2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-tunesien-version-9-44d8
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Quellen ■ FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Tunisia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2105041.html, Zugriff 15.3.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Tunisia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2103188.html, Zugriff 15.3.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Tunisia, https://www.ecoi.net/en/document/2107636.html, Zugriff 11.11.2024 17 Grundversorgung und Wirtschaft Letzte Änderung 2025-02-26 16:33 Tunesiens Wirtschaft ist stark auf Europa ausgerichtet (WKO 21.11.2024; vgl. ABG 8.2024) und dadurch von der Konjunktur in der EU abhängig, wohin mehr als 70 % der Ausfuhren gehen. Nach einem Wachstum von knapp unter 1 % im Jahr 2024 rechnet die Europäische Kommission in ihrer Herbstprognose für 2025 mit einem realen BIP-Wachstum in der EU von 1,5 % (GTAI 6.12.2024). Tunesien weist einige gut entwickelte Industriebranchen auf und verfügt über einen starken Dienstleistungssektor (ABG 8.2024). Viele europäische Unternehmen betreiben in Tu nesien Produktionsstandorte. Dies hat zu einer diversifizierten Industrie geführt, insbesondere in der mechanischen und elektronischen Industrie, v. a. der Kabelindustrie, sowie in der Lebens mittelverarbeitung und im Textilsektor. Der Dienstleistungssektor, insbesondere der Tourismus, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Dank der geografischen Nähe, des hohen Bildungsniveaus und der niedrigen Lohnkosten gilt Tunesien als attraktiver Nearshoring-Markt für europäische Unternehmen (WKO 21.11.2024; vgl. ABG 8.2024). Die BIP-Wachstumsrate sank 2023 auf 0,4 %, was auf die Dürre, die den Agrarsektor betraf, und den Rückgang der Binnennachfrage zurückzuführen ist. Die Economist Intelligence Unit (EIU) erwartet für 2024 ein Wachstum von 1,1 % (WKO 21.11.2024; vgl. AFDB 30.5.2024). Hauptgründe für das geringe Wachstum sind Devisenknappheit, hohe Inflation, geringe Investitionen, hohe Arbeitslosigkeit und ein schwa ches externes Umfeld (allen voran in Europa) (WKO 21.11.2024). Laut IWF wird für das Jahr 2024 ein reales BIP-Wachstum von 1,6 % erwartet (GTAI 6.12.2024), nach anderen Angaben wird ein BIP-Wachstum von 1,9 % erwartet. Die Inflation betrug im Jahr 2023 8,5 %, für 2024 werden 7,4 % prognostiziert (ISPI 4.10.2024). Insgesamt ist das Jahr 2024 von einer leichten Erholung geprägt, große Strukturreformen scheinen nicht anzustehen. Mit der Wiederwahl von Kaïs Saïed zum tunesischen Präsidenten ist keine Änderung der wirtschaftlichen Prioritäten in Sicht (GTAI 6.12.2024). Im Jahr 2023 führte Saïeds Haltung gegenüber internationalen Finanzinstitutionen zu einem Bruch mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Seine Ablehnung eines IWF-Abkommens hat die Knappheit der externen Mittel verschlimmert und Tunesien gezwungen, sich zunehmend auf seinen inländischen Finanzsektor, einschließlich der Zentralbank, zu verlassen, um sein Haushaltsdefizit zu decken (CMEC 31.10.2024; vgl. GTAI 6.12.2024). Es werden nur in gerin gem Umfang Kredite bei ausländischen Regierungen oder Geberbanken aufgenommen. Der IWF schätzt das tunesische Haushaltsdefizit für 2024 auf knapp 6 % des BIP (GTAI 6.12.2024). Ein Gesetz vom Feber 2024 ermächtigt die Zentralbank, dem Schatzamt eine Sonderfinanzie rung in Höhe von 7 Mrd. Dinar (2,2 Mrd. USD) zu günstigen Bedingungen zu gewähren, sodass 37

