerhalb seiner Partei Fatah umgeht. Das israelische Militär verbietet Parteien und unterbricht politische Versammlungen sowie verhaftet politische Aktivisten, wenn sie diese als Bedrohung für die israelische Sicherheit ansieht (FH 28.2.2022). Die Terroranschläge der jüngsten Vergangenheit, die Reaktion der Israelis und schließlich der Tod der Journalistin [Anm.: die bekannte al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Aqla] entblößen das dauerhafte strukturelle Problem des palästinensisch-israelischen Konflikts: Auf der israelischen Seite versuchen alle Regierungen in Jerusalem seit Jahren, den Konflikt mit den Palästinensern lediglich zu „managen“, nicht zu lösen. Israel glaubt nicht an die Möglichkeit eines Friedensabkommens mit den Palästinensern, die israelische Rechte lehnt einen Palästinenserstaat grundsätzlich ab. Doch dass der uralte Konflikt nicht gelöst wird, liegt nicht nur an der israelischen Siedlungspolitik und erstarkten radikal-nationalen Kräften im Land (Spiegel 13.5.2022). Auch die palästinensischen Führungen sind mitverantwortlich für die Situation. Allein die Tatsache, dass es keine Regierung gibt, die für alle palästinensischen Gebiete zuständig ist, macht Lösungsversuche nahezu unmöglich. In Gaza herrscht die radikalislamische Hamas, die einen gewaltsamen Kampf gegen Israel befürwortet und an einem Frieden mit dem Staat nicht interessiert ist (Spiegel 13.5.2022). Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hingegen, mit ihrem greisen Präsidenten Mahmud Abbas, hat zwar offiziell im Westjordanland das Sagen und spricht zumindest von Frieden. Sie gilt als von „Korruption und Unfähigkeit durchsetzt“, die Mehrheit der eigenen Bevölkerung lehnt sie ab, und viele sehen sie nicht als legitim an (Spiegel 13.5.2022). Sie ist auch stark von Staaten als Geldgeber abhängig, welche Einfluss auf die PA ausüben, bestimmte Politiker oder Fraktionen auszugrenzen (FH 28.2.2022). Die Sicherheitskooperation mit Israel ist grundsätzlich ein politischer Spielball für die palästinensische Regierung, um Druck auf Israel auszuüben. Präsident Abbas hat daher schon häufig in der Vergangenheit gedroht, die Sicherheitskooperation aufzukündigen. So kam es zwar .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 52

zu einer mehrmonatigen Aussetzung der Kooperation, diese wurde aber nach der Wahlniederlage von Donald Trump in den USA wieder fortgeführt. Die meisten Drohungen verliefen bislang meist ins Leere (Spiegel 13.5.2022). Indem sich die Hamas zum Beschützer des islamischen Heiligtums in Jerusalem stilisierte, fasste sie zumindest ideologisch im Westjordanland Fuß – und ließ den verhassten Konkurrenten, die PA, bedeutungslos erscheinen (Spiegel 13.5.2022). Ohne den Versuch einer Lösung war es nur eine Frage der Zeit, bis erneut Gewalt ausbrechen würde (Spiegel 13.5.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (3.2.2022b): Palästinensische Gebiete: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete-node/ politisches-portrait/204438, Zugriff 19.5.2022 - Al-Haq (Autor), veröffentlicht von UN Human Rights Committee (2.5.2022): Al-Haq report to the Human Rights Committee on the List of Issues in relation to the comprehensive initial report of the State of Palestine, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/PSE/ INT_CCPR_ICO_PSE_48534_E.pdf, Zugriff 24.5.2022 - BBC – BBC British Broadcasting Corporation News (17.12.2014): MEPs back Palestinian statehood bid, https://www.bbc.com/news/blogs-eu-30516523, Zugriff 19.5.2022 - BMEIA – Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (18.5.2022): Palästina, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/palaestina/, Zugriff 19.5.2022 - BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (30.11.2012): Vereinte Nationen machen Palästina zum Beobachterstaat, https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/150698/un-machen- palaestina-zum-beobachterstaat-30-11-2012, Zugriff 19.5.2022 - BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (17.7.2011): Hamas und Palästinensischer Islamischer Jihad, https://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36365/hamas, Zugriff 19.5.2022 - Britannica – Encyclopaedia Britannica (o.D.): Palestine Liberation Organization, https://www.britannica.com/topic/Palestine-Liberation-Organization, Zugriff 19.5.2022 - CGRS-CEDOCA – Office of the Commissioner General for Refugees and Stateless Persons (Belgium), COI unit (6.3.2020): Territoires Palestiniens - Gaza Situation sécuritaire, https://www.ecoi.net/en/file/local/2026441/coi_focus_territoires_palestiniens_- _gaza_situation_securitaire_20200306.pdf, Zugriff 30.5.2022 - EU – Europäische Union (30.3.2022): EU Annual Report on Human Rights and Democracy in the World; 2021 Country Updates, https://www.eeas.europa.eu/sites/default/files/documents/220323%202021%20EU%20Annual%2 0Human%20Rights%20and%20Democracy%20Country%20Reports.docx.pdf, Zugriff 23.5.2022 - FAZ - Frankfurter Allgemeine (3.8.2008): Schwere Kämpfe im Gazastreifen. Fatah-Anhänger fliehen nach Israel, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/fatah-anhaenger- fliehen-nach-israel- schwere-kaempfe-im-gazastreifen-1679341.htm l , Zugriff 19.5.2022 - FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - West Bank*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022 - GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (11.2020a) [Archivversion vom 14.5.2021]: Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 52

https://web.archive.org/web/20210514035926/https://www.liportal.de/palaestinensische- gebiete/ geschichte-staat/, Zugriff 19.5.2022 - Haaretz (9.9.1993): Letters Establishing Mutual Israel-PLO Recognition, https://www.haaretz.com/1.5426508, Zugriff 19.5.2022 - Haaretz (21.5.2022): From Lebanon to Jenin: The 'Gray Rhinos' on Israel's Doorstep, https://www.haaretz.com/israel-news/2022-05-21/ty-article/.premium/from-lebanon-to-jenin-the- gray-rhinos-on-israels-doorstep/00000180-f6c0-d18b-a787-f7e9368e0000, Zugriff 28.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066491.html, Zugriff 28.5.2022 - ICHR – Independent Commission for Human Rights (4.2022): Shadow Report of the Independent Commission for Human Rights (ICHR) to the Human Rights Committee on the First Periodic Review of the State of Palestine, https://www.ecoi.net/en/document/2072781.html, Zugriff 20.5.2022 - KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (9.2021): Ein Sicherheitsapparat ohne Gewaltmonopol, https://www.ecoi.net/en/file/local/2061704/Pal%C3%A4stinensische+Gebiete+Sicherheitsapparat. pdf, Zugriff 28.5.2022 - Spiegel (Schneider, Richard C.) (13.5.2022): Nur noch ein Funke, dann droht ein Flächenbrand, https://www.spiegel.de/ausland/israel-woher-kommt-die-neue-welle-der-gewalt-a-40ce36dc- cd2f-41ca-bfb6-4f9962e1f3d3, Zugriff 28.5.2022 - Spiegel Online (13.6.2007): Bruderkrieg in Gaza, Polizisten fliehen nach Ägypten, http://www.spiegel.de/politik/ausland/palaestinenser-bruderkrieg-in-gaza-polizisten-fliehen-nach- aegypten-a-488423.htm l , Zugriff 19.5.2022 - SZ – Süddeutsche Zeitung (12.1.2018): Warum die Hamas nun mit Islamisten kämpft, https://www.sueddeutsche.de/politik/palaestinenser-kampf-der-islamisten-1.3822891, Zugriff 19.5.2022 - USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Israel, West Bank and Gaza - West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071205.html, Zugriff 20.5.2022 - USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 7.5.2020 - VP - Vertretung von Palästina in Österreich (o.D.): Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), https://www.palestinemission.at/palaestinensische-befreiungsorganis, Zugriff 19.5.2022 5. Sicherheitslage Die Oslo-Abkommen teilen die Westbank in die Gebiete A, B und C. Die palästinensischen Bevölkerungszentren fallen meist in die Gebiete A und B, die ländlichen Gebiete in Gebiet C. Formal ist die PA für die Sicherheit im Gebiet A zuständig, aber israelische Sicherheitskräfte führen auch hier Einsätze durch. Im Gebiet B ist die PA für die Verwaltung und Israel für die Sicherheit zuständig. Im Gebiet C ist Israel alleine für die Sicherheit zuständig und hat den Großteil des Gebiets C entweder zu geschlossenen Militärzonen oder Zonen für Siedlungen erklärt (USDOS 12.4.2022). Die israelische Regierung plant mehr als 4.000 neue Wohneinheiten für israelische Siedlungen (HRW 13.1.2022). Wenn die israelische Armee ihre Verhaftungen in den A-Gebieten des Westjordanlandes durchführt, zumeist mitten in der Nacht, ziehen sich die palästinensischen Sicherheitskräfte zurück. In den meisten Fällen betritt das israelische Militär in Vollausrüstung und mit schwerem Geschütz .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 52

die A-Gebiete. Solche Razzien sind daher frühzeitig erkennbar und dienen dazu, deutlich zu machen, wer die eigentliche Macht und Kontrolle besitzt. Innerhalb des israelischen Militärs gibt es aber auch eine Sondereinheit für verdeckte Einsätze. Bei Einsätzen der israelischen Armee können die Palästinenserinnen und Palästinenser generell nicht auf den Schutz der PA- Sicherheitskräfte hoffen (KAS 9.2021). Die Sicherheitskooperation beinhaltet, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Informationen an Israel weitergibt, die relevant sind, um gegen Terrorvorhaben vorzugehen und um damit Israels Sicherheit zu gewährleisten. Diese Informationen werden von der israelischen Armee und von der Grenzpolizei dazu genutzt, Personen gezielt zu verhaften. Die von der größten palästinensischen Partei Fatah dominierte PA nutzt das System aber auch immer wieder, um Informationen über oppositionelle Politiker, oftmals jene der Hamas, an Israel weiterzugeben, was häufig zu deren Festnahmen durch israelische Sicherheitskräfte führt. Die Sicherheitskooperation wird daher von vielen Palästinenserinnen und Palästinensern als nachteilig und gegen sie selbst gerichtet empfunden, sofern sie nicht im Sinne des von der PA kontrollierten Systems handeln (KAS 9.2021). Seit 2007 arbeiteten die PA und die israelischen Sicherheitskräfte in der Westbank bei der Überwachung und der Unterdrückung von Hamas, Islamischer Jihad, Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) und anderen politischen Fraktionen mit bewaffneten Armen [Anm.: ein Teil der Gruppen wird auch in der EU als terroristisch eingestuft.] zusammen, was regelmäßig zu zahlreichen Verhaftungen und dem Schließen von mit ihnen in Verbindung stehenden Einrichtungen führt. Die israelischen Streitkräfte gehen auch gegen militante Mitglieder der Fatah vor (FH 28.2.2022). Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensischen Gebieten ist wesentlich vom israelisch- palästinensischen Konflikt geprägt (AA 24.5.2022) und kann sich schnell verändern (AA 2.6.2022). Zum Beispiel breiteten sich im Mai 2021 Proteste von Ost-Jerusalem gehend in der Westbank aus, welche auch eine Anzahl an Toten und Verletzten durch das gewaltsame israelische Vorgehen zur Folge hatten. Im Juni folgten durch PA-Behörden gewaltsam aufgelöste Proteste aufgrund des Tods von Nizar Banat, einem Zivilaktivisten, der in PA-Haft nach Misshandlungen verstarb (FH 28.2.2022). Auch den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im besetzten Palästinensischen Gebiet auswirken (EDA 3.6.2022). Die Sicherheitslage im Westjordanland ist ausgesprochen volatil und kann sich nach akuten Sicherheitsvorfällen schnell ändern. In solchen Fällen können einzelne Ortschaften durch das israelische Militär abgeriegelt oder sogenannte „fliegende“ Checkpoints eingerichtet oder bestehende Checkpoints vorübergehend geschlossen werden. Es kann zu Einsätzen der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 52

