vene-lib-2025-02-18-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Ein Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist ein COI-Dokument, das beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (RD, EASt, ASt, BVwG) mittels Recherche von vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß den Standards der Staatendokumentation erstellt wird. Ein LIB gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend relevanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU- Mitgliedsstaaten. Die LIB dienen den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Für sie gilt § 5 Abs. 5 letzter Satz BFA-G, d.h. sie sind als solche nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Sie werden aber durch Verwendung im Verfahren (Parteiengehör, Verwendung im Bescheid) der jeweiligen Partei zugänglich und durch Verwendung im Bescheid öffentlich gemacht. Dieses Produkt ist als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Gerichte entwickelt worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit mindestens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungsfindung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das LIB stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann insbesondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Zugunsten der besseren Les- und Verwendbarkeit wird im vorliegenden Produkt auf eine genderneutrale Schreibweise verzichtet. So nicht explizit angemerkt, sind immer alle Geschlechter gemeint. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Das LIB beinhaltet Arbeitsübersetzungen fremdsprachiger Quellen. Auswahl, Verwertung und Verwendung von Informationen im vorliegenden Produkt unterliegen dem Qualitätsmanagement der Staatendokumentation. Eine Aktualisierung des LIB erfolgt bei gegebenem Bedarf auf Anfrage. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Daher können auch im LIB verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 2 von 41

Länderspezifische Anmerkungen keine. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3 von 41

Inhaltsverzeichnis 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen................................................................ 6 2. Politische Lage..........................................................................................................................7 3. Sicherheitslage..........................................................................................................................9 4. Justizwesen / Rechtsschutz.................................................................................................... 10 5. Sicherheitsbehörden............................................................................................................... 12 6. Folter und unmenschliche Behandlung...................................................................................14 7. Korruption................................................................................................................................14 8. NGOs, Menschenrechtsaktivisten und Ombudsperson.......................................................... 15 9. Wehrdienst und Rekrutierungen............................................................................................. 16 10. Allgemeine Menschenrechtslage............................................................................................ 16 11. Meinungs- und Pressefreiheit................................................................................................. 18 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition............................................................ 21 12.1. Versammlungsfreiheit......................................................................................................... 21 12.2. Vereinigungsfreiheit............................................................................................................ 22 12.3. Opposition.......................................................................................................................... 23 13. Haftbedingungen.....................................................................................................................24 14. Todesstrafe..............................................................................................................................26 15. Religionsfreiheit.......................................................................................................................26 15.1. Religiöse Gruppen..............................................................................................................27 16. Ethnische Minderheiten...........................................................................................................27 16.1. Indigene Minderheiten........................................................................................................28 17. Relevante Bevölkerungsgruppen............................................................................................29 17.1. Frauen................................................................................................................................ 29 17.2. Kinder................................................................................................................................. 32 17.3. Sexuelle Minderheiten........................................................................................................ 34 18. Bewegungsfreiheit...................................................................................................................35 19. Flüchtlinge...............................................................................................................................35 20. Grundversorgung und Wirtschaft............................................................................................ 36 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 41

20.1. Sozialbeihilfen.................................................................................................................... 38 21. Medizinische Versorgung........................................................................................................ 39 22. Rückkehr................................................................................................................................. 40 23. Dokumente..............................................................................................................................41 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 41

