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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Behörden schränken öffentliche Versammlungen nach nationalem Recht und in der Praxis stark ein (FH 2024b). Mehr als 250 Nichtregierungsorganisationen (NRO) waren in Berg-Karabach registriert, doch die meisten waren inaktiv. Viele Gruppen hatten Schwierigkeiten, sich eine nachhaltige Finanzierung zu sichern, zum Teil weil Partnerschaften mit ausländischen oder internationalen NROs durch den umstrittenen Status von Berg-Karabach erschwert wurden. Zivilgesellschaftliche Gruppen sahen sich auch der Konkurrenz durch staatlich organisierte Einrichtungen ausgesetzt. Lokale zivilgesellschaftliche Organisationen wurden im September 2023 zusammen mit dem Rest der Zivilbevölkerung vertrieben. Die aserbaidschanischen Behörden schränken die Aktivitäten der Zivilgesellschaft nach dem Gesetz und in der Praxis stark ein. Einige NRO, die nach Armenien umgesiedelt sind, haben ihre Aktivitäten dort fortgesetzt (FH 2024b). Gewerkschaften durften sich zwar organisieren, aber in der Praxis waren sie schwach und relativ inaktiv und hatten kaum praktische Möglichkeiten, die Interessen der Arbeitnehmer durchzuset zen. Viele Arbeitskonflikte wurden durch persönliche und familiäre Beziehungen beigelegt, bevor sie vor die örtlichen Gerichte gelangten. Lokale Gewerkschaftsmitglieder wurden im September 2023 vertrieben. Die aserbaidschanischen Behörden schränken unabhängige Gewerkschafts aktivitäten und aktive Gewerkschaftsarbeit stark ein (FH 2024b). Die Justiz in Berg-Karabach war in der Praxis nicht unabhängig. Die Gerichte wurden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beein flusst. Im September 2023, nach der aserbaidschanischen Militäroperation, wurde die Justiz des Gebiets zusammen mit anderen lokalen Regierungsstellen aufgelöst. Die aserbaidschanische Judikative ist korrupt und der Exekutive untergeordnet (FH 2024b). Die Verfassung von Berg-Karabach garantierte grundlegende Rechte auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren, aber die Polizei und die Gerichte hielten sich in der Praxis nicht immer daran. Politische Dissidenten wurden von den Behörden schikaniert. Die in der Gebietsverfassung verankerten Verfahrensgarantien wurden mit der Auflösung der Regierung im September 2023 faktisch außer Kraft gesetzt. Die aserbaidschanischen Behörden halten die verfassungsmäßigen Garantien für ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren nicht ein (FH 2024b). Vor der Übernahme durch Aserbaidschan verbot die Verfassung Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und anderen Kategorien. Frauen waren im öf fentlichen und privaten Sektor unterrepräsentiert und waren in der Praxis weiterhin Diskrimi nierungen ausgesetzt. Im September 2023, nach der Kapitulation der örtlichen Streitkräfte vor den aserbaidschanischen Behörden, floh fast die gesamte armenische Bevölkerung aus dem Gebiet. Die aserbaidschanische Regierung bietet keinen wirksamen Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sexueller Orientierung (FH 2024b). Die Bewegungsfreiheit in Berg-Karabach wurde durch den unklaren rechtlichen und diploma tischen Status des Landes und die Instabilität der Waffenstillstandsvereinbarungen behindert. Der Reiseverkehr in das und aus dem Gebiet wurde durch russische Friedenstruppen und 11

zwischen Dezember 2022 und September 2023 durch eine Blockade des Lachin-Transitkorri dors eingeschränkt. Sie wurde nach der aserbaidschanischen Militäroperation aufgehoben (FH 2024b). Männer und Frauen waren in Bezug auf Ehe und Scheidung rechtlich gleichgestellt, obwohl die Verfassung die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau definierte, was gleich geschlechtliche Ehen ausschloss. Die lokale Regierung bot materielle Anreize, um Paare zu ermutigen, Kinder zu bekommen. Häusliche Gewalt war weit verbreitet und wurde nicht wirksam geahndet. Nachdem im September 2023 die Auflösung der Regierungsbehörden angeordnet worden war, wurden die in der lokalen Verfassung verankerten Garantien für soziale Freiheiten faktisch außer Kraft