tads-lib-2024-05-10-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
weitreichender Verleumdungsgesetze und die erzwungene Schließung von Medienunternehmen (USDOS 23.4.2024). Repressionen aufgrund politischer Überzeugungen sind häufig (AA 9.4.2024). Jahrelanger Druck der Regierung und Einschränkungen in Tadschikistan haben die Medien ihrer Fähigkeit beraubt, effektiv zu arbeiten (FH 24.5.2023). Die Regierung schränkt die Medien erheblich ein, indem sie unabhängigen Journalisten die Akkreditierung verweigert, Blogger inhaftiert und den Inhalt von Sendungen kontrolliert. Der zivilgesellschaftliche Sektor spielt eine aktive Rolle im öffentlichen Leben, leidet jedoch unter unzureichender Finanzierung und ständiger Einmischung der Regierung. Politische und abweichende Meinungen werden von einer Justiz, die die grundlegenden Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht einhält, hart bestraft (FH 24.5.2023). Medienberichten und Journalisten zufolge übten sich Journalisten regelmäßig in Selbstzensur, um Vergeltungsmaßnahmen der Behörden zu vermeiden (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 24.4.2024). Der Nationale Verband unabhängiger Massenmedien Tadschikistans (NANSMIT) stellt fest, dass es für Journalisten immer schwieriger geworden ist, Informationen von den lokalen Behörden zu erhalten. In ihrem jüngsten Bericht stellte sie fest, dass selbst die Generalstaatsanwaltschaft die gesetzlichen Anforderungen an die Bereitstellung von Informationen nicht erfüllt (FH 24.5.2023). Menschenrechtsaktivisten und Journalisten berichteten über verstärkte Aktivitäten von Troll- Fabriken und staatlich organisierten Bloggern, die Kampagnen durchführten, um kritische Stimmen online zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen - eine Maßnahme, die die Regierung in der Vergangenheit implizit zugegeben hat. Die NRO International Partnership for Human Rights (IPHR) dokumentierte den Einsatz gezielter Rache-Porno-Attacken gegen Journalistinnen, denen mit der Veröffentlichung von kompromittierendem intimen Material im Internet gedroht wurde, um sie von kritischer Berichterstattung abzuhalten (FH 24.5.2023). Kritik an praktischen Versäumnissen, spezifischen Gesetzen und Systemen auf unterer Ebene wird in bestimmten Bereichen wie den Rechten von Kindern mit Behinderungen toleriert (FH 24.5.2023). Jegliche direkte Kritik am Präsidenten, seiner Familie oder der Art des Regimes und den Beamten der Regierung ist verboten (FH 24.5.2023; vgl. USDOS 23.4.2024). Zwar gibt es im Internet noch eine gewisse „Bewegungsfreiheit“, auch wird Unmut über Missstände in sozialen Medien geäußert, doch bemüht sich die Regierung hier ebenfalls um Beschränkungen: Alle E-Mails werden über ein einheitliches Kontrollzentrum geleitet. Der Zugang zu kritischen Seiten und Social-Media-Plattformen ist oft auch ohne gerichtlichen Beschluss blockiert. Ein Gesetz aus dem Jahr 2017 erlaubt es den Behörden, das Online-Verhalten der Bürger zu überwachen und ermöglicht u.a. Geld- und Haftstrafen für den Besuch „unerwünschter“ Seiten. Der Zugang zum Internet wird zeitweise breitflächig ausgesetzt (AA 9.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 36

Dem Gesetz zufolge konnten die Sicherheitsbehörden den Internetverkehr überwachen und hatten Zugang zu Informationen darüber, welche Internetseiten Einzelpersonen besuchten und nach welcher Art von Informationen die Personen suchten (USDOS 23.4.2024). Angesichts der umfassenden staatlichen Überwachung von Internetaktivitäten, einschließlich E- Mails, zensierten Einzelpersonen und Gruppen ihre Ansichten bei der Nutzung des Internets häufig selbst (USDOS 23.4.2024; vgl. BS 2024). In der Rangliste der Pressefreiheit 2024 liegt Tadschikistan auf Platz 155 von 180 gelisteten Staaten, was eine Verschlechterung um 2 Plätze gegenüber 2023 darstellt (RSF 2024). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.4.