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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
waren die Einweihung der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Ephrem am 8.10.2023 in Istanbul, des ersten Kirchenneubaus seit Gründung der Republik Türkei 1923, die Renovierung und Weihe der armenisch-orthodoxen Kirche Üç Horan am 29.8.2021 in Malatya (ÖB Ankara 4.2025, S. 36; vgl. USCIRF 5.2024, S. 71) und die Ankündigung der Reparatur der vom Erdbeben beschä digten griechisch-orthodoxen St. Georg-Kirche in Antakya (USCIRF 5.2024, S. 71) sowie die beginnende Renovierung der armenischen Kirche Surp Sarkis in Diyarbakır im Frühjahr 2024 (USCIRF 3.2025, S. 66; vgl. AnA 30.5.2024). Es kommt weiterhin zu Hassverbrechen und Hassreden gegen Christen und Juden (EC 8.11.2023, S. 33; vgl. EC 30.10.2024, S. 35). Antisemitische und antichristliche Ressentiments gehören nicht nur in der (regierungsnahen) Boulevardpresse und in sozialen Medien zum Standardrepertoire. Auch hochrangige Politiker und Politikerinnen bis in die Staatsspitze und die Führung der Opposition greifen in ihren öffentlichen Äußerungen gelegentlich auf antisemiti sche bzw. antiarmenische Verschwörungstheorien zurück (BMZ/AA 22.11.2023, S. 154). Im Mai 2021 beispielsweise verwendete der türkische Präsident Erdğan in einer Fernsehansprache ebenfalls antisemitische Formulierungen (USCIRF 4.2022, S. 62). Die COVID-19-Pandemie hatte zusätzlich zu einer Zunahme von Antisemitismus und antisemitischer Rhetorik in der Türkei geführt. Im März 2021 wurde das Tor der historischen Kasturya-Synagoge in Istanbul in Brand gesetzt (USCIRF 12.2021, S. 4) und Mitte Juli 2022 verwüsteten unbekannte Täter jüdische Gräber auf dem Hasköy-Friedhof in Beyoğlu, Istanbul. Nach Angaben der Stiftung des Oberrabbinats der Türkei wurden bei dem Anschlag sechsunddreißig Grabsteine beschädigt (Bianet 15.7.2022). Die Behörden gehen in letzter Zeit verstärkt gegen evangelikale Prediger und deren Familien vor. Seit 2019 mussten über 200 Prediger und ihre Angehörigen die Türkei verlassen (Stand: Au gust 2022). Während immer wieder ausländische Protestanten des Landes verwiesen werden, werden in den meisten Fällen die Aufenthaltstitel der Betroffenen selbst nach jahrzehntelan gem Aufenthalt im Land nicht mehr verlängert. Anderen wird die Wiedereinreise nach einem Auslandsaufenthalt verwehrt. Der Vorwurf lautet, dass sie als Missionare die öffentliche Sicher heit gefährden würden. Die Begründung, missionarische Tätigkeiten würden eine Gefahr der öffentlichen Sicherheit darstellen, wird auch vom Verfassungsgericht bestätigt. Grundlage sind in vielen Fällen Berichte des türkischen Geheimdienstes MİT. Diese können jedoch auch bei Gericht nicht eingesehen werden, sodass unklar ist, worauf sich die Vorwürfe stützen (ÖB An kara 4.2025, S. 34; vgl. AlMon 23.3.2022). Die Protestanten hatten weiterhin Probleme mit der offiziellen Anerkennung ihrer Gotteshäuser (EC 8.11.2023, S. 33). Juden In der Türkei leben schätzungsweise 16.000 bis 17.000 Juden. Die Besorgnis über Antisemitis mus in der Türkei hat zugenommen, insbesondere nach den Terroranschlägen der Hamas vom 7.10.2023 und dem darauf folgenden Krieg zwischen Israel und der Hamas. Zu den Vorfällen im Jahr 2023 gehörten beispielsweise ein Taxifahrer, der sich weigerte, jüdische Fahrgäste zu befördern, ein Buchhändler, der ein Schild mit der Aufschrift „ Keine Juden erlaubt“ in seinem Schaufenster aufhängte, und die Verwüstung der Etz Hayim-Synagoge in Izmir (DFAT 16.5.2025, 243

S. 17; vgl. Algemeiner 27.10.2023). Am 17.10.2023 griff die regierungsnahe islamistische Tages zeitung Yeni Akit die jüdischen Türken mit der Schlagzeile „ Deportiert die zionistischen Diener aus der Staatsbürgerschaft“ auf ihrer Titelseite an. Yeni Akit behauptete, jüdische Türken seien „ von Natur aus Bürger Israels“ und warf ihnen vor, in den jüdischen Staat zu reisen, um sich an dessen Kriegsbemühungen zu beteiligen. Am folgenden Tag titelte die regierungsnahe Tages zeitung Yeni Şafak auf ihrer Titelseite: „ Dieser Terrorstaat muss zerstört werden“ (Algemeiner 27.10.2023). Die türkisch-jüdische Gemeinde hat ihre Besorgnis über antisemitische Äußerun gen in den Medien und von hochrangigen Regierungsvertretern zum Ausdruck