handbuchinformationsfreiheitsgesetz_geschwaerzt
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Leitlinien, Regeln und Handlungsanweisungen zur Informationsfreiheit“
Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 30 von 51 • Auch wenn das endgültige Dokument „keine wesentlichen ˜nderungen“ im Vergleich zum Entwurf einer Entscheidung aufweist, ändert dies nichts an der Geheimhaltungspflicht. Wird eine Auskunft nicht erteilt, muss nach der Rsp. des VfGH zu Art. 53 B-VG22 seitens der Behörde nachvollziehbar begründet werden, weshalb die Erfüllung der Auskunftserteilung die Willensbildung im Sinne einer Vorbereitung einer Entscheidung beeinträchtigen könnte. Hierfür ist die konkrete Darlegung, worin die Willensbildung bzw. deren Vorbereitung im gegebenen Zusammenhang besteht und wie diese durch die Auskunftserteilung beeinträchtigt würde, erforderlich, sodass auch der VfGH in die Lage versetzt wird, eine Nachprüfung der Argumentation (Abwägung) vorzunehmen. Eine bloße Zuweisung von Aufgaben bzw. Vollzugsbereichen durch Gesetzesbestimmungen rechtfertigt die Geheimhaltung nicht. Zwar ist Art. 53 Abs. 4 B-VG grundsätzlich enger auszulegen als Art. 20 Abs. 3 B-VG und betrifft nur „den engsten Bereich der Willensbildung der Bundesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder“ bzw. deren unmittelbare Vorbereitung.23 Was die generelle Rechtfertigungspflicht bei Ablehnung des Auskunftsersuchens betrifft, sind diese Überlegungen auf die Anwendung von Art. 22a Abs. 2 B-VG jedoch übertragbar. 3.2.2. Ausnahmetatbestand „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft“ Der Geheimhaltungsgrund „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers“ nach Art. 22a Abs. 2 B-VG und § 6 Abs. 1 Z 6 IFG kann in sämtlichen Vollzugsbereichen relevant sein. Allerdings ist dieser Ausnahmetatbestand durch die EMRK sehr eingeschränkt und betrifft in erster Linie die Privatwirtschaftsverwaltung.24 Die Geheimhaltung ist dann geboten, wenn bei Anlegung einer Durchschnittsbetrachtung die Weitergabe der Information unmittelbar wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen würde.25 Die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands im Abgabenrecht wäre etwa denkbar bei geplanten steuerrechtlichen ˜nderungen, deren vorzeitige Bekanntgabe die Wirkung derselben (aufgrund darauf folgender Dispositionen der Abgabenpflichtigen) konterkarieren würde. 22 vgl. VfGH 16.5.2024, UA 16/2024 Rz. 174 f. 23 VfGH 16.5.2024, UA 16/2024 unter Verweis auf AB 439 BlgNR 25. GP, 5. 24 Feik in Kneihs/Lienbacher, Art. 20/3 Rz. 11. 25 RV 39 BlgNR 17. GP 3.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 31 von 51 3.2.3. Ausnahmetatbestand „Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen“ Der Ausnahmetatbestand „Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen“ ergibt sich aus Art. 22a Abs. 2 B-VG und § 6 Abs. 1 Z 7 IFG. Für das potenziell überwiegende Privatinteresse ist der grundrechtliche „Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer“ gemäß Art. 10 Abs. 2 EMRK relevant. Laut Gesetzesmaterialien betrifft der Ausnahmetatbestand primär das Recht auf Schutz personenbezogener Daten,26 aber auch das grundrechtlich geschützte Privatleben,27 rechtlich geschützte Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, das Bankgeheimnis, Urheberrechte bzw. Rechte am geistigen Eigentum28 oder das Redaktionsgeheimnis29.30 Eine Information über personenbezogene Daten darf nur erteilt werden, wenn und soweit das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an der Geheimhaltung der Information das Informationsinteresse des Informationswerbers nicht überwiegt oder in die Informationserteilung eingewilligt wurde.31 3.2.4. Interessenabwägung Laut Gesetzesmaterialien zu § 6 IFG obliegt es dem informationspflichtigen Organ im konkreten Fall zu beurteilen, abzuwägen und zu begründen, ob, inwieweit und warum eine Geheimhaltung erforderlich bzw. notwendig ist.32 „Dabei spielt die Verhältnismäßigkeitsprüfung (der Geheimhaltung) eine wesentliche Rolle, wie regelmäßig bei Grundrechtsvorbehalten. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergibt sich schon aus dem Begriff ‚erforderlich‘ im grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt (vgl. den im Artikel 1 vorgeschlagenen Art. 22a Abs. 2 B-VG) und soll im Text des einfachen Gesetzes klarstellend 26 Vgl. § 1 Abs. 1 DSG, BGBl I Nr. 165/1999; die Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) – DSGVO, ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016 S 1; Art. 8 MRK; Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389. Ganz allgemein dürfte insbesondere auch vor dem Hintergrund des im Steuerbereich besonders einschlägigen Geheimhaltungsgrundes „Datenschutz“ (§ 6 Abs. 1 Z 7 lit. a IFG) die Rechtsansicht der DSB von Interesse sein. Eine Auslegungshilfe der Datenschutzbehörde ist angekündigt (https://www.dsb.gv.at/aufgaben- taetigkeiten/Informationsfreiheitsgesetz.html). 27 Art. 8 MRK; Art. 7 GRC; zum erforderlichen Grundrechtsschutz beim öffentlichen Zugang zu Datenregistern gemäß den Art. 7 und 8 GRC vgl. EuGH 22.11.2022, verbundene Rs C-37/20 und C-601/20, Luxembourg Business Registers, ECLI:EU:C:2022:912. 28 vgl. Art. 1 1. ZPMRK. 29 vgl. § 31 des Mediengesetzes – MedienG, BGBl Nr. 314/1981. 30 AB 2420 BlgNR 27. GP, 13. 31 AB 2420 BlgNR 27. GP, 20. 32 AB 2420 BlgNR 27. GP, 19 unter Verweis auf die Erläuterungen zu Artikel 1 Z 3 (Art. 22a Abs. 2 B-VG).

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 32 von 51 wiederholt werden.“ Wesentlich für die Verweigerung der Auskunftserteilung ist, dass das Geheimhaltungsinteresse die Interessen des Antragstellers überwiegt. Welche Interessen abzuwägen sind, ist von den im Einzelfall betroffenen Schutzgütern abhängig; potenziell können alle betroffenen Schutzgüter in die Abwägungsentscheidung einfließen. Eine grundrechtskonforme Abwägung erfolgt immer nach dem sogenannten „harm test“. Dieser überprüft, welcher tatsächliche Schaden einem legitimen Schutzgut durch die Informationserteilung oder -veröffentlichung drohen würde. Zusätzlich ist – allerdings nur in den Fällen des Art. 10 EMRK (zB Journalistenanfrage) – mittels „public interest test“ zu beurteilen, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt, das im Ergebnis für das Zugänglichmachen der Information spricht, obwohl dadurch ein gerechtfertigter Geheimhaltungszweck beeinträchtigt werden könnte. Ein reines Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Informationen über das Privatleben anderer ist hierfür bspw. nicht ausreichend.33 Zwar ist ein Informationsbegehren nicht zu begründen, allerdings werden die in den Darlegungen im Zuge der Stellung des Informationsbegehrens getätigten ˜ußerungen hier in die Interessenabwägung einfließen. Der EGMR hat für Fälle, in denen der Zugang zur Information der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung (vor allem der Freiheit zum Empfang und zum Mitteilen von Nachrichten oder Ideen) dient und in denen die Verweigerung des Zugangs einen Eingriff in dieses Recht darstellt, eine umfassende Rsp. entwickelt. Im Rahmen dieser Rsp. nennt der EGMR Kriterien, die für die Ermittlung der Reichweite eines Rechts auf Zugang zu Informationen nach Art. 10 EMRK relevant sind:34 • den Zweck und das Ziel des Informationsansuchens (ist das Sammeln von Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten, mit denen ein Forum für eine öffentliche Debatte geschaffen werden soll oder die ein essentielles Element einer solchen darstellen?); • die tatsächliche Notwendigkeit des Informationsbegehrens für die Ausübung der Meinungsfreiheit; • den Charakter der begehrten Informationen (die Informationen, Daten oder Dokumente, hinsichtlich derer ein Zugang begehrt wird, müssen generell den Test, ob sie im öffentlichen Interesse liegen, bestehen; die Notwendigkeit einer Offenlegung kann dann bestehen, wenn die Offenlegung unter anderem für Transparenz über die 33 vgl. EGMR 29.8.2017, Sioutis, BeschwNr. 