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107532/Ausw %C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan%2C_09.04.2024.pdf, Zugriff 3.5.2024 - AI – Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107932.html, Zugriff 3.5.2024 - BS – Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report, Tajikistan, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_TJK.pdf, Zugriff 30.4.2024 - FH – Freedom House (24.5.2023): Nations in Transit 2023 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2092914.html, Zugriff 2.5.2024 - RSF – Reporter ohne Grenzen (2024): Tadschikistan, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/ Rangliste_2024/RSF_Rangliste_der_Pressefreiheit_2024.pdf, Zugriff 3.5.2024 - USDOS – US Department of State [USA) (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107655.html, Zugriff 30.4.2024 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung festgeschrieben; in der Praxis sind sie jedoch massiv beschränkt (AA 9.4.2024; vgl. AI 24.4.2024), indem sie für die Abhaltung friedlicher Proteste oder die Registrierung zivilgesellschaftlicher Organisationen eine Genehmigung der örtlichen Behörden verlangte, die routinemäßig und willkürlich ohne Begründung verweigert wurde. Die Steuerbehörden und andere Aufsichtsbehörden schüchterten die Zivilgesellschaft ein oder erzwangen die Schließung von NRO durch häufige und willkürliche Inspektionen, politisierte Gerichtsverfahren sowie Drohungen und Schikanen seitens der Sicherheitsdienste, die die NRO zur Selbstauflösung zwangen (USDOS 23.4.2024). Demonstrationen benötigen eine Genehmigung, diese wird häufig nicht erteilt bzw. wird die Demonstration unterbunden. Wenn Kundgebungen stattfinden, sind sie in der Regel von staatlicher Seite inszeniert und organisiert (AA 9.4.2024). Versammlungen der Opposition sind verboten (FH 24.5.2023). Die Mitgliedschaft in einigen politischen Parteien oder Oppositionsgruppen wurde kriminalisiert und diente als Grundlage für mehrere strafrechtliche Verurteilungen. Das Gesetz verpflichtete alle .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 36

„öffentlichen Vereinigungen“, detaillierte Finanzberichte auf ihren Websites zu veröffentlichen, und erlegte ihnen weitere aufwändige Berichtspflichten auf (USDOS 23.4.2024). Die PDP kontrolliert die Majlis Namoyandagon (Repräsentantenversammlung) und verfügt über 47 Sitze in der 63 Sitze umfassenden Unterkammer des Parlaments. Seit den Parlamentswahlen 2020 haben fünf nominelle Oppositionsparteien die restlichen 16 Sitze in der Versammlung inne. Keine dieser Parteien bietet jedoch eine substantielle Opposition zur Regierungspolitik. Die lautstärkste Kritikerin der Regierung, die Sozialdemokratische Partei, hat keine Sitze in der Versammlung (FH 24.5.2023). Präsident Rahmon hat in den letzten Jahren seine Macht weiter abgesichert und die Opposition im Inland völlig ausgeschaltet, Oppositionsgruppen können nur aus dem Ausland operieren. Die Sozialdemokratische Partei Tadschikistan (SDPT), zweite Oppositionspartei, ist weitgehend bedeutungslos (AA 9.4.2024). Oppositionsparteien sowie lokale und internationale Beobachter berichteten, dass die Regierung selektiv politische Gegner verhaftete und strafrechtlich verfolgte. Über die Zahl der politischen Gefangenen gibt es keine endgültigen Angaben, aber NRO und Oppositionsgruppen schätzen die Zahl der politischen Gefangenen auf etwa 400 (USDOS 23.4.2024). Mitglieder der Opposition befinden sich entweder im Exil im Ausland oder machen in Tadschikistan so wenig wie möglich auf sich aufmerksam. Um im Ausland befindliche Mitglieder der Opposition zu belangen benützt Tadschikistan immer wieder das Red-Notice System von Interpol (ÖB 1.2023). Schutzfähigkeit und vor allem Schutzwillen vonseiten des Staates bei oppositioneller Tätigkeit ist nicht gegeben (ÖB 1.2023). Die Regierung nutzte Einschüchterung und missbrauchte gerichtliche Verfahren, um grenzüberschreitend gegen Einzelpersonen sowohl außerhalb als auch innerhalb der Landesgrenzen vorzugehen, wobei politische Gegner, Aktivisten der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und deren Familienangehörige zur Zielscheibe wurden (USDOS 23.4.2024). Die Regierung verhängte Verbote gegen die IRPT, die Gruppe 24 und die Nationale Allianz Tadschikistans, bei denen es sich um friedliche politische Parteien oder Bewegungen handelte, die aus zweifelhaften politischen Gründen