2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-tuerkei-version-10-d827
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Problem dar. In der Agrarwirtschaft, mit Ausnahme von Familienbetrieben, wird mobile und sai sonale Landarbeit im Nationalen Programm zur Beseitigung von Kinderarbeit (2017-2023) als eine der schlimmsten Formen der Kinderarbeit eingestuft, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen, damit verbundenen Risiken. Kinder, die in der landwirtschaftlichen Saisonarbeit beschäftigt sind, stellen eine der am meisten benachteiligten Gruppen dar, was die Arbeits- und Lebensbedin gungen in Verbindung mit Umwelt-, Bildungs- und Gesundheitsproblemen betrifft (ILO 5.3.2021, S. 3). Offiziellen Zahlen zufolge sind 720.000 Kinder gezwungen, zum Haushaltseinkommen ihrer Familien beizutragen. Rund 31 % dieser Kinder arbeiten in der Landwirtschaft, fast 24 % in der Industrie und 45,5 % im Dienstleistungssektor. 20 % der Kinder sind Saisonarbeiter (Du var 7.6.2021b; vgl. ILO 5.3.2021, S. 2). Das US-amerikanische Arbeitsministerium geht in der Altersgruppe der Sechs- bis 14-Jährigen sogar von einem Anteil von 57 % aus, welcher in der Landwirtschaft arbeitet, gefolgt von fast 16 % in der Industrie und 27 % im Dienstleistungs sektor (USDOL 26.9.2023). Der Anteil der arbeitenden Kinder in der Altersgruppe 5-17 Jahre wird von der türkischen Statistikbehörde auf 4,4 % geschätzt. 79,7 % der erwerbstätigen Kin der sind in der Altersgruppe 15-17 Jahre, 15,9 % in der Altersgruppe 12-14 Jahre und 4,4 % in der Altersgruppe 5-11 Jahre. Eine Untersuchung nach Geschlecht zeigt, dass 70,6 % der arbeitenden Kinder männlich und 29,4 % weiblich sind (ILO 5.3.2021, S. 2; vgl. CoE-ECSR 3.2024). 2020 starben 22 Minderjährige unter 14 Jahren und 46 im Alter von 15 bis 17 Jahren bei Arbeitsunfällen (Duvar 11.6.2021). Laut einer Studie der „ Economic Policy Research Foundation of Turkey“ (TEPAV) leben fast zehn Millionen Kinder in der Türkei in Armut. Die Ergebnisse zeigen, dass jüngere Kinder be sonders gefährdet sind, da über 43 % der 0- bis 14-Jährigen im Jahr 2022 in Armut lebten (SCF 9.8.2024; vgl. TEPAV 5.2024). Einem gemeinsamen Bericht von UNICEF und dem türkischen Statistikinstitut aus dem Jahr 2023 zufolge leben etwa sieben Millionen der rund 22,2 Millionen Kinder in der Türkei in Armut. Das bedeutet, dass das Familieneinkommen unter 60 % des nationalen Durchschnitts liegt. 3,5 Millionen dieser Kinder befinden sich in dem für die Entwick lung entscheidenden Alter von 0 - 8 Jahren. Die Daten deuten auf einen stetigen Anstieg der Kinderarmut seit 2017 hin, was die ohnehin drängenden Armutsprobleme des Landes noch verschärft. UNICEF setzte die Türkei auf Platz 38 von 39 Ländern der Europäischen Union und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), mit einer Kinderarmutsquote von 33,8% (TR-Today 26.9.2024; vgl. AP 25.12.2024, VOA 25.12.2024). Die soziale Ausgrenzung von Kindern in der Türkei ist nach wie vor alarmierend hoch, wobei die jüngsten Daten kaum oder gar keine Verbesserung erkennen lassen. Der Bericht weist auch auf erhebliche regionale Unterschiede hin, wobei die südöstliche Region [Anm.: mehrheitlich von Kurden bewohnt] am stärksten von Kinderarmut betroffen ist. Obwohl nur 29,6 % der Kinder in der Türkei in dieser Region leben, sind 48,5 % der Kinder in der Region von Armut betroffen. Allein in den Provinzen Şanlıurfa und Diyarbakır leben 13,1 % der verarmten Jugendlichen der Türkei (SCF 9.8.2024; vgl. TEPAV 5.2024). Abgesehen von der Kinderarbeit nimmt infolge der Wirtschaftskrise auch die allgemeine Armut zu, welche insbesondere Kinder betrifft. - Laut Berichten müssen Millionen Kinder aufgrund der Wirtschaftskrise auf ein grundlegendes Menschenrecht verzichten: das auf ausreichende 291