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 41

2. Politische Lage Venezuela ist eine präsidiale Demokratie mit einem Einkammerparlament. Die demokratische Ordnung ist jedoch weitgehend ausgehöhlt (AA 15.3.2024a). Das politische System ist seit der Regierungszeit von Hugo Chávez von Autoritarismus geprägt, seit 2013 ist sein Nachfolger Nicolas Maduro an der Macht (AA 15.3.2024b). In Venezuela kam es im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zu einer Verschärfung der Repressionen, einschließlich der Verhaftung von Oppositionsmitgliedern (von denen viele weiterhin willkürlich inhaftiert sind und deren Aufenthaltsort unbekannt ist), der willkürlichen Disqualifizierung von Oppositionskandidaten und der Bemühungen um eine weitere Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums (HRW 16.1.2025). Am 28. Juli 2024 haben die Venezolaner in großer Zahl an den Präsidentschaftswahlen teilgenommen. In der Wahlnacht erklärte der venezolanische Wahlrat, dass Amtsinhaber Nicolás Maduro die Wahl mit über 51 Prozent der Stimmen gewonnen hat (HRW 16.1.2025; vgl. BAMF 29.7.2024). Bis heute hat der Rat weder die Auszählungslisten der einzelnen Wahllokale veröffentlicht noch die gesetzlich vorgeschriebenen Wahlprüfungen oder Bürgerkontrollen durchgeführt (HRW 16.1.2025). Nach der Wahl äußerten internationale Beobachter ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Behauptung des Wahlrats, Nicolás Maduro sei wiedergewählt worden (HRW 16.1.2025). Das Wahlexpertengremium der Vereinten Nationen und das Carter Center, die die Wahlen in Venezuela auf Ersuchen der Wahlbehörde beobachteten, stellten fest, dass es dem Prozess an Transparenz und Integrität mangelte, und stellten die erklärten Ergebnisse in Frage. Sie schenkten den von der Opposition veröffentlichten Auszählungslisten auf Bezirksebene Glauben, die laut Carter Center darauf hindeuteten, dass der Oppositionskandidat Edmundo González die Wahl mit großem Vorsprung gewonnen hatte (HRW 16.1.2025). Der regierungsnahe oberste Wahlrat (CNE) erklärte Maduro nach der Wahl vom 28.7.2024 mit 52 % der Stimmen zum Wahlsieger, ohne jedoch aufgeschlüsselte Zahlen zur Auszählung vorzulegen. Der Einheitskandidat der Opposition, Edmundo Gonzalez Urrutia, reklamierte, die Wahl mit 67 % der Stimmen gewonnen zu haben (BAMF 13.1.2025). Am 10.1.2025 wurde Nicolás Maduro trotz internationaler Proteste für eine dritte Amtszeit als Präsident vereidigt (BAMF 13.1.2025). Am 2. September erließ ein Richter einen Haftbefehl gegen González wegen „Verschwörung“, „Aufstachelung zum Ungehorsam“ und anderer Straftaten. González war gezwungen, aus dem Land zu fliehen (HRW 16.1.2025). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 41

Nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse gingen Tausende von Demonstranten in weitgehend friedlichen Protesten auf die Straße, um eine faire Auszählung der Stimmen zu fordern. Die Menschen, auch in einkommensschwachen Gebieten, die traditionell den Chavismo - die politische Bewegung des verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez - unterstützen, protestierten in großer Zahl. Die Behörden reagierten mit Gewalt und weit verbreiteten Übergriffen, darunter Tötungen, willkürliche Verhaftungen und Strafverfolgung sowie die Schikanierung von Kritikern (HRW 16.1.2025). Human Rights Watch erhielt glaubwürdige Berichte über 23 Tötungen von Demonstranten und Unbeteiligten und fand Beweise, die Sicherheitskräfte und regierungsnahe bewaffnete Gruppen, so genannte „Colectivos“, mit mehreren dieser Tötungen in Verbindung zu bringen (HRW 16.1.2025). Das Wahlsystem ist stark von politischer Manipulation und institutioneller Einmischung zugunsten der PSUV (United Socialist Party of Venezuela) geprägt (FH 2024). Das Maduro-Regime stützt sich auf das Militär, paramilitärische Kräfte und undurchsichtige Unterstützung aus dem Ausland, um seine politische Macht zu erhalten. Militärführer haben zahlreiche Ämter übernommen, und Maduro hat die Bolivarische Miliz (eine zivile Milizgruppe, die 2008 zur Unterstützung des Militärs gegründet wurde) weiter gestärkt (FH 2024). Die Amtszeit des Präsidenten beträgt sechs Jahre und unterliegt keiner Amtszeitbeschränkung (FH 2024). Die Einkammer-Nationalversammlung (Parlament) wird vom Volk für fünf Jahre gewählt, wobei eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlsystem angewandt wird (FH 2024). Die Regional- und Kommunalwahlen im November 2021 wurden durch den Missbrauch staatlicher Mittel und die Einmischung der Justiz zu Gunsten der Regierung beeinträchtigt. Eine Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union (EU) berichtete, dass die Wahlbeteiligung bei 42,5 Prozent lag, dem niedrigsten Wert seit 25 Jahren (FH 2024). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2024a): Venezuela, Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/venezuela-node/venezuela-224980, Zugriff 18.2.2025 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.3.2024b): Venezuela, politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/venezuela-node/politisches-portraet-225028, Zugriff 18.2.2025 - BAMF – BA für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (13.1.2025): Briefing Notes, Venezuela, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw03-2025.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 17.1.2025 - BAMF – BA für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (29.7.2024): Briefing Notes, Venezuela, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw31-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 18.2.2025 - FH – Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Venezuela, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105035.html, Zugriff 14.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 41

