2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-afghanistan-version-12-3379
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2023): Briefing Notes Zu sammenfassung: Afghanistan - Juli bis Dezember 2023, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nod es/29188455, Zugriff 22.1.2024 [Login erforderlich] ■ Crisis 24 - Crisis24 (24.7.2023): Increased security in place across Afghanistan for Shi’a observance of Ashura July 28. Disruptions…, https://crisis24.garda.com/alerts/2023/07/afghanistan-authorities-i ncreasing-security-nationwide-for-ashura-july-28 , Zugriff 7.3.2024 ■ KaN - Kabul Now (31.7.2023): Death toll of Taliban crack down on Ashura mourners rises, https: //kabulnow.com/2023/07/death-toll-of-taliban-crack-down-on-ashura-mourners-rises , Zugriff 30.1.2024 ■ KaN - Kabul Now (25.7.2023): Taliban’s strict restrictions on Muharram processions continue across Afghanistan, https://kabulnow.com/2023/07/talibans-strict-restrictions-on-muharram-processions-c ontinue-across-afghanistan, Zugriff 30.1.2024 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (3.2023): Annual Report 2023, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-01/AR 2023.pdf, Zugriff 5.3.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023 18.2 Apostasie, Blasphemie, Konversion Letzte Änderung 2024-04-05 14:10 Es liegen keine zuverlässigen Schätzungen zur Anzahl der Christen in Afghanistan vor (US DOS 15.5.2023), jedoch gibt es Schätzungen, wonach sich etwa 10.000 bis 12.000 Christen im Land befinden (USCIRF 8.2022; vgl. ICC 29.9.2021). Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebets stätten extrem eingeschränkt (AA 26.6.2023). Nach Angaben der NGO International Christian Concern arbeiten die Taliban daran, das Christentum vollständig aus dem Land zu entfernen, und behaupten sogar, dass es in Afghanistan keine Christen gibt. Viele Christen sind in den Untergrund gegangen, aus Angst vor den Gerichten (ICC 12.7.2023) oder Hausdurchsuchungen der Taliban (USDOS 15.5.2023). Der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion ist nach der vor Gericht geltenden Hana fi-Rechtsschule Apostasie. Proselytenmacherei, also der Versuch, Muslime zu einer anderen Religion zu bekehren, ist nach der hanafitischen Rechtsschule, die vor Gericht gilt, ebenfalls illegal. Diejenigen, die der Proselytenmacherei beschuldigt werden, werden mit der gleichen Strafe belegt wie diejenigen, die vom Islam konvertieren. Auch Blasphemie, zu der unter an derem islamfeindliche Schriften oder Äußerungen gehören können, ist nach der hanafitischen Schule ein Kapitalverbrechen. Angeklagte Gotteslästerer, einschließlich Apostaten, haben drei Tage Zeit, um zu widerrufen, sonst droht ihnen der Tod, obwohl es nach der Scharia kein klares Verfahren für einen Widerruf gibt. Einige Hadithe (Aussprüche oder Überlieferungen des Pro pheten Muhammad, die als Quelle des islamischen Rechts dienen) empfehlen Gespräche und Verhandlungen mit einem Abtrünnigen, um ihn zum Widerruf zu bewegen (USDOS 15.5.2023). Vor der Machtübernahme durch die Taliban berichteten christliche Vertreter, dass die öffentli che Meinung, wie sie in den sozialen Medien und anderswo zum Ausdruck kam, Konvertiten zum Christentum und der Idee christlicher Missionierung weiterhin feindselig gegenüberstand. Sie berichteten von Druck und Drohungen, vor allem vonseiten der Familie, dem Christen tum abzuschwören und zum Islam zurückzukehren. Sie sagten, dass Christen aus Angst vor 97