16393/14, Rz. 28; 13.2.2020, Tokarev, BeschwNr. 44252/13, Rz. 23. 34 VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083; 28.6.2021, Ra 2019/11/0049; hinsichtlich dieser Kriterien hegt auch der VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken VfGH 4.3.2021, E 4037/2020, VfSlg. 20.446/2021.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 33 von 51 Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten sorgt, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind); • die Rolle des Zugangswerbers (als Journalist bzw. als „social watchdog“ – gesellschaftlicher Wachhund – oder Nichtregierungsorganisation, deren Aktivitäten sich auf Angelegenheiten des öffentlichen Interesses beziehen35) und schließlich • die Existenz von bereitstehenden und verfügbaren Informationen (behördeninterne Hindernisse können jedoch kein Rechtfertigungsgrund für die Verweigerung der Auskunftserteilung sein36). Was die Rolle des Zugangswerbers betrifft, stellt sich die Frage, wer als social watchdog im Sinne der Rsp. des EGMR zu qualifizieren ist. Der EGMR bezieht sich in seiner Judikatur auf die spezielle Rolle von Journalisten im Kontext der „Rolle der Medien in einer demokratischen Gesellschaft“, ihrer Rolle „zur Förderung des Rechts der Öffentlichkeit auf Erhalt und Weitergabe von Informationen“ und dem Ziel, ein Forum für öffentliche Debatten zu schaffen.37 Im Vordergrund seiner Ausführungen steht dabei die Vermittlung von „genauen und zuverlässigen Informationen“ über Angelegenheiten öffentlichen Interesses.38 Im Übrigen zieht der EGMR einen weiten Kreis an Personen, die als social watchdog fungieren können; neben Journalisten und NGOs können auch Wissenschafter, Blogger oder andere prominente Social-Media-Benutzer (wohl Influencer39) social watchdogs sein.40 Sie haben darzulegen, inwieweit die begehrten Informationen für ihre Tätigkeit als social watchdog erheblich sind.41 Laut EGMR ist relevant, ob das Informationsersuchen in der Absicht erfolgt, die gesammelten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.42 Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Rolle von social watchdogs sowie ihren Rechten und Pflichten findet sich im vom EGMR herausgegebenen Guide on Article 10 of the European Convention on Human Rights.43 35 vgl. dazu bereits VfGH 4.3.2021, E4037/2020, VfSlg. 20.446/2021 unter Verweis auf EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki BizottsÆg, BeschwNr. 18030/11, Rz. 149 ff. 36 EGMR 28.11.2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, BeschwNr. 39534/07, Rz. 46. 37 EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki BizottsÆg, BeschwNr. 18030/11, Rz. 165 f. 38 EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki BizottsÆg, BeschwNr. 18030/11, Rz. 167 mit weiteren Nachweisen. 39 Dworschak, Informationsfreiheit im Umbruch (2020) 143. 40 EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki BizottsÆg, BeschwNr. 18030/11, Rz. 168 mit weiteren Nachweisen. 41 EGMR 30.1.2020, Monitori and others, BeschwNr. 44920/09, 8942/10 Rz. 42 mit weiteren Nachweisen. 42 EGMR 6.1.2015, Weber, BeschwNr. 70287/11, Rz. 24. 43 European Court of Human Rights, Guide on Article 10 of the European Convention on Human Rights – Freedom of Expression, Rz. 312 ff.