- HRW – Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Venezuela, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120046.html, Zugriff 14.2.2025 3. Sicherheitslage Venezolaner sind physischer Unsicherheit und Gewalt aus verschiedenen Quellen ausgesetzt, darunter irreguläre bewaffnete Gruppen, Sicherheitskräfte und organisierte Banden (FH 2024). Die Kriminalitätsrate und die Gewaltbereitschaft sind hoch (EDA 18.2.2025; vgl. AA 18.2.2025). Der Besitz von Schusswaffen ist weit verbreitet (EDA 18.2.2025). Aufgrund der anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Krise ist es vor allem in den Städten auch spontan zu Demonstrationen gekommen. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten mit Straßensperrungen sind möglich (AA 18.2.2025; vgl. EDA 18.2.2025, BMEIA 18.2.2024a). Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Venezuela nicht ausgeschlossen werden (EDA 18.2.2025). Die NRO Alerta Venezuela warnte davor, dass irreguläre bewaffnete Gruppen im Land Menschenrechtsverletzungen begehen, darunter Tötungen, Folter, Entführungen, Binnenvertreibungen indigener Gemeinschaften, Menschenhandel und Ausbeutung von Frauen und Kindern (USDOS 23.4.2024). In den Gebieten entlang der kolumbianischen Grenze, insbesondere in den venezolanischen Teilstaaten Amazonas, Apure, Barinas, Táchira und Zulia, aber auch im Grenzgebiet zu Brasilien besteht eine hohe Gefahr durch organisierte Kriminalität mit Entführungen und anderen Gewaltverbrechen. Im Bundesstaat Apure kommt es regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Drogenbanden bzw. Mitgliedern ehemaliger Guerillagruppen (FARC) (AA 18.2.2025; vgl. EDA 18.2.2025). Darunter auch die Nationale Befreiungsarmee (ELN) die Patriotischen Kräfte der Nationalen Befreiung (FPLN) und Gruppen, die nach der Demobilisierung der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) entstanden sind (HRW 16.1.2025). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.2.2025): Venezuela, Reise- und Sicherheitshinweise, Sicherheit – Teilreisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/venezuela- node/venezuelasicherheit-224982, Zugriff 18.2.2025 - BMEIA – BM Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (18.2.2025a): Venezuela, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/venezuela, Zugriff 18.2.2025 - EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (18.2.2025): Reisehinweise für Venezuela, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/venezuela/reisehinweise-fuervenezuela.html, Zugriff 18.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 41

- FH – Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 – Venezuela, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105035.html, Zugriff 14.2.2025 - HRW – Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Venezuela, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120046.html, Zugriff 14.2.2025 - USDOS – US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Venezuela, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107618.html, Zugriff 13.2.2025 4. Justizwesen / Rechtsschutz Die Verfassung sah eine unabhängige Justiz vor, aber die Justiz war nicht unabhängig und entschied im Allgemeinen auf allen Ebenen zugunsten von Maduro und seinen Vertretern (USDOS 23.4.2024; vgl. HRW 16.1.2025, FH 2024). Es gab glaubwürdige Vorwürfe von Korruption und politischer Einflussnahme in der gesamten Justiz (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz sah das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren mit mündlicher Verhandlung für alle Personen vor. Das Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) stellte fest, dass anhaltende Verzögerungen bei Gerichtsverfahren (einschließlich Ermittlungen, Anhörungen und Strafverfolgung) die Garantien für ein faires und ordnungsgemäßes Verfahren untergruben (USDOS 23.4.2024). Es gab einen allgemeinen Mangel an Transparenz bei der Zuweisung von Staatsanwälten zu strafrechtlichen Ermittlungen. Diese Mängel behinderten die Möglichkeit, Straftäter vor Gericht zu bringen, und führten zu einer hohen Straflosigkeitsrate bei gewöhnlichen Straftaten und Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen (USDOS 23.4.2024). Gerichte stützten sich auf Beweise, die von anonymen „ patriotas cooperantes “ (kooperierenden Patrioten) erlangt wurden, um mutmaßliche Gegner Maduros zu schikanieren (USDOS 23.4.2024). Vertreter Maduros nutzten die Justiz, um Personen einzuschüchtern und gerichtlich zu verfolgen, die ihrer Politik oder ihren Handlungen kritisch gegenüberstanden, und erhoben in der Regel Anklage wegen Verschwörung, Terrorismus und Verrats, um Personen zu verhaften (USDOS 23.4.2024). Laut Gesetz galten Angeklagte bis zum Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Das Gesetz verlangte, dass Häftlinge unverzüglich über die gegen sie erhobenen Anklagen informiert werden. Das Gesetz sah auch vor, dass bei Abwesenheit des Verteidigers ein vom Gericht ernannter Pflichtverteidiger das Verfahren weiterführen konnte. Diese Anforderungen wurden laut Menschenrechtsorganisationen oft ignoriert (USDOS 23.4.2024). Das Recht mittelloser Angeklagter auf einen kostenlosen Rechtsbeistand wurde aufgrund des Anwaltsmangels oft nicht respektiert. Nicht spanischsprachigen Angeklagten stand oft keine kostenlose Dolmetscherleistung zur Verfügung (USDOS 23.4.2024). Unter bestimmten Umständen waren Abwesenheitsurteile zulässig, obwohl Gegner eines solchen Verfahrens behaupteten, dass die Verfassung solche Urteile verbietet (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 41