Ernährung. Einer von vier Schülern geht hungrig zur Schule (FAZ 15.12.2022). In der Türkei brechen die Kinder die Schule in einem noch nie dagewesenen Ausmaß ab, weil sich die Eltern einen Schulbesuch, dazu gehört insbesondere die Verpflegung, nicht mehr leisten können. Laut Omer Yilmaz, Vorsitzender der Schülerelternvereinigung, waren offiziellen Statistiken zufolge im Zeitraum 2021-2022 rund 1,2 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren in keiner Schule eingeschrieben. Nimmt man die Schüler hinzu, die Berufsschulen und offene Schulen besuchen, in denen sie vier Tage die Woche arbeiten, so sind heute fast vier Millionen Kinder außerhalb des regulären Bildungssystems und arbeiten entweder für einen geringen Lohn oder suchen nach einem Arbeitsplatz, so Yilmaz (AlMon 23.11.2022). Laut einer UNICEF-Studie, welche 43 Länder der EU bzw. OECD und G7-Staaten umfasste, lag die Türkei bei der Lebenszufriedenheit der 15-Jährigen an letzter Stelle, wobei sich der Wert zwischen 2018 und 2022 um mehr als 10 % verschlechtert hatte. Als einziges Land lag die Lebenszufriedenheit in der Türkei bei unter 50 % (UNICEF 5.2025, S. 17). Eheschließungen von Kindern und Minderjährigen Obwohl Kinderehen illegal sind, werden sie häufig geschlossen, vor allem im Rahmen inof fizieller religiöser Zeremonien oder durch die Erlangung von Heiratslizenzen mit gefälschten Ausweisen (FH 26.2.2025, G4). Die sog. „ Kinderehen“ stellen weiterhin ein großes Problem, insbesondere in den ländlichen Gebieten und den südöstlichen Provinzen, dar. Unter außeror dentlichen Umständen (meist eine Schwangerschaft) kann ein Richter 16-Jährigen die Erlaubnis zur Verehelichung erteilen, sofern die Eltern zustimmen, ansonsten sind Eheschließungen von Minderjährigen unter 17 Jahren verboten. Verehelichung von Kindern unter 16 Jahren ist unter keinen Umständen rechtlich erlaubt. Ehen können nur durch das Standesamt bestätigt werden. Das Parlament verabschiedete allerdings am 18.10.2017 ein Gesetz, das es auch Muftis [isla mische Rechtsgelehrte] erlaubt, Trauungen vorzunehmen. Laut Statistikamt ist der Anteil der Eheschließungen von minderjährigen Mädchen auf 3,8 % gesunken (2018). Die offenkundige Problematik dieser Zahl liegt darin, dass nur amtlich geschlossene Ehen erfasst werden. Die meisten Eheschließungen von Kindern werden aber nur vor einem Imam vollzogen (ÖB Anka ra 10.2019; vgl. DFAT 16.5.2025, S. 29). NGOs kritisieren, dass das Alter von minderjährigen Mädchen durch Behörden nach oben „ korrigiert“ werde, um eine zivilrechtliche Heirat zu ermög lichen. Insbesondere bei von Muftis geschlossenen Zivil-Ehen wird von fehlender Kontrolle der Altersvorschriften berichtet und damit von der Möglichkeit, diese Vorschrift zu umgehen. Staat liche Statistiken zu rein religiösen Eheschließungen gibt es ebenso wenig wie Daten zu Ehen mit Minderjährigen oder zu Zwangsverheiratungen (AA 20.5.2024, S. 14). Die Geburtenstatistik des türkischen Statistikinstituts (TÜİK) führt an, dass 2021 insgesamt 7.190 Mädchen selbst ein Kind zur Welt brachten (Duvar 29.6.2022, vgl. BirGün 27.6.2022), davon waren 117 Kinder unter 15 Jahren und 7.073 in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen (BirGün 27.6.2022). Siehe auch das Kapitel: Relevante Bevölkerungsgruppen / Frauen Auch wenn die Türkei über einen soliden Rechtsrahmen zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeu tung von Kindern, einschließlich Mädchen verfügt, so werden laut der „ UN-Sonderberichterstat terin über Gewalt gegen Frauen ihre Ursachen und Folgen“ einige der jüngsten Änderungen der 292

