2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-china-version-7-a024
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
profitieren Minderheiten [im Gegensatz zur Mehrheitsbevölkerung Chinas; Anm.] jedoch nur ein geschränkt (AA 9.8.2024). Die Beziehungen zwischen der tibetischen und anderen Minderheiten und den Han-Chinesen bleiben generell angespannt (BS 2.7.2024). Politische Schlüsselpositionen in der TAR sind überwiegend mit Han-Chinesen besetzt; einige zwar auch mit Tibeterinnen und Tibetern, aber diese können als ausschließlich atheistische Parteimitglieder die Belange der tiefreligiösen tibetischen Bevölkerungsmehrheit nicht adäquat vertreten. Vielmehr wird der tibetische Buddhismus von der Regierung als potenzielle Quelle separatistischer Bewegungen mit größtem Misstrauen beäugt, streng kontrolliert und strukturell behindert (AA 9.8.2024). Den Bewohnern der TAR, sowohl denen, die der Han-chinesischen, als auch solchen, die der tibetischen Ethnie angehören, werden Grundrechte verweigert, aber die Behörden unterdrücken besonders rigoros jegliche Anzeichen von Dissens unter den Tibetern, einschließlich Manifes tationen tibetischer religiöser Überzeugungen und kultureller Identität (FH 29.2.2024b). Äuße rungen der tibetischen Identität, wie beispielsweise Unterstützungserklärungen für den Dalai Lama oder die Verwendung der tibetischen Flagge, können schwer bestraft werden, u. a. mit Inhaftierung und Gefängnisstrafen (DFAT 22.12.2021). Auch ist der Besitz von Portraits des Dalai Lamas untersagt. Es wird von willkürlichen Polizeieinsätzen berichtet, um zu prüfen, ob Privathaushalte möglicherweise Bildnisse des Dalai Lamas besitzen (FNS 11.11.2024; vgl. HRW 11.1.2024). In Verfolgung des vordringlichen politischen Zieles der ethnischen und nationalen Einheit Tibets setzt die Regierung auch hoch repressive Maßnahmen, wie Einschränkung der Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Verstärkung der Überwachungsmaßnahmen (z. B. Überwachung und Zensur des sozialen Mediums WeChat) sowie Kollektivstrafen und Sippenhaft, ein (AA 26.10.2022; vgl. HRW 11.1.2024FH 29.2.2024b). Zudem gibt es Fälle von Folter, Tod in Untersuchungshaft, willkürlichen Festnahmen und dem Verschwindenlassen von Personen. Gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet geht die Regierung mit beson derer Härte vor (AA 26.10.2022; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Behörden bedienen sich eines umfassenden Sicherheits- und Zensursystems mit nahezu allgegenwärtigen Videokameras, Gesichtserkennungstechnologie, „ intelligenten“ Personalausweisen und integrierten Überwa chungssysteme, die eine Verfolgung von Einwohnern und Touristen in Echtzeit ermöglichen (FH 29.2.2024b). Die Bewegungsfreiheit innerhalb der TAR bleibt für die tibetische Bevölkerung maßgeblich durch Straßenkontrollen eingeschränkt (AA 9.8.2024; vgl. USDOS 23.4.2024), die insbesondere an den Hauptverkehrsstraßen, in den Städten und in den Außenbezirken der Städte und bei Klöstern errichtet werden. Diese Straßensperren beschränken und kontrollieren den Zugang von Tibetern und Ausländern zu sensiblen Gebieten. Tibeter in Klosterkleidung wer den von der Polizei an Straßenkontrollpunkten und auf Flughäfen besonders genau überprüft (USDOS 23.4.2024). Berichten zufolge beschlagnahmten die Behörden Landbesitz der Tibeter, ohne Kompensation (USDOS 23.4.2024). Der Aktionsplan der Regierung für die Ausbildung von Bauern und Hirten und für den Transfer von Arbeitskräften zwang Zehntausende tibetischer Bauern und Nomaden, ihre Landnutzungsrechte an staatliche Kollektive abzutreten. Sie mussten als Lohnarbeiter in städtische Gebiete ziehen, wo sie in großen Wohnblocks zusammengepfercht und schließlich 9