gesetzt. Die aserbaidschanischen Behörden schränken diese Freiheiten in gewissem Maße ein, beispielsweise durch die obligatorische Mediation bei Scheidungen, die diejenigen benachteiligt, die sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Häusliche Gewalt wird in Aserbaidschan häufig nicht strafrechtlich verfolgt (FH 2024b). Die über 100.000 armenischen Flüchtlinge aus Bergkarabach wurden durch Armenien landes weit in provisorischen Unterkünften untergebracht und werden aus dem armenischen Haushalt finanziell unterstützt (AA 5.3.2024). Die armenischen Behörden konnten die vorübergehenden Bedürfnisse dieses schnellen Zustroms einer großen Zahl von Flüchtlingen weitgehend befrie digen. Es gab jedoch weiterhin Bedenken hinsichtlich dauerhafter Lösungen und des Zugangs zu angemessenem Wohnraum, Einkommen und Beschäftigung (AI 24.4.2024). Das Interna tionale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bearbeitete Fälle von im Zusammenhang mit dem Konflikt mit Aserbaidschan vermissten Personen und arbeitete mit der Regierung zusammen, um eine konsolidierte Liste der Vermissten zu erstellen (USDOS 23.4.2024). Landminen, die zuvor von armenischen Streitkräften in und um Berg-Karabach in Aserbaidschan gelegt worden waren, stellten weiterhin eine tödliche Bedrohung dar und verhinderten die sichere Rückkehr der Vertriebenen (AI 24.4.2024). Die Regierung möchte verhindern, dass die Menschen aus Bergkarabach auswandern, und hat daher im Mai 2024 ein Programm zur Förderung des Wohnungsbaus aufgelegt. Familien aus Berg-Karabach, die mittlerweile die armenische Staatsbürgerschaft besitzen, können pro Fami lienmitglied umgerechnet bis zu 11.600 Euro für den Kauf oder Bau von Wohnraum bekommen. Sollte die Familie sich über längere Zeit nicht in Armenien aufhalten, kann die Unterstützung wieder gestrichen werden (DW 25.9.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Armenia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107832.html, Zugriff 14.6.2024 ■ DW - Deutsche Welle (25.9.2024): Flüchtlinge aus Berg-Karabach: Neuanfang in Armenien, https: //www.dw.com/de/flüchtlinge-aus-berg-karabach-neuanfang-in-armenien/a-70322636 , Zugriff 17.10.2024 12

■ FH - Freedom House (2024b): Freedom in the World 2024 - Nagorno-Karabakh, https://www.ecoi.n et/de/dokument/2105024.html#alert, Zugriff 3.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 5 Justizwesen/Rechtsschutz Letzte Änderung 2024-11-08 10:02 Obwohl das Gesetz eine unabhängige Justiz vorsah, wurde die Justiz aufgrund ihrer Geschichte von Korruption und politischer Einflussnahme, Widerstand gegen Reformen und öffentlichkeits wirksamen Skandalen nicht als unabhängig oder unparteiisch angesehen. Es gab unbestätigte Berichte über Versuche der Regierung und von Teilen des früheren Regimes, die Richter zu be einflussen. Die hohe Fallzahl, das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit und der Vorwurf des Drucks durch die Regierung hielten Interessierte davon ab, sich um Richterstellen zu bewerben (USDOS 23.4.2024). Berichten zufolge fühlen sich Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsan wälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen, und die Freispruchquote ist sehr niedrig. Die Behörden wenden das Recht selektiv an, und ein ordnungsgemäßes Verfahren ist weder in Zivil- noch in Strafsachen gewährleistet (FH 2024a). Eines der größten Probleme der Justiz war die starke Überlastung der Gerichte auf allen Ebe nen aufgrund des Mangels an Richtern. Weitere wichtige Faktoren, die zur Überlastung der Justiz beitragen, sind die hohe Zahl der Berufungen von Angeklagten aufgrund des mangelnden Vertrauens in die Justiz und die Berufung der Staatsanwälte gegen Freisprüche und niedrigere Strafen (USDOS 23.4.2024). Menschenrechtsanwälte wiesen darauf hin, dass einige Richter in Bezug auf bestimmte Gerichtsentscheidungen internem Druck von Vorgesetzten, einschließlich des Obersten Justizrates, ausgesetzt waren und dass ihnen Disziplinarmaßnahmen drohten sowie dass Gerichtsentscheidungen in Fällen, in denen es um ähnliche Sachverhalte ging, unvorhersehbar geworden