türkischen Rechtsvorschriften zum sexuellen Missbrauch von Kindern (vom Dezember 2016) als Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen des Landes angesehen (OHCHR 27.7.2022b, S. 4). Früh- und Zwangsverheiratungen sind vor allem im Südosten weit verbreitet. Frauenrechtle rinnen berichten, dass das Problem nach wie vor gravierend ist. Überdies gibt es Brautentfüh rungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, obwohl diese Praktiken nicht weit verbreitet sind. NGOs berichten von Kindern im Alter von zwölf Jahren, die in inoffiziellen religiösen Zeremonien verheiratet werden, insbesondere in armen und ländlichen Regionen und unter der syrischen Gemeinschaft (USDOS 22.4.2024, S. 70f.; vgl. DFAT 16.5.2025, S. 29). Siehe auch das Un terkapitel: Relevante Bevölkerungsgruppen / Kinder und minderjährige Jugendliche (bis 18) / Flüchtlingskinder und minderjährige Flüchtlinge Sexueller Missbrauch, Gewalt und Ausbeutung Das Gesetz stellt die sexuelle Ausbeutung von Kindern unter Strafe und sieht eine Mindeststrafe von acht Jahren Gefängnis vor. Die Strafe für eine Verurteilung wegen Förderung oder Beihil fe zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern beträgt bis zu zehn Jahre Gefängnis. Wenn Gewalt oder Druck im Spiel sind, kann ein Richter die Strafe verdoppeln. Weibliche Flücht linge und Asylsuchende sind besonders gefährdet, von kriminellen Organisationen ausgebeutet und zu kommerziellem Sex gedrängt zu werden. Diese Praxis ist besonders unter adoleszenten Mädchen verbreitet. Laut NGOs sind besonders junge syrische weibliche Flüchtlinge gefährdet, von kriminellen Organisationen ausgebeutet und zur Sexarbeit gedrängt zu werden (USDOS 22.4.2024, S.71f.). Hinsichtlich Kindesmissbrauchs ermächtigt das Gesetz die Polizei und die lokalen Behörden, Kindern, die Opfer von Gewalt geworden oder von Gewalt bedroht sind, verschiedene Schutz- und Unterstützungsleistungen zu gewähren. Dennoch berichten Kinderrechtsaktivisten über eine uneinheitliche Umsetzung und fordern eine Ausweitung der Unterstützung für die Op fer. Das Gesetz verpflichtet die Regierung, den Opfern Dienstleistungen, wie Unterkünfte und vorübergehende finanzielle Unterstützung, zur Verfügung zu stellen, und ermächtigt Familien gerichte, Sanktionen gegen die für die Gewalt verantwortlichen Personen zu verhängen. Ist das Opfer des Missbrauchs zwischen zwölf und 18 Jahren alt, so wird auf sexuelle Belästigung eine Freiheitsstrafe von drei bis acht Jahren, auf sexuellen Missbrauch eine Freiheitsstrafe von acht bis 15 Jahren und auf Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von mindestens 16 Jahren verhängt. Ist das Opfer jünger als zwölf Jahre, so wird auf Belästigung eine Mindeststrafe von fünf, auf sexuellen Missbrauch eine Mindeststrafe von zehn und auf Vergewaltigung eine Mindeststrafe von 18 Jahren verhängt. (USDOS 22.4.2024, S.70). Das UN-Komitee für die Rechte des Kindes war ernsthaft besorgt über die mangelnde Anerken nung, die unzureichende Berichterstattung und die unzureichende Untersuchung von Gewalt gegen Kinder, einschließlich körperlicher Züchtigung und häuslicher Gewalt, sowie über die begrenzten professionellen Kapazitäten und Verfahren, um solche Fälle zu verhindern, zu iden tifizieren, zu melden und in einer kindgerechten Weise darauf zu reagieren, einschließlich der Bereitstellung von Opferhilfe und des Zugangs zu Rechtsmitteln. In Anbetracht der Tatsache, 293

