2025-09-08-coi-cms-laenderinformationen-pakistan-version-8-9527
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ JustPP - Justice Project Pakistan (o.D.): Death Penalty Database, https://data.jpp.org.pk/en/page/ 6mhr9wutz9d, Zugriff 26.2.2025 ■ ÖB Islamabad - Österreichische Botschaft Islamabad [Österreich] (19.12.2023): Asylländerbericht Pakistan ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Reports on Human Rights Practices Pakistan, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-p ractices/pakistan/, Zugriff 24.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Pakistan, https://www.state.gov/reports/2022-country-reports-on-human-rights-p ractices/pakistan, Zugriff 14.9.2023 16 Religionsfreiheit Letzte Änderung 2025-06-05 08:04 Dem digitalen Zensus von 2023 zufolge sind 96,4 Prozent der Bevölkerung Muslime. Hindus stellen demnach mit um die 3,9 Millionen Gläubigen und 1,61 Prozent der Bevölkerung die größte religiöse Minderheit, gefolgt von Christen, die mit gerundet 3,3 Millionen Anhängern 1,37 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Ahmadis stellen offiziell einen Anteil von 0,07 Prozent. Auf andere religiöse Gruppen entfallen 0,6 Prozent. Zu diesen werden nun auch die sogenannten „ Scheduled“ Kasten gezählt, die bei der vorherigen Volkszählung dem Hinduismus zugerechnet wurden (PAKBS 18.7.2024). Weitere Religionen, die in diese Kategorie fallen, sind z. B. Baha’is, Sikhs, Parsen bzw. Zoroastrier und Kalasch (USDOS 30.6.2024). Verschiedene Organisationen von Minderheitenreligionen zweifeln diese Zahlen an und vermu ten, dass ihre jeweilige Anhängerzahl im Zensus unterrepräsentiert ist. Manche meinen, dies geschehe, um den politischen Einfluss geringer zu halten, da sich die Festlegung der Anzahl der Minderheitensitze an den Bevölkerungszahlen orientiert. So würden Gebiete mit hohem Minderheitenanteil in den Bemühungen der nationalen Registrierungsbehörde, mehr Bürger für die ID-Registrierung zu erreichen, nicht berücksichtigt. Speziell Ahmadis stehen außerdem bei der ID-Registrierung vor der Schwierigkeit, dass sie dabei ihren Religionsgründer [Anm.: Mirza Ghulam Ahmad] entweder als falschen Propheten angeben müssen, wenn sie sich als Muslime registrieren lassen wollen, oder sich als Nicht-Muslime bezeichnen müssen (USDOS 30.6.2024). Die pakistanische Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion und hält fest, dass alle Ge setze in Einklang mit den Prinzipien des Islams zu bringen sind und keine Gesetze verabschie det werden dürfen, die diesen zuwiderlaufen. Die Verfassung hält allerdings fest, dass diese Vorgaben nicht das Personenstandsrecht sowie die Staatsbürgerschaft von Nicht-Muslimen be einträchtigen dürfen. Zur Prüfung von Gesetzen und Urteilen in Bezug auf ihre Konformität mit islamischen Prinzipien ist in der Verfassung das Federal Shariat Court und für Empfehlungen an den Gesetzgeber der Council of Islamic Ideology vorgesehen (USDOS 30.6.2024). Die Verfassung verlangt vom Staat gleichzeitig, die Rechte und Interessen der Minderheiten zu schützen, und sieht reservierte Sitze für Minderheiten in den gesetzgebenden Institutionen vor. In der Nationalversammlung sind zehn von 336 Sitzen, im Senat vier von 96 und innerhalb der Provinzparlamente sind drei in Khyber Pakhtunkhwa, acht in Punjab, neun in Sindh sowie drei in Belutschistan für Minderheitenangehörige reserviert (USDOS 30.6.2024). Außerdem 105

wurden in allen Provinzen Ministerien zur Wahrung der Rechte der Minderheiten eingerichtet (AA 21.10.2024). Grundsätzlich garantiert die Verfassung jedem Bürger das Recht, sich zu seiner Religion zu bekennen, sie auszuüben und zu propagieren - unter dem Vorbehalt der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung sowie von öffentlicher Ordnung und Moral (USDOS 30.6.2024). In der ge sellschaftlichen Realität ist die freie Religionsausübung nicht durchgehend gewährleistet (AA 21.10.2024). Einerseits üben bewaffnete, religiös motivierte Gruppen Gewalt gegen Minderhei ten aus (USDOS 30.6.2024). So sind religiöse Minderheiten eines der Hauptziele von Anschlä gen islamistischer militanter Gruppen (HRW 11.1.2024). Andererseits schränken von rechtlicher Seite die Blasphemiegesetze Äußerungen in Bezug auf religiöse Angelegenheiten oder Lehren ein(USDOS 23.4.2024). Vorwürfe der Blasphemie werden als Mittel zur Erreichung politischer Zwecke benutzt und damit Minderheitenangehörige