gemäß den Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Extremismus verboten wurden. Religiös nahestehende politische Parteien wurden verboten (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB 1.2023). Mitglieder der Opposition werden bei der Vergabe von Ämtern und bei der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit weiterhin diskriminiert bzw. sind diese Möglichkeiten nahezu verwehrt (BS 2024). Oppositionspolitiker hatten keinen Zugang zum staatlichen Fernsehen. Die Regierung räumte den Oppositionsparteien nur minimale Sendezeit ein, um ihre politischen Ansichten zu äußern. Privaten Sendern war es untersagt, Kooperationsvereinbarungen mit ausländischen Medien einzugehen, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 36

und sie durften ohne Genehmigung des Staatskomitees keine Sendungen veröffentlichen oder ausstrahlen. Darüber hinaus waren die Privatsender verpflichtet, die staatlichen Medien an allen kommerziellen Projekten zu beteiligen, die Einnahmen generierten. Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften konnte zum Verlust der Sendelizenz führen (USDOS 23.4.2024). Tadschikistan wird wegen seines brutalen Vorgehens gegen die politische Opposition in den letzten Jahren, zu dem auch glaubwürdige Foltervorwürfe gehören, zunehmend als Menschenrechtsparia angesehen (BS 2024). Es ist davon auszugehen, dass tadschikische Sicherheitsdienste die Aktivitäten von Exiloppositionellen und regierungskritischen Personen genau beobachten: Auf nahe Angehörige in Tadschikistan wird Druck ausgeübt, damit diese ihre Verwandten beeinflussen, deren politische Aktivitäten im Ausland einzustellen (AA 9.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, AI 24.4.2024). Auch können sie selbst Strafverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt werden. Exil-politisch aktive Mitglieder der als terroristische Organisationen verbotenen „G24“ und „PIWT“ und prominente Kritikerinnen und Kritiker müssten bei Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen (AA 9.4.2024). Oppositionsnachrichtenagenturen und Websites, die sich außerhalb des Landes befinden, wurden von der Regierung weiterhin blockiert (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz sah das Recht vor, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, verlangte jedoch die Registrierung aller Nichtregierungsorganisationen, einschließlich der Gewerkschaften (USDOS 23.4.2024). Die Föderation der unabhängigen Gewerkschaften Tadschikistans (FNPT) steht unter strenger Aufsicht und unterstützt die Initiativen der Regierung in vollem Umfang. Nur zwei NRO, die FNPT und der Jugendverband Tadschikistans, haben das Recht, Kandidaten für das Präsidentenamt zu nominieren (FH 24.5.2023). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.4.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107532/Ausw %C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan%2C_09.04.2024.pdf, Zugriff 6.5.2024 - AI – Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107932.html, Zugriff 7.5.2024 - BS – Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report, Tajikistan, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_TJK.pdf, Zugriff 30.4.2024 - FH – Freedom House (24.5.2023): Nations in Transit 2023 – Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2092914.html, Zugriff 29.4.2024 - ÖB – Österreichische Botschaft Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085309/TADS_%C3%96B-Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 30.4.2024 - USDOS – US Department of State [USA) (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107655.html, Zugriff 2.5.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 36