dass die Türkei ein Ziel- und Transitland für den Menschenhandel ist, zeigte sich das UN-Ko mitee besonders besorgt über den hohen Anteil von Kindern in der Türkei, die zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung der Arbeitskraft gehandelt werden, sowie über Be richte über Mittäterschaft offizieller Stellen (UN-CRC 2.6.2023b). Dass die Türkei in den letzten Jahren verstärkt ein Zielland für Menschenhandel ist, zeigen auch die Vergleichszahlen. In der Periode 2014-2018 zählten die Behörden 775 Opfer, während zwischen 2019 und 2023 die Zahl bereits 1466 stieg. - 2023 waren hiervon 29 % (422) Kinder (CoE - GRETA 22.10.2024, S. 6). Aus der Strafregisterstatistik des Justizministeriums geht hervor, dass die Strafgerichte in der Türkei im Jahr 2021 einen Anstieg von 32,55 % von Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs gegen über dem Vorjahr verzeichnete. Dementsprechend gab es Verurteilungen in 16.161 der 29.822 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch, darunter sowohl Freiheits- als auch Geldstrafen (Duvar 29.6.2022, vgl. BirGün 27.6.2022). Der negative Trend setzte sich fort. - Ende März 2023 gab das Justizministerium bekannt, dass die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr wiederum um 33 % gestiegen war. Kindesmissbrauchsdelikte verzeichneten 2023 den zweitstärksten Anstieg aller Strafta ten. Menschenrechtsorganisationen werfen der türkischen Regierung vor, keine ausreichenden Maßnahmen zum Schutz von Kindern etabliert zu haben, obwohl das Land das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (sog. Lanzarote-Konvention) im Jahr 2011 ratifiziert hat (BAMF 3.4.2023, S. 9). Laut dem Zentrum für Kinderrechte (FISA) wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren seit Herbst 2024 mindestens 64 Kinder ermordet, oft infolge häuslicher Gewalt. Das Zentrum sammelt seine Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen, denn seit 2016 veröffentlichen die Behörden keine offiziellen Daten mehr zu getöteten oder vermissten Kindern. Den letzten veröf fentlichten Statistiken zufolge wurden im Zeitraum von 2008 bis 2016 landesweit 104.531 Kinder als vermisst gemeldet. Experten kritisieren die mangelnde Transparenz und fehlende präven tive Politik in diesem Bereich und fordern eine systematische Sammlung und Veröffentlichung von Informationen zu den vermissten Kindern. Auch der UN-Ausschuss für Kinderrechte (CRC) appelliert schon seit Jahren an die türkischen Behörden, die entsprechenden Informationen bereitzustellen (DW 24.9.2024). Kindersoldaten Die USA setzten am 1.7.2021 die Türkei, und somit erstmalig ein NATO-Land, auf die Liste jener Staaten, die 2020 in den Einsatz von Kindersoldaten verwickelt waren, und zwar in die Rekru tierung und den Einsatz von Kindersoldaten in Syrien und Libyen (USDOS 1.7.2021; vgl. BAMF 5.7.2021, S. 15, MEE 1.7.2021). Laut dem Trafficking in Persons Report von 2024 des US-Au ßenministeriums, hat die türkische Regierung Elemente der Syrischen Nationalarmee (SNA), einer Koalition nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen in Syrien, die Kindersoldaten rekrutiert und einsetzt, unterstützt. Auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) rekrutierte und entführte Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen (USDOS 24.6.2024). Auswirkungen des Erdbebens vom Februar 2023 294