waren und dass in einigen hochkarätigen Korruptionsfällen die Ent scheidungen politisch motiviert zu sein schienen (USDOS 23.4.2024). Die Strafverfolgungsbehörden verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die sie bei Vernehmungen erhalten hatten, um Verurteilungen zu erwirken (USDOS 23.4.2024). Das Fehlen einer wirksamen Rechenschaftspflicht bei Verstößen der Strafverfolgungsbehörden ist ein kontinuierliches Problem. Die Behörden ermitteln bei Misshandlungsvorwürfen häufig wegen „Amtsmissbrauchs“, der mit geringeren Strafen geahndet wird (HRW 11.1.2024). Das zivil- und strafrechtliche Gerichtssystem besteht aus drei Instanzen; daneben existieren eine Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Verfassungsgericht. Eine Strafverfolgungs- oder Strafzu messungspraxis, die nach Merkmalen wie Hautfarbe, Herkunft/Abstammung, Religion, Nationa lität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen/sozialen Gruppe oder politischen Überzeu gung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Sippenhaft, d. h. die Anwendung staatlicher Repres sionen gegenüber Angehörigen oder sonstigen nahestehenden Personen, wird nicht praktiziert (AA 5.3.2024). Die Regierung hat 2019 eine auf fünf Jahre angelegte Strategie zur Reform der Justiz veröf fentlicht. Bis Mitte 2022 waren nur 32 Prozent der in der Strategie vorgesehenen Maßnahmen 13

und Teilmaßnahmen fristgerecht umgesetzt worden, 56 Prozent waren nicht umgesetzt worden (FH 2024a). Beobachter stellten fest, dass die Bestechung von Richtern zwar kein Problem mehr darstellt, es aber Berichte gibt, wonach einige Verteidiger Geld von ihren Mandanten erpressten und behaupteten, es sei für die Bestechung eines Richters bestimmt, wodurch das Vertrauen in das System untergraben wird (USDOS 23.4.2024). Es gab immer wieder Medienberichte über die selektive Anwendung von Disziplinarverfahren gegen „ unliebsame“ Richter und Berichte über mangelnde Transparenz im Entscheidungspro zess des Justizministeriums darüber, ob Fälle dem Obersten Justizrat für Disziplinarverfahren vorgelegt werden (USDOS 23.4.2024). Es sind keine Personen oder Personengruppen bekannt, denen Rechtsschutz verweigert wurde. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe wer den laut Verfassung gewährt (Artikel 61, 63, 64). In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es in den letzten Jahren bereits Fortschritte: Die Zahl der Pflichtverteidiger wurde erhöht, kostenlose Rechtshilfe kommt einer breiteren Bevölkerung zugute (AA 5.3.2024). Die Bürger hatten auch die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechts akten, die ihre Grundrechte und -freiheiten verletzten, vor dem Verfassungsgericht anzufechten (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 5.3.2024). Bürger, die den innerstaatlichen Rechtsweg ausgeschöpft haben, können bei angeblichen Verstößen der Regierung gegen die Europäische Menschen rechtskonvention den EGMR anrufen (USDOS 20.3.2023). Die Regierung hielt sich im Allge meinen an die vom EGMR ausgesprochenen Entschädigungszahlungen (USDOS 12.4.2022). Die Verfassung und das Gesetz verbieten willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sehen das Recht jeder Person vor, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Bei der Prüfung der Festnahme muss das Gericht auch die Rechtmäßigkeit der Verhaftung prüfen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Polizei die Festgenommenen über die Gründe für ihre Festnahme sowie über ihr Recht zu schweigen, einen Rechtsbeistand zu haben und einer Person ihrer Wahl ihren Aufenthaltsort mitzuteilen, informieren muss. Eine Kaution war eine legale Option (USDOS 23.4.2024). Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz setzte dieses Recht in einigen Fällen nicht durch. Das Gesetz sah die Unschuldsvermutung vor, doch nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern kamen Ver dächtige manchmal nicht in den Genuss dieses Rechts. Die Pflichtverteidiger waren überlastet, und es fehlte an Pflichtverteidigern, die auf bestimmte Bereiche wie Menschenhandel und häus liche Gewalt spezialisiert waren. Der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Eriwans führte manchmal dazu, dass Angeklagten das Recht auf einen Anwalt ihrer Wahl verweigert wurde (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz sah vor, dass Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise vorlegen und die Argumen te der Regierung im Vorfeld eines Prozesses prüfen konnten, aber Angeklagte und ihre Anwälte hatten kaum die Möglichkeit, Zeugen der Regierung oder der Polizei zu widersprechen, während 14

