handbuchinformationsfreiheitsgesetz_geschwaerzt
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Leitlinien, Regeln und Handlungsanweisungen zur Informationsfreiheit“
Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 21 von 51 weiter ausgebaut werden. Die Art der Veröffentlichung soll „in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise“ (§ 4 Abs. 1) und „barrierefrei“ (vgl. das für Websites des Bundes geltende Web-Zugänglichkeits-Gesetz – WZG, BGBl. I Nr. 59/2019, insb. dessen Ausnahmen gemäß § 2 und Vorgaben gemäß § 3) erfolgen. Über die Website www.data.gv.at als Metadatenregister soll Zugriff auf die – dort verzeichnete und verlinkte – Information gewährt werden. Nähere Kriterien betreffend die Formate und die Sprachen, in denen die Information zu veröffentlichen ist, sowie die erforderliche Auffindbarkeit (Suchbarkeit) sollen normiert werden, insbesondere mit der Grenze des für die informationspflichtige Stelle unverhältnismäßigen Aufwands (vgl. § 2 Abs. 3 lit. j WZG, wonach für die Prüfung einer „unverhältnismäßigen Belastung“ insbesondere „die Größe, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Art des Rechtsträgers, die geschätzten Kosten und Vorteile für den jeweiligen Rechtsträger im Verhältnis zu den geschätzten Vorteilen für Menschen [mit Behinderungen] sowie die Nutzungshäufigkeit und die Nutzungsdauer der betreffenden Website oder mobilen Anwendung zu berücksichtigen“ sind). Das vom Bundesminister für Finanzen (nach der BMG-Novelle 2024: vom Bundeskanzler) im Internet zur Verfügung zu stellende Formular hat jedenfalls folgende zu befüllende Metadatenfelder aufzuweisen: Identifikator (automatisch erstelltes eindeutiges Kennzeichen des Datensatzes); Datum (automatisch generierter Zeitpunkt, zu dem der Metadatensatz erstellt oder aktualisiert wurde); Titel (Bezeichnung); Beschreibung (kurze inhaltliche Beschreibung); Kategorie (inhaltliche Zuordnung zu Themengruppen wie zum Beispiel Arbeit, Bevölkerung, Bildung und Forschung, Finanzen und Rechnungswesen, Geographie und Planung, Gesellschaft und Soziales, Gesundheit, Kunst und Kultur, Land und Forstwirtschaft, Sport und Freizeit, Umwelt, Verkehr und Technik, Verwaltung und Politik, Wirtschaft und Tourismus); Schlagworte (freie Beschlagwortung zur systematischen Einordnung und Auffindbarkeit); Ressource Link (URL, Ressourcenverknüpfung, Link zur Veröffentlichung); datenverantwortliche Stelle; veröffentlichende Stelle; Lizenz (Nutzungsrechte); Sprache. Optional sollen Einträge insbesondere in folgende Metadatenfelder erfolgen können: weiterführende Ressourcen (Links); Titel und Beschreibung in englischer Sprache oder in einer Volksgruppensprache; Kontaktdaten der datenverantwortlichen Stelle (Link); Veröffentlichungszeitpunkt; Dauer (Gültigkeitsende); Nutzungsbedingungen.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 22 von 51 Diesen Erfordernissen wurde entsprochen durch die Schaffung einer entsprechenden Schnittstelle zum ELAK, welche über die dafür entwickelten Prozesselemente „IFG Veröffentlichung vorbereiten“ und „IFG Veröffentlichung freigeben“ angesteuert wird. Es bleibt selbstverständlich unbenommen, parallel zu dieser den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Veröffentlichung auch weiterhin Publikationen auf der eigenen Homepage des Ressorts vorzunehmen: Für diesen (zweiten) Veröffentlichungsvorgang ist auch weiterhin jener Personenkreis zuständig, der für die Betreuung der verschiedenen Themen-Seiten auf der Website bmf.gv.at (u.a. Betrugsbekämpfung, Budget, Finanzmarkt, Klimapolitik, Steuern und Zoll) verantwortlich ist. Für jeden dieser Bereiche sind bereits Chefredakteurinnen und Chefredakteure verantwortlich, die dort auf Basis ihrer Berechtigungen im dazugehörenden Content Management System selbstständig Informationen veröffentlichen. Es empfiehlt sich daher, nach Erledigung des ELAK-Prozessschrittes „IFG Veröffentlichung freigeben“ ene Vorschreibung an den jeweiligen Chefredakteur beziehungsweise die Chefredakteurin zur Veranlassung dieser (weiten) Veröffentlichung auf der eigenen Homepage vorzunehmen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Informationen auf den von den jeweiligen Fachexpertinnen und -experten ausgewählten Seiten qualitätsgesichert publiziert werden. 