gesellschaftlicher Diskriminierung und Verfolgung weiterhin allein oder in kleinen Gemeinden, manchmal mit zehn oder weniger Personen, in Privathäusern beteten. Die Daten, Zeiten und Orte dieser Gottesdienste wurden häufig geändert, um nicht entdeckt zu werden. Öffentliche christliche Kirchen gibt es weiterhin nicht. Nach der Machtübernahme durch die Taliban berich ten Christen über Razzien der Taliban in den Häusern christlicher Konvertiten, selbst nachdem diese aus dem Land geflohen oder ausgezogen waren. Christliche Quellen gaben an, dass die Machtübernahme durch die Taliban intolerante Verwandte ermutigt, ihnen Gewalt anzudro hen und die Konvertiten zu verraten, falls sie das Christentum weiter praktizierten (USDOS 2.6.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ ICC - International Christian Concern (12.7.2023): Afghanistan’s Christians Fight to Survive Under the Taliban, https://www.persecution.org/2023/07/13/afghanistans-christians-fight-to-survive-under -the-taliban, Zugriff 5.3.2024 ■ ICC - International Christian Concern (29.9.2021): New Senate Bill Addresses Afghanistan Crisis - International Christian Concern, https://www.persecution.org/2021/09/29/new-senate-bill-address es-afghanistan-crisis, Zugriff 16.12.2022 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (8.2022): Religious Freedom in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2081302/2022 Afghanistan Update.pdf, Zugriff 16.12.2022 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2073953.html, Zugriff 15.12.2022 19 Ethnische Gruppen Letzte Änderung 2025-01-14 15:59 In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Men schen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022). Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023a). Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So 98

gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 26.6.2023). Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minder heiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtuni schen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 26.6.2023). Quellen ■ 8am - Hasht-e Sobh (30.3.2022): NSIA Estimates Afghanistan’s Population 34.3 Million, https://8am. media/eng/nsia-estimates-afghanistans-population-34-3-million , Zugriff 19.12.2022 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (1.2.2024): Afghanistan - The World Factbook, https://www. cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society , Zugriff 7.2.2024 ■ MRG - Minority Rights Group (5.1.2022): Hazaras, https://minorityrights.org/minorities/hazaras , Zugriff 19.12.2022 ■ NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (4.2022): Estimated Population of Afghanistan 2022-2023, availiable in the archive of the Staatendokumentation [Estimated Population of Afghanistan 2022-2023, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf], https://cloud.staatendok umentation.at/index.php/apps/files/?dir=coi-cms-archive/9b/86&fileid=04439056o [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf] ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023a): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2089060.html, Zugriff 15.5.2023 19.1 Paschtunen Letzte Änderung 2024-04-10 20:16 Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghani stans (MRG 5.2.2021a; vgl. AA 26.6.2023). Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime und leben hauptsächlich im Süden und Osten des Landes (MRG 5.2.2021a; vgl. Print 21.9.2021). Sie teilen sich in zwei große Gruppen auf - Durrani und Gheljai (auch Ghilzai or Ghilzay) - und in weitere Untergruppen von mehr als hundert kleineren Stämmen. Die Durrani sind vor allem in den südlichen Provinzen des Landes wie Kandahar, Zabul, Helmand, Uruzgan, sowie verstreut in anderen Provinzen verbreitet, während die Gheljai eher in Provinzen wie Paktia, Logar, Khost, Paktika, Maidan Wardak und anderen anzutreffen sind (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Traditionell waren die Pasch tunen nomadisierende oder halbnomadische Viehzüchter, Ackerbauern und Händler. Seit langer Zeit sind sie in Städten ansässig geworden, wo sie verschiedensten Tätigkeiten nachgehen. Paschtunische Stämme waren stets die militärische Stütze des afghanischen Königshauses 99