Der Zugang zu Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wasser und Unterkünften war die wichtigs te Herausforderung nach dem Erdbeben, wobei Kinder häufig am stärksten gefährdet waren. Kinder in den betroffenen Gemeinden hatten aufgrund der obligatorischen Schulschließungen keinen Zugang mehr zu Bildung. Schließlich hatte das Erdbeben die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Kinder ausgebeutet und missbraucht werden (KRF 20.2.2023). Mehrere Menschenrechts verletzungen gegen Kinder wurden aus den Erdbebengebieten vermeldet (EC 8.11.2023, S. 40). Es wurde in dem Zusammenhang über Fälle von Kinderhandel und Kinderarbeit berichtet (KRF 20.2.2023). Hinsichtlich Kindern und Minderjährigen in Gefängnissen siehe den Abschnitt zu Kindern und Minderjährigen im Kapitel: Haftbedingungen . Informationen zu Roma-Kindern finden sich in einem eigenen Abschnitt im Unterkapitel: Ethnische Minderheiten / Roma. Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Januar 2024), https://www.ecoi.net/en/file /local/2110308/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_ der_Republik_Türkei,_20.05.2024.pdf, Zugriff 27.6.2024 [Login erforderlich] ■ AlMon - Al Monitor (23.11.2022): Deepening poverty fuels mass school dropout in Turkey, https: //www.al-monitor.com/originals/2022/11/deepening-poverty-fuels-mass-school-dropout-turkey , Zugriff 29.1.2024 ■ AP - Associated Press (25.12.2024): Turkey’s soaring costs are creating a ’lost generation’ of kids forced to help their families get by, https://apnews.com/article/turkey-inflation-children-poverty-635 51d2d589550666cb06ffcb7a8c18e, Zugriff 16.1.2025 ■ ARD - Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (25.10.2020): Türkei: Kinderarbeit geduldet, https://www.daserste.de/informatio n/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/tuerkei-kinderarbeit-landwirtschaft-100.html , Zugriff 29.1.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.4.2023): Briefing Notes, KW 14/2023, Anstieg von Kindesmissbrauchsfällen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Be hoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw14-2023.pdf?__blob=publication File&v=3, Zugriff 29.1.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.7.2021): Briefing Notes, KW 27/2021, Einsatz von Kindersoldaten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Inf ormationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw27-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 29.1.2024 ■ BirGün - BirGün (27.6.2022): Cinsel istismardan 16 bin mahkûmiyet [16.000 Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs], https://www.birgun.net/haber/cinsel-istismardan-16-bin-mahkumiyet-393 369, Zugriff 29.1.2024 ■ CAT - UN Committee Against Torture (14.8.2024): Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, Concluding observations on the fifth periodic report of Türkiye [CAT/C/TUR/CO/5], https://digitallibrary.un.org/record/4059747/files/CAT_C_TUR _CO_5-EN.pdf?ln=en, Zugriff 21.3.2025 ■ CoE-ECSR - Council of Europe - European Committee of Social Rights (3.2024): European Social Charter (Revised); European Committee of Social Rights Conclusions 2023; Türkiye, https://www. ecoi.net/de/quelle/11060.html, Zugriff 13.9.2024 ■ CoE - GRETA - Council of Europe - Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings (22.10.2024): Report concerning the implementation of the Council of Europe Convention on Action against Trafficking in Human Beings by Türkiye (SECOND EVALUATION ROUND), https://rm.coe .int/greta-evaluation-report-on-the-implementation-of-the-council-of-europe/1680b20b66 , Zugriff 20.11.2024 295