die Gerichte dazu neigten, das Material der Staatsanwaltschaft routinemäßig zu akzeptieren. Nach Ansicht von Anwälten und in- und ausländischen Menschenrechtsbeobachtern, einschließ lich des Menschenrechtsbeauftragten des Europarats, behielt die Staatsanwaltschaft eine domi nante Stellung im Strafrechtssystem. Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass es keine ausreichenden Bestimmungen für die Unparteilichkeit und Rechenschaftspflicht der Staatsan waltschaft und keine objektiven Kriterien für die Ernennung und Auswahl von Kandidaten für das Amt des Generalstaatsanwalts gab (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben von Gefängnisbeobachtern und Menschenrechtsanwälten wurde trotz der Bemü hungen der Regierung, im Rahmen der Strafrechtsreform verstärkt Alternativen zur Inhaftierung zu nutzen, übermäßige und ihrer Ansicht nach oft ungerechtfertigte Untersuchungshaft verhängt (USDOS 23.4.2024). Langwierige Untersuchungshaft ist nach wie vor ein Problem (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2024a). Einige Beobachter sahen in der übermäßig langen Untersuchungshaft ein Mittel, um Angeklagte zu einem Geständnis oder zur Offenlegung selbstbelastender Beweise zu bewegen. Mit der neuen Strafprozessordnung wurden strenge Beschränkungen für die Dauer der Untersuchungs haft und die Dauer der Ermittlungen eingeführt. Nach der neuen Strafprozessordnung darf die Höchstdauer der Untersuchungshaft die in dem angeklagten Artikel vorgesehene Freiheitsstrafe nicht überschreiten (USDOS 20.3.2023). Die Behörden setzten Gerichtsbeschlüsse im Allgemeinen durch (USDOS 12.4.2022). Der Part nerschaftsrat der EU bekräftigte das gemeinsame Bekenntnis der EU und Armeniens zu Men schenrechten, Grundfreiheiten, Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Grundsätzen. Der Part nerschaftsrat begrüßte die bisherigen Erfolge bei der Umsetzung der nationalen Strategie Ar meniens für Justiz- und Rechtsreformen, räumte jedoch ein, dass nach wie Herausforderungen bestehen(Rat der EU 18.5.2022). In seinem Bericht aus dem Jahr 2021 wies das CPT (European Committee for the Preventi on of Torture) darauf hin, dass die vom CPT in der Vergangenheit mehrfach kritisierte Praxis der „ informellen Gespräche“ (d. h. Personen, die - in der Regel telefonisch - „ eingeladen“ wer den, zur Polizei zu kommen, bevor sie offiziell als Verdächtige eingestuft und festgenommen werden) insbesondere außerhalb der Hauptstadt nicht vollständig abgeschafft wurde (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2103145.html, Zugriff 16.1.2024 ■ Rat der EU - Rat der EU (18.5.2022): Partnerschaftsrat EU-Armenien, https://www.consilium.euro pa.eu/de/meetings/international-ministerial-meetings/2022/05/18, Zugriff 29.10.2024 15

■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 7.9.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071159.html, Zugriff 7.9.2023 6 Sicherheitsbehörden Letzte Änderung 2024-11-08 10:03 Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheits dienst für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Tätigkeiten und die Grenzkontrolle verantwortlich ist (CIA 27.8.2024; vgl. AA 25.7.2022). Der Polizeichef ist dem Innenminister unterstellt, der wiederum direkt dem Premierminister untersteht. Der Innenminister wird vom Präsidenten auf Vorschlag des Premierministers ernannt. Der Leiter des Nationalen Sicher heitsdienstes ist ebenfalls direkt dem Premierminister unterstellt (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 25.7.2022). Die zivilen Behörden behielten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab Berichte, wonach