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 34 von 51 Wurde festgestellt, dass ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung vorliegt, ist zu prüfen, ob dieser gerechtfertigt ist (dem materiellen Gesetzesvorbehalt in Art. 10 Abs. 2 EMRK entspricht). Hierfür muss der Eingriff auf Basis einer gesetzlichen Grundlage einen legitimen Eingriffszweck verfolgen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und im Ergebnis verhältnismäßig sein. Die Abwägungsentscheidung ist hinreichend zu begründen. 3.3. Wie Grundsätzlich soll ein relativ formloses Informationsbegehren genügen. Eine schriftliche Klarstellung kann unter Umständen erforderlich sein. Dabei gilt die behördliche Manuduktionspflicht (§ 13a des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzeses 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991). Ein schriftlich präzisierter Antrag gilt, da erst dieser die Antragsvoraussetzungen erfüllt und nichts Anderes geregelt ist, mit dem Tag seines Einlangens bei der informationspflichtigen Stelle als eingebracht. Mängel schriftlicher Anbringen führen nicht zur Zurückweisung, sondern allenfalls zu einem Verbesserungsauftrag (§ 13 Abs. 3 AVG). Unbeschadet der Geltung des § 6 Abs. 1 AVG (vgl. Abs. 4), wurde zur Klarstellung eine Weiterleitungspflicht normiert. Soweit im Informationsfreiheitsgesetz nichts anderes bestimmt ist, sollen die Bestimmungen des AVG anzuwenden sein (ua. betreffend Vertretung, Niederschriften, Aktenvermerke, Ladungen, Zustellungen, Fristenberechnung und Bescheide). Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zum auskunftsrechtlichen Verfahren vor einem Antrag auf Bescheiderlassung soll gesetzlich ausdrücklich klargestellt werden, dass bereits die Informationserteilung eine behördliche Aufgabe ist (Abs. 4; vgl. Artikel I Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Wenn das informationspflichtige Organ im Rahmen der erforderlichen Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Informationszugang und den Rechten eines anderen (vgl. § 6 Abs. 1 Z 7 IFG) vorläufig zur Auffassung gelangt, die Information sei im konkreten Fall zu erteilen, weil die gegenläufigen Rechte anderer nicht als schwerer wiegend zu erachten seien, soll dem bzw. der von der beabsichtigten Informationserteilung Betroffenen zwar keine Parteistellung im Verfahren eingeräumt, aber Gelegenheit zur Stellungnahme

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 35 von 51 mittels Anhörung gegeben werden, wenn dies möglich ist. Damit soll dem Informationspflichtigen die Abwägungsentscheidung aufbereitet und dafür gesorgt werden, dass der bzw. die Betroffene von der beabsichtigten Informationserteilung überhaupt erfährt und die eigenen Rechte wahrnehmen kann. Die Stellungnahme soll die Behörde zwar nicht binden, aber eine (wesentliche) Grundlage für die von ihr vorzunehmende Interessenabwägung darstellen. „[N]ach Möglichkeit“ bedeutet, dass das informationspflichtige Organ in dem Ausmaß zur Anhörung verpflichtet werden soll, als einer solchen keine faktische Hindernisse entgegenstehen. Auch aus zeitlichen Schranken kann sich eine Unmöglichkeit ergeben, weil die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Fristen einzuhalten sind. Die Anhörungspflicht soll insbesondere davon abhängen, ob die Behörde den Kontakt zum bzw. zur Betroffenen in diesem zeitlichen und sonst verhältnismäßigen Rahmen herstellen kann. Aufwendige Recherchen, wer überhaupt Betroffener bzw. Betroffene sein könnte, sollen nicht anzustellen sein. Ebenso kann die Anhörung einer sehr großen Anzahl Betroffener innerhalb der vorgesehenen Frist sich als nicht zu bewältigen und daher „unmöglich“ erweisen. Der bzw. die von der Informationserteilung Betroffene ist über die Erteilung der Information jedenfalls zu informieren (vgl. die Vorbildbestimmung des § 7 Abs. 2 UIG). Erachtet sich der bzw. die Betroffene dadurch