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werden und gewaltsamen Zwangsrückführungen ausgesetzt sind. Der Ausschuss forderte die Türkei auf, die Praxis der „ Pushbacks“ von Kindern und ihren Familien aus ihrem Hoheitsgebiet unverzüglich zu beenden und sicherzustellen, dass sie individuell identifiziert und vor Abschie bung geschützt werden, denn diese verstößt gegen internationales Recht. Schlussendlich soll die Türkei garantieren, dass Kinder nicht in Schubhaft gehalten werden (UN-CRC 2.6.2023a). Auch der Europäische Ausschuss für soziale Rechte (European Committee of Social Rights) des Europarates zeigte sich ob der schwerwiegenden Vorwürfe und des Schweigens der türkischen Regierung besorgt, wonach Babys, die von syrischen, afghanischen, iranischen und irakischen Flüchtlingen in der Türkei geboren wurden, als staatenlos gelten (CoE-ECSR 3.2024, S. 33). Bei unbegleiteten Minderjährigen wird in der Regel ein Vertreter der Einrichtung, in der das Kind untergebracht ist, vom Friedensgericht der Zivilgerichtsbarkeit (Sulh Hukuk Mahkemesi) zum Vormund bestellt. Das Verfahren ist in der Praxis Berichten zufolge sehr schwierig, da in Ermangelung geeigneter Personen nur selten Vormünder bestellt werden. Ansonsten werden unbegleitete Kinder, die unter internationalem oder vorübergehendem Schutz stehen, entweder in Kinderbetreuungseinrichtungen des Ministeriums für Familie und Soziales oder in Kinder betreuungszentren für unbegleitete ausländische Kinder untergebracht, die in zehn Provinzen (Ağrı, Ankara, Diyarbakır, Erzincan, Erzurum, Istanbul, Konya, Tekirdağ, Van und Yozgat) eröff net wurden. Es gibt jedoch Behauptungen, dass unbegleitete ausländische Kinder manchmal zu Unterbringungszwecken in Abschiebezentren untergebracht werden, obwohl seit 2019 das Ge setz über Ausländer und internationalen Schutz (LFIP) dies nicht mehr vorsieht (CoE - GRETA 22.10.2024, S. 21f.). Kinderarbeit und Schulbesuch Kinderarbeit ist besonders unter Flüchtlingen und Migranten weit verbreitet (EC 30.10.2024, S. 68; vgl. EC 12.10.2022, S. 42, 101), wobei unter den syrischen Kindern ein ernsthafter Anstieg zu verzeichnen ist (DIS 6.10.2023). Armut und ein Mangel an sinnvollen Beschäftigungsmög lichkeiten für Erwachsene trugen zu einem Anstieg der Kinderarbeit unter Flüchtlingskindern bei. Wenn Flüchtlinge nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken, schicken sie ihre Kin der zur Arbeit (USDOL 26.9.2023). Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Kinder, die nicht zur Schule gehen, ihre Familien durch Arbeit unterstützen, und zwar fast alle in illegalen Beschäfti gungsverhältnissen (AsiaTimes 3.1.2022). Bei den Buben ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass sie als Kinderarbeiter in informelle Unternehmen geschickt werden, während Mädchen meist versteckte Hausarbeiten verrichten und oft schon in jungen Jahren verheiratet werden, weil ihre eigene Familie nicht die Mittel hat, sie zu versorgen (BPB 18.10.2023). Syrische Flücht lingskinder arbeiten in der Landwirtschaft, beim Betteln auf der Straße, im Dienstleistungssektor sowie in kleinen und mittleren Produktionsbetrieben. Kinder in der verarbeitenden Industrie ar beiten oft bis zu sechs Tage pro Woche und verdienen nur die Hälfte dessen, was ein Arbeitgeber einem Erwachsenen zahlen würde (USDOL 26.9.2023). Laut Schätzungen arbeiten mit 46 % fast die Hälfte aller Flüchtlingskinder oder -jugendlichen unter 18 Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, dass syrische Flüchtlingskinder in der Türkei einer bezahlten Beschäftigung nachgehen, ist hoch: 45,1 % der 15- bis 17-Jährigen und 17,4 % der 12- bis 14-jährigen Jungen gehen einer 298