daran gehindert werden, ihre traditionelle Lebensweise weiterzuführen. Parallel dazu fördert die Regierung die Zuwanderung ethnischer Chinesen in die TAR, beispielsweise durch die Anwerbung von Arbeitskräften für Infrastrukturprojekte in der Region; diese Migranten ändern in der Regel ihre Haushaltsregistrierung nicht, sodass ihre Zahl in den offiziellen Statistiken nicht erfasst wird. Vorschriften zur „ ethnischen Einheit“ fördern durch finanzielle Anreize Misch ehen zwischen Han-Chinesen und Tibetern, wodurch die eigenständige kulturelle und religiöse Identität der Tibeter weiter untergraben wird (FH 29.2.2024b). Die chinesischen Behörden schränken die Versammlungsfreiheit im Rahmen der zunehmenden Regierungspolitik zur „ Stabilitätserhaltung“ in Tibet stark ein. Die Kontrolle und Überwachung öffentlicher Versammlungen erstreckt sich über die größeren Städte hinaus auch auf Dörfer und ländliche Gebiete. Selbst gewaltlose Demonstranten werden oft gewaltsam auseinandergetrie ben und hart bestraft. Trotz der Beschränkungen suchen die Tibeter weiterhin nach Möglichkei ten, ihre Ansichten über Regierungsmaßnahmen durch vereinzelte oder kleinere, sporadische Proteste auf öffentlichen Plätzen zum Ausdruck zu bringen, bevor sie von der Polizei aufgegriffen werden (FH 29.2.2024b). Im gesamten Jahr 2022 wurde von Verhaftungen und Verurteilungen tibetischer religiöser und kultureller Persönlichkeiten berichtet, die während ihrer Haft misshan delt wurden, vor allem Schriftsteller (HRW 12.1.2023). Auch weiterhin gibt es Berichte über Verhaftungen wegen religiöser Aktivitäten (Bedelian 4.12.2023) und es kommt zu willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen (USDOS 23.4.2024). Ähnlich wie in Xinjiang besteht auch unter der tibetischen Bevölkerung eine große Frustration angesichts einer chinesischen Politik der wirtschaftlichen Expansion, die wenig Rücksicht auf Mitbestimmung, kulturelles Erbe und religiöse Freiheit nimmt. In den tibetischen Gebieten der Provinzen Sichuans, Gansus und Qinghais kam es seit 2009 zu über 100, meist tödlichen, Akten von Selbstverbrennungen, die von religiösen Versammlungen, Protesten und schließlich einer oft gewaltsamen Auflösung durch Sicherheitsorgane gefolgt wurden (ÖB Peking 2024). Nach Angaben der International Campaign for Tibet hat sich die Zahl der Selbstverbrennungen seit 2009 sogar auf mindestens 169 Tibeter belaufen, viele von ihnen waren buddhistische Mönche und Nonnen [Stand 15.3.2024] (TheWeek 15.3.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2114531/Deutschland._Au swärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_ China,_09.08.2024.pdf, Zugriff 9.4.2025 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ Bedelian - C. Bedelian (4.12.2023): Verhaftungen wegen religiöser Aktivitäten und Dalai Lama Foto – Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF), https://gstf.org/2023/12/04/verhaftu ngen-wegen-religioeser-aktivitaeten-und-dalai-lama-foto , Zugriff 12.11.2024 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2.7.2024): BTI 2024 China Country Report, https://bti-project.org/en/re ports/country-report/CHN, Zugriff 2.7.2024 10

■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.12.2021): DFAT Country Information Report People’s Republic of China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-r eport-china-22122021.pdf, Zugriff 15.2.2023 ■ FH - Freedom House (29.2.2024b): Freedom in the World 2024 - Tibet, https://www.ecoi.net/en/do cument/2108074.html, Zugriff 13.8.2024 ■ FNS - Friedrich Naumann Stiftung (11.11.2024): Tibet: Der Kampf um die Demokratie auf dem Dach der Welt: Tibets Exilregierung und das Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit, https://www.freiheit .org/de/indien/der-kampf-um-die-demokratie-auf-dem-dach-der-welt-tibets-exilregierung-und-das -streben-nach, Zugriff 11.11.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (21.5.2024): Tibet: Erzwungene Massenumsiedlungen von Tibetern, https://www.hrw.org/de/news/2024/05/22/tibet-mass-relocations-tibetans-not-voluntary , Zugriff 11.11.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - China, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2103179.html, Zugriff 9.7.