und muslimische Sekten eingeschüchtert und zu Opfern gemacht (CSJPak 3.2024). Ahmadis werden darüber hinaus von militanten Grup pen und der islamistischen politischen Partei Tehreek-e-Labbaik (TLP) beschuldigt, sich „ als Muslime auszugeben“ - ebenfalls ein Straftatbestand nach dem pakistanischen Strafgesetzbuch (HRW 16.1.2025). Das Strafgesetzbuch sieht bei Prophetenbeleidigung die Todesstrafe vor. Diese wird in erster Instanz oft auf Druck von Extremisten zwar verhängt, wurde allerdings für Blasphemie bislang noch nie vollstreckt und häufig durch ein höherrangiges Gericht aufgehoben (AA 21.10.2024). Personen, die wegen Blasphemie im Berufungsverfahren freigesprochen worden sind, werden vielfach von extremistischen Organisationen weiter verfolgt. Insbesondere bei Angehörigen re ligiöser Minderheiten geraten Familienangehörige häufig ebenfalls ins Visier von Extremisten. Blasphemie-Vorwürfe werden zudem immer wieder zum Anlass oder Vorwand für Mob-Ge walt, Mordanschläge oder zum Ausfechten persönlicher Fehden genommen (AA 21.10.2024, vgl. USDOS 30.6.2024). Ein gewöhnlicher Disput kann für Mitglieder der Minderheitenreligionen das Risiko einer Anschuldigung der Blasphemie bergen, die zu Strafverfolgung und Mobgewalt führen kann (FH 5.2024a). Im August 2023 randalierte eine aufgebrachte Menschenmenge von mehreren Hundert Personen im Punjab, nachdem zwei Christen der Blasphemie beschul digt wurden, und zerstörte mehrere Kirchen und Dutzende Häuser in einem christlichen Viertel (HRW 11.1.2024). Religiöse Minderheiten, wie Christen, Hindus und Ahmadis sind somit mit gelegentlichen Ausbrüchen von Mobgewalt konfrontiert (USDOS 23.4.2024). Die Blasphemiegesetze und ihr Missbrauch durch religiöse Fanatiker beschränken auch die Meinungsfreiheit von sunnitischen Muslimen (FH 5.2024a). So sammelte die NGO Commission on Social Justice, CSJ, für das Jahr 2023 sieben Fälle von Morden an Muslimen nach Blas phemievorwürfen. Damit waren in diesem Jahr alle aufgrund von Blasphemie-Anschuldigungen getöteten Personen Muslime (CSJPak 3.2024). PIPS berichtet für dasselbe Jahr von drei Fällen von durch Mob-Gewalt getöteten Muslimen nach Blasphemie-Vorwürfen (PIPS 10.1.2024). Für 2024 berichtet CSJ von neun aus diesem Grund getöteten Muslimen (CSJPak 4.2025). PIPS zählt für das Jahr vier getötete Blasphemie-Beschuldigte, darunter ein Christ. Für die übrigen Opfer ist keine Religion angegeben [Anm.: Da PIPS Morde an Minderheiten besonders bewertet, ist davon auszugehen, dass es diese Fälle als Muslime zählt] (PIPS 30.1.2025a). 106

Insgesamt wurden im Jahr 2023 329 Personen in 180 Fällen der Blasphemie beschuldigt. Davon waren 65 Ahmadis, elf Christen, ein Hindu und 247 Muslime. Von den Muslimen war circa die Hälfte Schiiten(CSJPak 3.2024). Für das Jahr 2024 berichtete CSJ von 344 der Blasphemie Beschuldigten, darunter 242 Muslime, 49 Ahmadis, 32 Hindus und 20 Christen (CSJPak 4.2025). Auch eine Abkehr vom Islam, die Apostasie, wird von der Gesellschaft keinesfalls akzeptiert, obwohl das Gesetz selbst nicht die Freiheit einschränkt, seine Religion zu wechseln. Personen, die sich vom Islam abwenden, vertreten dies in aller Regel nicht öffentlich (AA 21.10.2024). Eine Konversion vom Islam wird weithin als eine Form der Blasphemie gesehen und kann damit in einer Strafverfolgung unter den Blasphemiegesetzen münden, aber auch in Einschüchterungen, Diskriminierung, Freiheitsentzug durch die Familie, Gewalt oder Übergriffen durch aufgebrachte Mengen (UKHO 4.2024). Gesellschaftliche Gewalt aufgrund religiöser Intoleranz bleibt damit ein ernstes Problem (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 4.2024). Insgesamt hat die Gewalt gegen Minderheiten im Jahr 2023 zugenommen. Das Sicherheits analyseinstitut CRSS listet 13 Fälle von religiös motivierter Gewalt gegen religiöse Minderheiten mit acht Todesopfern bzw. 36 Verletzten für das Jahr 2023 auf, sowie 193 Gewaltakte ohne Tote oder Verletzte, z. B. Zerstörungen an Gebetsstätten oder Entführungen gegen Lösegeld, auf. Hinzu kommen sieben Gewaltakte gegen Schiiten, inklusive Hazara und Ismaeliten, mit 14 Toten und fünf Verletzten (CRSS 19.2.2024; vgl. CSJPak 3.2024). Das Sicherheitsanalyse institut PIPS berichtet für das Jahr 2023 von neun terroristischen Anschlägen gegen religiöse Minderheiten mit drei Todesopfern unter den Sikh, einem unter den Christen und 18 unter den Schiiten sowie von sieben