2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-syrien-version-12-73ab
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Das Lager al-Hol ist voll mit Familien, die mit dem IS in Verbindung stehen, nachdem die Ex tremistengruppe 2019 in Syrien besiegt wurde. Etwa 40.000 Menschen leben in diesem Lager. Das Lager wird als Brutstätte des Extremismus und als Sicherheitsproblem für die Länder der Region angesehen, insbesondere für den benachbarten Irak, wo der IS einst etwa ein Drittel des Landes kontrollierte. Nach Angaben der Lagerbehörden befinden sich derzeit etwa 16.000 Syrer im Lager (AAA 13.2.2025). Eine Sicherheitsquelle teilte am 11.1.2025 mit, dass 191 Familien aus dem syrischen Lager al-Hol in der Provinz Ninive im Norden des Irak angekommen waren. Die Familien wurden unter strenger Geheimhaltung, ohne dass die Medien darüber berichteten, und unter strengem Sicher heitsschutz von den SDF repatriiert. Der Irak ist bestrebt, das Lager al-Hol in Syrien aufzulösen und seine Akte so schnell wie möglich zu schließen. Als Grund dafür nennen die irakischen Behörden die Tatsache, dass das Lager eine gefährliche Brutstätte des Extremismus ist, da es Tausende irakischer Terroristen beherbergt (BagTod 11.1.2025). Bis Anfang 2025 wurden über 7.556 Personen, darunter 1.924 Familien, aus dem Lager al-Hol in den Irak zurückgeführt. Diese Zahl schließt 706 Personen aus 181 Familien ein, die im Oktober 2024 zurückkehrten. Der Rückführungsprozess ist Teil der laufenden Bemühungen des irakischen Ministeriums für Migration und Vertriebene in Zusammenarbeit mit den SDF, die Rückkehr vertriebener iraki scher Familien aus Syrien zu erleichtern (Bas 26.1.2025). Irakische Beamte sagen, ihr Land habe mehr als 10.000 Menschen repatriiert, aber nur wenige westliche Länder haben Interesse gezeigt, diesem Beispiel zu folgen (AAA 13.2.2025). Quellen ■ AAA - Asharq Al-Awsat (13.2.2025): :نطنشﺍو ال اننكمي عفﺩ فيلاكت ﺕﺍركسعم ﺀانجس شعﺍﺩ يف ايﺭوس دبألل ,https://aaw sat.com/ملاعلﺍ /ﺓدحتملﺍ-ﺕايالولﺍ 5111604-دبألل-ايﺭوس-يف-شعﺍﺩ-ﺀانجس-ﺕﺍركسعم-فيلاكت-عفﺩ-اننكمي-ال-نطنشﺍو Zugriff 13.2.2025 ■ AlMon - Al Monitor (12.2.2025): Turkey escalates push to replace Kurds as top anti-ISIS force in Syria, https://www.al-monitor.com/originals/2025/02/turkey-escalates-push-replace-kurds-top-anti-i sis-force-syria, Zugriff 13.2.2025 [Login erforderlich] ■ BagTod - Baghdad Today News (11.1.2025): قﺍرعلﺍ لبقتسي 191 ةلئاع ﺓدئاع نم ميخم لوهلﺍ يﺭوسلﺍ ةلاكو ﺩﺍدغب مويلﺍ ةيﺭابخالﺍ [Irak empfängt 191 Familien, die aus dem syrischen Lager al-Hol zurückkehren], https://bagh dadtoday.news/265656--لبقتسي-قﺍرعلﺍ 191-.يﺭوسلﺍ-لوهلﺍ-ميخم-نم-ﺓدئاع-ةلئاع html, Zugriff 14.1.2025 ■ Bas - BasNews (26.1.2025): Iraq Repatriates 148 Families from Al-Hol Camp in Syria, https://www. basnews.com/en/babat/873471, Zugriff 30.1.2025 ■ CSIS - Center for Strategic and International Studies (11.12.2024): Dont Rush Syrian Refugees Return, https://www.csis.org/analysis/dont-rush-syrian-refugees-return , Zugriff 7.1.2025 ■ DW - Deutsche Welle (10.12.2024): What’s next for Syria’s devastated economy?, https://www.dw.c om/en/syria-after-assad-whats-next-for-the-devastated-economy/a-71003751 , Zugriff 10.12.2024 ■ FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (28.1.2025): Syrien: Kommandeur Abdi warnt vor Trumps Entscheidung, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/syrien-kommandeur-abdi-warnt-vor-trump s-entscheidung-110259863.html, Zugriff 29.1.2025 ■ Guardian - The Guardian (28.1.2025): IS fighters in Syria could break free amid Trump aid cut, terrorism expert warns, https://www.theguardian.com/uk-news/2025/jan/28/is-fighters-in-syria-cou ld-break-free-amid-trump-aid-cut-terrorism-expert-warns , Zugriff 29.1.2025 ■ IHH - İHH Humanitarian Relief Foundation (10.1.2025): IHH Syria Situation Report (10 January 2025) - Syrian Arab Republic, https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/ihh-syria-situation-report-1 0-january-2025, Zugriff 15.1.2025 235