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - China, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2085405.html, Zugriff 15.2.2023 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) ■ TheWeek - The Week (15.3.2024): A history of self-immolation as ’extreme’ act of protest, https: //theweek.com/history/a-history-of-self-immolation , Zugriff 13.8.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107650.html, Zugriff 10.6.2024 4.2 Politische Lage und Sicherheitslage in Xinjiang Letzte Änderung 2024-11-28 10:41 Die Autonome Region Xinjiang (Xinjiang Uyghur Autonomous Region/XUAR) ist in vier bezirks freie Städte (Ürümqi, Karamay, Turpan, Kumul), fünf Regierungsbezirke (Hotan, Aksu, Kaxgar, Tacheng, Altay) und fünf autonome Bezirke (Kirgisischer Autonomer Bezirk Kizilsu, Mongolischer Autonomer Bezirk Bayingolin, Autonomer Bezirk Changji der Hui, Mongolischer Autonomer Be zirk Bortala, Kasachischer Autonomer Bezirk Ili) untergliedert. Zudem unterstehen zehn der insgesamt 26 kreisfreien Städte direkt der Regierung der Autonomen Region (ÖB Peking 2024). In Xinjiang leben etwa 20 Millionen Menschen, davon sind ca. 10 Millionen Angehörige der uigurischen Bevölkerung sowie Angehörige anderer muslimischer Minderheiten, z. B. Kasachen und Kirgisen (AA 26.10.2022). Uiguren stellen damit die Mehrheit der Bevölkerung mit einem Anteil von 45,84 % an der Gesamtbevölkerung der Region, gefolgt von Han-Chinesen (40,48 %), Kasachen (6,5 %), Hui (4,51 %), Kirgisen (0,86 %), Mongolen (0,81 %) und weiteren kleineren Minderheiten wie Dongxiang, Tadschiken, Xibe, Mandschu, Tujia, Usbeken, Russen, Miao, Ti beter, Zhuang, Daur, Tataren und Salar (ÖB Peking 2024). Die ethnische Zusammensetzung der Region hat sich seit 1949 sukzessive geändert: 1953 betrug die Anzahl der Uiguren noch 75 %. Diese demografischen Änderungen scheinen überwiegend die Folge einer Han-Migration in die westlichen Provinzen zu sein, welche auch durch eine Anreizpolitik seitens der chinesischen Regierung ausgelöst wurde (OHCHR 31.8.2022). Peking wendet auch sogenannte Armutsbekämpfungsmaßnahmen an; Hunderttausende Uigu ren und andere Angehörige ethnischer Minderheiten - vor allem Bauern und andere Bewohner, die von den Behörden als „ überzählige Landarbeiter“ bezeichnet werden - werden gezwungen, außerhalb ihrer Heimatstädte - vor allem in staatlichen Fabriken - Niedriglohnjobs anzunehmen. 11

Die Arbeiter berichteten von gefängnisähnlichen Zuständen, in denen die Menschen einer poli tischen Indoktrination unterworfen werden (FH 29.2.2024a). In einem UN-Bericht aus dem Jahr 2022 (UNGA 19.7.2022) werden Beweise dafür angeführt, dass die Beschäftigungsprogramme mit Zwangsarbeit, starker Überwachung, Gewalt und erniedrigender Behandlung einhergehen und dass „ einige Fälle auf Versklavung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen können“ (FH 29.2.2024a; vgl. Tagesschau 8.4.2024; vgl. Eurasianet 5.11.2024). Im Zuge des Ausbaus der Wirtschaft sind aus anderen Landesteilen Han-Chinesen zugewandert, die im Vergleich zu den Uiguren über bessere Bildungs- und Kapitalressourcen verfügen und Wirtschaft und Verwaltung dominieren (BAMF 2.2020). Die Uiguren hingegen sind politisch stark unterrepräsentiert und deren religiöse Aktivitäten werden streng kontrolliert. Punktuell kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen, auf die oft, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus, harsche Retorsionen durch Sicherheitsorgane folgen (ÖB Peking 2024). Zudem wirft die chinesische Regierung Teilen der muslimischen Bevölkerung in Xinjiang se paratistische Bestrebungen, Extremismus und terroristische Aktivitäten vor und führt in diesem Zusammenhang auch immer wieder Schnell- und Massenverfahren durch. Uiguren werden systematisch des Terrorismus verdächtigt, auch wenn sie friedlich für die Wahrung von Minder heitenrechten, eine effektive Autonomie und Religionsfreiheit eintreten (ÖB Peking 2024). Der Vorwurf des „ religiösen Extremismus“ führt für viele uigurische, kasachische und Hui-Mus lime zu