Vorfällen kommunaler religiös-motivierter Gewalt gegen Minderheiten - ohne Todesopfer. Allerdings starben drei Muslime nach Blasphemievorwürfen durch derarti ge Gewaltausbrüche (PIPS 10.1.2024). Für 2024 listet PIPS neun Vorfälle religiös motivierter Gewalt mit sieben Toten, darunter drei Ahmadis, ein der Blasphemie beschuldigter Christ so wie drei weitere Blasphemiebeschuldigte [Anm.: ohne Religionsangabe durch PIPS, da PIPS Minderheiten besonders berücksichtigt, ist davon auszugehen, dass es sich um Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung handelt] auf; außerdem vier Anschläge gegen Schiiten mit 53 Toten und einen gegen einen Hindu mit einem Toten [siehe dazu Sicherheitslage] (PIPS 1.1.2025; vgl. zu den einzelnen Vorfällen religiöser Gewalt PIPS 6.6.2024, PIPS 5.7.2024,ABC News 21.6.2024, PIPS 9.8.2024a, ANI 20.9.2024). Berichten zufolge schützt die Polizei in einigen Fällen der Blasphemie Beschuldigte vor der Gewalt aufgebrachter Mengen, in anderen versagt sie darin, in manchmal sind Polizisten auch selbst in Morde oder Misshandlungen an Minderheitenangehörigen verwickelt (USDOS 30.6.2024). Die Behörden haben die Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit an religiösen Orten der Minderheiten verstärkt. Zu bestimmten Zeiten, unter anderem während religiöser Feiertage oder als Antwort auf Bedrohungslagen, erhöht die Polizei außerdem die Sicherheitsmaßnahmen in Abstimmung mit den Religionsführern. Die Polizei von Sindh hat eine eigene, 4.000 Mann starke Special Protection Force for Minorities eingerichtet, welche Kirchen, Tempel und Gurdwaras 107

schützen soll. Zusätzlich wurden ungefähr 2.000 Kameras vor Gebetsstätten installiert. In Pun jab und KP befinden sich derartige Einheiten im Aufbau, in Belutschistan noch nicht. Doch auch dort bestätigen Vertreter von Christen und Hindus, dass die Polizei im allgemeinen ausreichend Sicherheitspersonal, insbesondere während der Feiertage, stellt. Seit den gewalttätigen Aus schreitungen gegen eine christliche Siedlung wurden die Sicherheitsmaßnahmen im Punjab für christliche Glaubensstätten erhöht. Die Sicherheitsmaßnahmen für Schiiten während der Muharram-Prozessionen wurde ebenfalls nochmals erhöht, u. a. mit 24-Stunden-Videoüberwa chung, Metalldetektoren und Sicherheitsschleusen. Laut Ahmadis gibt es allerdings landesweit keine polizeilichen Schutzmaßnahmen für ihre religiösen Stätten (USDOS 30.6.2024). Laut Vertretern einiger religiöser Minderheiten erlaubt die Regierung den meisten organisierten religiösen Gruppen, Gebetsstätten zu errichten und Geistliche auszubilden. Einige Kirchen und Tempel wurden von den Behörden renoviert. Ahmadis jedoch verweigern die lokalen Behörden regelmäßig die notwendigen Baubewilligungen für Gebetshäuser. Offizielle Restriktionen dies bezüglich gibt es allerdings nicht, abgesehen davon, dass sie ihre Gebetshäuser nicht Moscheen nennen dürfen (USDOS 30.6.2024). Es gibt Fälle von Entführungen mit Zwangsverheiratungen und Zwangskonversionen zum Islam sowie Vergewaltigungen von christlichen und hinduistischen Mädchen und Frauen (USDOS 30.6.2024; vgl. USCIRF 1.5.2024, FH 5.2024a, HRCP 8.5.2024). Die Zahl an Entführungen soll in die Hunderte gehen und besonders Minderheiten betreffen, da sie aufgrund ihrer mar ginalen ökonomischen Lage ungeschützter sind und ihre Konversion zum Islam als religiös wünschenswert gesehen wird (DFAT 25.1.2022). Die pakistanische christliche NGO Centre for Social Justice hat für das Jahr 2023 Berichte zu 136 Fällen von Entführungen und Zwangs konversionen von hinduistischen oder christlichen Mädchen und Frauen dokumentiert (CSJPak 3.2024). Geschätzte 80 Prozent der pakistanischen Minderheitenbevölkerung leben unterhalb der Ar mutsgrenze (AA 21.9.2023; vgl. AA 21.10.2024). Christen berichten von weitverbreiteter Diskri minierung bei privaten Anstellungen. Sowohl im sozialen als auch staatlichen Bereich sehen sich Minderheiten mit Diskriminierungen in unterschiedlichem Ausmaß konfrontiert, wobei Ahmadis am stärksten davon betroffen sind (USDOS 30.6.2024). Gemäß Verfassung dürfen Personen bei der Anstellung im öffentlichen Dienst nicht aufgrund ihrer Religion diskriminiert werden. Im öffentlichen Dienst gilt außerdem eine Minimumquote von 5 Prozent für Minderheiten. Laut Vertretern der Minderheiten wird diese Quote oft nicht erreicht. Laut der christlichen Organisation CSJ sind 30.866 für Minderheiten reservierten