14. Haftbedingungen Die Haftbedingungen waren hart und lebensbedrohlich. Grobe Überbelegung war ein Problem, da in fast allen Gefängnissen die vorgeschriebene Höchstbelegung überschritten wurde. Der Zugang zu und die Qualität von Nahrungsmitteln, Trinkwasser, sanitären Einrichtungen, Heizung, Belüftung, Beleuchtung und medizinischer Versorgung waren unzureichend, und fast alle Gefangenen waren zum Überleben auf zusätzliche Nahrung angewiesen, die von Verwandten und Freunden gebracht wurde (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 9.4.2024, BS 2024). Es gibt Berichte, dass die Haftbedingungen für politische Gefangene noch schlechter seien als für „normale“ Strafgefangene, vor allem zu Beginn der Haftzeit (AA 9.4.2024) und Berichte über Misshandlungen und Folter durch Wachpersonal (AA 9.4.2024; vgl. AI 24.4.2024, BS 2024). Das Justizministerium schränkte den Zugang zu Gefängnissen und Hafteinrichtungen für Vertreter der internationalen Gemeinschaft und von NRO ein. Seit 2004 hatte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz keinen Zugang mehr zu den Gefängnissen, da es keine Vereinbarung mit der Regierung gab (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.4.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107532/Ausw %C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan%2C_09.04.2024.pdf, Zugriff 2.5.2024 - AI – Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107932.html, Zugriff 26.4.2024 - BS – Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report, Tajikistan, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_TJK.pdf, Zugriff 26.4.2024 - USDOS – US Department of State [USA) (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107655.html, Zugriff 30.4.2024 15. Todesstrafe Tadschikistan gehört zu den Ländern und Staaten, in denen Hinrichtungsmoratorien (in der Praxis, wenn seit mindestens zehn Jahren keine Hinrichtung vollstreckt wurde oder per Gesetz wenn dieses Moratorium auf eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung folgt) gelten (Frankreich Diplomatie 10.2022; vgl. laenderdaten.info 11.2023). Für Frauen ist sie gänzlich abgeschafft (AA 9.4.2024). Seit 2004 gab es keine Hinrichtungen (ÖB 1.2023). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.4.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107532/Ausw %C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan%2C_09.04.2024.pdf, Zugriff 2.5.2024 - Frankreich Diplomatie [Frankreich] (10.2022): Abschaffung der Todesstrafe, https://www.diplomatie.gouv.fr/de/aussenpolitik-frankreichs/menschenrechte-62159/abschaffung- der-todesstrafe/, Zugriff 29.4.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 36

- laenderdaten.info (11.2023): In diesen Ländern gibt es die Todesstrafe, https://www.laenderdaten.info/todesstrafe.php, Zugriff 29.4.2024 - ÖB – Österreichische Botschaft Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085309/TADS_%C3%96B-Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 2.5.2024 16. Religionsfreiheit Die tadschikische Verfassung gewährt weltanschauliche Neutralität und Religionsfreiheit (AA 9.4.2024). Die Verfassung sieht das Recht vor, sich individuell oder gemeinsam mit anderen zu einer beliebigen Religion oder zu keiner Religion zu bekennen und an religiösen Bräuchen und Zeremonien teilzunehmen. In der Verfassung heißt es, dass „Religiöse Vereinigungen vom Staat getrennt sein müssen und sich nicht in staatliche Angelegenheiten einmischen dürfen“. Der Regierungsausschuss für Religion, Regulierung von Traditionen, Festen und Zeremonien (CRA) hat ein weitreichendes Mandat, das die Genehmigung der Registrierung religiöser Vereinigungen, den Bau von Gotteshäusern, die Teilnahme von Kindern am Religionsunterricht und die Verbreitung religiöser Literatur umfasst (USDOS 15.5.2023). Allerdings bleibt der Spielraum für die Ausübung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit hinter den Garantien der internationalen Menschenrechtsnormen zurück (AA 9.4.2024). Die Regierung schränkt auf der Grundlage dreier Gesetze (Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen von 2009; Gesetz über die Bekämpfung von Extremismus von 2020; Gesetz über die Bekämpfung des Terrorismus von 2021) und unter Berufung auf die nationale Sicherheit die Religionsfreiheit in der Praxis stark ein. Sie kontrolliert alle Glaubensgemeinschaften und verfolgt rigoros vor allem tatsächliche oder angebliche salafistische Aktivitäten (AA 9.4.2024). Deutliche Repressionen gibt es aus Sorge vor Radikalisierung gegen echte oder vermeintliche Vertreter extremistischer Strömungen des Islam, vor allem gegen Salafisten, aber auch