Verhaftungen, Gefängnisstrafen und Indoktrination. In den Regionen der ethnischen Minderheiten, insbesondere in Xinjiang, ist die Polizeipräsenz besonders hoch. Die Möglich keit der Uiguren und der Angehörigen anderer muslimischer Minderheiten in Xinjiang, sich frei zu äußern, selbst im privaten Bereich, wurde durch die Politik, chinesische Beamte in ihren Häusern wohnen zu lassen, um sie zu überwachen und zu indoktrinieren, weiter unterminiert (FH 29.2.2024a). Alle Bestrebungen, die den chinesischen Herrschaftsanspruch auf die von den Minderheiten bewohnten Gebiete infrage stellen könnten, wie beispielsweise oppositionelle Meinungsäußerungen und Forderungen nach größerer Autonomie werden als Bedrohung durch „ Separatismus“ aufgefasst und streng verfolgt (AA 26.10.2022; vgl. ÖB Peking 2024). Polizeikontrollpunkte in ganz Xinjiang schränken die Möglichkeiten der Bewohner ein, zu reisen oder sogar ihre Heimatstädte zu verlassen (FH 29.2.2024a). Sowohl in Tibet als auch in Xinjiang laufen diejenigen, die Kontakt zu Familienangehörigen und Freunden im Ausland aufnehmen oder sich für ihre Kultur, Sprache und Religion einsetzen, Gefahr, als „ Separatisten“ behandelt und zu harten Gefängnisstrafen verurteilt zu werden (HRW 11.1.2024). Angesichts von Kontak ten zwischen uigurischen Unabhängigkeitsgruppen und fundamentalistischen Gruppierungen in den Anrainerstaaten geht die Zentralregierung gegen jegliche (auch vermeintliche) Auto nomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen aus Furcht vor Separatismus und Infiltrierung mit sehr großer Härte vor. Hierzu gehören Passentzug, Ausgangssperren, Einführung von neuen, als Extremismus eingestuften Tatbeständen, Vorlage von biometrischen Daten, Entnahme von DNS-Proben sowie Internierung oder Festnahme (AA 26.10.2022). Überwachung und Internierungslager 12

Die chinesischen Behörden verfolgen eine aggressive Politik, um die demografischen Verhält nisse in den Regionen der ethnischen Minderheiten, insbesondere in Xinjiang, Tibet und der Inneren Mongolei, absichtlich zu verändern (FH 29.2.2024a). Seit 2017 wurden mehr als ei ne Million Uiguren und Angehörige anderer überwiegend muslimischer Minderheitengruppen in Internierungslagern und Gefängnissen inhaftiert, und eine weitere unbekannte Zahl wird in sogenannten „ Vocational Skills Education and Training Centers“ (VSETCs) einer „ Umerziehung“ unterworfen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 29.2.2024a). Nach Angaben Pekings handelt es sich bei diesen VSETCs um Bildungszentren, in die Uiguren und andere Personen freiwillig gehen; Journalisten zugespielte interne Regierungsdokumente liefern jedoch Beweise, wonach es sich hierbei tatsächlich um von bewaffneten Wächtern gesicherte Einrichtungen handelt, in denen die Gefangenen aggressiven Formen der Indoktrination und politischen Umerziehung unterzo gen werden, um deren ethnische Identität und deren religiösen Glauben zu untergraben (FH 29.2.2024a). Obwohl einige politische Umerziehungslager geschlossen worden zu sein scheinen (HRW 11.1.2024; vgl. FH 29.2.2024a), befinden sich schätzungsweise eine halbe Million Uiguren und andere Turk-Muslime weiterhin in Haft, die im Rahmen der 2017 begonnenen chinesi schen Razzia „ Strike Hard Against Violent Terrorism“ festgenommen wurden. Es gab keine Massenentlassungen. Viele Uiguren im Ausland haben weiterhin wenig bis gar keinen Kontakt zu Familienangehörigen in Xinjiang (HRW 11.1.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.2020): Länderreport 22: China. Situation der Muslime, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationsz entrum/Laenderreporte/2020/laenderreport-22-china.pdf?__blob=publicationFile&v=2 , Zugriff 15.2.2023 ■ Eurasianet - Eurasianet (5.11.2024): Researcher explains how Uighurs are exploited in Xinjiang forced labor regime, https://eurasianet.org/researcher-explains-how-uighurs-are-exploited-in-xinji ang-forced-labor-regime , Zugriff 5.11.2024 ■ FH - Freedom House (29.2.2024a): Freedom in the World 2024 - China, https://www.ecoi.net/de/do kument/2105013.html, Zugriff 10.6.