und wurden dafür mit einigen Privilegien (Steuervergünstigungen, weitgehende Autonomie in inneren Angelegenheiten u. a.) versehen (STDOK 1.7.2016). Bei den Paschtunen haben Familienstand, Stammeseinfluss, Besitz und Einfluss einen hohen Stellenwert. Ein hoher Anteil von Männern in paschtunischen Familien gilt als ein Zeichen der Stärke. Aufgrund der bedeutenden Rolle der Familie kann individuelles Fehlverhalten auch der Familie schaden und unschuldige Familienmitglieder zu Opfern machen. Die meisten Paschtu nen bevorzugen Ehen mit anderen Paschtunen und sind ggf. mit der Heirat von nahen Verwand ten einverstanden. Ehen zwischen Paschtunen und Mitgliedern anderer Ethnien wie Hazara, Usbeken oder Tadschiken sind selten (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021a): Pashtuns, https://minorityrights.org/minorities/pashtuns, Zugriff 19.12.2022 ■ Print - Print, The (21.9.2021): Who are Pashtuns? Afghan majority with countless tribes that Imran Khan got wrong, https://theprint.in/theprint-essential/who-are-pashtuns-afghan-majority-with-count less-tribes-that-imran-khan-got-wrong/737916/ , Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (1.7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/loc al/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 23.1.2023 ■ STDOK/VQ AFGH - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Öster reich], Journalist aus Afghanistan [Vertrauliche Quelle 1] (4.2024): Themenbericht der Staatendoku mentation: Pashtuns and the Pashtunwali, https://www.ecoi.net/en/document/2106990.html, Zugriff 10.4.2024 19.1.1 Paschtunwali Letzte Änderung 2024-04-10 20:16 Die Sozialstruktur der Paschtunen basiert auf dem Paschtunwali-Kodex (oder Pukhtunwali-Ko dex) (MRG 5.2.2021a; vgl. STDOK/VQ AFGH 4.2024, STDOK 7.2016), der als Verhaltens- und Moralsystem angesehen werden kann. Obwohl die paschtunischen Stämme unterschiedliche Sitten und Gebräuche haben, ist der gemeinsame Nenner all dieser Stämme der Paschtunwali- Kodex, und alle Paschtunen sind verpflichtet, ihn zu befolgen. Paschtunwali umfasst bestimmte Verhaltensgrundsätze, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben und die von Generation zu Generation durch Jirgas, Volksversammlungen (Marakas) und traditionelle Er ziehung weitergegeben werden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Obwohl es nicht schriftlich nieder gelegt oder genau definiert ist, stellt es den Kern der sozialen Verhaltensregeln der Paschtunen dar (STDOK 1.7.2016). Die Einhaltung der Grundsätze des Paschtunwali sind den Paschtunen sehr wichtig, und jede Missachtung wird mit harten Strafen geahndet. Das Paschtunwali umfasst Verhaltensregeln, in denen Macht, Stolz und Ehre einen besonderen Platz einnehmen, und im Prinzip wird Macht eingesetzt, um Ehre und Stolz zu bewahren. Während die paschtunische Sprache eine hohe 100