■ NRC - Norwegian Refugee Council (13.2.2025): Syria: Destruction, lack of services delay safe returns within country, https://www.nrc.no/news/2025/february/syria-destruction-lack-of-services-d elay-safe-returns-within-country , Zugriff 13.2.2025 ■ TNA - New Arab, The (31.10.2024): Massive displacement in Syria’s Idlib amid Assad regime attacks, https://www.newarab.com/news/massive-displacement-syrias-idlib-amid-assad-regime-attacks , Zugriff 10.12.2024 ■ TWI - Washington Institute for Near East Policy, The (9.12.2024): Syria Crisis Leaves Islamic State Prisons and Detention Camps Vulnerable, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/syri a-crisis-leaves-islamic-state-prisons-and-detention-camps-vulnerable , Zugriff 12.12.2024 ■ UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (9.12.2024): Syria situation: Crisis Regional Flash Update #1, https://reporting.unhcr.org/syria-situation-crisis-regional-flash-update-1 ?_kx=6EpO7gU0rU50xGcgN77kLMpUDASzvc7uCF4oPmrqe7XSlYTPrjEgvzLoKDU_I5tC.QSR8 8A, Zugriff 12.12.2024 ■ UN News - United Nations News (2.1.2025): Over 115,000 Syrians have returned home since end of Assad dictatorship, https://news.un.org/en/story/2025/01/1158706, Zugriff 7.1.2025 ■ UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (7.1.2025): Syrian Arab Republic: Flash Update No. 10 on the Recent Developments in Syria (as of 7 January 2025), https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-flash-update-no-10-recent-dev elopments-syria-7-january-2025-enar , Zugriff 8.1.2025 ■ UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.12.2024): Syrian Arab Republic: Flash Update No. 9 on the Recent Developments in Syria (as of 31 December 2024), https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-flash-update-no-9-recent-dev elopments-syria-31-december-2024-enar , Zugriff 3.1.2025 ■ UNSC - United Nations Security Council (8.1.2025): Caretaker Authorities Should Extend Hand of Reassurance, Trust to All Communities in Syria, Special Envoy Tells Security Council Meetings Coverage and Press Releases, https://press.un.org/en/2025/sc15961.doc.htm, Zugriff 14.1.2025 ■ VB Amman - Verbindungsbeamter des BMI in Jordanien [Österreich] (10.2.2025): 025-02-10_Update Syrien – Reisebewegungen Libanon, zusätzliche Vertreibung aus der Region um Homs #19 [erhalten per E-mail] 14.1.1 Palästinensische Flüchtlinge (Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)) Letzte Änderung 2025-05-08 16:50 [Derzeit gibt es nur wenige Quellen und eine dünne Informationslage. Im Folgenden wird der ak tuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden. Die Vorgehensweise der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Länderinformation entspricht den in der Methodologie der Staatendokumen tation festgeschriebenen Standards. Weder wird ein Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit der vorliegenden Informationen erhoben. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.] Nach dem Krieg im Jahr 1948 flüchteten Palästinenser nach Syrien. Sie leben in neun offiziellen Flüchtlingscamps in Dara’a, Homs, Hama, an-Nayrab, Sayyida Zaynab, Jaramana, Khan Ash- Shayh, Khan Dannoun und as-Sabina sowie in drei inoffiziellen Flüchtlingscamps in ar-Raml in Latakia, ’Ayn at-Tall nordöstlich von Aleppo und Yarmouk in Damaskus. Im Jahr 1949 registrierte das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East - UNRWA) etwa 80.000 Pa lästinenser, die nach Syrien geflohen waren, im Jahr 2020 lag die Zahl der Palästinenser in 236

Syrien bei ca. 600.000. Die palästinensischen Geflüchteten erhielten in Syrien einen Rechtssta tus, der es ihnen erlaubt, zu arbeiten, Eigentum zu besitzen, Krankenhäuser zu besuchen, eine Ausbildung zu absolvieren und zu studieren, ohne die syrische Staatsbürgerschaft zu innezu haben. Für die Belange der palästinensischen Geflüchteten wurde am 25.1.1949 eine eigene Institution in Syrien geschaffen, die General Authority for Palestine Arabian Refugees. Diese Behörde ist seit 1958 dem syrischen Ministerium für Soziales und Arbeit unterstellt und galt als strategisches Bindeglied zwischen der UNRWA und der syrischen Regierung. Dank der syri schen Gesetze konnten die Palästinenser am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben in Syrien teilnehmen und wurden so im Gegensatz zu den im Libanon lebenden Palästinenser ein Teil der Gesellschaft (Disor 19.1.2025). Vor dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs lebten in Syrien über 526.000 Palästinenser (MRG 1.2025). Laut der Menschenrechtsorganisation Action Group for Palestinians of Syria wurden in den vergangenen dreizehn Jahren mehr als 4.000 Pa lästinenser getötet und mehr als 3.000 in den Foltergefängnissen des Regimes inhaftiert. Ihre Häuser sind ganz oder teilweise zerstört, Zehntausende wurden innerhalb und außerhalb Syri ens vertrieben. Allein seit 2011 verließen etwa 150.000 palästinensische Flüchtlinge aufgrund der Sicherheits- und Wirtschaftslage Syrien und verteilten sich hauptsächlich auf den Libanon, Jordanien und die Türkei. Einige Tausend leben auch in Ägypten und Europa. Die neue Führung in Syrien berief Palästinenser in Schlüsselpositionen wie dem Energieministerium trotz fehlen der syrischer Staatsbürgerschaft. Bisher sieht es also nach einer angemessenen Beteiligung von Palästinensern am Wiederaufbau in Syrien aus (Disor 19.1.2025). Anfang 2025 lebten nach Schätzungen der UNRWA 438.000 Palästinenser in Syrien, von denen 60 % mindestens ein mal vertrieben worden waren und 40 % schätzungsweise weiterhin vertrieben blieben (MRG 1.2025). UNRWA ist für palästinensische Geflüchtete in Syrien sowie im Libanon, in Jordanien und im Gazastreifen zuständig und hat in Syrien den Auftrag, den palästinensischen Vertriebenen Gesundheits-, Bildungs-, Hilfs- und Sozialdienste zur Verfügung zu stellen (Disor 19.1.2025). Quellen ■ Disor - Dis:orient (19.1.2025): Syrische Palästinenser:innen kämpfen für Staatsbürgerschaft, https: //www.disorient.de/magazin/syrien-damaskus-jarmuk-nach-syrischer-revolution-palaestinenserinn en-kampf-fuer-staatsbuergerschaft , Zugriff 30.1.2025 ■ MRG - Minority Rights Group (1.2025): Syria - Communities, https://minorityrights.org/country/syria, Zugriff 7.2.2025 14.2 Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) Letzte Änderung 2025-05-08 16:51 [Im vorliegenden Dokument wurde auf die allgemeine Lage nach dem Umbruch am 8.12.2024 fokussiert. Die Lage in von den Kurden dominierten Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat sich bisher nicht wesentlich verändert und wurde daher aufgrund zeitlicher, personeller und finan zieller Ressourcen nicht in der gewohnten Tiefe bearbeitet. Für Fragestellungen dazu, bitten 237