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - China, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2103179.html, Zugriff 9.7.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (31.8.2022): OHCHR Assessment of human rights concerns in the Xinjiang Uyghur Autonomous Region, People’s Republic of China, https://www.ohchr.org/en/documents/country-reports/ohchr-assessment-human-rights-c oncerns-xinjiang-uyghur-autonomous-region , Zugriff 20.2.2023 ■ Tagesschau - Tagesschau (8.4.2024): UN kritisieren Zwangsarbeit in chinesischer Region Xinjiang, https://www.tagesschau.de/ausland/asien/zwangsarbeit-uiguren-china-101.html , Zugriff 5.11.2024 ■ UNGA - United Nations General Assembly (19.7.2022): Contemporary forms of slavery affecting persons belonging to ethnic, religious and linguistic minority communities, https://documents.un.org /doc/undoc/gen/g22/408/97/pdf/g2240897.pdf?OpenElement, Zugriff 5.11.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107650.html, Zugriff 10.6.2024 13

4.3 Politische Lage und Sicherheitslage in der Inneren Mongolei Letzte Änderung 2025-05-13 10:58 Die Innere Mongolei ist eine Autonome Region im Norden Chinas (DFAT 22.12.2021EB o.D.). Infolge der jahrzehntelangen systematischen Ansiedlung von Han-Chinesen beläuft sich der Anteil der ethnischen Mongolen inzwischen nur noch auf ungefähr 17 % der Bevölkerung (GfbV 12.11.2024; vgl. HRW 4.9.2020), der Han-chinesische Anteil hingegen beträgt laut den jüngsten verfügbaren statistischen Daten aus dem Jahr 2010 etwa 79 % (DFAT 22.12.2021). Zwischen Han-Chinesen und ethnischen Mongolen treten immer wieder Spannungen und Konflikte zutage (BS 2.7.2024). Die chinesische Regierung hat umfangreiche Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und sozialen Stabilität auf den Weg gebracht, wobei auf tradierte Lebensstile keiner lei Rücksicht genommen wird und Betroffene selten in Planungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Alle Bestrebungen, die den chinesischen Herrschaftsanspruch infrage stel len könnten, wie beispielsweise oppositionelle Meinungsäußerungen - oder wie die Proteste 2022 gegen Einschränkungen des Curriculums der mongolischen Sprache - werden massiv verfolgt, Forderungen nach größerer Autonomie einzelner Regionen [Anm. in China generell] reflexhaft als Bedrohung durch „ Separatismus“ aufgefasst (AA 9.8.2024). Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) drängt die mongolische Sprache seit 2020 systema tisch zurück. Kindergärten in der Region unterrichten inzwischen nur noch auf Mandarin. Auch in den Schulen werden immer weniger Fächer auf Mongolisch unterrichtet. Mongolisch-sprachige Bücher über Geschichte und Kultur werden zunehmend verboten (GfbV 12.11.2024). Es wurden alle Grund- und weiterführenden Schulen in der gesamten Inneren Mongolei angehalten, den Unterricht in Geschichte, Moral und Recht sowie in Sprache und Literatur ausschließlich auf Mandarin-Chinesisch und nicht auf Mongolisch abzuhalten (CRC 29.4.2023). Laut verschiedenen Berichten gibt es in den Dörfern staatliche Pilotprogramme, die Landwirten, die „ illegalen religiösen Aberglauben“ nachweislich ablehnen, finanzielle und materielle Anreize bieten. Umgekehrt erhalten Personen, die einen solchen Aberglauben nicht entschieden genug ablehnen, kaum Subventionen. So nutzen die Behörden das Programm beispielsweise am Standort des Dschingis-Khan-Mausoleums, um schamanische Praktiken im Zusammenhang mit der religiösen Verehrung des mongolischen Anführers zu unterbinden. Ziel ist offenbar, die traditionelle mongolische Kultur und Spiritualität auszurotten (USDOS 26.6.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2114531/Deutschland._Au swärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_ China,_09.08.2024.pdf, Zugriff 9.4.2025 [Login erforderlich] ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2.7.2024): BTI 2024 China Country Report, https://bti-project.org/en/re ports/country-report/CHN, Zugriff 2.7.2024 ■ CRC - China Research Center (29.4.2023): Language Policy in Inner Mongolia and its Implications for Chinese and International Human Rights, https://www.chinacenter.net/2023/china-currents/22-1/l 14