Bedeutung hat, sind Dinge wie Alkohol, Glückspiel oder Ehebruch laut Paschtunwali verboten (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Das Paschtunwali umfasst Verhaltensregeln, durch deren Umsetzung die Rechte des Einzelnen in gewisser Weise gesichert werden, z. B. die Achtung des Eigentums anderer, das Verbot der Vergewaltigung, die Bestrafung von Mördern, der Schutz der Dorfbewohner, die finanzielle Hilfe für arme Menschen sowie der Schutz gefährdeter Menschen. Doch gleichzeitig hat ein Teil der bestehenden Gesetze im Rahmen des Paschtunwali negative Auswirkungen und kann die soziale Stabilität bedrohen, wie z. B. Rache, Verbot der Ausbildung von Mädchen, Zwangsehe, Fortbestehen von Feindschaft über lange Zeit und damit einhergehende bewaffnete Auseinan dersetzungen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Obwohl die ehemalige afghanische Regierung in den zwanzig Jahren vor der Machtübernahme der Taliban 2021 zahlreiche Einrichtungen für den Zugang der Menschen zur Justiz und zu den Justizbehörden geschaffen hat, haben die Menschen aufgrund der unsicheren Lage in einigen Gebieten und der weitverbreiteten Korruption im Justizsystem kein Vertrauenin diese Behörden [Anmerkung: der ehemaligen Regierung] (STDOK/Nassery 4.2024). Vor allem in ländlichen Gebieten lösen Paschtunen Probleme und Streitigkeiten meist mit den Mechanismen des Paschtunwali (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Auch wenn die Umsetzung des Paschtunwali und seiner speziellen Gesetze in den Zentren der Großstädte nachgelassen haben, so bedeutet dies jedoch nicht das völlige Verschwinden des Paschtunwali in diesen Regionen. Zwar sind Paschtunen in ländlicheren Gebieten generell eher gegen die (höhere) Bildung von Mädchen, während die Bewohner von größeren Städten dem eher offen gegenüber stehen. Andere Bereiche des Paschtunwali haben aber nach wie vor große Bedeutung für alle Paschtunen, auch jene die in den städtischen Zentren des Landes leben (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Im Folgenden werden die wichtigsten Teile des Paschtunwali erörtert: Jirga und Maraka Jirgas und Marakas sind Versammlungen zwischen Ältesten der jeweiligen Gemeinschaften und den Konfliktparteien, um Streitigkeiten zu lösen, wobei Marakas eher bei kleineren Differenzen angewandt werden. Marakas werden auch abgehalten, um Freundschaften zu schließen und die Gemeinschaft zu fördern. Eine Jirga hat qualitativ und quantitativ einehöhere Wertigkeit als eine Maraka und wird angewandt, um größere Probleme und Konflikte (wie zum Beispiel Mord, Land- oder Ehestreitigkeiten) zu lösen. So ist die Loya Jirga beispielsweise die größte Jirga des Landes, die auch dafür genutzt wurde, die Verfassung der ehemaligen Regierung zu beschließen. Die Ältesten bzw. die Gelehrten der Gemeinschaft fungieren hierbei als Richter und entscheiden in den einzelnen Fällen, was Tage, aber auch Wochen oder Monate dauern kann (STDOK/VQ AFGH 4.2024: vgl. STDOK 1.7.2016). Ein afghanischer Journalist gab an, dass die Taliban seit ihrer Machtübernahme versuchen, den Jirga-Mechanismus unter die Verwaltung ihrer Regierung zu bekommen, um ethnische Konflik te zu lösen. Die Taliban versuchen hierbei, einen Waffenstillstand zu verhandeln, notfalls mit 101

Gewalt, um im Anschluss durch Gespräche und Vermittlung zwischen den Parteien im Rahmen einer Jirga Frieden zu schließen und den Konflikt beizulegen. So reisten Taliban-Regierungs beamte beispielsweise mehrfach in die Provinzen Khost, Paktia und Paktika, um Streitigkeiten im Rahmen von Jirgas zu lösen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Bad o Por (Blutpreis) Der Preis, um gewisse Feindschaften und Streitigkeiten zu lösen, nennt sich Bad o Por. Wenn eine Person, oder ein Mitglied einer Familie, die Rechte anderer verletzt oder gegen die Grund sätze des Paschtunwali verstößt, muss sie den Preis bzw. Bad o Por zahlen. Je nach Art und Bedeutung der Streitigkeit kommt es hierbei zur Zahlung eines Geldbetrages, der Ausrichtung eines Festes oder einer Entschuldigung. Bei