2.4. Wann Informationen von allgemeinem Interesse sollen von den veröffentlichungspflichtigen Organen so rasch wie möglich nach deren Entstehen oder sobald ein ursprünglicher Geheimhaltungsgrund wegfällt, veröffentlicht werden. Ob eine Information (noch) aktuell ist oder aus Gründen der Relevanz oder technischen Gründen nach einigen Jahren nicht mehr bereitgehalten werden muss, bedarf der laufenden Überprüfung (arg. „solange“). Diese kann in zweckmäßigen Zeitabständen erfolgen, sofern der jeweilige Zeitpunkt der Veröffentlichung und die jeweilige Fassung (letzte ˜nderung) der Information nachvollziehbar sind. Nachdem die Dokumentation im ELAK zu erfolgen hat, ist zum Zweck der laufenden Überprüfung der Prozessschritt der „Wiedervorlage“ zu wählen, um solchermaßen den im Einzelfall zu wählenden Zeitraum der Überprüfung sicherzustellen. Es ist im ELAK eine angemessene Wiedervorlagefrist für die Evaluierung der Entscheidung über die Veröffentlichung zu setzen. Es wurden technische Möglichkeiten vorgesehen für eine standardisierte Rücknahme der Veröffentlichung nach vom Ressortadministrator festgelegten, aber im Einzelfall veränderbaren, Zeit ohne manuelles Zutun ähnlich der Skartierungsfrist (es sollen ja nur aktuelle Informationen – Argument: allgemeines

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 23 von 51 Interesse – veröffentlicht werden) ebenso wie die Möglichkeit einer manuellen Rücknahme der Veröffentlichung im Einzelfall. 2.5. Dokumentation und Kommunikation zur proaktiven Information Anlässlich der Beauftragung oder Erstellung von Informationen im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes ist vom Genehmiger bzw. der Genehmigerin des diesem Vorgang zu Grunde liegenden Geschäftsstückes sicherzustellen, dass dem Geschäftsstück, im Regelfall im Sachverhalt, eine Dokumentation über die erfolgte Prüfung über das Vorliegen einer proaktiven Informationsverpflichtung gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz angeschlossen wurde samt Begründung nach gegebenenfalls erfolgter Interessenabwägung („public interest“ versus „harm test“) für die Nichtveröffentlichung. Den darüber hinausgehenden Erfordernissen an die Dokumentation (etwa hinsichtlich der Metadaten) wird entsprochen durch die entsprechende Schnittstelle zum ELAK, welche über die dafür entwickelten Prozesselemente „IFG Veröffentlichung vorbereiten“ und „IFG Veröffentlichung freigeben“ angesteuert wird. Im Falle von Informationen, die im Wege eines Beschaffungsvorganges oder eines sonstigen Vertragsabschlusses entstanden sind, hat dies nach erfolgter Leistungsabnahme durch die jeweilige bedarfstragende Organisationseinheit zu erfolgen. 2.6. In kurzen Worten – Checkliste 1. Liegt eine Information (neu geschaffen ab 1.9.2025) vor bzw. ist verfügbar? 2. Ist eine Zuständigkeit gegeben? 3. Ist die Information von allgemeinem Interesse bzw. ist dieses noch aufrecht (regelmäßige Überprüfung erforderlich)? 4. Bestehen besondere Informationszugangsregelungen (zum Beispiel nach dem UIG) bzw. ist ein spezielles öffentliches elektronisches Register eingerichtet für die Information (zum Beispiel Transparenzdatenbank)? 5. Liegen Ausnahmetatbestände oder Geheimhaltungsgründe vor? 6. Überwiegen die Geheimhaltungsinteressen in der Abwägung der Interessen (harm test und interest test) zum Zeitpunkt der Entscheidung (regelmäßige Überprüfung erforderlich)?