die Regierung einen Teil ihrer Auslandsschulden zurückzahlen konnte (AFDB 30.5.2024). In der 1. Jahreshälfte 2024 betrug die Inlandsverschuldung bereits über 50 % der Gesamtver schuldung (GTAI 6.12.2024). Der Zugang zu externer Finanzierung wird immer schwieriger, und Verhandlungen mit dem IWF über ein neues Kreditabkommen sind unwahrscheinlich (GTAI 6.12.2024). In Tunesien variiert die Beschäftigungsquote je nach Region. Tendenziell ist die Lage an der Küste und im Norden des Landes besser, was auf die Tourismusbranche sowie die dort ange siedelte Industrie zurückzuführen ist. Bei der Vermittlung von Jobs spielen persönliche Kontakte eine größere Rolle als Personalagenturen. Arbeitslosigkeit betrifft vor allem junge Menschen, Akademiker und Frauen (ABG 8.2024). Bei einer Umfrage haben 40 % der Tunesier die Wirtschaft als die wichtigste Herausforderung ihres Landes angeführt, gefolgt von Korruption mit 28 %. 85 % der Tunesier gaben an, dass die aktuelle Wirtschaftslage sehr schlecht oder schlecht ist. Die Wirtschaftsindikatoren im Land stehen im Einklang mit dieser Wahrnehmung. Die meisten Wirtschaftsindikatoren sind ähnlich, wenn nicht sogar schlechter, als beim Amtsantritt von Saïed. Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosigkeit bei etwas mehr als 17 %, und während sie im Jahr 2022 auf knapp 15 % fiel, beträgt die Quote heute wieder etwas mehr als 16 % (ISPI 4.10.2024). Dabei beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 39 %, die Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen erreicht im Jahr 2023 eine Quote von 24 % (CMEC 31.10.2024; vgl. AFDB 30.5.2024). 7 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Trotz Saïeds Behauptung, er handle im Namen der Armen, haben mit seiner Wirtschaftspolitik in erster Linie die Wohlhabenden profitiert. Seine Schuldenstrategie hat die Schaffung von Arbeitsplätzen untergraben und die Inflation an geheizt, was die Armen überproportional betrifft, für die der Konsum grundlegender Güter einen erheblichen Anteil am Haushaltsbudget darstellt. Infolgedessen sieht sich die Mittelschicht ge zwungen, für Bildung, Gesundheitsversorgung und Transport zu bezahlen, während die Armen mit unterfinanzierten Schulen, schlecht ausgestatteten Krankenhäusern und dysfunktionalen oder nicht vorhandenen Verkehrsnetzen zurückbleiben. Aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage, die von niedrigem Wachstum und steigender Arbeitslosigkeit geprägt ist, sieht sich die Regierung gezwungen, viel Geld für Sozialprogramme auszugeben. Diese Maßnahmen sind jedoch zunehmend wirkungslos, was sich in der wachsenden Unzufriedenheit der Tunesier mit dem Rückgang der öffentlichen Dienstleistungen (insbesondere im Bildungs- und Gesund heitswesen, welche für die Mittelschicht teuer geworden sind) widerspiegelt. Gleichzeitig bleibt der Umfang des sozialen Schutzes begrenzt, dieser deckt die wachsende arme Bevölkerung nicht angemessen ab. Denn die Zahl der vulnerablen Personen wächst weiter, und der Mangel an Investitionen beschleunigt die Erosion öffentlicher Dienste (CMEC 31.10.2024). Einige positive Zeichen halten Tunesien jedoch über Wasser. Der Tourismus hat sich nach dem drastischen Rückgang im Zuge der Pandemie erholt, und die Rücküberweisungen aus dem Ausland fließen ebenfalls wieder. Auch die Einnahmen aus Olivenöl sind deutlich gestiegen. All das reicht jedoch nicht aus, um der aktuellen Verschuldung und Dysfunktion in Tunesien entgegenzuwirken (ISPI 4.10.2024). Tunesien ist bei Treibstoffen und Nahrungsmitteln stark 38

von Importen abhängig (GTAI 6.12.2024). Der durchschnittliche Benzinpreis ist von 2 Dinar im Jahr 2019 auf 2,53 im Jahr 2023 gestiegen (ISPI 4.10.2024). In den ersten zehn Monaten des Jahres 2024 sind die tunesischen Exporte immerhin um 2 % gestiegen. Dieses Wachs tum ist u. a. auf die anhaltend hohen Preise für Olivenöl - dem wichtigsten Exportprodukt im Nahrungsmittelsektor – zurückzuführen (GTAI 6.12.2024). Wegen der Dürre ging Tunesiens Getreideernte in den ersten neun Monaten 2023 um zwei Drittel zurück. Gleichzeitig hat man es nicht geschafft, genügend Nahrungsmittel zu importieren, um diesen Verlust auszugleichen. Trotz der Verbesserungen der Agrarhandelsbilanz im Jahr 2024 gibt es weiterhin Engpässe. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 stiegen die Lebensmittelexporte um 35,4 %, v. a. durch höhere Olivenölexporte (62 %). Unterdessen gingen die Importe um 11,1 % zurück, was hauptsächlich auf den reduzierten Einkauf von Zucker (minus um 39,6 %) und Getreide (minus um 19 %) zurückzuführen ist (CMEC 31.10.2024). Schwierig ist die Lage für lokale Unternehmen, die u. a. vom schlechten Zugang zu Finanzierung betroffen sind. Aufgrund von Devisenknappheit kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Die International Islamic Trade Finance Corporation hat den importierenden Staatsunternehmen einen Kredit in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar mit einer Laufzeit von drei Jahren zur Verfügung gestellt, um diese Einfuhren finanziell zu stützen (GTAI 6.12.2024). Die Grundversorgung der Bevölkerung ist zwar vor allem dank staatlicher Subventions- und Interventionspolitik bis auf saisonale Versorgungsengpässe einigermaßen gesichert, hingegen besteht ein eklatantes Einkommensgefälle zwischen wohlhabenderer Küstenregion sowie dem Großraum Tunis (mit allein ca. 50 % der Bevölkerung) und den benachteiligten ruralen Gebieten im Hinterland (ÖB Tunis 10.2022). Bei einer in drei tunesischen Städten (Great Tunis, Sousse und Sfax) durchgeführten Umfrage zu sozioökonomischen Faktoren wurden, mittels Computer Assisted Telephone Interviewing (CATI)-Methode und Quotenstichproben auf der Grundlage der neuesten verfügbaren offiziellen Bevölkerungsdaten zwischen 16.7.2024 und 30.7.2024 in jeder der genannten Zielstädte, Einwohner, bzw. eine Stichprobe von 601 Personen zwischen 16 und 35 Jahren, von One to One for Research and Polling befragt. 19 % der Befragten geben an, dass sie ihren Haushalt kaum mit Lebensmitteln versorgen können, ca. 5 % können dies gar nicht. Die Versorgung des eigenen Haushalts mit grundlegenden Konsumgütern, wie etwa Kleidung und Schuhe, empfinden 26 % als unproblematisch. 42 % schaffen dies gerade so, weitere 24 % können diese Art von Gütern entweder kaum, 8 % gar nicht besorgen (STDOK 2024). Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem (CNAM und CNSS) (AA 22.6.2023). Das tunesische Sozialsystem bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Grundschutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95 % (ÖB Tunis 10.2022). Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversiche rung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der 39

Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 22.6.2023). Folgende staatliche Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Kranken geld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien (ÖB Tunis 10.2022). Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Vor aussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Gemäß Nationalem Statistikinstitut INS zählt der informelle Sektor rund 1,5 Mio. Beschäftigte, die nicht mit einer Finanzhilfe rechnen können. Laut tunesischem Industrieverband UTICA wurden alleine während der ersten COVID-19-Welle 165.000 Arbeitsplätze vernichtet. Während der COVID-Lockdowns kam es zu zahlreichen Pro testen, da sich viele ihrer Einkommensgrundlage beraubt sahen. Die früher relativ breite, weit definierte Mittelschicht Tunesiens aus selbstständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten sieht ihre Kaufkraft zunehmend schwinden und droht, in die Prekarität abzugleiten. Die schmale Oberschicht aus traditionell einige Wirtschaftszweige beherrschenden Familien ist mehr an Machterhalt als an Beschäftigung zusätzlicher Arbeitskräfte interessiert. Die allmäch tige traditionelle Gewerkschaft UGTT lehnt bisher jede Änderung des Status quo rigoros ab und behindert so eine Umstrukturierung des ineffizienten auf Nepotismus und Rentenmentalität beruhenden öffentlichen Sektors. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Aus bilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP) (ÖB Tunis 10.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2023): AA Bericht über die asyl- und abschiebungsrele vante Lage in Tunesien (Stand: Mai 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2093953/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tunesien,_22.06.2023.pdf , Zugriff 4.12.2024 [Login erforderlich] ■ ABG - Africa Business Guide (8.2024): Africa Business Guide - Alles zur Wirtschaft in Tunesien, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/tunesien, Zugriff 6.2.2025 ■ AFDB - African Development Bank Group (30.5.2024): African Economic Outlook 2024, https://ww w.afdb.org/en/documents/african-economic-outlook-2024 , Zugriff 6.2.2025 ■ CMEC - Carnegie Middle East Center (31.10.2024): Kais Saied’s Grip on Tunisia Comes at a High Cost, https://carnegieendowment.org/research/2024/10/kais-saieds-grip-on-tunisia-comes-at-a-hig h-cost?center=middle-east&lang=en, Zugriff 6.2.2025 ■ GTAI - Germany Trade and Invest (6.12.2024): Wirtschaftsausblick Tunesien, https://www.gtai.de/ de/trade/tunesien-wirtschaft/wirtschaftsausblick, Zugriff 6.2.2025 ■ ISPI - Italian Institute for International Political Studies (4.10.2024): Tunisia’s Saïed Cannot Avoid the Economy in His Second Term, https://www.ispionline.it/en/publication/tunisias-saied-cannot-a void-the-economy-in-his-second-term-185808 , Zugriff 6.2.2025 ■ ÖB Tunis - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (10.2022): Asylländerbericht Tunesien [Login erforderlich] ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (2024): Survey report on the socio-economic situation - Tunisia ■ WKO - Wirtschaftskammer Österreich (21.11.2024): Tunesien: Neuer Wirtschaftsbericht, https://ww w.wko.at/aussenwirtschaft/tunesien-wirtschaftsbericht, Zugriff 6.2.2025 40

18 Medizinische Versorgung Letzte Änderung 2025-02-26 16:30 Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Ge sundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau (AA 22.6.2023) - es ist zu mindest in Tunis gut. Außerhalb der Hauptstadt ist mit einigen Einschränkungen zu rechnen (AA 10.12.2024). Tunesien hat lange Zeit in das Gesundheitswesen investiert, es gibt in allen Landesteilen staatliche Gesundheitseinrichtungen. Allerdings sind die rund 2.200 Einrichtun gen trotz guter medizinischer Ausbildung der Beschäftigten oft in desolatem Zustand. Gerade die COVID-19-Pandemie zeigte die starken Defizite auf (ÖB Tunis 10.2022). Üblicherweise ist eine weitreichende Versorgung in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen (AA 22.6.2023). Bei einer in drei tunesischen Städten (Great Tunis, Sousse und Sfax) durchgeführten Umfrage zu sozioökonomischen Faktoren wurden, mittels Computer Assisted Telephone Interviewing (CATI)-Methode und Quotenstichproben auf der Grundlage der neuesten verfügbaren offiziellen Bevölkerungsdaten zwischen 16.7.2024 und 30.7.2024 in jeder der genannten Zielstädte, Ein wohner, bzw. eine Stichprobe von 601 Personen zwischen 16 und 35 Jahren, von One to One for Research and Polling befragt. Demnach ist die Verfügbarkeit von Allgemeinmedizinern für 65% der Befragten in allen drei Städten gegeben, diese haben immer Zugang und können sich die Behandlungen leisten, wogegen 27% zwar über einen Zugang verfügen, ihn sich aber nicht leisten können. Des Weiteren kommt es zu regionalen Unterschieden beim Zugang zu Fachärz ten. In Tunis haben 53 % immer Zugang zu einem Facharzt (Zahnarzt, Augenarzt, Gynäkologe, Urologe und Kinderarzt) und können sich diesen auch leisten, während 35 % zwar Zugang ha ben, sich den Besuch aber nicht leisten können. 12 % haben keinen Zugang zu einem Facharzt. Etwa gaben 51% der Befragten in Sousse an, Zugang zu einem Facharzt zu haben, wogegen in Sfax 41 % angaben, dass sie immer Zugang zu Fachärzten haben. Für Männer (45%) ist die Verfügbarkeit zu Fachärzten nicht so hoch wie für Frauen (52 %). 