größeren Streitigkeiten werden jedoch auch um strittene Handlungen wie das „ Verschenken“ von Frauen an die Gegenseite angewandt, um den Konflikt beizulegen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Vor allem Streitigkeiten, die die Ehre (der Familie) betreffen, sind sehr heikel. Dazu gehören beispielsweise das unerlaubte Fortlaufen eines Mädchens von zu Hause oder vorehelicher Geschlechtsverkehr. So erklärt ein paschtunischer Stammesältester, dass, wenn ein Mann mit einer Frau unerlaubt flieht, er zwei Möglichkeiten hat: Entweder er kehrt nie wieder zurück oder er zahlt Bad o Por. Hier muss im Rahmen einer Jirga entschieden werden, dass die Frau zu ihm gehört, und er muss den Vater des Mädchens auszahlen. Dann kann er der Ehemann der Frau werden. Die Frau hingegen wird aus ihrer Familie ausgestoßen und ihr wird auch das Erbrecht entzogen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, wurde mittels speziellem Erlass die Zwangsverheiratung von Frauen (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. Independent 19.1.2024) und die Abgabe von Mädchen für Bad o Por verboten. Die Taliban fügten hinzu, dass Stämme, die sich nicht an diesen Erlass hielten, mit schweren Strafen belegt würden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Die Zwangsverheiratung von Mädchen zur Beilegung von Feindseligkeiten ist unter den Paschtunen in den Provinzen jedoch immer noch weit verbreitet (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. AA 26.6.2023, AI 7.8.2023). Badal (Vergeltung, Blutfehden) und Nanawatai (Abbitte leisten) Badal, bedeutet in Paschto „ Vergeltung“ und soll die Gerechtigkeit wiederherstellen oder an den Übeltätern Rache nehmen (STDOK 1.7.2016). Die Feindschaft zwischen Familien und Stämmen beginnt manchmal mit sehr kleinen Vorfällen und entwickelt sich schließlich zu einer großen Feindschaft. Zu diesen Fällen gehören beispielsweise verbale Auseinandersetzungen um Land, Spannungen um die Stammesführung oder körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen zweier Stämme (STDOK/VQ AFGH 4.2024), die nach und nach größer und größer werden und Jahre oder auch Generationen andauern können (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. STDOK 1.7.2016). So führt ein paschtunischer Ältester aus, dass die Strafe für Mord der Tod ist, und dass sich daraus eine Feindschaft entwickeln kann, der Dutzende andere Menschen 102

zum Opfer fallen können. Feindseligkeiten können durch Jirgas (oder im Falle „ kleiner“ Strei tigkeiten durch Marakas) beendet werden und es kommt, wie bereits ausgeführt, weiterhin zur „ Schenkung“ von Frauen, um Feindseligkeiten zu beenden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Eine längere Blutfehde kann jedoch auch durch Versöhnung, genannt Nanawatai (Abbitte leisten) vermieden werden. Hinter Nanawatai steht der Gedanke, dass sich jemand seinem Gegner vollständig unterwirft und ausliefert, ihn um Verzeihung bittet und um den Erlass des Badal, das von ihm eingefordert werden soll. Wer Abbitte leistet, muss dann um jeden Preis geschützt werden. Außerdem muss Flüchtigen vor der Justiz Zuflucht gewährt werden, bis die Lage nach dem Paschtunwali entschieden ist. Nanawatai wird jedoch in Fällen von Namoos (Bewahrung der Keuschheit der Frauen) abgelehnt oder wenn jemand anderer als der Ehemann einer Frau beischlief (STDOK 1.7.2016). Gastfreundschaft (Mailmastia oder Melmastiya) und Schutz (Panah) Die paschtunische Kultur betrachtet den Gast als eine ehrenwerte und wichtige Person und be zeichnet ihn sogar als einen Freund Gottes. Mailmastia bedeutet allen Besuchern Gastfreund schaft und tief