bezahlten Arbeit nach (IZA 6.2021, S. 15f). Obwohl die entsprechenden Raten bei den Mäd chen niedriger sind (4,7 % bei den 12- bis 14-Jährigen und 8,1 % bei den 15- bis 17-Jährigen), sind sie dennoch signifikant (IZA 6.2021, S. 15f). Laut der türkischen NGO İSİG sind seit 2013 mindestens 80 Migrantenkinder bei der Arbeit gestorben (VOA 14.6.2024; vgl. İSİG 11.6.2024). Die Bemühungen, eine große Zahl von Migrantenkindern in das Bildungssystem einzuglie dern, wurden fortgesetzt. Laut Zahlen des zuständigen Ministeriums waren 2023 rund 910.000 Flüchtlingskinder in der formalen Bildung eingeschrieben, die meisten von Ihnen syrische Kinder. Allerdings waren 2023 beinahe 406.000 Flüchtlingskinder im schulpflichtigen Alter immer noch nicht eingeschult und hatten keinen Zugang zu Bildungsmöglichkeiten (EC 30.10.2024, S. 23, 34; vgl. SO 12.8.2024, UNICEF 7.2024). Der türkische Think-Tank „ Education Reform Initiative“ bestätigt, dass nur die Hälfte der registrierten syrischen Kinder zur Schule geht. Von den 14- bis 17-Jährigen sind nur 26 % eingeschult (AsiaTimes 3.1.2022). Von den 1.124.000 syrischen Kindern haben 35 % das Bildungssystem verlassen (DIS 6.10.2023, S. 1). Nach Angaben von UNICEF haben seit 2017 über 800.000 Flüchtlingskinder (kumulativ) monatliche Bargeldunter stützung für Bildung durch das Conditional Cash Transfer for Education Program für Syrer und andere Flüchtlinge erhalten (USDOS 20.3.2023, S. 66). Syrische Flüchtlingsfamilien sehen sich bei der Einschulung ihrer Kinder mit zahlreichen Hin dernissen konfrontiert, darunter die Sprache, die Kosten, die begrenzte Unterstützung durch Gleichaltrige, Mobbing, persönliche Entmutigung aufgrund längerer Schulabstinenz und ge schlechtsspezifische Vorurteile gegenüber Mädchen. Die durch die COVID-19-Pandemie verur sachten Schulschließungen trugen zu weiteren Problemen bei. Seit 2017 hat sich die türkische Regierung allerdings verpflichtet, alle syrischen Flüchtlinge im schulpflichtigen Alter in das na tionale öffentliche Schulsystem zu integrieren, und hat daher alle temporären Bildungszentren geschlossen (UNICEF 16.6.2021; vgl. USDOL 26.9.2023). Frage der Staatsbürgerschaft Kinder syrischer Eltern, die in der Türkei geboren werden, sind nicht automatisch türkische Staatsbürger. Kinder von Eltern mit dem Status von temporären Flüchtlingen haben denselben Status wie ihre Eltern. Viele Syrer haben Schwierigkeiten, das syrische Konsulat in Istanbul zu erreichen, um syrische Dokumente für ihre Kinder zu erhalten, z. B. einen Nachweis der syrischen Staatsangehörigkeit. Aus diesen Gründen besteht für diese Kinder das Risiko der Staatenlosigkeit (DIS 6.10.2023, S. 1). Die Problematik bei in der Türkei geborenen syrischen Flüchtlingskindern ist, dass diese de facto staatenlos sind, da weder der syrische noch der türkische Staat ihnen automatisch die Staats bürgerschaft verleiht (KAS 9.2019, S. 8). Da die Türkei weder Vertragspartei der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 noch des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit von 1997 ist, haben Interessenvertreter Bedenken hinsichtlich des Umstan des geäußert, dass die Türkei diesen Kindern derzeit nicht vorbehaltlos die Staatsbürgerschaft ihres Geburtsortes verleiht. Hinzukommt, dass die syrische Rechtslage keine Übertragung der Staatsbürgerschaft der Mutter auf ihre Kinder garantiert (AIDA 4.2020, S. 137). 299