im eigenen Grundrecht auf Datenschutz als verletzt, bleibt es ihm bzw. ihr unbenommen, (gemäß § 24 DSG iVm. Art. 77 DSGVO) Beschwerde an die Datenschutzbehörde zu erheben. Macht der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde eine wesentliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen durch die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten glaubhaft, kann die Datenschutzbehörde die Weiterführung der Datenverarbeitung mit Mandatsbescheid (vgl. § 57 Abs. 1 AVG) untersagen, teilweise untersagen oder einschränken (§ 25 Abs. 1 iVm. § 22 Abs. 4 DSG). Die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde, über eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz zu entscheiden, soll von der vorgeschlagenen Anhörung unberührt bleiben. Daran ändert auch der Rechtsweg an die Verwaltungsgerichte im Verfahren zur Informationserteilung nichts: Auch das Verwaltungsgericht hat den bzw. die in seinem bzw. ihrem Recht auf Datenschutz Betroffenen anzuhören (§ 17 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, iVm. § 10). Das Verwaltungsgericht kann die Information nicht selbst erteilen, sondern nur aussprechen, dass die Information zu erteilen ist. Der bzw. die datenschutzrechtlich Betroffene kann gegen ein solches Erkenntnis zwar kein Rechtsmittel erheben, weil er bzw. sie nicht Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist und ein Rechtsweg vom Verwaltungsgericht an die Datenschutzbehörde nicht vorgesehen ist bzw. die Datenschutzbehörde als nationale Aufsichtsbehörde gemäß Art. 55 Abs. 3 DSGVO für die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen nicht zuständig ist,

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 36 von 51 allerdings bleibt es dem bzw. der datenschutzrechtlich Betroffenen unbenommen, gegen den gewährten Informationszugang eine Beschwerde an die Datenschutzbehörde zu erheben, da der gewährte Informationszugang (und damit die potenzielle Verletzung von Datenschutzrechten) in der Folge ohnehin durch die informationspflichtige Stelle zu erfolgen hat. Durch den Rechtsweg, der auch gegen die Entscheidung der Datenschutzbehörde an das Verwaltungsgericht offensteht, und in beiden Fällen (Verfahren zur Informationserteilung und Datenschutzbeschwerde) letztlich zum VwGH und zum VfGH führt, ist nach Ansicht des Gesetzgebers für eine einheitliche Auslegung und Anwendungspraxis gesorgt. Im Übrigen geht auch Art. 77 Abs. 1 DSGVO von einem möglicherweise parallelen Rechtsweg aus (vgl. „unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde“). Auf die bei Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes (1.9.2025) anhängigen Verfahren betreffend die Erteilung einer Auskunft sollen Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG in der derzeit geltenden Fassung und die auf Grund des Art. 20 Abs. 4 B-VG erlassenen Gesetze und die auf deren Grundlage erlassenen Verordnungen weiter anzuwenden sein. 3.4. Wo Die Information ist in der beantragten oder sonst tunlichen Form, möglichst durch die Gewährung von unmittelbarem Zugang zur Information, zu erteilen. Die begehrte Information kann aber zum Beispiel auch mündlich erteilt werden, wenn dem Informationsbegehren damit entsprochen wird. Bereits proaktiv veröffentlichte Informationen brauchen nicht noch einmal auf Antrag erteilt zu werden. Auf bereits veröffentlichte Informationen darf verwiesen werden. Ausnahmsweise kann es in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen, in denen das Internet nicht genutzt werden kann, allerdings (etwa auf Grund fortgeschrittenen Alters oder einer Behinderung) angezeigt sein, trotz erfolgter Veröffentlichung auch einen individuellen Informationszugang zu gewähren. Ein teilweiser Informationszugang soll möglich sein, sofern die Information teilbar, die teilweise Informationserteilung möglich ist und ein verhältnismäßiger Aufwand nicht überschritten wird. Eine Missbrauchsschranke ist ebenso vorgesehen (vgl. dazu die ständige Rsp. des VwGH zur offenkundigen Mutwilligkeit, gekennzeichnet durch Inanspruchnahme der Behörde „in dem Bewusstsein der Grundlosigkeit und Aussichtslosigkeit, der Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit“ oder „aus Freude an der