empfundenen Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Rasse, Religion, nationaler Zugehörigkeit und wirtschaftlichem Status und ohne Erwartung einer Belohnung oder von Vorteilen. Die Paschtunen haben großen Respekt vor ihren Gästen und bemühen sich sehr, sie glücklich und zufrieden zu machen. In der paschtunwalischen Kultur wird dem Gast ein gutes Essen zubereitet, eine Unterkunft geboten und er darf nicht belästigt werden. Gast freundschaft spielt eine besondere Rolle, wenn es darum geht, Feindschaften zu überwinden, Freundschaften zu schließen und Stammesherausforderungen zu meistern. Mit einem Fest oder einer Bewirtung wollen die Familien ihre wirtschaftliche Stärke und ihr familiäres Können unter Beweis stellen. Wenn der Gast mit dem Essen, der Gastfreundschaft und der Unterstützung des Gastgebers zufrieden ist, ist der Gastgeber ebenso stolz und zufrieden (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. STDOK 1.7.2016). Die Paschtunen legen besonderen Wert auf Schutz und Sicherheit. Bei den Paschtunen ist es verboten, jemandem zu schaden, der bei einer Familie oder einem Stamm Zuflucht gesucht hat. Nachdem sie jemandem Zuflucht gewährt haben, halten die Paschtunen kleine Marakas ab, um über das Schicksal der Person zu entscheiden. Es sollte jedoch klargestellt werden, dass die Aufnahme einer Person, die ein Verbrechen wie Mord begangen hat, von den paschtunischen Stämmen nicht akzeptiert wird und dazu führt, dass der Asylsuchende nach einer kurzen Jirga wieder aus dem Stamm verstoßen wird (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Anmerkung: Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali können dem Themenbericht der Staatendokumentation: Pashtuns and the Pashtunwali und dem dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden. Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] 103

■ AI - Amnesty International (7.8.2023): Zukunft auf Null gesetzt, https://www.amnesty.de/informieren /amnesty-journal/deutschland-exil-afghanistan-frauenrechtlerin-bildung-soraya-sobhrang-zukunft -auf-null-gesetzt , Zugriff 1.9.2023 ■ Independent - Independent, The (19.1.2024): Afghan activists document forced marriages as Taliban chief says women have better rights under them, https://www.independent.co.uk/asia/south-asi a/taliban-afghanistan-women-forced-marriages-hibatullah-akhundzada-b2481426.html , Zugriff 15.3.2024 ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021a): Pashtuns, https://minorityrights.org/minorities/pashtuns, Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (1.7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/loc al/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 23.1.2023 ■ STDOK/Nassery - Nassery, Idris (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2024): Themenbericht der Staatendokumentation: Afghan legal system under the Taliban, https://www.ecoi.net/en/document/2106982.html, Zugriff 10.4.2024 ■ STDOK/VQ AFGH - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Öster reich], Journalist aus Afghanistan [Vertrauliche Quelle 1] (4.2024): Themenbericht der Staatendoku mentation: Pashtuns and the Pashtunwali, https://www.ecoi.net/en/document/2106990.html, Zugriff 10.4.2024 19.2 Tadschiken Letzte Änderung 2024-03-28 12:44 Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan. Sie machen etwa 27 bis 30 % der afghanischen Bevölkerung aus (MRG 5.2.2021b; vgl. AA 26.6.2023). Sie üben einen bedeutenden politischen Einfluss in Afghanistan aus und stellen den Großteil der afghanischen Elite, die über ein beträchtliches Vermögen innerhalb der Gemeinschaft verfügt. Während sie in der vor-sowjetischen Ära hauptsächlich in den Städten, in und um Kabul und in der bergigen Region Badakhshan im Nordosten siedelten, leben sie heute in verschiede nen Gebieten im ganzen Land, allerdings hauptsächlich im Norden, Nordosten und Westen Afghanistans (MRG 5.2.2021b). Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stam mesorganisation (MRG 5.2.2021b). Heute werden unter dem Terminus tājik - „Tadschike“ - fast alle Dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammen gefasst (STDOK 7.2016). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021b): Tajiks, https://minorityrights.org/minorities/tajiks, Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 104

19.3 Hazara Letzte Änderung 2025-01-31 16:37 Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 15 % der afghanischen Bevölkerung aus (AA 26.6.2023; vgl. BAMF 5.2022). Die Mehrheit der Hazara lebt im Hazarajat (oder „ Land der Hazara“) (MRG 5.1.2022; vgl. EB o.D., BAMF 5.2022), das im zerklüfteten zentralen Bergland Afghanistans liegt und eine Fläche von etwa 50.000 Quadratkilometern umfasst. Die Region erstreckt sich auf die Provinzen Bamyan und Daikundi sowie mehrere angrenzende Distrikte in den Provinzen Ghazni, Uruzgan, (Maidan) Wardak, Parwan, Baghlan, Samangan und Sar-e Pul. Es gibt auch sunnitische Hazara-Gemeinschaften in den Provinzen Badghis, Ghor, Kunduz, Baghlan, Panjsher und anderen Gebieten im Nordosten Afghanistans (MRG 5.1.2022). Eth nische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten (JP o.D.; vgl. BAMF 5.2022), auch bekannt als Jaafari-Schiiten (USDOS 15.5.2023). Eine Minderheit der Hazara ist ismailitisch (USDOS 15.5.2023; vgl. MRG 5.1.2022). Ismailitische Hazara leben in den Provinzen Parwan, Baghlan und Bamyan. Darüber hinaus sind sowohl schiitische als auch sunnitische Hazara in erheblicher Zahl in mehreren städtischen Zentren Afghanistans vertreten, darunter Kabul, Mazar-e Sharif und Herat (MRG 5.1.2022). Die Taliban haben insbesondere den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara, die während des ersten Taliban-Regimes benachteiligt und teilweise verfolgt wurden, Zusicherungen gemacht (AA 26.6.2023). Dennoch berichtete AI (Amnesty International) bereits im Juli 2021 über die Tötung von neun Angehörigen der Hazara in der Provinz Ghazni, nachdem die Taliban dort die Kontrolle übernommen hatten (AI 19.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a), und im August 2021 sollen nach Angaben der NGO in der Provinz Daikundi 13 Angehörige der Hazara-Minderheit, darunter ein 17-jähriges Mädchen, von den Taliban getötet worden sein (AI 5.10.2021; vgl. BBC 5.10.2021). Es gibt weiters Berichte, dass Angehörige der Taliban beschuldigt werden, Zwangsumsiedlun gen, vor allem unter Angehörigen der schiitischen Hazara, vorzunehmen, um das Land unter ihren eigenen Anhängern aufzuteilen. Die Quellen verweisen auf Vertreibungen in Daikundi, Uruzgan, Kandahar, Helmand und Balkh (HRW 22.10.2021). In der Provinz Daikundi sollen im September 2021 ca. 400 Hazara-Familien gewaltsam von ihrem Land vertrieben worden sein. Laut Erkenntnissen der UN konnten die meisten mittlerweile wieder zurückkehren (AA 26.6.2023). In Helmand und Balkh wurden Anfang Oktober „ Hunderte von Hazara-Familien“, und in 14 Dörfern in Daikundi und Uruzgan im September mindestens 2.800 Hazara-Bewohner vertrieben (HRW 22.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a). Nach Einschätzung von HRW beruht die Diskriminierung von Hazara bei illegaler Landnahme v. a. auf lokalen Konflikten, wird aber von der Taliban-Führung toleriert. Es gibt darüber hinaus weitere Berichte über lokale Diskrimi nierung, u. a. durch Enteignungen und besondere Besteuerung, die von der Taliban-Regierung mindestens geduldet wird (AA 26.6.2023). So kam es auch im Frühjahr 2022 dazu, dass Hazara ihre Häuser nach Streitigkeiten mit Nomaden verlassen mussten (AAN 11.1.2023). Am 2.9.2023 wurde berichtet, dass die Taliban Hazara in der Provinz Maidan Wardak befohlen haben, Kutschis eine Entschädigung für den Verlust ihres Viehs zu zahlen. Berichten zufolge 105