30% der befragten Frauen gaben an, immer Zugang zu fortschrittlichen Behandlungen wie Chirurgie oder Krebsbehand lung zu haben und können sich diese auch leisten. 45 % haben Zugang, können ihn sich aber nicht leisten, während 18 % keinen Zugang haben. 7 % haben keine Antwort gegeben (STDOK 2024). Eine stark angestiegene Anzahl an gut ausgestatteten Privatkliniken bedient meist Ausländer, u. a. zahlungskräftige Libyer und Algerier (ÖB Tunis 10.2022; vgl. AA 10.12.2024). Außerhalb der Hauptstadt ist mit einigen Einschränkungen zu rechnen (AA 10.12.2024). Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV- Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich jedoch um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema (AA 22.6.2023). 2005 wurden die beiden Krankenkassen (CNSS: Caisse nationale de sécurité sociale und CNRPS: Caisse nationale de retraite et de prévoyance sociale) zur Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM) zusammengelegt. Allerdings ist diese Kasse mit ca. 1 Milliarden Dinar hoch 41

verschuldet – fehlende Beitragszahlungen und verteuerte Medikamente sind nur einige der Gründe (ÖB Tunis 10.2022). In Einzelfällen kann es - insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten - Ver sorgungsprobleme geben (EDA 10.12.2024; vgl. BMEIA 10.12.2024). Krankenhäuser verlangen in der Regel vor der Behandlung eine finanzielle Garantie (schriftlich garantierte Kostenübernah me oder Vorschusszahlung) (EDA 10.12.2024). Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. In Einzelfällen ist also eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den aller meisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich (AA 22.6.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (10.12.2024): Auswärtiges Amt, https://www.auswaertiges-amt .de/de/ReiseUndSicherheit/tunesiensicherheit/219024#content_5, Zugriff 10.12.2024 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2023): AA Bericht über die asyl- und abschiebungsrele vante Lage in Tunesien (Stand: Mai 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2093953/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tunesien,_22.06.2023.pdf , Zugriff 4.12.2024 [Login erforderlich] ■ BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (10.12.2024): Tunesien, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/tunesien , Zugriff 10.12.2024 ■ EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (10.12.2024): Rei sehinweise für Tunesien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/t unesien/reisehinweise-fuertunesien.html#eda931a7d, Zugriff 10.12.2024 ■ ÖB Tunis - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (10.2022): Asylländerbericht Tunesien [Login erforderlich] ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (2024): Survey report on the socio-economic situation - Tunisia 19 Rückkehr Letzte Änderung 2025-02-26 16:27 Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Grundsätzlich wird jede Einreise über einen offiziellen Grenzübergang erfasst. Und es findet eine grenzpolizeiliche Einreisekontrolle statt, es werden Pässe und etwaige Eintragungen in elektronischen Dateien überprüft. An der zugrunde liegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in § 35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „ Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 Dinar (ca. 15 bis 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ So weit bekannt, wurden im vergangenen Jahr ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen dann nicht zur Anwendung, wenn Personen das tunesische Ter ritorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 22.6.2023). 42