gebracht (DFAT 16.5.2025, S. 17). Während jüdische Gemeinden in Istanbul und Ankara ihre Dankbarkeit für den Polizeischutz bei ihren Gottesdiensten zum Ausdruck brachten, haben die hetzerischen Äußerungen politischer Führer über Israel, darunter auch Verfälschungen des Holocaust, an historische antisemitische Narrative angeknüpft und zu einer Stimmung in der Bevölkerung gegen Juden beigetragen (USCIRF 3.2025, S. 67). Prangerte Staatspräsident Erdoğan den Antisemitismus als „ Verbrechen gegen die Mensch lichkeit“ vor US-amerikanischen Juden am selben Tag seines Treffens mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu an (Haaretz 21.9.2023), so änderte sich das ab dem 7.10.2023 radikal. - Erdoğan hat seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem darauffolgenden Gaza-Krieg mehrfach für Irritationen und Empörung gesorgt. Erdogan rügte den israelischen „ Faschismus“ und zweifelte Existenzrecht des Staates Israel offen an, den er wörtlich auch als Terrorstaat titulierte, der in Gaza einen Genozid verübe (MM 17.11.2023; vgl. AnA 22.11.2023). Mit der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der Hamas erlebt die Türkei einen beunruhigenden Anstieg antisemitischer Äußerungen, die vor allem durch die Medienberichterstattung und den politischen Diskurs verschärft werden, die u. a. Adolf Hitler und die Nazi-Ideologie verherrlichen (DW 26.10.2023; vgl. FAZ 26.10.2023, USCIRF 5.2024, S. 70). Die jüdische Gemeinde in der Türkei hat angesichts des anhaltenden Konflikts zwischen Israel und der Hamas ihre Besorgnis über den zunehmenden Antisemitismus zum Ausdruck gebracht. Karel Valansi, Kolumnist u. a. für die türkisch-jüdische Zeitung Şalom, erklärte gegenüber der Deutschen Welle, dass Juden in der Türkei zunehmend mit der israelischen Politik in Verbindung gebracht werden. In der Wahrnehmung, so Valansi, werden Juden völlig aus der Position von Bürgern der Türkei entfernt und zu Botschaftern und zum verlängerten Arm Israels gemacht, und die Wut gegen diesen Staat richtet sich dann gegen türkische Juden (DW 26.10.2023). Um kein Aufsehen zu erregen, hat die türkisch-jüdische Gemeinschaft beispielsweise das jüdische Chanukka-Fest seit dem 7.10.2023 nicht mehr öffentlich gefeiert (MBZ 2.2025a, S. 73). Quellen ■ ACN - Kirche in Not (2023): Türkei Report 2023, https://acninternational.org/religiousfreedomreport/ de/berichte/land/2023/turkei, Zugriff 6.12.2024 244

■ Algemeiner - Algemeiner, The (27.10.2023): Jews Not Allowed: Nazi-Style Sign at Istanbul Store Signals Rising Antisemitism in Turkey - Algemeiner.com, https://www.algemeiner.com/2023/10/27/ jews-not-allowed-nazi-style-sign-istanbul-store-signals-rising-antisemitism-turkey , Zugriff 5.6.2025 ■ AlMon - Al Monitor (23.3.2022): Wave of expulsions shakes Turkey’s tiny Protestant community, https://www.al-monitor.com/originals/2022/03/wave-expulsions-shakes-turkeys-tiny-protestant-c ommunity, Zugriff 14.12.2023 ■ AnA - Anadolu Agency (30.5.2024): Renovation to begin at 500-year-old Armenian church in south eastern Türkiye, https://www.aa.com.tr/en/culture/renovation-to-begin-at-500-year-old-armenian-c hurch-in-southeastern-turkiye/3235709 , Zugriff 12.6.2025 ■ AnA - Anadolu Agency (22.11.2023): Israel’s ’occupier terrorism’ in Gaza are crimes against humanity, constitute ’genocide,’ says Turkish President Erdogan, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/israel s-occupier-terrorism-in-gaza-are-crimes-against-humanity-constitute-genocide-says-turkish-presi dent-erdogan/3061601, Zugriff 14.12.2023 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.11.2024c): Länderkurzinformation: Türkei - Religiöse und ethnische Minderheiten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho erde/Informationszentrum/Laenderkurzinformationen/2024/laenderkurzinfo-tuerkei-10-24-religion. pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 21.11.2024 ■ Bianet - Bianet (15.7.2022): Jewish cemetery in İstanbul vandalized, https://bianet.org/english/relig ion/264534-jewish-cemetery-in-istanbul-vandalized , Zugriff 13.12.2023 ■ BMZ/AA - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland], Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2023): Dritter Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit (Berichtszeitraum 2020 bis 2022), https://religionsfreiheit.bmz.de/resourc e/blob/190798/dritter-religions-und-weltanschauungsfreiheitsbericht.pdf , Zugriff 24.11.