Stellen unbesetzt (USDOS 30.6.2024). Nach Angaben der staatlichen Menschenrechtskommission liegt die tatsächlich erreichte Quote nur bei knapp mehr als der Hälfte, während von den besetzten Posten ungefähr 80 Prozent im Niedriglohnbereich liegen (UKHO 4.2024). Die meisten religiösen Minderheiten berichten von Diskriminierung bei Anstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst sowie bei der Aufnahme an Hochschulen. Eine NGO berichtet auch, dass durch die geringeren Bildungschancen nur wenige Angehörige der Minderheiten die Anforderungen für gehobene Positionen erfüllen. Auch im Militärdienst gibt es zwar keine offiziellen Hürden für einen 108

Aufstieg, doch es gibt nur einige wenige christliche Generäle. Ahmadis steigen nur selten in einen höheren Dienstgrad als Oberst auf und werden nicht mit höheren Positionen betraut (USDOS 30.6.2024). Minderheiten sind besonders in den Streitkräften, der Polizei und der Judikative - trotz öffentlichkeitswirksam gefeierter Einzelfälle - stark unterrepräsentiert (AA 21.10.2024). Vertreter der Minderheiten berichten, dass die verschiedenen zuständigen Ministerien bei der Anwendung der Gesetze zur Sicherstellung der Minderheitenrechte sowie der Durchsetzung der Schutzregelungen für Minderheiten inkonsequent sind. Der Schutz der Minderheiten vor gesellschaftlicher Diskriminierung ist somit wechselhaft (USDOS 30.6.2024; vgl. FH 5.2024a). Während das Ministerium für Recht und Justiz offiziell für die Gewährleistung der gesetzlichen Rechte aller Bürger verantwortlich ist, übernimmt das Ministerium für Menschenrechte in der Praxis weiterhin die Hauptverantwortung für den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten. Die National Commission on Human Rights (NCHR) ist mit der Untersuchung von Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen beauftragt, verfügt aber zur Durchsetzung ihrer Forderungen und Empfehlungen nur über geringe Macht (USDOS 30.6.2024). Im Mai 2020 richtete die Regierung die Nationale Kommission für Minderheiten ein (UKHO 4.2024). Die Kommission umfasst Mitglieder einiger Minderheiten, u. a. Hindus, Christen und Sikhs. Sie ist allerdings nicht unabhängig und hält weder besondere Kompetenzen und Entschei dungsgewalten, noch - da sie per Dekret ohne Parlamentsbeteiligung konstituiert wurde - die vom Supreme Court geforderte gesetzliche Grundlage (AA 21.9.2023; vgl. USDOS 30.6.2024). Zivilgesellschaftliche Gruppen und Aktivisten für Religionsfreiheit bemängeln die begrenzten Kompetenzen sowie den Ausschluss der Ahmadis aus der Kommission. Letztere müssten - entgegen ihrer eigenen Auffassung - zuerst ihren Status als Nicht-Muslime anerkennen, um teilhaben zu können. Die Kommission ist im Ministerium für Religiöse Angelegenheiten und interreligiöse Harmonie verortet. Vertreter der Minderheiten kritisieren allerdings, dass das Mi nisterium von Klerikern dominiert wird, welche bereits mit Vorurteilen bei öffentlichen Auftritten auffielen und es in erster Linie mit der Organisation der Pilgerreise nach Mekka beschäftigt ist (USDOS 30.6.2024). In Bezug auf religiöse Minderheiten gewährt das Ministerium finanzielle Hilfen für die Instandsetzung und Instandhaltung von Gebetsstätten, für Bedürftige sowie Stipen dien. Es führt Schulungen für Richter, Staatsanwälte und Beamte zu Fragen im Zusammenhang mit religiösen Rechten und Freiheiten durch. Im August 2023 wurde eine Gesetzesgrundlage für die Kommission von der Nationalversammlung verabschiedet, aber im Senat fallen gelas sen. Das Gesetz war von Gruppen der Zivilgesellschaft kritisiert worden, weil es die Rechte und den Schutz von Minderheitengemeinschaften nicht in vollem Umfang gewährleistet (UKHO 4.2024). Der Supreme Court hat eine eigene Kommission zur Prüfung des Schutzes der Min derheiten eingerichtet (USDOS 30.6.2024). Auch die ständigen Ausschüsse des Senats und der Nationalversammlung für Minderheiten und für Menschenrechte halten Anhörungen ab, und auf Provinzebene beschäftigen sich ebenfalls einige staatliche Organisationen und Ministerien mit dem Thema Gewalt gegen Minderheiten (USDOS 23.4.2024). 109

Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.10.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2117687/Deutschland. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, 21.10.2024.pdf, Zugriff 27.12.2024 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.9.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097816/Auswärtige s_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik _Pakistan_,_21.09.2023.pdf, Zugriff 13.10.2023 [Login erforderlich] ■ ABC News - Australian Broadcasting Corporation News (21.6.2024): Pakistan police hunting mob that lynched and burned tourist suspected of desecrating Koran, https://www.abc.net.au/news/20 24-06-22/pakistan-police-hunting-lynch-mob-madyan-khyber-pakhtunkhwa/104010526 , Zugriff 3.5.2025 ■ AI - Amnesty International (4.2024): Human rights in Pakistan 2024, https://www.amnesty.org/en/l ocation/asia-and-the-pacific/south-asia/pakistan/report-pakistan , Zugriff 10.5.2024 ■ ANI - Asian News International (20.9.2024): Doctor accused of blasphemy killed in alleged encounter in Pakistan, https://www.aninews.in/news/world/asia/doctor-accused-of-blasphemy-killed-in-alleg ed-encounter-in-pakistan20240920125953/ , Zugriff 27.9.2024 ■ CRSS - Center for Research and Security Studies (19.2.2024): Annual Security Report 2023 Pakistan, https://crss.pk/wp-content/uploads/2024/02/CRSS-Annual-Security-Report-2023_Full-V ersion_MM-V5_SAP.pdf, Zugriff 12.9.2024 ■ CSJPak - Centre for Social Justice Pakistan (4.2025): Human Rights Observer 2025, https://csjpak .org/human-rights-observer-newsletter/Human-Rights-Observer-2025.pdf , Zugriff 25.4.2025 ■ CSJPak - Centre for Social Justice Pakistan (3.2024): Human Rights Observer 2024, https://csjpak .org/pdf/report_hro_final.pdf, Zugriff 11.6.2024 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (25.1.2022): Country Information Report - Pakistan - January 2022, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-pak istan.pdf, Zugriff 14.8.2024 ■ FH - Freedom House (5.2024a): Pakistan - Freedom in the World 2024, https://freedomhouse.org/c ountry/pakistan/freedom-world/2024, Zugriff 10.5.2024 ■ HRCP - Human Rights Commission of Pakistan (8.5.2024): State of Human Rights in 2023, https: //hrcp-web.org/hrcpweb/wp-content/uploads/2020/09/2024-State-of-human-rights-in-2023-EN.pdf , Zugriff 10.5.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025: Rights Trends in Pakistan, https: //www.hrw.org/world-report/2025/country-chapters/pakistan#ce2d83, Zugriff 12.2.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Pakistan Events of 2023, https: //www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/pakistan, Zugriff 2.5.2024 ■ PAKBS - Pakistan Bureau of Statistics [Pakistan] (18.7.2024): Results Of 7th Population And Housing Census-2023, The Digital Census, Key Findings Report, https://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/p opulation/2023/Key_Findings_Report.pdf, Zugriff 2.10.2024 ■ PIPS - Pak Institute for Peace Studies (30.1.2025a): Pakistan Security Report 2024, https://pakpips. com/app/reports/wp-content/uploads/2025/01/Report_2024.pdf, Zugriff 4.3.2025 ■ PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.1.2025): Pakistan Security Report 2024: An Abridged Version, https://www.pakpips.com/web/wp-content/uploads/2025/01/Overview_PIPS-Security-Rep ort-2024.pdf, Zugriff 25.2.2025 ■ PIPS - Pak Institute for Peace Studies (9.8.2024a): Pakistan Monthly Security Report: July 2024, https://pakpips.com/app/reports/1635, Zugriff 11.9.2024 [kostenpflichtig, Login erforderlich] ■ PIPS - Pak Institute for Peace Studies (5.7.2024): Pakistan Monthly Security Report: June 2024, https://pakpips.com/app/reports/1617, Zugriff 11.9.2024 [kostenpflichtig, Login erforderlich] ■ PIPS - Pak Institute for Peace Studies (6.6.2024): Pakistan Monthly Security Report - May 2024, https://pakpips.com/app/reports/1602, Zugriff 12.9.2024 [kostenpflichtig, Login erforderlich] ■ PIPS - Pak Institute for Peace Studies (10.1.2024): Pakistan Security Report 2023, https://pakpips. com/app/reports/wp-content/uploads/2024/01/Security_Report_2023.pdf, Zugriff 11.1.2024 ■ UKHO - United Kingdom Home Office [United Kingdom] (4.2024): Country Policy and Information Note Pakistan: Christians and Christian converts - 5, https://www.gov.uk/government/publications/p 110