ist der Viehbestand der Kutschis vor einigen Jahren in dem Gebiet verschwunden. Auch hier wurde den Taliban Voreingenommenheit vorgeworfen (KaN 2.9.2023). Auch sind Hazara weiterhin besonders gefährdet, Opfer von Anschlägen des Islamischen Staats Khorasan Provinz (ISKP) zu werden (AA 26.6.2023: vgl. HRW 25.10.2021). So kam es auch im Jahr 2022 zu Angriffen des ISKP, welche auf Hazara abgezielt haben (AA 20.7.2022; vgl. UNGA 14.9.2022, HRW 12.1.2023). Beispielsweise wurden bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Mazar-e Sharif im April 2022 mindestens 31 Menschen getötet (UNGA 15.6.2022; vgl. PAN 23.4.2022). Am 24.1.2022 wurden bei einem ISKP-Anschlag im Hazara-Viertel Haji Abbas in Herat sieben Menschen getötet und zehn Weitere verletzt (8am 24.1.2022; vgl. REU 23.1.2022). Ebenso in Herat kam es am 1.4.2022 im Hazara-Viertel Jebrail zu einem Bombenanschlag, bei dem 12 junge Männer getötet und 25 weitere verletzt wurden (8am 6.4.2022; vgl. TN 24.1.2023). Mindestens 26 junge Hazara wurden bei zwei Angriffen auf Bildungseinrichtungen in Kabul am 19.4.2022 getötet (8am 20.10.2022; vgl. AN 19.4.2022). Acht Menschen wurden im August in Kabul getötet, als eine Bombe in der Nähe einer schiitischen Moschee explodierte (VOA 5.8.2022; vgl. REU 5.8.2022). Am 13.10.2023 kam es zum Freitagsgebet in der schiitischen Imam-Zaman-Moschee in der Hauptstadt Pul-e Khumri in Baghlan zu einer Explosion (Afintl 13.10.2023; vgl. RFE/ RL 14.10.2023). Berichten zufolge sollen bis zu 30 Personen getötet worden sein (BAMF 31.12.2023). Der ISKP bekannte sich zu der Tat (BAMF 31.12.2023; vgl. RFE/RL 14.10.2023). In einem mehrheitlich von Hazara bewohnten Viertel in Herat (BAMF 31.12.2023) wurden am 1.12.2023 bei einem Angriff unbekannter bewaffneter Personen mindestens sechs Menschen, darunter zwei Geistliche, getötet und drei weitere verwundet (KP 1.12.2023; vgl. PAN 1.12.2023). Berichten zufolge wurden in den letzten anderthalb Monaten mindestens vier Hazara-Kleriker oder religiöse Führer in Herat getötet (KP 1.12.2023). Zwischen Oktober 2023 und Jänner 2024 kam es zu einer Reihe von IED (Improvised Explosive Devices)-Angriffen im vornehmlich von Hazara besiedelten Distrikt Dasht-e Barchi, für die der ISKP die Verantwortung übernahm. So wurden am 26.10.2023 bei einem Angriff auf einen Sportklub mindestens vier Menschen getötet (FR24 27.10.2023; vgl. VOA 28.10.2023). Bei einem Angriff auf einen Minibus am 7.11.2023 wurden mindestens sieben Menschen getötet und etwa 20 verwundet (UNAMA 22.1.2024; vgl. TN 7.11.2023). Am 6.1.2024 kam es zu einer weiteren Explosion eines Minibusses (VOA 6.1.2024; vgl. RFE/RL 7.1.2024). Die Angaben zu den Opferzahlen schwanken, jedoch wurden nach Angaben von UNAMA mindestens 25 Menschen getötet oder verwundet (RFE/RL 7.1.2024; vgl. AP 7.1.2024). Quellen ■ 8am - Hasht-e Sobh (20.10.2022): Ethnic Cleansing: Hazaras in Afghanistan Are on the Verge of Extinction, https://8am.media/eng/ethnic-cleansing-hazaras-in-afghanistan-on-the-verge-of-extinct ion, Zugriff 24.1.2023 ■ 8am - Hasht-e Sobh (6.4.2022): The Death Toll of Explosion in Jibraiel Townhship, Anjil District, Herat Rises to Five, https://8am.media/eng/the-death-toll-of-explosion-in-jibraiel-townhship-anjil-distric t-herat-rises-to-five , Zugriff 24.1.2023 106