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.5.2025): DFAT Country Information Report; Türkiye, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-turkey.pdf , Zugriff 21.5.2025 ■ DW - Deutsche Welle (26.10.2023): Antisemitism rises in Turkey during Israel-Hamas war, https: //www.dw.com/en/turkey-sees-rise-in-antisemitism-during-israel-hamas-war/a-67212781 , Zugriff 14.12.2023 ■ EC - Europäische Kommission (30.10.2024): Türkiye 2024 Report [SWD(2024) 696 final], ht tps://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/8010c4db-6ef8-4c85-aa06- 814408921c89_en?filename=Türkiye Report 2024.pdf, Zugriff 5.11.2024 ■ EC - Europäische Kommission (8.11.2023): Türkiye 2023 Report [SWD (2023) 696 final], https:// neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_696 Türkiye report.pdf, Zugriff 9.11.2023 ■ FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.10.2023): [Mumay, Bülent] Recep Erdogans Türkei und der Antisemitismus: Einblicke aus Istanbul, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/brief-aus-istanbul/ recep-erdo-ans-tuerkei-und-der-antisemitismus-einblicke-aus-istanbul-19267494-p3.html , Zugriff 14.12.2023 ■ Haaretz - Haaretz (21.9.2023): Turkish President Erdogan denounced antisemitism as ’crime against humanity’ to U.S. Jews, https://www.haaretz.com/middle-east-news/2023-09-21/ty-article/.premiu m/turkish-president-erdogan-denounced-antisemitism-as-crime-against-humanity-to-u-s-jews/00 00018a-b7e3-d383-a3da-fffb7c220000?lts=1702548116574 , Zugriff 14.12.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich] ■ Haberler - Haberler (1.1.2025): Armed attack on a church in Istanbul on New Year’s Eve., https: //en.haberler.com/armed-attack-on-a-church-in-istanbul-on-new-year-s-2034433 , Zugriff 15.1.2025 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (2.2025a): Algemeen ambtsbericht Turkije, https://www.ecoi.net/de/dokument/2122226.html, Zugriff 13.3.2025 ■ MM - Münchner Merkur (17.11.2023): Erdogans sechs erschreckendste Aussagen zum Krieg in Israel – Was setzt Scholz entgegen?, https://www.merkur.de/politik/erdogan-israel-scholz-antisemit ismus-hamas-freiheitskaempfer-einordnung-besuch-92681004.html , Zugriff 14.12.2023 ■ NHC-FBI - Norwegian Helsinki Committee’s Freedom of Belief Initiative (19.4.2022): An Appeal to Move Forward from Aspirations to Actions - Monitoring Report on the Right to Freedom of Religion or Belief in Turkey, https://inancozgurlugugirisimi.org/wp-content/uploads/2022/04/iog-monitoring-r eport-on-forb-2022-en.pdf , Zugriff 29.11.2023 ■ ÖB Ankara - Österreichische Botschaft Ankara [Österreich] (4.2025): Asylländerbericht 2024 – ÖB An kara, https://www.ecoi.net/en/file/local/2125282/TUER_ÖB Bericht_2025_04.pdf, Zugriff 13.5.2025 245

■ ÖB Ankara - Österreichische Botschaft Ankara [Österreich] (30.11.2021): Asylländerbericht Türkei, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067409/TUER_ÖB-Bericht_2021-11.pdf, Zugriff 9.1.2024 [Login erforderlich] ■ OpD - Open Doors (1.2024): Turkey: Full Country Dossier, https://www.opendoors.de/sites/default/f iles/country_dossier/turkey_wwl_2024_country_dossier.pdf, Zugriff 12.6.2025 ■ SCF - Stockholm Center for Freedom (2.1.2025): Gunman fires on Christian association in İstanbul - Stockholm Center for Freedom, https://stockholmcf.org/gunman-fires-on-christian-association-in-i stanbul, Zugriff 15.1.2025 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (3.2025): United States Commission on International Religious Freedom 2025 Annual Report, https://www.ecoi.net/ en/file/local/2124284/Nigeria 2025 USCIRF Annual Report.pdf, Zugriff 5.6.2025 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (5.2024): United States Commission on International Religious Freedom 2024 Annual Report; USCIRF–Recommen ded for Special Watch List; Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111600/Turkey.pdf , Zugriff 5.9.2024 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2022): Annual Report 2022, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2022-04/2022 USCIRF Annual Report_1.pdf, Zugriff 13.12.2023 