israelischen Sicherheitskräfte in Ramallah und anderen palästinensischen Städten und Dörfern kommen. Protestaktionen sind jederzeit möglich (AA 2.6.2022). Es kommt immer wieder zu Anschlägen und Angriffen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Sicherheitskräften, Siedlern und Palästinensern mit Toten und Verletzten auf beiden Seiten. Eine Häufung der Vorfälle ist in der Nähe von Checkpoints, israelischen Siedlungen und Siedler-Außenposten sowie in der Region Jenin zu beobachten. Auch bei zunächst friedlichen Versammlungen besteht das Risiko, dass die Situation sehr schnell eskaliert (AA 2.6.2022). Die von der Palästinensischen Behörde verwalteten Städte Bethlehem, Beit Sahour, Beit Jalla, Jericho, Taybe, Al-Bireh und Ramallah gelten im Augenblick als vergleichsweise ruhig (AA 2.6.2022). Von 1.12021 bis 8.5.2022 wurden laut UN OCHA insgesamt 128 PalästinenserInnen, darunter 8 Frauen und 26 Buben, im Westjordanland einschließlich Jerusalem getötet – darunter 6 Tote durch Siedler, ansonsten bis auf einen ungeklärten Fall durch israelische Sicherheitskräfte (UN OCHA 8.5.2022). Auch israelisches Sicherheitspersonal und SiedlerInnen sind Angriffen von PalästinenserInnen ausgesetzt, aber in kleinerem Maßstab (FH 28.2.2022). Im Zeitraum 19. April bis 9. Mai 2022 wurden 668 PalästinenserInnen, darunter 24 Kinder, im gesamten Westjordanland bei Zusammenstößen mit israelischen Streitkräften verletzt. Davon erfolgten die meisten Verletzungen (375) nahe den Orten Beita und Beit Dajan (Nablus) und Kafr Qaddum (Qalqiliya) bei Demonstrationen gegen Siedlungen. 78 Verletzte gab es bei einer Demonstration in Nablus, Qalqiliya und Betlehem bei Protesten gegen die steigende Zahl an getöteten PalästinenserInnen. Die übrigen 99 Verletzten gab es in der Altstadt von Jerusalem (UN OCHA 13.5.2022). Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern verschärfte sich: Seit März wurden bei antiisraelischer Gewalt durch Palästinenser und arabische Israelis 19 israelische Zivilisten getötet. Die israelischen Sicherheitskräfte reagierten mit Einsätzen in Israel und im von Israel besetzten Westjordanland – vor allem in der Gegend um Jenin, einer Hochburg bewaffneter palästinensischer Gruppen. Dabei starben drei israelisch-arabische Angreifer, ein Polizist sowie 35 Palästinenser in Israel und im Westjordanland. Unter den Toten waren Mitglieder bewaffneter Gruppen, aber auch Zivilisten, darunter die Journalistin Shireen Abu Aqla, die erschossen wurde, als sie über einen Armeeeinsatz in Jenin berichtete (DS 30.5.2022). Die Palästinenser machen Israel für ihren Tod verantwortlich. Nach Darstellung der israelischen Armee ist dagegen nicht eindeutig, von wo der tödliche Schuss kam (Spiegel 28.5.2022). In Reaktion auf den sogenannten „Flaggenmarsch“ Tausender nationalistischer Israelis durch die Jerusalemer Altstadt am 29.5.2022 fanden mehrere Gegenkundgebungen im besetzten Westjordanland statt. Palästinensische Demonstranten lieferten sich dabei Auseinandersetzungen mit israelischen Sicherheitskräften. Mehr als hundert Palästinenser wurden nach Angaben des Roten Halbmonds verletzt (DS 30.5.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 52