akistan-country-policy-and-information-notes/country-policy-and-information-note-christians-and-c hristian-converts-pakistan-april-2024-accessible , Zugriff 10.6.2024 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (1.5.2024): 2024 Annual Report Pakistan, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-05/Pakistan.pdf , Zugriff 11.6.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Reli gious Freedom - Pakistan, https://www.state.gov/reports/2023-report-on-international-religious-fre edom/pakistan, Zugriff 2.10.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Reports on Human Rights Practices Pakistan, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-p ractices/pakistan/, Zugriff 24.4.2024 16.1 Muslimische Glaubensrichtungen und interkonfessionelle Gewalt Letzte Änderung 2025-06-05 08:04 Demografie 96,4 Prozent der Bevölkerung und damit 231.686.709 an der Zahl sind Muslime (PAKBS 18.7.2024). Der Zensus unterscheidet nicht zwischen Sunniten und Schiiten. Schätzungen zufolge sind circa 80-85 Prozent der muslimischen Einwohner Pakistans Sunniten und 15-20 Prozent Schiiten, welche auch die ethnische Minderheit der Hazara sowie Sub-Sekten, wie die Ismailiten und Bohra umfassen (USDOS 30.6.2024). Sunnitische Strömungen Unter der sunnitischen Bevölkerung ist der Sufismus weit verbreitet und einflussreich. Die Mehr heit der sunnitischen Muslime in Pakistan gehört der hanafitischen Rechtsschule des Islam an, einer der großen islamischen Rechtsschulen, die als die liberalste eingeschätzt wird. Zwei in Nordindien entstandene Reformbewegungen innerhalb dieser Rechtsschule, Barelvi und Deobandi, sind in Pakistan weit verbreitet. Die theologischen Unterschiede zwischen den Strö mungen sind insofern bedeutend, da sie immer wieder zu Gewalt zwischen Anhängern der beiden Strömungen führen (EB 17.4.2025). Für die Barelvi-Strömung ist die Erhaltung der Sufi-Traditionen, wie die Verehrung von Heiligen und Schreinen, ein integraler Teil des sunnitischen Islams und der islamischen Spiritualität. Der Prophet Mohammed ist für sie auch eine Quelle spiritueller Verbindung und sein Geburtstag wird mit ausgiebigen Feiern begangen (NAIslam 14.10.2024). Traditionell teilen sie viele Rituale mit Schiiten, sodass Barelvi auch immer wieder an schiitischen Zeremonien teilgenommen haben (ICG 5.9.2022). Lange Zeit wurden sie als moderate und friedliche Mehrheit der Muslime in Pakistan erachtet (RelComp 15.4.2024). Allerdings entstand aus dieser Strömung die Tehreek- e-Labbaik Pakistan (TLP), die sich gegen religiöse Minderheiten richtet (BW 18.9.2024). Sie schart Anhänger um sich, indem sie gegen vermeintliche Fälle von Blasphemie mobilisiert (ICG 5.9.2022; vgl. UKHO 4.2024, AgenziaF 27.9.2024). Anführer und Anhänger der TLP werden immer wieder, zumindest über Hassreden, mit Gewaltausbrüchen gegen christliche Gemeinden (UKHO 4.2024) und Ahmadis in Verbindung gebracht (UKHO 3.2025). Auch innerhalb Europas werden TLP-Mitgliedern Anstiftungen zu Morden oder Mordversuche nach Blasphemievorwürfen vorgeworfen (vgl. BW 18.9.2024, TFT 13.3.2025, ICCT 13.11.2024). 111

Deobandi zielen auf eine Wiederbelebung der von ihnen als „ pur“ angenommenen Lehren eines orthodoxen Islams. Sie fordern eine strikte Trennung zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichem und lehnen damit Praktiken wie die Sufi-Verehrung und Feiern zu Mohammeds Geburtstag als unislamisch ab (NAIslam 14.10.2024). Extremistische Anhänger der Deobandi Strömung sind z. B. die Taliban (RDTB 14.3.2025). War früher eine gegen Schiiten gerich tete Zielsetzung nur bei einigen wenigen extremistischen Deobandi vertreten, hat sich diese nun auch in den anderen extremistisch-sunnitischen Gruppen, wie in der zu den als moderat angenommenen Barelvi gehörenden TLP, ausgebreitet (SATP 18.9.2023). Der Wahhabismus oder auch Salafismus hat sich in Pakistan durch die Unterstützung Saudi Arabiens in der Bewältigung der Flüchtlingsströme aus Afghanistan und dessen Finanzierung von religiösen Schulen, Madrassen, verbreitet - in erster Linie unter Paschtunen. Viele dieser Madrassen dienten als Vehikel für extremistische Gruppierungen, besonders in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (EB 17.4.2025). Schiiten Den Schätzungen folgend sind 20-40Millionen Pakistanis Schiiten, womit Pakistan die zweit größte schiitische Bevölkerung der Welt nach Iran aufweist (BAMF 13.3.2025). Unter diesen sind in Pakistan mehrere Sub-Sekten vertreten. Eine größere darunter sind die Zwölfer-Schiiten, deren religiöse Praxis jener der iranischen Schiiten ähnelt. Ebenfalls von nennenswerter Größe sind die Ismailiten bzw. Siebener-Schiiten, zu denen die Nizari-Ismailiten, die den Aga Khan verehren, sowie deren Untergruppen, die Khojas und Bohras, gehören. Sie sind stark in Handel und Industrie