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (12.2021): Update: Turkey; Religious Freedom in Turkey in 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069569/2021 Turkey Country Update.pdf, Zugriff 13.12.2023 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2020): United States Commission on International Religious Freedom 2020 Annual Report; USCIRF – Recom mended for Special Watch List: Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028978/Turkey.pdf , Zugriff 14.12.2023 17.3 Atheisten, Agnostiker und andere nicht-religiöse Personengruppen Letzte Änderung 2025-08-06 13:32 Eine Umfrage des Konda-Instituts vom Oktober 2024 zeigte, dass seit 2008 der Prozentsatz der Atheisten und Nicht-Gläubigen von 2 % auf 8 % gestiegen ist (TM 30.5.2025). Und 2022 sahen sich laut Konda 12,4 % der Teenager als ungläubig oder gleich als Atheisten (TA 27.9.2024). Zwar haben Atheisten das Recht, ihre Überzeugungen frei zu äußern, und einige tun dies auch aktiv online und in den Medien, doch werden Atheisten häufig von religiösen Türken kritisiert und beschimpft (DFAT 16.5.2025, S. 18). Hasstiraden und Beleidigungen gegen Atheisten und De isten gingen laut Europäischer Kommission auch 2023 weiter (EC 8.11.2023, S. 33). - Atheisten, Agnostiker und Deisten werden am Arbeitsplatz, in der Familie und im Bildungssystem in ihrem Recht auf Gedanken- und Glaubensfreiheit diskriminiert. Wer sich kritisch über Religion oder Glauben im Allgemeinen oder über bestimmte Auslegungen, insbesondere des Islams, äußert, muss mit einer Anzeige rechnen und läuft Gefahr, nach dem türkischen Strafgesetzbuch verfolgt zu werden. Dies geschieht insbesondere nach Artikel 216/3: „ öffentliche Herabsetzung der reli giösen Werte eines Teils der Bevölkerung“. Umgekehrt wird Artikel 216/3 nicht angewandt, um diese Minderheiten vor hasserfüllten oder verleumderischen Äußerungen zu schützen (NHC-FBI 19.4.2022, S. 6; vgl. DFAT 16.5.2025, S. 18). Am 23.10.2020 hielt der Leiter der staatlichen Religionsbehörde (DIYNET), Ali Erbaş, eine Rede anlässlich der Eröffnung einer Moschee in Patnos/Ağrı durch Staatspräsident Erdoğan. Darin richtete Erbaş sich gegen die Ungläubigen und sagte: „ Von Menschen, die nicht an das Leben nach dem Tod glauben, wird alles Böse erwartet“. Die Vereinigung der Atheisten in der 246

Türkei reagierte mit einer Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul wegen offener Beleidigung nicht-gläubiger Bürger (AD 6.12.2020). Unbeeindruckt von der Klage verkündigte Erbaş Ende März 2021: „ Schützen wir unsere Kinder vor anderen Ideologien als dem Islam und verschiedenen Organisationen und Strukturen, die Unglauben, Atheismus, Deismus und Zoroastrismus fördern. Wir würden eine Sünde begehen, wenn wir sie nicht schützen würden“ (Duvar 29.3.2021). Die Türkische Atheismus Vereinigung berichtet, dass der Begriff „Atheist“ als Beleidigung ver wendet oder mit Satanismus oder Terrorismus gleichgesetzt wird. Die potenzielle Diskriminierung am Arbeitsplatz führt dazu, dass sich nicht-religiöse Menschen nicht als solche zu erkennen geben. Im Jahr 2020 reichte die Vereinigung zwei einschlägige Klagen ein, die durch abfällige Äußerungen gegen Atheisten ausgelöst wurden, darunter gegen einen Lehrer, der seinen Schü lern beibrachte, dass „ [A]theismus einen zu einer bösartigen Person macht. Atheismus führt zu Satanismus. Atheismus führt dazu, Tiere zu quälen. Atheismus führt dazu, Selbstmord zu begehen“, und gegen die Zeitung Yeni Akit, die einen Artikel veröffentlichte, indem behauptet wurde, Atheisten seien potenzielle Serienmörder (HumInt 28.10.2022). Nicht-religiöse Personen geraten in Konflikt mit den Behörden, wenn sie Religionskritik üben. - Im September 2022 beispielsweise, leiteten die Behörden eine Untersuchung gegen einen Gelehrten und Atheisten ein, der die Existenz bestimmter religiöser Figuren als „ Märchen“ be zeichnete. Eine weitere Person wurde wegen Aufwiegelung angeklagt, nachdem er während des heiligen Monats Ramadan ein Foto von sich und anderen beim Trinken von Alkohol mit der Bildunterschrift „ Möge der Herr es annehmen“ postete (USCIRF 5.2023, S. 67). Ein Bericht über eine Umfrage zur Polarisierung in der Türkei, die von KONDA, einem For schungs- und Beratungsunternehmen in der Türkei 2019 durchgeführt wurde, ergab, dass