Eine „ Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „ Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 22.6.2023). Seit der Revolution 2011 sind Tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und eingeschränkten legalen Migrations kanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen u. a. der Schweiz und Norwegens (Programm AVRR). Rückkehrprojekte umfassen z. B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben oder im Bereich der Landwirtschaft, haben jedoch gemäß Beobachtungen bislang kaum Erfolg gezeigt (ÖB Tunis 10.2022). Als zweite Institution ist das ICMPD seit 10. Juni 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. „ Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm). Neben Ländern wie Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko und Syrien wird Tunesien dabei als „ Plattform“ (interaktiv zu verfolgen unter: www.eurotun-migr.net) für folgende Arbeitsbereiche gesehen: • IBM: Integrated Border Management (IBM): technische und operative Unterstützung der na tionalen Institutionen im Bereich grüne und blaue Grenzsicherung • MIEUX: Migration EU Expertise: eine gemeinsame EU-ICMPD-Initiative zur Stärkung der Nationalen Migrationsstrategie, insbesondere des Nationalen Migrationsobservatoriums (ONM) (ÖB Tunis 10.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2023): AA Bericht über die asyl- und abschiebungsrele vante Lage in Tunesien (Stand: Mai 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2093953/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Tunesien,_22.06.2023.pdf , Zugriff 4.12.2024 [Login erforderlich] ■ ÖB Tunis - Österreichische Botschaft Tunis [Österreich] (10.2022): Asylländerbericht Tunesien [Login erforderlich] 19.1 Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates Letzte Änderung 2025-01-09 14:36 [Dieses Kapitel basiert auf Informationen, die von der Bundesagentur für Betreuungs- und Un terstützungsleistungen (BBU GmbH) mit Stand Dezember 2024 zur Verfügung gestellt worden sind (BMI 6.12.2024). Im Bereich der Rückkehrunterstützung kann es zu kurzfristigen Änderun gen kommen. Für weitere Informationen sei auf die entsprechendeSeite der BBU verwiesen]. 43

Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) informieren individuell über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr bzw. die verfügbaren Unterstützungsleistungen. Die Rückkehrunterstützung umfasst folgende Leistungen: • Kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU • Organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung • Übernahme der Heimreisekosten • Finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu € 900 • Reintegrationsprogrammteilnahme nach der Rückkehr im Zielland Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Die Bewilligung erfolgt durch das österreichische Bundesamt für Fremdwesen und Asyl (BFA). Weitere Informationen zu den aktuellen Unterstützungsangeboten (Rückkehrunterstützung inkl. Reintegrationsunter stützung) sind auf der Webseite www.returnfromaustria.atverfügbar. Die BBU unterstützt sowohl bei der Reiseplanung und der Flugbuchung als auch bei der Be schaffung von Heimreisedokumenten, einer ggf. notwendigen medizinischen Versorgung sowie mit der Übernahme der Rückreisekosten. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Über nahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person. Finanzielle Starthilfe Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr: • Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis ein Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 900,00 pro Person; ab einem Monat nach Rechts kraft der Rückkehrentscheidung: € 250,00 pro Person • Kernfamilien: Maximalbetrag von € 3.000 pro Familie • Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bun desamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden. Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung (Ausnah men im Einzelfall möglich): • Freiwillige Ausreise • Finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit 44

• Erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung • Nachhaltigkeit der Ausreise • Keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr • Keine schwere Straffälligkeit Ausgeschlossen vom Bezug der finanziellen Starthilfe sind EWR-Bürger, Personen aus den Westbalkan-Staaten sowie Staatsangehörige von Ländern mit visumsfreier Einreise nach Ös terreich (z.B. Georgien, Moldawien). Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende aus diesen Regionen, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden Reintragrationsunterstützung Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens „ Rückkehr mit Perspektiven“ Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu € 3.500 beantragen. Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt mit den Kooperationspartnern: • Frontex (EU Reintegrationsprogramm EURP) • IOM Österreich (Reintegrationsprogramm RESTART IV) • Caritas Österreich (Reintegratonsprogramm IRMA plus III) • OFII (französische Migrationsbehörde „French Office for Immigration and Integration“) • ETTC (im Irak tätige NGO „European Technology and Training Centre“) Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten. Weitere Informationen zu den jeweiligen Programmen bzw. für welche Herkunftsländer diese angeboten werden, sind den oben angeführten Seiten zu entnehmen (BMI 6.12.2024). Quelle ■ BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (6.12.2024): Österreichische Rückkehrunter stützung – Übersicht der Leistungen 20 Impressum Herausgegeben von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Wien (BFA - https://bfa.gv.at), Österreich Telefon: +43 59133 98 7271 45

Mail: BFA-Staatendokumentation@bmi.gv.at https://www.staatendokumentation.at https://cloud.staatendokumentation.at https://coi-cms.staatendokumentation.at 20.1 Urheberrecht Diese Publikation und alle darin enthaltenen Daten sind urheberrechtlich geschützt. Alle Ver wertungsrechte liegen bei der Fachstelle für Herkunftsländerinformationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Die Vervielfältigung und Verbreitung in jeglicher Form - zu kom merziellen und nicht kommerziellen Zwecken - ist nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung durch das Referat Herkunftsländerinformationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gestattet. 20.2 Hinweis zum Datenschutz Die Herkunftsländer-Informationsstelle des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verarbei tet Daten in Übereinstimmung mit der General Data Protection Regulation (GDPR. Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG) und des österreichischen Datenschutzgesetzes (Bundes gesetz über den Schutz personenbezogener Daten, BGBl. I Nr. 165/1999 idgF). Zum Zweck der Verteilung werden Name, Post- und/oder E-Mail-Adressen gespeichert. Den Empfängern stehen die allgemeinen Rechte auf Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung, Datenübertrag barkeit, Widerruf und Widerspruch zu. Das Abonnement kann jederzeit gekündigt werden (E-Mail mit dem Betreff „ unsubscribe“ an BFA-Staatendokumentation@bmi.gv.at). Informationen zum E-Mail-Verkehr mit dem BMI (Kundmachung gemäß § 13 Abs. 2 AVG) https: //www.bmi.gv.at/Impressum/email_richtlinien.aspx Hinweise für elektronische Anbringen (96,7 KB) https://www.bfa.gv.at/Kontakt/files/Kundmachung_nach_13_Abs_2_und_5_AVG.pdf Amtssignatur – Bildmarke (117,7 KB) https://www.bfa.gv.at/Impressum/files/Amtssignatur-Bildmarke_Veroeffentlichungstext-Neu_2 023_sgn.pdf 20.3 Veröffentlichte Versionen • Version 8, Gültig von 03-08-2023 bis 27-02-2025 • Version 7, Gültig von 12-01-2023 bis 03-08-2023 • Version 6, Gültig von 17-06-2022 bis 12-01-2023 • Version 5, Gültig von 21-10-2021 bis 17-06-2022 • Version 4, Gültig von 27-07-2021 bis 21-10-2021 46