wir auf die Vorversion der Länderinformation zurückzugreifen bzw. Uns mittels einer Anfrage zu kontaktieren. Die Einarbeitung aktueller Quellen und Informationen zur Lage in der DAANES wird zeitnah mittels Aktualisierung erfolgen. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderin formation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.] Nachdem ein interner Grenzübergang zu Manbij und ’Ain al-’Arab geschlossen wurde, ist der Personen- und Warenverkehr seit Mitte Dezember 2024 behindert. Der andauernde Beschuss und gewalttätige Zwischenfälle in der Nähe der Qaraqozak-Brücke blockieren auch den Zugang zwischen Manbij und Gebieten östlich des Euphrat, einschließlich des Gouvernements ar-Raqqa (UNOCHA 30.1.2025). Quelle ■ UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (30.1.2025): Syrian Arab Republic: Flash Update No. 13 on the Recent Developments in Syria (as of 29 January 2025), https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/syrian-arab-republic-flash-update-no-13-recent-dev elopments-syria-29-january-2025-enar , Zugriff 31.1.2025 15 Grundversorgung und Wirtschaft Letzte Änderung 2025-05-08 22:36 [Anmerkung: Die folgenden Informationen können größtenteils als noch aktuell angesehen wer den. Am Ende des Kapitels sind aktuelle Informationen angeführt, die bestätigen, dass sich die sozio-ökonomische Lage bisher nicht wesentlich verändert hat, und die neuesten Entwicklungen aufzeigen. Weiterführend siehe: Länderspezifische Anmerkungen] Grundversorgung Jahr für Jahr steigt die Anzahl der Menschen, die humanitäre Unterstützung benötigen, während gleichzeitig die Mittel knapper werden (UNRCHCSYR 22.9.2024). Im Jahr 2024 waren 16,7 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, die höchste Zahl seit Beginn der Krise im Jahr 2011 (UNOCHA 3.3.2024; vgl. UNRCHCSYR 22.9.2024). Mit Februar 2025 waren laut UNOCHA noch immer 16,5 Mio. Menschen in Syrien auf Hilfe angewiesen (UNOCHA 12.2.2025). Im Nordwesten Syriens waren es 2024 4,4 Millionen Menschen, die für ihr Überleben weiterhin vollständig auf die von den Vereinten Nationen koordinierte humanitäre Hilfe angewiesen sind (AI 24.4.2024; vgl. TIMEP 23.5.2024). 13,6 Millionen Menschen brauchten 2024 Dienstleistungen in den Sektoren Wasser und Hygiene (UNICEF 17.12.2024). Die Karte von UNOCHA zeigt die Anzahl der hilfsbedürftigen Personen je nach Gouver nement 238

Quelle 4: UNOCHA 28.1.2025 Das Syrian Center for Policy of Research schätzt die Armutsquote für ganz Syrien im Jahr 2023 auf über 90 %, mit 80 % der syrischen Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze leben und somit nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse, wie Ernährung, Bildung und Gesundheit zu decken (SCPR 6.2024; vgl. WHO 16.3.2024). Die österreichische Botschaft Damaskus gibt ebenfalls an, dass 90 % der syrischen Bevölkerung in Armut leben (ÖB Damaskus 2023). Einer syrischen Medienseite zufolge leben im Nordwesten Syriens 91,16 % unterhalb der Armutsgren ze (Syria TV 31.5.2024). Die Gouvernements ar-Raqqa, Deir ez-Zour, Idlib, Hama und Homs verzeichneten die höchsten Raten extremer Armut. Die Rate der bitteren Armut lag 2023 