anguage-policy-in-inner-mongolia-and-its-implications-for-chinese-and-international-human-rights , Zugriff 12.11.2024 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.12.2021): DFAT Country Information Report People’s Republic of China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2067346/country-information-r eport-china-22122021.pdf, Zugriff 15.2.2023 ■ EB - Encyclopaedia Britannica (o.D.): Inner Mongolia summary, https://www.britannica.com/place/I nner-Mongolia, Zugriff 12.8.2024 ■ GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker (12.11.2024): Unterdrückung der mongolischen Sprache und Kultur, https://www.gfbv.de/de/news/unterdrueckung-der-mongolischen-sprache-und-kultur-11215 , Zugriff 12.11.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (4.9.2020): China: Mongolian Mother-Tongue Classes Curtailed, https: //www.ecoi.net/en/document/2037116.html, Zugriff 12.8.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Reli gious Freedom: China, https://www.ecoi.net/en/document/2111843.html, Zugriff 8.7.2024 4.4 Politische, Menschenrechts- und Sicherheitslage Hongkong Letzte Änderung 2024-11-26 12:34 Hongkong hat seit dem 1. Juli 1997 den Status einer Sonderverwaltungsregion [Anm. SVR]der Volksrepublik China. (ÖB Peking 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Gemäß der „ Gemeinsamen Chinesisch-Britischen Erklärung“ von 1984 und dem Grundgesetz der Sonderverwaltungsregion soll Hongkong mit Ausnahme von Verteidigungs- und Außenangelegenheiten ein hohes Maß an Autonomie genießen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB Peking 2024). Die chinesische Zentral- und Hongkonger Lokalregierung vertreten jedoch seit 2014 die Ansicht, dass die Gemeinsame Erklärung keinerlei rechtliche Verbindlichkeiten mehr auslöst (ÖB Peking 2024). Seit der Einführung des „ Gesetzes zum Schutz der Nationalen Sicherheit“ (NSG) [Anm. am 30.6.2020] ist ein gravierender Abbau von Demokratie und Meinungsfreiheit zu ver zeichnen (AA 26.10.2022; vgl. FH 13.8.2024, HRW 11.1.2024). Die politischen Freiheiten und die Autonomie Hongkongs wurden auch im Jahr 2023 weiter beschnitten (USDOS 23.4.2024). Peking treibt die Integration Hongkongs in das politisch-ideologische Modell des Festlands vor an, die Formel „ Ein Land - zwei Systeme“ gilt nur noch sehr eingeschränkt (AA 26.10.2022; vgl. FH 13.8.2024). Die Hongkonger Behörden gehen mit dem Gesetz über nationale Sicherheit (NSG) aus dem Jahr 2020 sowie mit den aus der Kolonialzeit stammenden Bestimmungen der Verordnung über Straftaten (Crime Ordinance) in Bezug auf staatsgefährdende Handlungen und mit anderen restriktiven Gesetzen gegen Anhänger der Demokratiebewegung, Journalist, Menschenrechtsverteidiger und andere engagierte Bürger vor (AI 24.4.2024). Durch das Prinzip der Extraterritorialität können Angeklagte auch außerhalb Hongkongs, also auf dem Festland inhaftiert und vor Gericht gestellt werden (FH 13.8.2024; vgl. AA 26.10.2022). Zusätzlich wurde im Sommer 2020 das äußerst unscharf gefasste und aus der Kolonialzeit stammende Gesetz gegen Sedition (Aufruhr) reaktiviert. Es wird u. a. gegen die unabhängige Presse eingesetzt und hat zu starker Selbstzensur geführt (AA 26.10.2022; vgl. FH 13.8.2024). Die Verurteilungsquote bei Verfolgung nach dem Nationalen Sicherheitsgesetz (NSG) lag laut HRW bei 100% [Stand 2023[ (HRW 11.1.2024). 15