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 24 von 51 7. Ist eine teilweise Veröffentlichung jener Informationen möglich, auf welche das Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen in der Abwägung der Interessen (harm test und interest test) zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht zutrifft (regelmäßige Überprüfung erforderlich)? Wird eine der Fragen 1 bis 3 verneint oder Frage 4 bejaht, so hat keine proaktive Veröffentlichung nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu erfolgen. Werden die Fragen 1 bis 3 bejaht und Frage 4 verneint, aber auch Frage 5 wird bejaht, so ist eine Interessenabwägung vorzunehmen; die Veröffentlichung hat dann lediglich bei Verneinung der Frage 6 beziehungsweise bei deren Bejahung nur soweit zu erfolgen, als es die Antwort zu Frage 7 zulässt. Die Überprüfung hat zu jeder neuen Information zu erfolgen und ist entsprechend zu dokumentieren. Die Ergebnisse sind regelmäßig auf deren Aktualität zu überprüfen. 2.7. Musterprozess • Anlässlich der Erstellung einer Information im Sinne des IFG ist ab 1.9.2025 im Sachverhalt des bezughabenden ELAKs gemäß der Checkliste darzulegen, dass eine Prüfung einer Veröffentlichungspflicht vorgenommen wurde; das begründete Ergebnis der Prüfung ist klar zu dokumentieren. Darüber hinaus ist, zur späteren leichteren Auffindbarkeit und zwecks Schaffung von Auswertungsmöglichkeiten, eine entsprechende Beschlagwortung mit Aufnahme der Begriffe „Information zur Veröffentlichung“ oder „Information zur Teilveröffentlichung“ oder „keine proaktive Veröffentlichung“ vorzunehmen (siehe ELAK-Merkblatt). • Im Falle von Informationen, die im Wege eines Beschaffungsvorganges oder eines sonstigen Vertragsabschlusses entstanden sind, hat dies nach erfolgter Leistungsabnahme durch die jeweilige bedarfstragende Organisationseinheit zu erfolgen. • Ergibt die Prüfung, dass begründetermaßen keine Information von allgemeinem Interesse vorliegt, so kann die nachstehend beschriebene Erweiterung des ELAK- Prozesses um die Prozesselemente zum IFG entfallen. In allen anderen Fällen ist wie folgt vorzugehen: • Für die Dokumentation der Entscheidung über eine (teilweise) Veröffentlichung oder auch das begründete Unterbleiben einer solchen ist der ELAK jener Person, welche die Bearbeitung des Dokuments vorgenommen hat, durch eine entsprechende

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 25 von 51 Vorschreibung im ELAK mit dem dafür vorgesehenen Prozesselement („IFG Veröffentlichung vorbereiten“) zur weiteren Veranlassung zu übermitteln mit klarer Bezeichnung des gegebenenfalls zu veröffentlichenden Dokuments. Im Anschluss an diese Vorschreibung ist nach erfolgter Aufbereitung die Umsetzung vorzusehen mit dem dafür vorgesehenen Prozesselement („IFG Veröffentlichung genehmigen“), nach dessen Bestätigung mit „Veröffentlichung durchführen“ die vorgesehenen Dokumente in der vorbereiteten Form automatisationsunterstützt mit den Metadaten des Sachgebietes, in welchem der Akt protokolliert wurde, an data.gv.at gesendet und dort veröffentlicht werden. • Für den Fall einer gewünschten Veröffentlichung auch auf der Ressorthomepage hat nach Durchführung des Prozessschrittes „IFG Veröffentlichung genehmigen“ eine Vorschreibung des ELAK an den jeweiligen Chefredakteur beziehungsweise die jeweilige Chefredakteurin zur weiteren Veranlassung zu erfolgen. • Setzung einer Wiedervorlagefrist im ELAK für die Evaluierung der Veröffentlichung (oder automatisationsunterstützter Rückruf der Veröffentlichung nach Ablauf der vom Ressortadministrator gesetzten Frist oder manueller Widerruf der Veröffentlichung im begründeten Einzelfall). 2.8. Beispiele von in Betracht kommenden Informationen zur proaktiven Veröffentlichung In einem interministeriellen Arbeitskreis werden auf Vorschlag des BMF unter Leitung des Bundeskanzleramtes regelmäßig Fälle diskutiert, um eine möglichst einheitliche Auslegung zu treffen. Das diesbezügliche Arbeitsdokument wird in der WIKI zur Verfügung gestellt und soll Orientierung geben, es bleibt allerdings immer eine Entscheidung im jeweiligen Einzelfall erforderlich.