bei über 50 %, was bedeutet, dass die Hälfte der syrischen Bevölkerung nicht in der Lage ist, ihren Grund nahrungsmittelbedarf zu decken (SCPR 6.2024). In den letzten drei Jahren (Stand Juni 2024) haben 70 % der syrischen Haushalte eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen und ihrer Möglichkeiten, Grundversorgungsgüter zu erhalten, erlebt (INSS 6.2024). In Nordwestsyrien benötigt die Mehrheit der Menschen lebensrettende Hilfe. Dort ist die grenzüberschreitende Hilfe zur Lebensader geworden (SIDA 31.3.2024). Die Weltbank kam bei einer Umfrage im Jahr 2022 zu dem Ergebnis, dass 14,5 Mio. Syrier, also 69 % der Bevölkerung, von Armut betroffen sind. Ca. 5,7 Mio. Menschen (27 %) leben in extremer Armut. 50 % der Personen, die in extre mer Armut leben, leben in nur drei Gouvernements (Aleppo, Hama, Deir ez-Zour). Im Vergleich zum nationalen Durchschnitt von 27 % ist die extreme Armut in Deir ez-Zour (72 %), Hama und ar-Raqqa (61 %), al-Hasaka (49 %), Dara’a (48 %), Quneitra (43 %) und Aleppo (34 %) drama tisch höher. In allen übrigen Gouvernements liegt die Häufigkeit extremer Armut deutlich unter dem nationalen Durchschnitt (WB 2024). Unterschiede in den Gouvernements zeigen auch ver trauliche Quellen des niederländischen Außenministeriums auf, denen zufolge im Zentrum von Damaskus Restaurants und Supermärkte wieder geöffnet waren, und das Straßenbild fast so wie vor dem Konflikt war – vor allem, nachdem alle Kontrollpunkte aus dem Stadtzentrum entfernt 239

worden waren. In den Provinzen Latakia und Tartus soll das Durchschnittseinkommen ebenfalls höher sein als im Rest Syriens. Den Quellen zufolge handelte es sich dabei um Gebiete, die hauptsächlich von regierungstreuen Personen und syrischen Würdenträgern bewohnt wurden (MBZ 8.2023). Im Bericht der Österreichischen Botschaft Damaskus wird von einer schlech ten Versorgungslage in Tartus und Latakia berichtet (ÖB Damaskus 2023). Insbesondere in den Gouvernements Aleppo und Idlib waren die wirtschaftlichen Auswirkungen des Erdbebens 2023 zu spüren, wo ein Anstieg der Lebensmittelpreise, ein Anstieg der Armutsquote und eine Erweiterung der Armutslücke zu verzeichnen waren (SCPR/UniVie 8.2023). Eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums berichtete, dass es auf den Straßen der Städte Damaskus und Aleppo weit mehr obdachlose Männer als früher gab (MBZ 8.2023). In einem von der Staatendokumentation nach Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Europäischen Kommission und der Wirtschafts kommission der Vereinten Nationen für Europa entwickelten Indikator, der auf einer Umfrage in den drei größten Städten, Damaskus, Homs und Aleppo im Juli 2024 mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI) basiert und sich aus den Dimensionen Wohnen, Nahrung und Wasser, grundlegende Konsumgüter, Gesundheitsdienste und Arbeitsmarkt zusammensetzt, zeigt sich, dass die Befragten in Damaskus stärker in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken als Befragte in Aleppo und Homs (STDOK 2025). Folgende Karte verdeutlich das: Quelle 5: STDOK 2025 240