Laut Freedom House (FH) wurden die prominentesten prodemokratischen Persönlichkeiten des Territoriums aufgrund der Bestimmungen des NSG verhaftet (FH 13.8.2024). Auch andere Quel len dokumentieren Verhaftungen (Tagesschau 30.5.2024; vgl. NZZ 12.6.2024). Zudem haben die Behörden in Hongkong sechs im Exil lebenden Demokratie-Aktivisten die Pässe entzogen (NZZ 12.6.2024). Anklagen oder die Androhung von Anklagen haben zur Schließung politischer Parteien, unabhängiger Nachrichtenagenturen, friedlicher NGOs und Gewerkschaften geführt. Das Wahlsystem Hongkongs wurde ab 2021 überarbeitet und die neuen Regeln erlauben es den Behörden des Festlandes, Kandidaten zu überprüfen, und enthalten weitere Bestimmungen, die Peking letztlich die nahezu vollständige Kontrolle über die Auswahl der Hongkonger Behörden sichern (FH 13.8.2024). Das Grundgesetz hat sich in der Vergangenheit als Bollwerk für die Pressefreiheit erwiesen, und die Internetzensur des Festlandes findet in Hongkong noch keine Anwendung. Die Einwohner ha ben seit langem Zugang zu einer Vielzahl von Print-, Rundfunk- und digitalen Nachrichtenquellen. Nach mehreren Jahren anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Drucks auf unabhängige Medien durch die Regierungen von Hongkong und dem Festland hat sich die Pressefreiheit jedoch verschlechtert (FH 13.8.2024). Die Selbstzensur ist noch alltäglicher geworden (HRW 11.1.2024). Laut einer vom Hong Kong Foreign Correspondents’ Club durchgeführten und im Juli 2023 veröffentlichten Umfrage üben 65 % der lokalen Journalisten Selbstzensur aus (FH 13.8.2024). Trotz der Bestimmungen des Grundgesetzes und anderslautender Behauptungen der Regierung schränken die Regierungen der VR China und der SVR das Recht auf freie Meinungsäußerung zunehmend ein. Die Regierung der SVR verfolgt weiterhin Einzelpersonen auf der Grundlage des NSG, der Aufwiegelungsgesetze aus der Kolonialzeit und anderer Gesetze wegen friedlicher politischer Äußerungen. Es gab mehrere Fälle, in denen die Behörden der SVR Personen wegen kritischer Äußerungen über die SVR oder die Zentralregierung verhafteten und strafrechtlich verfolgten (USDOS 23.4.2024). Die Religionsfreiheit wird in Hongkong generell geachtet. Die Anhänger der spirituellen Bewe gung Falun Gong, die in Festlandchina verfolgt wird, können frei in der Öffentlichkeit praktizieren (FH 13.8.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; China 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107862.html , Zugriff 10.6.2024 ■ FH - Freedom House (13.8.2024): Hong Kong: Freedom in the World 2024 Country Report, https: //freedomhouse.org/country/hong-kong/freedom-world/2024, Zugriff 13.8.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - China, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2103179.html, Zugriff 9.7.2024 ■ NZZ - Neue Zürcher Zeitung (12.6.2024): Hongkong - die neusten Entwicklungen, https://www.nzz. ch/international/hongkong-stadt-begeht-jahrestag-der-rueckgabe-an-china-proteste-verboten-1 16

17-festnahmen-seit-verabschiedung-des-sicherheitsgesetzes-vor-einem-jahr-ld.1501200 , Zugriff 5.11.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) ■ Tagesschau - Tagesschau (30.5.2024): Mehrere Aktivisten in Hongkong festgenommen, https://www. tagesschau.de/ausland/asien/hongkong-festnahmen-sicherheitsgesetz-104.html , Zugriff 5.11.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107650.html, Zugriff 10.6.2024 5 Rechtsschutz / Justizwesen Letzte Änderung 2024-11-28 10:41 Die chinesische Verfassung unterscheidet sich wesentlich von Verfassungsdokumenten rechts staatlicher Demokratien. Zwar finden sich auch hier Bürger- und Freiheitsrechte, diese sind jedoch nicht einklagbar. Die Verfassung der VR China ist kein Statut, das die Rechte und Frei heiten der Bürgerinnen und Bürger oder die Aufgaben der staatlichen Institutionen festschreibt und rechtlich garantiert. Vielmehr hat die chinesische Verfassung den Charakter eines in die Zukunft gerichteten Dokuments, in dem die Parteielite ihre im Laufe der Jahre wechselnden po litischen Ziele formuliert. Trotz aller Bemühungen, den Anschein eines modernen Rechtsstaates zu erwecken, existiert in China bis heute ein hybrides Rechtssystem, d. h. ein Nebeneinander von traditionellem Recht und institutionellem Recht. Das bedeutet, dass es in China weit ver breitet ist, im Konfliktfall neben der institutionalisierten Gerichtsbarkeit auch auf informelle Mittel wie persönliche Beziehungen und Netzwerke zurückzugreifen. Bei Streitigkeiten haben oftmals die Verwaltungsbehörden die Oberhand gegenüber den Gerichten. Die entscheidende Instanz bleibt aber im Zweifelsfall immer die Partei. Insofern relativiert sich auch die Bestimmung, dass „ keine Person und keine Organisation gegen die Verfassung und die Gesetze verstoßen darf.