der Anteil der Atheisten, die der Meinung sind, dass ihre Rechte als Bürger angemessen gewahrt werden, nur bei 7 % lag. 63 % der Atheisten fühlten sich als Bürger zweiter Klasse behandelt, und 69% stimmten der Aussage zu, sich wie ein Ausländer im eigenen Land zu fühlen. Umgekehrt ergab eine Umfrage des Center for American Progress (CAP) und des türkischen Meinungsfor schungsinstituts Metropoll im Oktober 2019, dass 32 % Prozent der Türken Deismus/Atheismus als gefährlicher als religiösen Extremismus betrachteten (IRB 25.11.2021). Atheistische und agnostische Schüler, aber auch Deisten können sich nicht vom obligatorischen (sunnitischen) Religionsunterricht m Fach „ Religiöse Kultur und Ethik“ befreien lassen (MBZ 2.2025a, S. 68; vgl. NHC-FBI 19.4.2022, S. 6, DFAT 16.5.2025, S. 18). In türkischen Grund- und Sekundarschulen ist Religion ein Pflichtfach (MBZ 2.2025a, S. 68) Quellen ■ AD - Ateizm Derneği [Atheismus Vereinigung] (6.12.2020): Criminal Complaint, https://www.ateizm dernegi.org.tr/blog/2020/12/06/criminal-complaint/, Zugriff 8.1.2024 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.5.2025): DFAT Country Information Report; Türkiye, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-turkey.pdf , Zugriff 21.5.2025 247

■ Duvar - Duvar (29.3.2021): Children must be protected from ideologies other than Islam: Turkey’s top religious body, https://www.duvarenglish.com/children-must-be-protected-from-ideologies-oth er-than-islam-turkeys-top-religious-body-news-56839 , Zugriff 8.1.2024 ■ EC - Europäische Kommission (8.11.2023): Türkiye 2023 Report [SWD (2023) 696 final], https:// neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_696 Türkiye report.pdf, Zugriff 9.11.2023 ■ HumInt - Humanists International (28.10.2022): Turkey - Freedom of Thought Report, https://fot.hu manists.international/countries/asia-western-asia/turkey, Zugriff 2.12.2024 ■ IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (25.11.2021): Turkey: Treatment of atheists by society and the authorities, particularly in Istanbul; whether socio-religious groups that support the government serve as informants to report the religious practices of citizens (2019–November 2021) [TUR200821.E], https://www.ecoi.net/de/dokument/2071668.html, Zugriff 2.12.2024 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (2.2025a): Algemeen ambtsbericht Turkije, https://www.ecoi.net/de/dokument/2122226.html, Zugriff 13.3.2025 ■ NHC-FBI - Norwegian Helsinki Committee’s Freedom of Belief Initiative (19.4.2022): An Appeal to Move Forward from Aspirations to Actions - Monitoring Report on the Right to Freedom of Religion or Belief in Turkey, https://inancozgurlugugirisimi.org/wp-content/uploads/2022/04/iog-monitoring-r eport-on-forb-2022-en.pdf , Zugriff 29.11.2023 ■ TA - Tagesanzeiger (27.9.2024): Türkei und Religion: Jugend zweifelt immer mehr am Islam, https:// www.tagesanzeiger.ch/tuerkei-und-religion-jugend-zweifelt-immer-mehr-am-islam-557445609401 , Zugriff 13.3.2025 ■ TM - Turkish Minute (30.5.2025): More Turks identify as nonbelievers, fewer as devout, new survey reveals - Turkish Minute, https://www.turkishminute.com/2025/05/30/more-turks-identify-as-nonbeli evers-fewer-as-devout-new-survey-reveals , Zugriff 4.6.2025 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (5.2023): United States Commission on International Religious Freedom 2023 Annual Report; USCIRF–Recommen ded for Special Watchlist: Turkey, https://www.ecoi.net/en/file/local/2092561/Turkey.pdf , Zugriff 30.11.2023 18 Ethnische Minderheiten Letzte Änderung 2025-08-06 13:34 Rechtslage und Rechtswirklichkeit Die kemalistische Ideologie sah die Türkei als ein Land mit einer einzigen ethnischen Identität. Die Assimilationspolitik, die die Sprache, Kultur und Identität ethnischer Minderheiten unter drückt, hat seit langem Ressentiments hervorgerufen, insbesondere unter den türkischen Kur den (DFAT 16.5.2025, S. 5). Die türkische Verfassung sieht nur eine einzige Nationalität für alle Bürger und Bürgerinnen vor. Sie erkennt keine nationalen oder ethnischen Minderheiten an, mit Ausnahme der drei, primär über die Religion definierten, nicht-muslimischen Gruppen, nämlich der Armenisch-Apostolischen und Griechisch-Orthodoxen Christen sowie der Juden (USDOS 