vertreten (EB 17.4.2025). Schiiten sind quer über das ganze Land verteilt (SATP 18.9.2023; zit. auch in MBZ 5.7.2024b). Signifikante schiitische Gemeinden finden sich in Karatschi, Lahore, Rawalpindi und Islamabad. In der dünn besiedelten autonomen Region Gilgit-Baltistan stellen Schiiten die Bevölkerungs mehrheit (BAMF 13.3.2025). Im Sindh sind außer Karatschi auch Sanghar, Nawabshah und Hyderabad als Siedlungsschwerpunkte nennenswert, im Punjab leben Schiiten über die gan ze Provinz verteilt, wobei im Süden die schiitischen und sunnitischen Gemeinschaften eher getrennt voneinander leben (SATP 18.9.2023; zit. auch in MBZ 5.7.2024b). In Khyber Pakhtunkhwa ist die Bevölkerung überwiegend sunnitisch mit einer signifikanten Minderheit an Schiiten, darunter auch Ismailiten (GOVKP o.D.). Die meisten Schiiten in dieser Provinz leben in Hangu, Kohat, Peschawar und Dera Ismail Khan (SATP 18.9.2023). Die Stadt Hangu und ihre Umgebung sind durch den Turi-Stamm überwiegend schiitisch geprägt (Khyber NC 25.11.2024). Unter den paschtunischen Stämmen sind der Turi-Stamm und ein Teil des Bangash-Stammes Schiiten. Der Stammesdistrikt Kurram ist zu ungefähr 45 Prozent schiitisch, was auf den Turi-Stamm und Teile des Bangash-Stamm zurückgeht. Die Mehrheit der dortigen Schiiten lebt in Upper Kurram, wo Schätzungen zufolge 83 Prozent der Bevölkerung schiitisch sind (IEX 25.11.2024). Viele urbane Zentren beheimaten große Schia-Gemeinden mit Hunderten von Glaubenszentren und schiitisch dominierten Vierteln. In einigen Großstädten bilden Schiiten eher Enklaven. Im 112

Allgemeinen sind die sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften allerdings integriert und Siedlungsgebiete gemischt (UKHO 7.2021). Schiiten und Sunniten unterscheiden sich nicht in ihrer ethnischen Identität (IGC 3.2023). Schiiten finden sich unter den meisten ethnischen und sprachlichen Gruppen Pakistans. Mit Ausnahme der ethnischen Minderheit der Hazara sind sie in das ökonomische und soziale Netz der Gesellschaft integriert (UKHO 7.2021). Schiitische Muslime können ihren Glauben ohne offenkundiges staatliches Eingreifen ausüben sowie Glaubensstätten errichten (DFAT 25.1.2022). Für die schiitischen Feierlichkeiten zu As hura wird jedes Jahr ein Feiertag staatlich ausgerufen. An den damit verbundenen Prozessionen ziehen jedes Jahr Hunderttausende Schiiten durch die Straßen des Landes (ANPK 9.7.2024). Schiiten sind im öffentlichen Dienst und in allen Sphären des öffentlichen Lebens gut vertreten. Viele nehmen einflussreiche Positionen oder einen prominenten Status im kulturellen Leben ein. In der Anstellung im öffentlichen Bereich, inklusive Polizei und Militär oder im privaten Sektor gibt es keine Hinweise auf eine systematische Diskriminierung von Schiiten (UKHO 7.2021). Anhänger des schiitischen Glaubens treten regelmäßig bei Wahlen für die Großparteien an und finden sich im Parlament (DFAT 25.1.2022). In der Wirtschaft sind sie ebenfalls gut aufgestellt. Sichtbare Kennzeichen ihres Glaubens sind sowohl im städtischen als auch ländlichen Bereich verbreitet (OxfordBib 27.6.2022) [Zu Berichten über Diskriminierung ethnischer Hazara in ein zelnen Bereichen sieheEthnische Minderheiten / Hazara]. Von staatlicher Seite diskriminierend wirken sich die Blasphemiegesetze aus (DFAT 25.1.2022). Problematisch gegenüber Schiiten sind Gesetzesentwürfe zur Verschärfung der Blasphemiegesetze betreffend Paragraf 298-A Strafgesetzbuch, der die Beleidigung bestimmter religionshistorischer Personen, wie der vier ersten Kalifen, als Blasphemie unter Strafe stellt. Blasphemievorwürfe werden immer wieder auch von verschiedenen Gruppen gegen Angehörige muslimischer Sekten eingesetzt. Im Jahr 2023 wurden 247 Muslime unter Blasphemie Anschuldigungen angezeigt, davon sollen 50 Pro zent Schiiten gewesen sein (CSJPak 3.2024). Für das Jahr 2024 registrierte die NGO Centre for Social Justice 242 Anzeigen gegen Muslime, wobei sie davon ausgeht, dass die Mehrheit davon Schiiten waren, v. a. da 128 Anzeigen allein Paragraf 298-A betrafen (CSJPak 4.2025). Gewalt und Schutzmaßnahmen Bewaffnete, extremistisch-konfessionell motivierte Gruppen, wie Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und Sipah-e-Sahaba Pakistan führen Anschläge durch, die u. a. auf schiitische Muslime zielen (USDOS 30.6.2024; vgl. MBZ 5.7.2024b). Weitere Terrorgruppen, zu deren Zielsetzungen u. a. Schiiten gehören, sind