Obwohl der Kodex der Militärjustiz dahingehend reformiert wurde, dass Zivilisten nicht mehr vor Militärgerichten angeklagt werden dürfen, erließ der Oberste Gerichtshof (TSJ) im Jahr 2021 eine Entscheidung, die die Möglichkeit offen ließ, Zivilisten vor Militärgerichten anzuklagen , wenn die Exekutive dies für angemessen hält (USDOS 23.4.2024). Es gab glaubwürdige Berichte, dass Vertreter Maduros versuchten, internationale Strafverfolgungsinstrumente, einschließlich Interpol-Ausschreibungen (Red Notices), zu missbrauchen, um politisch motivierte Repressalien gegen bestimmte Personen außerhalb des Landes durchzuführen (USDOS 23.4.2024). Die Verfassung verbot die Festnahme oder Inhaftierung einer Person ohne richterliche Anordnung und sah vor, dass der Angeklagte bis zur Verhandlung auf freiem Fuß bleibt, aber Richter und Staatsanwälte missachteten diese Bestimmungen oft. Vertreter Maduros räumten Inhaftierten nur selten das Recht ein, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung vor Gericht anzufechten, obwohl dieses Recht gesetzlich verankert war. Vertreter Maduros nahmen Personen, darunter auch ausländische Staatsbürger, willkürlich für längere Zeiträume ohne strafrechtliche Anklage in Gewahrsam (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz schreibt vor, dass Häftlinge innerhalb von 12 Stunden einem Staatsanwalt und innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt werden müssen, um die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung zu prüfen. Das Gesetz schreibt außerdem vor, dass Häftlinge unverzüglich über die gegen sie erhobenen Anklagen informiert werden müssen. Staatsanwälte und Richter ignorierten diese Anforderungen jedoch routinemäßig (USDOS 23.4.2024). Obwohl das Gesetz eine Kaution vorsah, wurde Personen, die wegen bestimmter Straftaten angeklagt waren, keine Freilassung gegen Kaution gewährt (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz gestand Inhaftierten das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und zu Familienangehörigen zu, aber diese Anforderung wurde oft nicht erfüllt, insbesondere bei politischen Gefangenen. Die Verfassung gewährte jeder inhaftierten Person auch das Recht auf sofortige Kommunikation mit Familienangehörigen und Rechtsbeiständen, die wiederum das Recht hatten, den Aufenthaltsort eines Inhaftierten zu erfahren (USDOS 23.4.2024). Eine längere Untersuchungshaft stellte nach wie vor ein erhebliches Problem dar. Das Gesetz sah vor, dass eine Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, nicht länger als die mögliche Mindeststrafe für dieses Verbrechen oder länger als zwei Jahre inhaftiert werden darf, je nachdem, welcher Zeitraum kürzer ist, außer unter bestimmten Umständen, z. B. wenn der Angeklagte für die Verzögerung des Verfahrens verantwortlich war. Vertreter Maduros ignorierten diese Anforderungen routinemäßig (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 41