22.4.2024, S.67; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S. 30, 39) sowie der Bulgaren aufgrund des Tür kisch-Bulgarischen Freundschaftsvertrages und der Assyrer aufgrund eines Gerichtsurteils (ÖB Ankara 4.2025, S. 39). Andere nationale oder ethnische Minderheiten wie Jafari [zumeist schiiti sche Aseris], Jesiden, Kurden, Araber, Roma, Tscherkessen und Lasen dürfen ihre sprachlichen, religiösen und kulturellen Rechte nicht vollständig ausüben (USDOS 22.4.2024, S.67; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S. 39). Allerdings wurden in den letzten Jahren Minderheiten in beschränktem Ausmaß kulturelle Rechte eingeräumt (ÖB Ankara 4.2025, S. 39). Dessen ungeachtet bedauerte der Menschrechtsausschuss der Vereinten Nationen Ende November 2024, dass die Türkei als Vertragsstaat des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (International 248

Covenant on Civil and Political Rights - ICCPR) ihren Vorbehalt zu Artikel 27 aufrechterhält und empfiehlt gleichzeitig, diesen Vorbehalt zurückzuziehen. Der Artikel 27 des Paktes garantiert die Rechte der ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten (UNHRCOM 28.11.2024, S. 2). - Staatsangehörige nicht-türkischer Volksgruppenzugehörigkeit sind keinen staatlichen Repres sionen aufgrund ihrer Abstammung unterworfen. Ausweispapiere enthalten keine Aussage zur ethnischen Zugehörigkeit (ÖB Ankara 4.2025, S. 39). Obwohl die Türkei über einige gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Rechte von Minderhei ten verfügt, bieten diese oft keinen umfassenden Schutz und gewährleisten keine Gleichstellung. Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Rechtsrahmen zur Verhinderung von Dis kriminierung und zum Schutz von Minderheitenrechten und deren praktischer Umsetzung. Die institutionellen Mechanismen sind ineffektiv. - Trotz der Einrichtung von Institutionen wie der Menschenrechts- und Gleichstellungsinstitution der Türkei (TİHEK) und der Ombudsmann-In stitution (KDK) ist ihre Wirksamkeit bei der Bekämpfung der Diskriminierung von Minderheiten nach wie vor begrenzt, da sie Probleme nur ungern direkt ansprechen. Beide Institutionen sind befugt, im Rahmen ihres Mandats Diskriminierungsbeschwerden von Minderheiten zu bearbei ten. Obwohl es keinen spezifischen Verweis auf „ Minderheit“ als identifizierenden Begriff gibt, können sie sich indirekt mit der Diskriminierung jeder Gruppe aufgrund von Geschlecht, Rasse, Sprache, Religion und ethnischer Zugehörigkeit befassen, wie im Gesetz zur TİHEK festgelegt. Die TİHEK könnte im Rahmen ihres Mandats auch Rechtsverletzungen gegen diese Gruppen überwachen und darüber Bericht erstatten. Bisher hat sie jedoch noch keine proaktiven Maß nahmen in dieser Hinsicht ergriffen. Trotz der Zuständigkeit beider Institutionen ist die Zahl der Anträge im Zusammenhang mit Minderheiten nach wie vor gering, was hauptsächlich auf die offensichtliche Zurückhaltung dieser Institutionen bei der Behandlung des Themas zurückzu führen ist. Zwischen 2018 und 2022 erließ die TİHEK von insgesamt 43 Entscheidungen eine einzige, die sich mit ethnischer Diskriminierung befasste. Diese Entscheidung betraf jedoch nicht in der Türkei lebende Minderheiten, sondern einen Flüchtling (MRG 29.4.2024, S. 3, 11). Demografie Schätzungsweise 70 bis 75 % der Bevölkerung sind ethnische Türken. Etwa 19 % sind Kur den, der Rest setzt sich aus verschiedenen kleinen ethnischen Minderheiten zusammen (DFAT 16.5.2025, S. 5). Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende eth nische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Roma (zwischen 2 und 5 Mio.), Tscherkessen (rund 2 Mio.), Bosniaken (bis zu 2 Mio.), Krim-Tataren (1 Mio.), Araber [ohne Flüchtlinge] (vor dem Syrienkrieg 800.000 bis 1 Mio.), Lasen (zwischen 50.000 und 500.000), Georgier (100.000) sowie Uiguren (rund 50.000) und andere Gruppen in kleiner und schwer zu bestimmender An zahl (AA 20.5.2024, S. 10). Dazu kommen noch, so sie nicht als religiöse Minderheit gezählt werden, Jesiden, Griechen, Armenier (60.000), Juden (weniger als 20.000) und Assyrer (25.000) vorwiegend in Istanbul und ein kleinerer Teil hiervon (3.000) im Südosten (MRG 6.2018b). 249