Angehörige der Sicherheitskräfte einige Missbräuche begangen haben (USDOS 20.3.2023). Die Polizei ist dem 2022 neu gebildeten Innenministerium unterstellt, der Nationale Sicherheits dienst (NSD) dem Premierminister. Das Militär ist dem Verteidigungsministerium untergeordnet und von Polizei und NSD getrennt. Die Befehlskette für Militär, Polizei und NSD läuft über den Sicherheitsrat und die Regierung beim Premierminister zusammen. Die Aufgaben der Orga ne sind voneinander abgegrenzt: So ist für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz der NSD zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen (AA 5.3.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.7.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076734/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_d ie_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien_(Stand_Mai_2022),_25.07.2022.pdf , Zugriff 14.10.2024 [Login erforderlich] ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (27.8.2024): Armenia - The World Factbook, https://www.ci a.gov/the-world-factbook/countries/armenia/#military-and-security , Zugriff 20.9.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 7.9.2023 7 Folter und unmenschliche Behandlung Letzte Änderung 2024-11-08 15:39 Die Verfassung und das Gesetz verbieten derartige Praktiken (AA 5.3.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Dennoch äußerte die örtliche NRO-Gemeinschaft ihre kollektive Besorgnis über 16

eine beträchtliche Zunahme von Berichten, wonach Angehörige der Sicherheitskräfte ungestraft Personen in ihrem Gewahrsam folterten oder anderweitig misshandelten (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben von Menschenrechtsanwälten ist Folter zwar im Strafgesetzbuch definiert und strafbar, nicht aber andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (USDOS 23.4.2024). Beamte untersuchten Fälle von Folter häufig unter dem Vorwurf des Machtmissbrauchs, was zu milderen Strafen führte (USDOS 23.4.2024). Es gibt keine systematischen Folterungen (AA 5.3.2024). Die lokale NRO-Gemeinschaft stellte eine steigende Zahl von Berichten über Misshandlungen durch die Polizei fest, auch in Polizei stationen, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigewahrsam nicht öffentlich überwacht werden (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024a). Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfas sungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 5.3.2024). Menschenrechtsaktivisten behaupteten, dass die fehlende Rechenschaftspflicht für alte und neue Fälle von Missbrauch durch die Strafverfolgungsbehörden weiterhin zum Fortbestehen des Problems beiträgt (USDOS 20.3.2023). Mit der Auflösung des Sonderermittlungsdienstes (SIS) im Jahr 2021 wurde die Untersuchung von Folterfällen zunächst auf den Nationalen Sicherheitsdienst (NSS), den Internationalen Straf gerichtshof und den neu geschaffenen Antikorruptionsausschuss umverteilt. Mit der Inkraftset zung einer neuen Strafprozessordnung am 1. Juli wurde die Zuständigkeit für die Untersuchung von Folterstrafsachen auf den Untersuchungsausschuss übertragen, aber die Funktion der Voruntersuchung von Straftaten (einschließlich Folter), die von Ermittlern des Untersuchungs ausschusses begangen wurden, wurde dem NSS übertragen (USDOS 20.3.2023). Die Strafverfolgungsbehörden verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die sie bei Verhören erhalten hatten, um Verurteilungen zu erreichen. Nach Ansicht von Menschen rechtsanwälten waren die verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie die Unzulässigkeit von durch Gewalt oder Verfahrensver stöße erlangten Beweisen, unzureichend, ebenso wie das in den Polizeistationen installierte Videoüberwachungssystem (USDOS 20.3.2023). Folter und Misshandlung im Gewahrsam halten an und werden häufig ungestraft verübt. Selbst wenn strafrechtliche Ermittlungen aufgrund von Foltervorwürfen eingeleitet werden, werden sie meist mit der Begründung eingestellt, dass keine Straftat begangen wurde, oder sie werden eingestellt, weil ein Verdächtiger nicht identifiziert werden konnte. Sieben Jahre, nachdem Folter in Armenien zu einem spezifischen Straftatbestand wurde, fällte ein Gericht im März sein erstes Urteil zu solchen Vorwürfen und verurteilte einen ehemaligen Gefängnisbeamten zu sieben Jah ren und sechs Monaten. Zuvor mussten sich Beamte, die wegen körperlicher Misshandlung zur 17