z. B. Islamic State Khorasan Province (ISKP), Lashkar-e-Jhang vi (LeJ) und Ahle Sunnat Wal Jamaat (ASWJ) (MBZ 5.7.2024b). Derartige interkonfessionelle Gewalt hat, insbesondere gegen Schiiten, zugenommen (HRCP 26.2.2025). Den größten derar tigen Anschlag der letzten Jahre führte der ISKP am 4.3.2022 gegen eine schiitische Moschee in Peschawar durch (AP 5.3.2022). Das Sicherheitsanalyseinstitut Pak Institute for Peace Studies rechnet abschließend für diesen Anschlag mit 65 Toten. Für das Jahr 2022 verzeichnete es einen weiteren Anschlag gegen Schiiten mit drei Toten. Ein gezielter Anschlag fordert im selben Jahr ein Opfer sunnitischen Glaubens (PIPS 24.2.2023). Im Jahr 2023 richteten sich fünf An schläge mit 18 Todesopfern gegen Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung. Überwiegend bekannte sich die LeJ zu diesen. Bei acht gezielten Tötungen an sunnitische Glaubensanhänger 113

starben neun Personen. Ein großer Teil wurde dabei vom ISKP gegen sunnitsche Geistliche verübt (PIPS 10.1.2024). Für 2024 zeichnete PIPS vier Anschläge gegen Schiiten auf, die 53 Tote forderten, davon allein um die 50 bei einem Anschlag auf einen Bus mit Schiiten im Stam mesdistrikt Kurram. Umgekehrt werden hinter gezielten Tötungen an fünf Mitgliedern der ex tremistisch-sunnitischen ASWJ extremistische schiitische Gruppen vermutet (PIPS 30.1.2025a) [siehe dazu auchSicherheitslage]. Abgesehen von den Hazara unterscheiden sich die meisten Schiiten weder in physischen Merk malen noch sprachlich von den Sunniten (BAMF 13.3.2025). Ihre Moscheen und Bräuche unter scheiden sich jedoch deutlich (UKHO 7.2021). Die Inhalte ihrer Gebete sind ident, die Durchfüh rung unterscheidet sich stark in den Bewegungsabläufen. Es kommt selten vor, ist aber möglich, dass Mitglieder der einen Sekte in den Moscheen der jeweils anderen beten (IGC 3.2023). In ei nigen Gebieten filtern militante Extremisten Schiiten anhand ihres Nachnamens heraus, wovon einige eher unter Schiiten verbreitet sind. Am sichtbarsten sind Schiiten in Pakistan während ihrer religiösen Feste, wie den Prozessionen zu Ashura sowie bei ihren Pilgerreisen in den Irak und den Iran. Militante Extremisten zielen daher auch auf Pilgerwege in den Iran, weshalb schii tische Pilgerfahrten in einigen Gebieten vom Militär begleitet werden (UKHO 7.2021; vgl. DFAT 25.1.2022). Auch der oben erwähnte Bus mit Schiiten, der im November 2024 zum Großan schlagsziel wurde, wurde vonder Polizei eskortiert (AJ 22.11.2024; vgl. DAWN 21.11.2024). Zu speziellen Anlässen, wie der Abhaltung der schiitischen Muharram-Prozessionen, werden die Schutzmaßnahmen im Land erhöht. Vorab werden Reisefreiheit und Aktivitäten von gelisteten Geistlichen unterschiedlicher Sekten, denen Aufwiegelung von konfessionell motivierten Span nungen vorgeworfen wird, eingeschränkt. Hierbei werfen Repräsentanten der Schiiten allerdings den Behörden Vorurteile bei den Restriktionen für ihre Zeremonien sowie bei Verhaftungen ihrer Mitglieder vor (USDOS 30.6.2024). Bei den Prozessionen selbst wird zur Gewährleistung der Sicherheit eine beträchtliche Anzahl von Sicherheitskräften eingesetzt. Im Jahr 2023 waren dies allein in Peshawar mehr als 13.000 reguläre Polizeibeamte und 11.000 Reservebeamte, in Karatschi 4.698 Beamte, in der Provinz Punjab insgesamt 124.537 Polizeibeamte und in Belutschistan 4.000 Polizeibeamte sowie 12 Einheiten des Frontier Corps (EAR 3.8.2023). Auf der anderen Seite beklagen Vertreter der Hazara, dass die stark erhöhten Sicherheitsmaß nahmen für ihre Viertel zu einer Ghettoisierung ebendieser führen [ siehe Ethnische Minderheiten / Hazara] (USDOS 23.4.2024). Auch abseits der Gewalt von Terrorgruppen kommt es gegenüber Mitgliedern der schiitischen, allerdings auch der sunnitischen Gemeinde, zu Übergriffen und Morden, bei denen ein religiöser Hintergrund vermutet wird. NGOs dokumentierten sieben religiös motivierte Morde an Schiiten für das Jahr 2023 (USDOS 30.6.2024). Im Stammesdistrikt Kurram halten außerdem Landstreitigkeiten mit konfessionellem Bei geschmack zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen bereits seit Jahrzehnten an (AJ 24.11.2024). Seit Mitte 2024 wird der Distrikt besonders von interkonfessioneller Gewalt geplagt. Im Juli 2024 flammte ein Konflikt über Gebietsansprüche auf und eskalierte in eine interkonfessionelle Auseinandersetzung, die bis zum ersten Waffenstillstand 49 dokumentierte 114