Quelle 7: BMI/BMLVS 2017, S. 33f. Anmerkung: Auf dieser Karte sind nur die Hauptsiedlungsgebiete der ethnischen und sprachlichen Gruppen dargestellt. Es kann Minderheiten geben, die nicht abgebildet sind. Insbesondere in städtischen Zentren ist die Bevölkerung sehr heterogen und kann auf diese Art von Karte nicht dargestellt werden. Die Gruppe „ kaukasische Völker“ bezieht sich auf Georgier, Lasen und Tscherkessen in der Türkei, Jordanien und Syrien. In der Türkei gehören zu den Kurden auch die Zaza. Bei den unter der Kennziffer 3 subsumierten Ethnien handelt es sich im Südosten der Türkei um Assyrer und nicht um Armenier. Letztere finden sich nur in den Großstädten und einem Dorf in der Provinz Hatay (hier nicht abgebildet). Intoleranz, Diskriminierung, Hassreden Trotz der Tatsache, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Bürgerrechte haben und obwohl jegliche Diskriminierung aufgrund kultureller, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit geächtet ist, herrschen weitverbreitete negative Einstellungen gegenüber Minderheitengruppen. Das Maß an Vertrauen und Toleranz gegenüber ethnischen Minderheiten und Nicht-Muslimen hat abgenommen (BS 19.3.2024, S. 7, 17). Bis heute gibt es im Nationenverständnis der Türkei keinen Platz für eigenständige Minderheiten. Der Begriff „ Minderheit“ (im Türkischen „ azınlık“) ist negativ konnotiert. Diese Minderheiten wie Kurden, Aleviten und Armenier werden auch heu te noch als „ Spalter“, „ Vaterlandsverräter“ und als Gefahr für die türkische Nation betrachtet. Mittlerweile ist sogar die Geschäftsordnung des türkischen Parlaments dahin gehend angepasst worden, dass die Verwendung der Begriffe „ Kurdistan“, „ kurdische Gebiete“ und „ Völkermord an den Armeniern“ im Parlament verboten ist, mit einer hohen Geldstrafe geahndet wird und 250

Abgeordnete dafür aus Sitzungen ausgeschlossen werden können (BPB 17.2.2018). Im Juni 2022 verurteilte das Europäische Parlament „ die Unterdrückung ethnischer und religiöser Min derheiten, wozu auch das Verbot der gemäß der Verfassung der Türkei nicht als ”Muttersprache“ eingestuften Sprachen von Gruppen wie der kurdischen Gemeinschaft in der Bildung und in allen Bereichen des öffentlichen Lebens zählt” (EP 7.6.2022, S. 18, Pt. 30). Die Gesetzgebung zu Hassverbrechen, einschließlich Hassreden, entspricht immer noch nicht den internationalen Standards, was ein ernstes Problem darstellt. Hassreden und Hassver brechen halten an, wobei die Hauptzielgruppen Kurden, Syrer (häufig Flüchtlinge), Griechen, Armenier, Juden und Aleviten waren (EC 30.10.2024, S.21, 35). Dazu gehören auch Hass-Kom mentare in den Medien, die sich gegen nationale, ethnische und religiöse Gruppen richten (EC 6.10.2020, S. 40). Vertreter der armenischen Minderheit berichten über eine Zunahme von Hassreden und verbalen Anspielungen, die sich gegen die armenische Gemeinschaft richteten, auch von hochrangigen Regierungsvertretern. Das armenische Patriarchat hat anonyme Drohungen rund um den Tag des armenischen Gedenkens erhalten. Staatspräsident Erdoğan bezeichnete den armenischen Parlamentsabgeordneten, Garo Paylan, als „ Verräter“, weil dieser im Parlament einen Gesetz entwurf eingebracht hatte, der die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern gefordert hatte (USDOS 20.3.2023, S. 87). Die Massaker an den Armeniern in den Jahren 1915-1917 sind weiterhin ein heikles Thema. Als z. B. der Menschenrechtsverteidiger Öztürk Türkdoğan dazu aufforderte, die genannten Ereignisse als „ Völkermord“ anzuerkennen, wurde er nach Artikel 301 des Strafgesetzbuchs wegen Beleidigung der türkischen Nation angeklagt, im Juli 2023 allerdings freigesprochen, da sein Aufruf unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fiel. Am 24.4.2024 bezeichnete ein Gastredner bei Açık Radyo die Ereignisse von 1915-1917 als Völkermord. Daraufhin verhängte der Oberste Rundfunk- und Fernsehrat (RTÜK) eine Geld strafe gegen den Radiosender. Açık Radyo zahlte die Geldstrafe nicht, woraufhin der RTÜK die Sendelizenz widerrief (MBZ 2.2025a, S. 71). Bildung und Kultur Während des EU-Harmonisierungsprozesses wurde das Recht auf den Gebrauch von Minder heitensprachen in gewissem Umfang erweitert, obwohl der Begriff „ Muttersprache“ nicht ver wendet wurde. Stattdessen wurde eine Definition wie „ verschiedene Sprachen und Dialekte, die traditionell