Rechenschaft gezogen wurden, mit dem allgemeinen Straftatbestand des „Amtsmissbrauchs“ auseinandersetzen (HRW 12.1.2023). Am 25. Mai [2021] veröffentlichte das Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter (CPT) einen Bericht über seinen letzten regelmäßigen Besuch im Land im Dezember 2019. Das CPT stellte fest, dass die große Mehrheit der von seiner Delegation befragten Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder kürzlich befunden hatten, angab, dass sie angemessen behandelt worden war (USDOS 12.4.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2085384.html, Zugriff 7.9.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 7.9.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071159.html, Zugriff 7.9.2023 8 Korruption Letzte Änderung 2024-11-11 06:08 Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, und die Regierung hat das Gesetz im Allgemeinen wirksam umgesetzt (USDOS 23.4.2024). Die Behörden haben den institutionellen Rahmen für die Korruptionsbekämpfung weiter gestärkt, indem sie ihre neue Anti-Korruptions-Strategie an mehreren Fronten umgesetzt haben. So schlossen die Behör den nach den 2022 verabschiedeten Änderungen des Justizgesetzes die Einrichtung der drei Stufen des Antikorruptionsgerichtssystems ab und stellten weitere Richter ein. Der Antikorrup tionsausschuss, der als Hauptuntersuchungsstelle für Korruptionsfälle diente, stellte weiterhin zusätzliche Ermittler ein (USDOS 23.4.2024). Das Land war in vielen Bereichen von systemischer Korruption geprägt, darunter in der öf fentlichen Verwaltung, im Parlament, in der Justiz, im Beschaffungswesen, bei der Strafver folgung und bei der Gewährung staatlicher Unterstützung. Die Regierung leitete zahlreiche Strafverfahren wegen mutmaßlicher Korruption ehemaliger und amtierender hochrangiger Re gierungsbeamter und ihrer Verwandten, Parlamentarier, ehemaliger Präsidenten und Beamter der Strafverfolgungsbehörden ein (USDOS 23.4.2024). 18

Die Korruptionsbekämpfungskommission (CPC) übte ihre Befugnisse aus, um die Integrität von Richtern, Staatsanwälten und anderen Kandidaten zu überprüfen, einschließlich der Richter kandidaten zur Korruptionsbekämpfung und der Ermittler und Beamten des Antikorruptionsaus schusses. Im Februar führte das CPC eine elektronische Plattform für die Vermögenserklärung von Amtsträgern ein, um die Transparenz zu erhöhen und die Korruption in der öffentlichen Ver waltung einzudämmen. Das CPC schuf auch ein Register, um die Aufsicht über von Beamten angenommene Geschenke zu verbessern (USDOS 23.4.2024). Mehrere Medienrecherchen über die Leiter des Antikorruptionsausschusses und der Kommission zur Verhinderung von Korruption (CPC) haben Zweifel an den wahren Absichten dieser Gremien bei der Korruptions bekämpfung aufkommen lassen (FH 2024a). Die Transparenz war in der Vergangenheit begrenzt, und die Durchsetzung der Vorschriften über die Offenlegung von Vermögenswerten von Amtsträgern war schwach. Das armenische Gesetz über die Informationsfreiheit wird uneinheitlich angewandt (FH 2024a). Im April 2020 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Möglichkeiten der Staatsanwäl te erweitert, korrupte Handlungen ehemaliger Beamter zu untersuchen. Nach dem neuen Gesetz können Staatsanwälte leichter die Beschlagnahme unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte beantragen, wenn deren Status vor Gericht bewiesen wird, und sie dürfen Taten untersuchen, die zehn Jahre zurückliegen (FH 3.3.2021). Im November 2022 traten der neue Anti-Korrupti onsgerichtshof und die Anti-Korruptionskammer des Kassationsgerichtshofs in Kraft, nachdem die beiden Gremien im April 2021 per Gesetz geschaffen worden waren. Im August 2022 leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren zur Wiedererlangung gestohlener Vermögenswerte