“ De facto steht die KPCh über der Verfassung (lpb 4.2024). Die Führung betont seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines „ sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung“ unter dem Motto, das Land den Gesetzen entsprechend zu regieren. Eine Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d. h. der KPCh, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken. Die KPCh und alle Parteiorgane, die die gesamte staatliche und Justizverwaltung duplizieren, stehen weiterhin über der Verfassung (ÖB Peking 2024). Die chinesische Führung arbeitet somit zwar an dem Ausbau des Rechtssystems im Sinne von „ Rule by Law“ (sog. „ Xi Jinping-Gedanken zur gesetzesbasierten Regierungsführung“). „ Rule of Law“ im westlichen Sinne eines Systems von Abwehr- und Schutzrechten der Bürger gegenüber dem Staat ist damit nicht gemeint. Es gibt lediglich vereinzelt Fortschritte bei eher technisch-prozeduralen Reformmaßnahmen der Justiz (AA 26.10.2022). China verfügt über keine unabhängige Justiz. Es ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip, dass (partei)politische Institutionen die Gerichte kontrollieren. Die Richter sind weder unabhän gig, noch genießen sie erhöhten Schutz. Zudem können sie zwischen Gerichten und anderen 17

Staatsorganen versetzt werden. Leistungsfähigkeit und Transparenz des Justizsystems wer den durch die Kontrolle durch die KPCh über das Justizsystem beeinträchtigt. Der Mangel an richterlicher Unabhängigkeit wird zudem als Instrument zur Unterdrückung Andersdenkender eingesetzt (ÖB Peking 2024). Die KPCh beherrscht das Justizsystem, wobei die Gerichte auf allen Ebenen von parteipolitisch- juristischen Ausschüssen überwacht werden, die Einfluss auf die Ernennung von Richtern, die Arbeit der Gerichte sowie auf Urteile und Strafen haben. Die Aufsicht durch die KPCh ist in politisch heiklen Fällen offensichtlich, und die meisten Richter sind Mitglieder der KPCh. Von den Richtern wird erwartet, dass sie der Ideologie der KPCh entsprechen und den Grundsatz der Oberhoheit der Partei über die Justiz aufrechterhalten (FH 29.2.2024a). Die Richterernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen „ Unabhängigkeit“ von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren (ÖB Peking 2024). Viele Richter beschweren sich darüber, dass sich lokale Beamte in Fälle einmischen, um mächtige Prozessparteien zu schützen, wichtige Industrien zu unterstützen oder um ihre eigene mögliche Haftung zu ver meiden (FH 29.2.2024a).Diese fehlende Unabhängigkeit trägt dazu bei, dass immer weniger Juristen den Richterberuf ergreifen wollen (ÖB Peking 2024). Trotz der Vorschriften, wonach Verteidiger die Möglichkeit haben sollten, Verdächtige oder An geklagte zu treffen, haben die Anwälte oft keinen Zugang zu ihren Klienten vor dem Prozess (insbesondere in heiklen Fällen). Weiters haben sie nur begrenzte Zeit, um Beweise zu prüfen, und dürfen während des Prozesses nicht mit den Angeklagten sprechen. Ebenso wird Ange klagten häufig erst dann ein Anwalt zugewiesen, wenn der Fall vor Gericht kommt (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (29.2.2024a): Freedom in the World 2024 - China, https://www.ecoi.net/de/do kument/2105013.html, Zugriff 10.6.2024 ■ lpb - Landeszentrale für politische Bildung - Baden Würtemberg - Infoportal östliches Europa (4.2024): Chinas Politisches System: Die Herrschaft der KPCh, https://www.lpb-bw.de/china-politisches-sys tem#c109017, Zugriff 10.6.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107650.html, Zugriff 10.6.2024 18