gegen protestantische Freikirchen und Zeugen Jehovas (AA 9.4.2024; vgl. USCIRF 5.2023). Das Gesetz beschränkt das islamische Gebet auf bestimmte Orte, regelt die Registrierung und den Standort von Moscheen und verbietet Personen, die jünger als 18 Jahre sind, die Teilnahme an öffentlichen religiösen Aktivitäten (USDOS 15.5.2023; vgl. USCIRF 5.2023), außer Beerdigungen (USCIRF 5.2023). Die Regierung verlangte weiterhin die Registrierung aller Religionsgemeinschaften. Nicht registrierte Religionsgemeinschaften dürfen keine religiösen Treffen oder Versammlungen einberufen, kein Eigentum für religiöse Zwecke besitzen oder nutzen, keine religiöse Literatur herstellen oder einführen, keine Spenden entgegennehmen, keine Wohltätigkeitsarbeit verrichten und keine ausländischen Personen zur Teilnahme an religiösen Aktivitäten einladen (USCIRF 5.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 36

Seit 2007 hat die Regierung die religiöse Gruppe der Zeugen Jehovas verboten, weil sie religiöse Aktivitäten ausübt, die gegen die Gesetze des Landes verstoßen, wie etwa die Verweigerung des obligatorischen Militärdienstes.(USDOS 15.5.2023) und im gleichen Jahr die Tätigkeit in Tadschikistan wegen u.a. Aufruf zur Verweigerung des Militärdienstes verboten. Seitdem wurden mehrere Mitglieder der Zeugen Jehovas, die ihren Militärdienst verweigerten, zu Haftstrafen von 3- 5 Jahren verurteilt (ÖB 1.2023). Einzelpersonen außerhalb der Regierung gaben weiterhin an, dass sie aus Angst vor staatlichen Schikanen zögerten, Themen wie die gesellschaftliche Achtung der religiösen Vielfalt, einschließlich Missbrauch oder Diskriminierung aufgrund der religiösen Überzeugung, zu diskutieren. Vertreter der Zivilgesellschaft sagten, dass sie Diskussionen über Religion im Allgemeinen, insbesondere über die Beziehungen zwischen verschiedenen religiösen Gruppen, weiterhin vermeiden (USDOS 15.5.2023). Das Gesetz verbietet die Gründung und Tätigkeit religiöser Vereinigungen, die Rassismus, Nationalismus, Feindschaft, sozialen und religiösen Hass fördern, zum gewaltsamen Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung oder zur Organisation bewaffneter Gruppen aufrufen. Die Verfassung verbietet "Propaganda und Agitation", die religiöse Feindschaft fördern (USDOS 15.5.2023). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.4.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107532/Ausw %C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan%2C_09.04.2024.pdf, Zugriff 3.5.2024 - AI – Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107932.html, Zugriff 2.5.2024 - ÖB – Österreichische Botschaft Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085309/TADS_%C3%96B-Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 30.4.2024 - USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (5.2023): United States Commission on International Religious Freedom 2023 Annual Report; USCIRF–Recommended for Countries of Particular Concern (CPC): Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092560/Tajikistan.pdf, Zugriff 29.4.2024 - USDOS – US Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091915.html, Zugriff 28.4.2024 16.1. Religiöse Gruppen Mehr als 90 % der Bevölkerung sind Muslime, von denen die Mehrheit der Hanafi-Schule des sunnitischen Islam angehört. Etwa 3 bis 4 Prozent der Muslime sind schiitische Ismailiten, von denen die meisten in der GBAO (Gorno-Badakhshon Autonomous Region) im Osten des Landes leben (USDOS 15.5.2023). Die größte christliche Gruppe ist russisch-orthodox. Es gibt kleinere Gemeinschaften von evangelischen Christen, Baptisten, römischen Katholiken, Siebenten-Tags-Adventisten, Mitgliedern .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 36