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 26 von 51 3. Regelungskreis 2: Informationserteilung auf Anfrage 3.1. Wer 3.1.1. Auskunftspflichtig Die Informationsverpflichtung auf Antrag soll im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit (des Wirkungs- bzw. Geschäftsbereichs) gelten. „Zuständig“ ist die zur Erledigung der Angelegenheit, in der das Informationsbegehren gestellt wird, zuständige Behörde. Informationen, die von einer anderen Behörde stammen, aber von der Behörde zu den Akten zu nehmen sind, gehören damit auch zu ihrem Wirkungsbereich. Art. 22a B-VG normiert dazu, dass die „mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung oder der Landesverwaltung betrauten Organe“ auskunftspflichtig sind. Der Begriff „Organ“ ist nicht näher definiert. Innerhalb des Art. 20 B-VG i.d.g.F. dürften für die einzelnen Absätze unterschiedliche Begriffsverständnisse für „Organ“ gelten. Durch Art. 22a Abs. 2 B-VG soll nicht der einzelne Organwalter, sondern das Organ im Sinne der einzelnen öffentlich-rechtlichen Einrichtung verpflichtet werden. Innerhalb der Finanzverwaltung können demnach beispielsweise das FAÖ, das FAG, das ZAÖ oder das BMF jeweils als Organ für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich aufgrund von Art. 22a B-VG verpflichtet sein. Nach § 3 Abs. 2 IFG ist jenes informationspflichtige Organ zur Gewährung des Zugangs zu Informationen zuständig, „zu dessen Wirkungs- oder Geschäftsbereich die Information gehört“. Wer konkret die Erledigung des Auskunftsersuchens übernimmt, richtet sich nach den internen Organisationsregeln wie etwa der GPE. Es gilt auch hier das Ursprungsprinzip und im Falle von Informationen, die im Wege eines Beschaffungsvorganges oder eines sonstigen Vertragsabschlusses entstanden sind, hat die Prüfung und Stellungnahme durch die jeweilige bedarfstragende Organisationseinheit zu erfolgen. 3.1.2. 4.1.2. Auskunftsberechtigt Träger des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Zugang zu Information ist jedermann, d.h. jede natürliche und juristische Person, soweit sie Träger dieses Rechts sein kann. Das Recht auf Informationszugang ist nicht durch weitere Vorgaben beschränkt; auch eine Begründung des Informationsbegehrens ist nicht erforderlich.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 27 von 51 Allerdings ist die Vornahme der jedenfalls erforderlichen Interessenabwägungen nur dann effektiv möglich, wenn das Interesse hinter dem Informationsersuchen dargelegt wurde. Andere Verwaltungsbehörden oder Gerichte sind nicht Träger dieses Jedermannsrechts. Sie haben nur Anspruch auf Informationserteilung, wenn es eine explizite rechtliche Grundlage dafür gibt oder die Voraussetzungen für eine Amtshilfe vorliegen. Nach der Rsp. des EGMR kommt „public (social) watchdogs“ bei der Abwägung von Schutzgütern im Zusammenhang mit einer Informationserteilung eine besondere Rolle zu. Dabei handelt es sich etwa um Journalisten, die Informationen benötigen, um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen, oder Nichtregierungsorganisationen, die im öffentlichen Interesse agieren. Diesen kann ein weiterreichender Anspruch auf Zugang zu Informationen zustehen als sonstigen Auskunftswerbern. 3.2. Was Der Begriff der Information wird in § 2 Abs. 1 IFG als „jede amtlichen oder unternehmerischen Zwecken dienende Aufzeichnung im Wirkungsbereich eines Organs, im Tätigkeitsbereich einer Stiftung, eines Fonds oder einer Anstalt oder im Geschäftsbereich einer Unternehmung, unabhängig von der Form, in der sie vorhanden und verfügbar ist“ definiert. Einfachgesetzliche Verschwiegenheitspflichten stehen in einem Spannungsverhältnis zum grundsätzlichen Recht auf Zugang zu Information, das sich aus Art. 22a B-VG sowie dem ebenfalls in Verfassungsrang stehenden Art. 10 EMRK (Grundrecht der Informationsfreiheit) und Art. 11 GRC (Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit) ergibt. Allerdings sind auch „(gesetzliche) Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsverpflichtungen aus den – verfassungsrechtlichen – Schranken von Grund- und Freiheitsrechten abzuleiten. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere den Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) und des Datenschutzes (§ 1 DSG 2000) Bedeutung zu.“ Besteht ein grundsätzliches Recht auf Zugang zu Information, ist bei Verweigerung der Auskunftserteilung durch eine staatliche Behörde ohne gesetzlichen Ausnahmetatbestand von einer Verletzung des Art. 10 EMRK auszugehen. Der Zugang zu Informationen soll beziehungsweise muss also nur dann verweigert werden und Informationen sollen beziehungsweise müssen nur dann geheim gehalten werden,