In Bezug auf Wohnungsmarkt und medizinische Versorgung verdeutlicht die folgende Gra fik die sozio-ökonomische Lage. Von Elisa Omodei (Central European University) wurde ein zusammengesetzter Indikator für die sozioökonomischen Erhebungen entwickelt, um eine Ge samtquantifizierung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Haushalte in den untersuchten Gebieten zu ermöglichen. Der Indikator ist ein praktisches Instrument, mit dem die Ergeb nisse der Erhebung kategorisiert werden können. Zur Entwicklung des Indikators wurden die Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Europäischen Kommission und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa zur Erstellung zusammengesetzter Indikatoren herangezogen. Der Index setzt sich aus den folgenden Dimensionen zusammen: Wohnen, Ernährung und Wasser, grundlegende Konsum güter, Gesundheitsdienste und Arbeitsmarkt. Der Wert jedes der oben definierten Indikatoren (Frage-, Dimensions- und Gesamtebene) liegt zwischen 0 und 1, wobei Werte nahe Null auf nicht nachhaltige sozioökonomische Standards und Werte nahe Eins auf nachhaltige sozioökonomi sche Standards hinweisen. Jeder Wertebereich ist mit einer bestimmten sozioökonomischen Situationskategorie und einem Farbcode verbunden (STDOK 2025): Quelle 6: STDOK 2025 241

Quelle 7: STDOK 2025 Einem im Zuge der FFM 2024 der Staatendokumentation interviewten Arzt aus Damaskus zufolge kostet das Leben in Syrien zwischen 300 und 500 US-Dollar im Monat (Arzt in Damaskus 23.9.2024). Die Mindestarmutsgrenze nach Schätzungen der UNO liegt bei 200 US-Dollar pro Monat und die Mindesthungergrenze bei 60 US-Dollar pro Monat (BBC 16.12.2024). Steigende Preise und Arbeitslosigkeit waren die am häufigsten genannten Gründe, die die Fä higkeit der Haushalte einschränkten, ihre Grundbedürfnisse zu decken, wobei Einwohner, Rück kehrer und Binnenvertriebene ähnliche Zahlen angaben (WB 28.5.2024).Die Gehälter im öf fentlichen Sektor reichten nicht aus, um die Lebenserhaltungskosten zu decken (BS 19.3.2024). Viele Angestellte des öffentlichen Sektors waren auf Bestechung angewiesen, um ihr Einkom men aufzubessern. Viele Arbeitnehmer im öffentlichen und privaten Sektor nahmen zusätzliche manuelle Tätigkeiten an oder verließen sich auf die Unterstützung ihrer Großfamilien (USDOS 22.4.2024). Die meisten Gehälter im öffentlichen Dienst wurden seit dem Amtsantritt ash-Sha ra’s nicht mehr gezahlt (Economist 2.4.2025). In einer von der Staatendokumentation in Auftrag gegebenen Studie, bei der 600 Syrer im Alter von 16-35 Jahren in den drei größten Städten, Damaskus, Homs und Aleppo im Juli 2024 mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI) befragt wurden, gaben 6 % der Befragten an, dass sie es schafften, grundlegende Konsumgü ter, wie Kleidung und Schuhe für ihre Familie bereitzustellen. 39 % schafften es gerade noch, grundlegende Konsumgüter für ihre Familie bereitzustellen, 40 % schafften es kaum und 15 % schafften es nicht. Gegenüber dem Vorjahr stellte dies eine leichte Verbesserung dar (STDOK/ SL 2024). 2023 gaben in einer von der Staatendokumentation in Auftrag gegebenen Studie von Mitte August bis Anfang September 2023 im Bevölkerungssegment von 16 bis 35 Jahren 33 % 242

an, dass sie es gerade noch schafften, grundlegende Konsumgüter für ihre Familien bereitzu stellen und 44 % gaben an, dies kaum zu schaffen (STDOK/SL 14.2.2024). Die folgenden von der Staatendokumentation erstellten Grafiken zeigen die Ergebnisse dieser Studien: asst. Quelle 8: STDOK/SL 2024 Ungefähr 70 % (8,1 Millionen) der Menschen, die Hilfe benötigen, lebten in den von der As sad-Regierung kontrollierten Gebieten. Obwohl sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren 243