der Zeugen Jehovas, Lutheranern und konfessionslosen Protestanten. Außerdem gibt es kleinere Gemeinschaften von Juden, Bahais und Mitgliedern der Internationalen Gesellschaft für Krishna- Bewusstsein (USDOS 15.5.2023). Das harte Vorgehen gegen die religiösen Praktiken der Ismaeliten, einer religiösen Minderheit der GBAO, das im Jahr 2022 mit der Zerstörung religiöser Symbole, der Schließung von Gebetsstätten und dem Verbot religiöser Feste begonnen hatte, verschärfte sich. Die Behörden bestraften weiterhin das gemeinsame Gebet in Privathäusern, drohten mit der strafrechtlichen Verfolgung von Religionspädagogen, beschlagnahmten religiöses Lehrmaterial und versuchten Berichten zufolge, bestimmte Praktiken durch die der sunnitischen muslimischen Mehrheit zu ersetzen (AI 24.4.2024). Es gab keine Berichte über antisemitische Vorfälle. Die kleine jüdische Gemeinde des Landes - der Jüdische Weltkongress schätzt ihre Mitgliederzahl auf 200 bis 600 - verfügte über ein Gotteshaus und sah sich keinem offenkundigen Druck seitens der Regierung oder anderer gesellschaftlicher Kräfte ausgesetzt (USDOS 23.4.2024). Quellen: - USDOS – US Department of State [USA) (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107655.html, Zugriff 28.4.2024 - USDOS – US Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091915.html, Zugriff 28.4.2024 17. Minderheiten Nationale Minderheiten werden in Tadschikistan toleriert und bilden ca. 15,7 Prozent der Gesamtbevölkerung (ÖB 1.2023). Die Verfassung sieht den gleichen Schutz vor dem Gesetz für alle Bürger vor, unabhängig von ihrer ethnischen oder nationalen Herkunft (USOS 23.4.2024). Das Verhältnis zu den zahlenmäßig größten nationalen Minderheiten (usbekisch 14 Prozent, kirgisisch 0,8 Prozent, Pamiris 3 Prozent) ist weitgehend frei von staatlicher Diskriminierung, wenngleich sie nicht in allen Bereichen die gleichen Chancen haben wie ethnische Tadschiken (AA 9.4.2024). Größere Minderheiten sind auch Angehörige anderer Ethnien, die vor allem unter sowjetischer Ägide nach Tadschikistan kamen, deren Zahlen aber deutlich abgenommen haben (z.B. Russen, Belarussen, Ukrainer, Tataren, Koreaner etc.). Im Großen und Ganzen unterscheidet sich deren Lage nicht von der der Mehrheitsbevölkerung. Gelegentlich kommt es zu öffentlichen Anfeindungen. Langjährige Beobachter des Landes berichten, dass die Fremdenfeindlichkeit zugenommen habe (AA 9.4.2024). Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen aufgrund ihrer Ethnie, Religion oder Nationalität sind die Ausnahme (AA 9.4.2024). Das Gesetz schränkte die Beteiligung von Angehörigen von Minderheitengruppen am politischen Prozess nicht ein, und bis zu einem gewissen Grad nahmen sie daran teil (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 36

Im April [2023] äußerte sich der CERD-Ausschuss besorgt über die Marginalisierung und Diskriminierung der Pamiris, einer ethnischen und religiösen Minderheit, die hauptsächlich in GBAO lebt. Obwohl Tadschikistan im Jahr 2022 ein Gesetz über die Gleichstellung und die Beseitigung aller Formen von Diskriminierung verabschiedet hatte, wurden die Pamiris durch die Gesetzgebung nicht geschützt, da die Behörden bestritten, dass sie eine ethnisch oder sprachlich unterschiedliche Gruppe seien. Die Behörden setzten die gewaltsame Assimilierung der pamirischen Bevölkerung fort und unterdrückten den Gebrauch der pamirischen Sprache und die Behauptung der pamirischen Identität in staatlichen Einrichtungen, Schulen, Medien, künstlerischen Darbietungen und öffentlichen Räumen (AI 24.4.2024). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.4.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107532/Ausw %C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tadschikistan%2C_09.04.2024.pdf, Zugriff 30.4.2024 - AI – Amnesty International (24.4.2024): The State of the World's Human Rights; Tajikistan 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107932.html, Zugriff 2.5.2024 - ÖB – Österreichische Botschaft Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Tadschikistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085309/TADS_%C3%96B-Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 3.5.2024 - USDOS – US Department of State [USA) (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Tajikistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107655.html, Zugriff 29.4.2024 17.1. Frauen Es gibt kein Gesetz, das Frauen oder Männer diskriminiert, die Verfassung stipuliert die Gleichheit der Geschlechter. Tadschikistan bleibt jedoch eine konservative Gesellschaft mit hoher sozialer Kontrolle, in der traditionelle Rollenmuster vorherrschen (AA 9.