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 28 von 51 „soweit“ (und auch solange) der Schutz der taxativ aufgezählten Interessen dies erfordert und „gesetzlich nicht anderes bestimmt ist“. Mit dieser aus Art. 20 Abs. 3 B-VG übernommenen Wendung soll klargestellt werden, dass die einfache Gesetzgebung die angeführten Geheimhaltungstatbestände – im Interesse einer höheren Transparenz – auch künftig in gewissem Umfang einschränken, aber keinesfalls erweitern darf (vgl. so mit dem Argument der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gemäß Art. 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK], BGBl. Nr. 210/1958, VfSlg. 6288/1970, 7455/1974, 9657/1983). Unter „erforderlich“ ist geboten bzw. „notwendig“ (im Sinn der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte der EMRK, zum Beispiel in Art. 8) zu verstehen. Zu den zu wahrenden „überwiegenden berechtigten Interessen eines anderen“ vgl. den grundrechtlichen „Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer“ gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK. Als potenziell überwiegendes Privatinteresse kommt primär das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten (vgl. § 1 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes – DSG, BGBl. I Nr. 165/1999; die Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG [Datenschutz-Grundverordnung] – DSGVO, ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S 1; Art. 8 MRK; Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [GRC], ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389) in Betracht, aber auch das grundrechtlich geschützte Privatleben (Art. 8 MRK; Art. 7 GRC; zum erforderlichen Grundrechtsschutz beim öffentlichen Zugang zu Datenregistern gemäß den Art. 7 und 8 GRC vgl. EuGH 22.11.2022, verbundene Rs. C-37/20 und C-601/20, Luxembourg Business Registers, ECLI:EU:C:2022:912), rechtlich geschützte Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, das Bankgeheimnis, Urheberrechte bzw. Rechte am geistigen Eigentum (vgl. Art. 1 1. ZPMRK) oder das Redaktionsgeheimnis (vgl. § 31 des Mediengesetzes – MedienG, BGBl. Nr. 314/1981). Im Hinblick auf unionsrechtlich determinierte Geheimhaltungs- bzw. Informationsregelungen kann – unbeschadet eines allfälligen Anwendungsvorranges – der Ausnahmetatbestand der „zwingenden integrations- […]politischen Gründe“ (vgl. die Vorbildbestimmungen der Art. 23d Abs. 2 und Art. 23e Abs. 3 und 4 B-VG) zum Tragen kommen. Eine Geheimhaltung kann alternativ auch aus zwingenden außenpolitischen Gründen (etwa zur Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen, insbesondere aus Abkommen über den gegenseitigen Schutz von klassifizierten Informationen oder zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen und Berücksichtigung außenpolitischer Interessen gemäß dem Außenwirtschaftsrecht, im Rahmen der Exportkontrolle) erforderlich sein. Die verfassungsgesetzlichen Ausnahmetatbestände können in (einfachen) Bundes- und Landesgesetzen (Materiengesetzen) wiederholt, präzisiert oder

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 29 von 51 eingeschränkt, aber nicht erweitert werden. Ausführungsbestimmungen dazu enthält § 6 IFG. Unter den in § 6 Abs. 1 IFG genannten Ausnahmetatbeständen sind für die Finanzverwaltung insbesondere das „Interesse der unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung“, die „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens der Organe, Gebietskörperschaften“, die „Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen“ sowie im Zusammenhang mit der Wahrung der Finanzmarktstabilität die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ relevant. Treffen diese Geheimhaltungsgründe nur auf einen Teil der angefragten Information zu, unterliegt nur dieser der Geheimhaltung (§ 6 Abs. 2 IFG). 