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 37 von 51 Behelligung“ ohne konkretes Auskunftsinteresse, zum Beispiel VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083, unter Berufung auf VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038) wie die Grenze eines unverhältnismäßigen Behördenaufwands (Abs. 3; zum unverhältnismäßigen Aufwand vgl. zum Beispiel VwGH 29.5.2001, 98/03/0007 und grundlegend EGMR 28.11.2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, BeschwerdeNr. 39534/07). Allein die Tatsache, dass etwa im Zusammenhang mit journalistischen Recherchen zum Zweck der Ermöglichung einer öffentlichen Debatte vermehrt Anfragen gestellt werden, indiziert jedenfalls noch keinen Missbrauch des Informationsrechts. Ebenso wenig begründen knappe oder mangelnde Ressourcen des Informationspflichtigen in jedem Fall und ohne Weiteres einen unverhältnismäßigen Aufwand. Im Fall der Nichterteilung, teilweisen oder nicht antragsgemäßen Erteilung der Information ist auf Antrag unverzüglich, spätestens aber nach Ablauf von zwei Monaten nach Einlangen dieses Antrages, ein (negativer) Bescheid darüber zu erlassen. In dem zur Bescheiderlassung führenden Verfahren gelten (subsidiär) die Bestimmungen des AVG (vgl. Art. I Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008), nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Abweichungen. Wie nach der bisherigen Praxis üblich, soll es auch weiterhin zulässig sein, gleichzeitig mit dem ursprünglichen Antrag auf Informationszugang für den Fall der Nichterteilung einen Eventualantrag auf Erlassung eines Bescheids zu stellen. Die zweimonatige Frist zur Bescheiderlassung beginnt auch in dem Fall freilich erst mit der Mitteilung, dass die Information nicht erteilt wird. Der Bescheid kann mittels Bescheidbeschwerde bei den in der Sache jeweils zuständigen Verwaltungsgerichten und bei behaupteter Verletzung des Grundrechts auf Informationszugang letztlich beim VfGH angefochten werden. Damit können die (auch partielle) Nichterteilung der begehrten Information sowie unter Umständen auch die (behauptetermaßen rechtswidrige) Art und Weise der Erteilung einer Information angefochten werden. Für das Verwaltungsgericht soll dabei eine Entscheidungsfrist von zwei Monaten gelten. Dementsprechend ist es erforderlich, auch die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG entsprechend zu verkürzen. Im Säumnisfall soll die Möglichkeit der Nachholung des Bescheides (§ 16 VwGVG) mangels Aussicht auf Erfolg und zur Straffung des Verfahrens ausgeschlossen werden. Im Übrigen soll sich das Verfahren des Verwaltungsgerichts nach den allgemeinen Bestimmungen des VwGVG richten. Das Verwaltungsgericht soll in Angelegenheiten der Informationsfreiheit durch Einzelrichter erkennen (vgl. § 2 VwGVG), auch wenn im