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Das Gesetz schränkte die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess nicht ein, und bis zu einem gewissen Grad nahmen sie daran teil (USDOS 23.4.2024). Frauen sind in öffentlichen Ämtern und Unternehmen deutlich unterrepräsentiert. In der laufenden Legislaturperiode sind nur 19 % der Parlamentssitze und 6 % der stellvertretenden Ministerposten (von 13 %) mit Frauen besetzt (gegenüber 23 %) (BS 2024). Frauen waren in Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen der politischen Institutionen unterrepräsentiert. Kulturelle Gepflogenheiten verhinderten die Beteiligung von Frauen an der Politik, obwohl die Regierung und die politischen Parteien einige Anstrengungen unternahmen, die Beteiligung von Frauen zu fördern (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz stellte Vergewaltigung unter Strafe, die mit bis zu 20 Jahren Haft geahndet werden konnte. Es gab weder ein gesondertes Gesetz für Vergewaltigung in der Ehe noch für die Vergewaltigung von Männern. Die Polizei riet den Frauen in der Regel davon ab, Anzeige zu erstatten (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 36

Häusliche Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor weit verbreitet (AA 9.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, HRW 11.1.2024, BS 2024), Trotz eines entsprechend verabschiedeten Gesetzes 2013 ist staatlicher Schutz vor sexueller Gewalt innerhalb der Ehe kaum gegeben, Gesetzesentwürfe zur Kriminalisierung von häuslicher Gewalt wurden bislang nicht verabschiedet (AA 9.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Behörden, die die traditionellen Geschlechterrollen fördern wollten, taten häusliche Gewalt häufig als "Familienangelegenheit" ab, gingen gemeldeten Fällen von häuslicher Gewalt nur selten nach und verfolgten nur wenige mutmaßliche Täter (USDOS 23.4.2024). Das staatliche Komitee für Frauenangelegenheiten verfügte nur über begrenzte Mittel, um Opfer häuslicher Gewalt zu unterstützen, aber die Vertreter des Komitees verwiesen die Frauen zur Unterstützung an Notunterkünfte (USDOS 23.4.2024). Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz war nicht gesetzlich verboten. Das Komitee für Frauen- und Familienangelegenheiten unterhielt ein Callcenter für Opfer von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, über das ein Spezialist den Opfern rechtlichen und psychologischen Beistand leisten konnte (USDOS 23.4.2024). Hanafi-Sunniten-Moscheen setzten weiterhin ein religiöses Edikt des von der Regierung unterstützten Ulema-Rates durch, das Frauen das Beten in diesen Moscheen untersagt (USDOS 15.5.2023). Ehen werden oftmals nicht formalisiert, sondern (auch wegen der Verwaltungskosten) nur vor einem Imam eingegangen. So können die gesetzlichen Verbote von Eheschließungen vor Erreichen der Volljährigkeit umgangen werden (AA 9.4.2024). Religiöse Zeremonien ermöglichten de facto Polygynie und die Verheiratung von Minderjährigen trotz der Illegalität dieser Praktiken. Inoffizielle Zweit- und Drittehen wurden immer häufiger geschlossen, wobei weder die Ehefrauen noch die Kinder aus den nachfolgenden Ehen Rechtsstellung oder Rechte hatten (USDOS 23.4.2024). Zwangsheiraten kommen vor. „Ehrenmorde“ oder Genitalverstümmelung sind nicht bekannt (AA 9.4.2024). Die Wirtschaftsreform- und Armutsbekämpfungsstrategien des Landes enthalten zwar solide Komponenten, die auf die Beseitigung dieser Ungleichheiten abzielen, aber eine Reihe institutioneller, sozialer und kultureller Faktoren haben die Umsetzung dieser Maßnahmen behindert. Die politische Elite um Präsident Rahmon vertritt ein äußerst konservatives und patriarchalisches Gesellschaftsmodell, in dem Frauen und Jugendliche eine untergeordnete Rolle spielen (BS 2024). Sexuelle Ausbeutung und/oder Zwangsprostitution kommen vor allem aufgrund wirtschaftlicher Not vor, sind aber kein leicht auszumachendes Alltagsphänomen. Schutz vor sexueller Gewalt ist gesetzlich gegeben, in der Praxis dürfte dieser jedoch häufig nicht durchsetzbar sein (AA 9.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 36