Gewalt gegen Flüchtlingskinder Gewaltsame Übergriffe auf Flüchtlinge und eine zusehends xenophobe Einstellung betreffen inzwischen auch minderjährige Flüchtlinge. Die Plattform zum Schutz von Kindern und ihren Rechten stellte beispielsweise fest, dass mehr als die Hälfte der befragten türkischen Eltern nicht damit einverstanden ist, dass ihre Kinder mit Syrern befreundet sind (AsiaTimes 3.1.2022). Kinderehen Viele Familien sehen in der Kinderheirat die einzige Möglichkeit, ihren Kindern eine Zukunft zu sichern (CARE 4.2020, S. 4). Neben Gewalt ist der Schutz von Frauen und Mädchen unter 18 Jahren, die in arrangierte Ehen und inoffizielle polygame Ehen verwickelt sind – darunter „ Zweitfrauen“ und Mädchen, die von ihren Familien verkauft wurden –, ein anhaltendes und bedeutendes Problem. Diese Probleme haben auch zu einem Anstieg der Scheidungsrate bei Mädchen unter 18 Jahren beigetragen. Im Jahr 2023 war ein Anstieg der Kinderehen zu beob achten, insbesondere in den von Erdbeben betroffenen Gebieten. - Initiativen wie das Kinder schutzzentrum der Türk Kızılay in Altındağ, Ankara, bieten Frauen Informationen zu Themen wie Frühschwangerschaft, Kinderheirat, sexuelle Belästigung, reproduktive Rechte und Verhütung (ECRE/AIDA 20.8.2024a). Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung Weibliche Flüchtlinge und Asylsuchende sind besonders gefährdet, von kriminellen Organisatio nen ausgebeutet und zu kommerziellem Sex gedrängt zu werden (USDOS 22.4.2024, S.71f.). Kriminelle Netzwerke zwingen und drängen syrische Frauen und Mädchen in den Sexhandel. NGOs berichten von Fällen, in denen Beamte und Freiwillige in Flüchtlingslagern mit kriminellen Netzwerken zusammenarbeiten, um Mädchen mit falschen Jobangeboten für den Sexhandel zu rekrutieren, während syrische Buben weiterhin dem Sexhandel ausgesetzt sind. Syrische Mädchen, die erst zwölf Jahre alt sind, können in inoffiziellen religiösen Zeremonien mit Erwach senen verheiratet werden, vor allem in armen und ländlichen Regionen. Sie sind folglich anfällig, Opfer von Sexhandel zu werden. Berichten zufolge ist die Zahl der syrischen Flüchtlingsfamilien, die ihre minderjährigen Töchter an türkische Männer verheiratet haben, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen, im Zuge der COVID-19-Pandemie gestiegen, ebenso wie die Zahl der Kinder, die zur Kinderarbeit herangezogen werden (USDOS 15.6.2023). Quellen ■ Ahval - Ahval (11.7.2022): Over 700,000 Syrians born in Turkey since 2011 - interior minister, https: //ahvalnews.com/syrian-refugees/over-700000-syrians-born-turkey-2011-interior-minister , Zugriff 29.1.2024 [Login erforderlich] ■ AIDA - Asylum Information Database (4.2020): Country Report: Turkey, 2019 Update, https://asyl umineurope.org/wp-content/uploads/2020/04/report-download_aida_tr_2019update.pdf , Zugriff 29.1.2024 ■ AsiaTimes - Asia Times (3.1.2022): Turkey needs a long-term plan for its young Syrians, https: //asiatimes.com/2022/01/turkey-needs-a-long-term-plan-for-its-young-syrians/ , Zugriff 29.1.2024 ■ BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (18.10.2023): The Joys of the Few on the Sweat and Tears of Many: Syrian Textile Workers in Türkiye, https://www.bpb.de/themen/migrat 300