von türkischen Bürgern in ihrem täglichen Leben verwendet werden“ angenommen, die mit Artikel 28 der Verfassung übereinstimmt, der festlegt, dass nur Türkisch als Mutterspra che unterrichtet werden darf (MRG 29.4.2024, S. 16f.; vgl. USDOS 22.4.2024, S.67f.). Dies erfolgt unter der Bedingung, dass die Schulen den Bestimmungen des Gesetzes über die priva ten Bildungsinstitutionen unterliegen und vom Bildungsministerium inspiziert werden (USDOS 22.4.2024, S.67f.). Diese Erweiterung erfolgte in drei wichtigen Bereichen. Erstens wurde das Erlernen dieser Sprachen trotz bürokratischer Hindernisse durch Online-Kurse und Initiativen von Organisationen der Zivilgesellschaft erleichtert, insbesondere während und nach der Pan demie. Zweitens wurde der Unterricht dieser Sprachen an Privatschulen genehmigt. Schließlich 251

wurde 2012 „ Lebende Sprachen und Dialekte“ als Wahlfach in alle Lehrpläne der Sekundarstu fe aufgenommen, darunter Adyghisch (i.e.Tscherkessisch), Abchasisch, Albanisch, Bosnisch, Georgisch, Kurmancî [Anm.: Hauptvariante des Kurdischen in der Türkei], Laz und Zazakî. Be trachtet man das Angebot an privaten Sprachkursen, so wird deutlich, dass Kurdisch weiterhin starker staatlicher Repression ausgesetzt ist (MRG 29.4.2024, S. 17). Allerdings wirken die Mindestanzahl von zehn Schülern für einen Kurs sowie der Mangel oder gar das Fehlen von Fachlehrern einschränkend auf die Möglichkeiten eines Unterrichts von Minderheitensprachen (EC 30.10.2024, S. 35). Trotz der Einrichtung von Fachbereichen an den Universitäten und der Anzahl der Absolventen, die diese Fachbereiche hervorbringen, wurden die erforderlichen Stellen für Lehrer für diese Kurse für fast jede Minderheitensprache weitgehend übersehen. Überdies behindern jedoch viele Schulleiter das Erlernen dieser Sprachen. Sie lassen sie von der Liste weg, warnen vor einer möglichen Stigmatisierung, indem sie bestehende Ängste der Eltern schüren, behaupten, dass die Sprachen für die Zukunft der Kinder unnötig seien, und lehnen manchmal Anträge ab oder bearbeiten sie nicht. Die Angst, aufgrund der historischen und bestehenden Diskriminierung von Minderheiten in der Türkei als solche abgestempelt zu werden, hält Eltern und Schüler ebenfalls davon ab, diese Kurse zu wählen (MRG 29.4.2024, S. 17f.). Universitätsprogramme sind in Kurdisch, Zazakî, Arabisch, Assyrisch und Tscherkes sisch vorhanden (EC 8.11.2023, S. 44; vgl. EC 30.10.2024, S. 35). Die erweiterten Befugnisse der Gouverneure und die willkürliche Zensur haben sich weiter hin negativ auf Kunst und Kultur der Minderheiten, insbesondere der Kurden, ausgewirkt (EC 8.11.2023, S. 44; vgl. EC 30.10.2024, S. 35). Das Gesetz erlaubt die Wiederherstellung einstiger nicht-türkischer Ortsnamen von Dörfern und Siedlungen und gestattet es politischen Parteien sowie deren Mitgliedern, in jedweder Sprache ihren Wahlkampf zu führen sowie Informationsmaterial zu verbreiten. In der Praxis wird dieses Recht jedoch nicht geschützt. Das Gesetz beschränkt den Gebrauch von anderen Sprachen als Türkisch in der Regierung und in öffentlichen Diensten (USDOS 22.4.2024, S.67f.). Mit dem 4. Justizreformpaket wurde 2013 per Gesetz allerdings die Verwendung anderer Sprachen als Türkisch (vor allem Kurdisch) vor Gericht und in öffentlichen Ämtern (Krankenhäusern, Postämtern, Banken, Steuerämtern etc.) ermöglicht (ÖB Ankara 4.2025, S.39). Siehe hierzu insbesondere das Unterkapitel: Ethnische Minderheiten / Kurden Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Januar 2024), https://www.ecoi.net/en/file /local/2110308/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_ der_Republik_Türkei,_20.05.2024.pdf, Zugriff 27.6.2024 [Login erforderlich] ■ BMI/BMLVS - Bundesministerium für Inneres [Österreich], Bundesministerium für Landesverteidi gung und Sport [Österreich] (2017): Atlas: Middle East & North Africa, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/1408000/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf , Zugriff 27.8.2024 ■ BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (17.2.2018): Die Türkei im Jahr 2017/2018, https://web.archive.org/web/20180220015658/http:/www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/253 187/die-tuerkei-im-jahr-2017-2018 , Zugriff 18.1.2024 252