von angeblich korrupten ehemaligen Beamten des vorrevolutionären Regimes ein (FH 2023). Gemäß dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von TransparencyInternationalfür das Jahr 2023 belegte Armenien Rang 62 von 180 bewerteten Ländern (TI 2024), was im Vergleich zum Vorjahr eine Verbesserung um einen Platz darstellt (TI 2023). Quellen ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2088482.html, Zugriff 7.9.2023 ■ FH - Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2048576.html, Zugriff 14.10.2024 ■ TI - Transparency International (2024): Corruption Perceptions Index 2023, https://www.transparen cy.org/en/cpi/2023, Zugriff 9.4.2024 ■ TI - Transparency International (2023): Corruption Perceptions Index 2022, https://www.transparen cy.org/en/cpi/2022, Zugriff 9.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 19

9 NGOs und Menschrechtsaktivisten Letzte Änderung 2024-11-11 07:15 Armenien verfügt über eine aktive und unabhängige Zivilgesellschaft, die sich nachhaltig für Re formen im Menschenrechtsbereich einsetzt und die Umsetzung bestehender und neuer Geset ze wie auch die Verbesserung von Gesetzesentwürfen einfordert. Von den zahlreichen aktiven Menschenrechtsorganisationen seien beispielhaft das Helsinki Citizens Assembly Vandzor Büro, Helsinki Committee Armenia, PINK Armenia, Open Society Institute und Transparency Interna tional genannt. Die Organisationen haben Zugang zu Medien, Behörden und internationalen Vereinigungen (AA 5.3.2024). Verschiedene inländische und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiteten im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, um Menschenrechtsbedingungen oder -fälle zu überwachen oder zu untersuchen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen (USDOS 23.4.2024). Hassreden gegen Menschenrechtsverteidiger und die Zivilgesellschaft sind weit verbreitet. Online-Trolle, bösartige Nachrichtensender und nationalistische Gruppen, von denen viele mit der früheren Regierung und, wie einige lokale Experten behaupten, mit russischen Akteuren in Verbindung stehen, schüchterten Menschenrechtsverteidiger weiterhin ein. Diejenigen, die sich für die Rech te von Frauen und Kindern sowie für tiefgreifende Reformen der Strafverfolgung und der Justiz einsetzen, wurden besonders ins Visier genommen. Beobachtern zufolge zielten die Täter dar auf ab, die demokratische und menschenrechtsorientierte Zivilgesellschaft zu diffamieren, zu diskreditieren und an den Rand zu drängen, um sie durch andere „ zivilgesellschaftliche“ Akteure zu ersetzen, die Autoritarismus unterstützen (USDOS 23.4.2024). Aktivisten und NRO, die Opfer häuslicher Gewalt unterstützten oder sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzten, waren häufig Ziel von Hassreden und wurden kritisiert, weil sie angeblich „ armenische traditionelle Familien“ untergraben und „ westliche Werte“ verbreiten. Dem CEDAW-Schattenbericht (Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women) zufolge hat der Staat Menschenrechtsverteidiger nicht ausreichend geschützt (USDOS 23.4.2024). Die Regierung unternahm nichts, um zivilgesellschaftliche Organisationen vor Desinformati on oder Drohungen zu schützen, einschließlich Drohungen, einzelnen Aktivisten zu schaden (USDOS 20.3.2023). Ein Trend, der im Jahr 2020 einsetzte, führte dazu, dass Akademiker und andere Meinungsführer, einschließlich derjenigen, die sich für Menschenrechte einsetzen, aufgrund von Hasskampagnen, die von nationalistischen Gruppen und Personen, die der Op position und Russland nahestehen, angezettelt wurden, zögerten, ihre Meinung öffentlich zu äußern, insbesondere online. Infolgedessen nahm der konstruktive Diskurs über Menschenrech te allgemein ab. Die Regierung verfolgte keine Aufrufe zur Schädigung zivilgesellschaftlicher Akteure im Rahmen der 2020 verabschiedeten Gesetzgebung, die öffentliche Aufrufe zur Gewalt unter Strafe stellt (USDOS 20.3.2023). In Armenien gibt es eine Reihe von NRO, von denen die meisten in Eriwan ansässig sind. Diesen NGOs fehlt es an bedeutenden lokalen Finanzmitteln. Zivilgesellschaftliche Gruppen beraten 20