stabilisiert hatte, gab es nach wie vor eine erhöhte Ernährungsunsicherheit, Armut, ausgehöhlte Bewältigungskapazitäten und eine Verschlechterung des Zugangs zu grundlegenden Dienst leistungen sowie das Aufflammen von Konflikten (SIDA 31.3.2024). In der Autonomen Region Nordostsyrien hatten im Jänner 2024 70 % der Haushalte Schwierigkeiten ihre Grundbedürf nisse (wie Unterkunft, Lebensmittel und Medizin etc.) für alle Familienmitglieder zu erfüllen. Gründe dafür lagen in den hohen Kosten von essenziellen Gütern und Dienstleistungen und im fehlenden Zugang zu Einkommen (NES 20.11.2024). Trotz eines erhöhten Bedarfs sind die humanitären Mittel für Syrien in den letzten Jahren zu rückgegangen, was auf eine Kombination aus westlicher Gebermüdigkeit und dem Aufkommen anderer globaler Konflikte, insbesondere der Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen, zu rückzuführen ist. Die Auswirkungen der Kürzung der Nahrungsmittelhilfe führen dazu, dass die betroffenen Familien negative Bewältigungsmechanismen, wie eine drastische Reduzierung der täglichen Nahrungsaufnahme, vermehrte Schulabbrüche und Kinderarbeit anwenden (TIMEP 23.5.2024). Die humanitären Mittel wurden seit 2023 auf 39 % des Bedarfs (2,1 Milliarden US- Dollar) gekürzt (Stand Juni 2024). Nur 8 % der benötigten Mittel sind eingegangen. Viele lokale Organisationen im Nordwesten Syriens mussten zahlreiche Hilfsprogramme einstellen, Dutzen de von Mitarbeitern entlassen und Büros in verschiedenen Städten auf dem Land in Aleppo und Idlib schließen (OSS 25.6.2024). Das US-Außenministerium kündigte die Aussetzung aller von der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) finanzierten Auslandshilfen für 90 Tage an. US-Außenminister Rubio erteilte Ausnahmeregelungen, welche die weitere Bereitstellung lebensrettender humanitärer Hilfe ermöglichen. Allerdings bleibt unklar, welche spezifischen Programme ausgenommen sind. Zu den von der Aussetzung ausgenommenen Diensten gehö ren beispielsweise die Wasserversorgung, die Müllabfuhr und die Abwasserentsorgung. Quellen, die im Bereich der humanitären Hilfe tätig sind, erklärtengegenüber al-Modon, dass die Zahl der humanitären Organisationen, deren Programme und Dienste von der Aussetzung der Hilfe betroffen sind, sehr groß ist. Betroffen sind neben den Weißhelmen auch Organisatoren, die Ge sundheitseinrichtungen, wie Krankenhäuser und provisorische Unterkünfte betreuen (Almodon 4.2.2025). Die im Januar 2025 erlassene Verordnung der Vereinigten Staaten zur Aussetzung humanitärer Aktivitäten hat schwerwiegende Auswirkungen auf Organisationen und Sektoren im Nordosten Syriens, insbesondere in informellen Siedlungen und Lagern für Binnenvertriebene (UNOCHA 27.3.2025). In allen Regionen sind die Zerstörung der Infrastruktur, einschließlich der Wohnverhältnisse, sowie der fehlende oder eingeschränkte Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen (Gesund heitsversorgung, Bildung, Strom, fließendes Wasser, soziale Dienste) eine allgegenwärtige Herausforderung. Gemeinden, die von Belagerungen oder schweren Kämpfen betroffen waren, wie Ost-Ghouta in der Nähe von Damaskus oder Teile von Aleppo, verfügen kaum über Dienst leistungen, sodass die Zivilbevölkerung dort einem höheren Risiko für Gesundheitsprobleme, Ausbeutung, negative Bewältigungsmechanismen und weitere Vertreibung ausgesetzt ist (GPC 3.4.2025). Selbst in den mittlerweile stabilen Regionen des Landes funktionieren öffentliche Versorgungsleistungen und Dienste – Strom, Wasser, Telekommunikation, Bildung – kaum noch (Bourse & Bazaar 1.4.2025). 244