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 38 von 51 Materiengesetz, zu dem die Information erteilt werden soll, eine Senatszuständigkeit vorgesehen ist; es handelt sich in der Sache dennoch um eine Angelegenheit der Informationsfreiheit, das maßgebliche Bundesgesetz (Materiengesetz) ist das Informationsfreiheitsgesetz. Das Verwaltungsgericht hat nach Maßgabe des § 28 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden. 3.5. Wann: Spätestens binnen einer Frist von vier Wochen ist entweder die Information zu erteilen oder über die Nichterteilung zu informieren (Abs. 1). Diese Frist soll aus besonderen Gründen sowie, wenn eine von der Informationserteilung betroffene Person zu hören (§ 10) und dies nicht binnen der vierwöchigen Frist zu bewerkstelligen ist, höchstens um weitere vier Wochen verlängert werden können (Abs. 2). Im Fall der Nichterteilung, teilweisen oder nicht antragsgemäßen Erteilung der Information ist auf Antrag unverzüglich, spätestens aber nach Ablauf von zwei Monaten nach Einlangen dieses Antrages, ein (negativer) Bescheid darüber zu erlassen. 3.6. In kurzen Worten – Checkliste 1. Liegt ein Antrag auf Zugang zu Informationen vor? 2. Ist eine Zuständigkeit für die angesprochene Information und deren Verfügbarkeit gegeben? 3. Handelt es sich um eine Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes? 4. Bestehen besondere Informationszugangsregelungen (zum Beispiel nach dem UIG) bzw. ist ein spezielles öffentliches elektronisches Register für den Zugang zur Information eingerichtet (zum Beispiel Transparenzdatenbank) oder wurde die Information ohnehin bereits veröffentlicht in Wahrnehmung der Verpflichtung zur proaktiven Informationspflicht? 5. Liegen Ausnahmetatbestände bzw. Geheimhaltungsgründe vor? 6. Überwiegen die Geheimhaltungsinteressen in der Abwägung gegen das Auskunftsinteresse (harm test und interest test)? 7. Ist eine teilweise Veröffentlichung jener Informationen möglich, auf welche das Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen in der Abwägung gegen das Auskunftsinteresse (harm test und interest test) nicht zutrifft? 8. Ist die Beantragung des Zugangs zur Information offenbar missbräuchlich erfolgt bzw. würde die Erteilung der Information die Erfüllung der sonstigen Tätigkeit des Organs wesentlich und unverhältnismäßig beeinträchtigen?

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 39 von 51 Wird eine der Fragen 1 bis 3 verneint oder Frage 4 bejaht, so hat keine Informationsgewährung zu erfolgen. Werden die Fragen 1 bis 3 bejaht und Frage 4 verneint, aber auch Frage 5 wird bejaht, so ist eine Interessenabwägung vorzunehmen; die Veröffentlichung hat dann lediglich bei Verneinung der Frage 6 beziehungsweise bei deren Bejahung nur soweit zu erfolgen, als es die Antwort zu Frage 7 zulässt. Wird Frage 8 bejaht, so hat keine Informationsgewährung zu erfolgen. Werden Interessen des Datenschutzes in der Interessenabwägung angesprochen, so hat eine Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten in Angelegenheiten der Zentralleitung bzw. den Datenschutzkoordinatorinnen und –koordinatoren in Angelegenheiten im nachgeordneten Bereich zu erfolgen, werden Rechte Dritter angesprochen, so sind diese als Beteiligte mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zu informieren. 3.7. Musterprozess für Anfragen • Eingang des Verlangens bei IFB (Zentralstelle) oder IF-KO (nachgeordneter Bereich) − Protokollierung des Eingangsstückes im ELAK unter dem Sachgebiet 240600 mit Definition des Sammelaktes für den Vollzug des Informationsfreiheitsgesetzes; es werden Musterelaks zur Verfügung gestellt, wesentlich ist, dass der Betreff stets besteht aus • „Vorname Nachname, Datum des Schreibens − Begehren des Zugangs zu Informationen gemäß IFG zu Beschreibung des Themas − Erteilung der Auskunft/Erstreckung der Frist/Verständigung Betroffener/Nichtgewährung des Zugangs zur begehrten Information/Bescheiderlassung wegen Nichtgewährung des Zugangs zur Information/Vorlage der Beschweidbeschwerde an das BVwG (nur zutreffendes anführen und allfällige Vorkorrespondenz als elektronische Bezugszahl(en) dem ELAK anschließen“ • Vorprüfung: − Liegt eine grundsätzliche Auskunftlegitimation vor („Jedermannsrecht“), − ist denkmöglich, dass eine angeforderte Information bei einem anderen Organ vorliegt („Abtretung“),