3.2.1. Ausnahmetatbestand „Interesse der unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung“ Der Ausnahmetatbestand der „Vorbereitung einer Entscheidung“ ergibt sich aus Art. 22a Abs. 2 B-VG und § 6 Abs. 1 Z 5 IFG. Mit diesem Tatbestand sollen die unabhängige und ungestörte Beratung und Entscheidungsfindung und der Zweck bzw. Erfolg behördlichen Tätigwerdens geschützt werden.19 Der VwGH hatte sich mit der Auslegung der „Vorbereitung einer Entscheidung“ im Zusammenhang mit Art. 53 Abs. 4 B-VG und § 46 BDG zu befassen, bei deren Auslegung Art. 20 Abs. 3 B-VG zu berücksichtigen war.20 Grundsätzlich soll die Gefahr, dass auf den Entscheidungsträger Druck ausgeübt wird, verhindert werden.21 Aus seiner Entscheidung lässt sich Folgendes ableiten: • Der Ausnahmetatbestand greift auch dann, wenn die in Rede stehende Information Daten bzw. Unterlagen enthält, die vom Auskunftswerber selbst stammen oder diesem Teile der Entscheidung (z.B. Schlussfolgerungen und Empfehlungen) bereits mitgeteilt wurden; • Die Verschwiegenheitsverpflichtung besteht selbst dann, wenn eine (allenfalls spätere) Mitteilung der Entscheidung rechtlich oder faktisch vorgesehen ist; 19 AB 2420 BlgNR 27. GP, 20. 20 VwGH 23.2.2017, Ro 2015/09/0013. Die Erläuterungen in der Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 641/1987 (319 BlgNR 17. GP, 5) verweisen hinsichtlich „der Interpretation der einzelnen Interessentatbestände“ auf die Ausführungen in den Erläuterungen in der Regierungsvorlage zur B-VG Novelle BGBl. Nr. 285/1987 (39 BlgNR 17. GP, 3 f). 21 vgl. auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 (2010) 270.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 30 von 51 • Auch wenn das endgültige Dokument „keine wesentlichen ˜nderungen“ im Vergleich zum Entwurf einer Entscheidung aufweist, ändert dies nichts an der Geheimhaltungspflicht. Wird eine Auskunft nicht erteilt, muss nach der Rsp. des VfGH zu Art. 53 B-VG22 seitens der Behörde nachvollziehbar begründet werden, weshalb die Erfüllung der Auskunftserteilung die Willensbildung im Sinne einer Vorbereitung einer Entscheidung beeinträchtigen könnte. Hierfür ist die konkrete Darlegung, worin die Willensbildung bzw. deren Vorbereitung im gegebenen Zusammenhang besteht und wie diese durch die Auskunftserteilung beeinträchtigt würde, erforderlich, sodass auch der VfGH in die Lage versetzt wird, eine Nachprüfung der Argumentation (Abwägung) vorzunehmen. Eine bloße Zuweisung von Aufgaben bzw. Vollzugsbereichen durch Gesetzesbestimmungen rechtfertigt die Geheimhaltung nicht. Zwar ist Art. 53 Abs. 4 B-VG grundsätzlich enger auszulegen als Art. 20 Abs. 3 B-VG und betrifft nur „den engsten Bereich der Willensbildung der Bundesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder“ bzw. deren unmittelbare Vorbereitung.23 Was die generelle Rechtfertigungspflicht bei Ablehnung des Auskunftsersuchens betrifft, sind diese Überlegungen auf die Anwendung von Art. 22a Abs. 2 B-VG jedoch übertragbar. 3.2.2. Ausnahmetatbestand „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft“ Der Geheimhaltungsgrund „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers“ nach Art. 22a Abs. 2 B-VG und § 6 Abs. 1 Z 6 IFG kann in sämtlichen Vollzugsbereichen relevant sein. Allerdings ist dieser Ausnahmetatbestand durch die EMRK sehr eingeschränkt und betrifft in erster Linie die Privatwirtschaftsverwaltung.24 Die Geheimhaltung ist dann geboten, wenn bei Anlegung einer Durchschnittsbetrachtung die Weitergabe der Information unmittelbar wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen würde.25 Die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands im Abgabenrecht wäre etwa denkbar bei geplanten steuerrechtlichen ˜nderungen, deren vorzeitige Bekanntgabe die Wirkung derselben (aufgrund darauf folgender Dispositionen der Abgabenpflichtigen) konterkarieren würde. 22 vgl. VfGH 16.5.2024, UA 16/2024 Rz. 174 f. 23 VfGH 16.5.2024, UA 16/2024 unter Verweis auf AB 439 BlgNR 25. GP, 5. 24 Feik in Kneihs/Lienbacher, Art. 20/3 Rz. 11. 25 RV 39 BlgNR 17. GP 3.
