2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-china-version-7-a024
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Disclaimer Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Das Country of Origin Information - Content Management System (COI-CMS) ist eine Da tenbank mit COI-Inhalten, welche beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (BFA, BVwG etc.) mit Informationen aus vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Quellen und gemäß den Standards der Staatendokumentation befüllt wird. Das COI-CMS gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend rele vanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU-Mitgliedsstaaten. Der jeweilige Bedarfsträger kann aus dem COI-CMS Länder und Themen selektieren und so die für den spezifischen Bedarf relevante Länderinformation zusammenstellen. Das COI-CMS dient den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Es gilt § 5 Abs. 5 BFA-G, d.h. das COI-CMS ist nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Fallspezifisch relevante Kapitel aus dem COI-CMS werden aber der jeweiligen Partei durch Parteiengehör zugänglich und durch Verwendung in Entscheidungen (Bescheid, Erkenntnis, Urteil) öffentlich gemacht. Wie bereits erwähnt, ist dieses Produkt als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Ge richte entworfen worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit min destens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungs findung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen kei nen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfol gerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das COI-CMS stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann ins besondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Die einzelnen Kapitel werden gemäß vorliegenden Ressourcen möglichst aktuell gehalten. Eine Gesamtaktualisierung eines Landes erfolgt alle 12 Monate. Bei bestimmten Ländern wird zu sätzlich eine Teilaktualisierung durchgeführt, die in der Regel sechs Monate nach der Gesamtak tualisierung durchgeführt wird. Sollten es in einem Land zu einer kurzfristigen und maßgeblichen Änderung der Lage kommen, können zusätzliche Aktualisierungen durchgeführt werden. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Folglich können auch verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. II

Übersetzungen der Länderinformationen ins Englische Bei den von der Staatendokumentation bereitgestellten Übersetzungen der Länderinformationen ins Englische handelt es sich um Arbeitszusammenfassungen. Anderes als bei den automati schen Übersetzungen (siehe unten) werden diese einer eigenen Überprüfung unterzogen. Die Staatendokumentation ist bemüht, dass die jeweiligen deutsch- und englischsprachigen Versionen (so vorhanden) zum selben Zeitpunkt veröffentlicht werden. Jedoch kann es, aufgrund der umfangreichen Qualitätssicherung vorkommen, dass sich das Datum der Veröffentlichung der beiden Versionen geringfügig unterscheidet. Es sei darauf verwiesen, dass trotz eines möglichen geringfügig unterschiedlichen Veröffentlichungsdatums, der Inhalt der deutsch- und englischsprachigen Version derselbe ist. Automatische Übersetzungen Bei der automatischen Übersetzung handelt es sich um eine maschinelle Übersetzung einer Län derinformation mittels einer Übersetzungssoftware, in eine vom Nutzer festgelegte Zielsprache. Diese Übersetzung wird, da vom Nutzer direkt generiert, weder im Hinblick auf Grammatik und Rechtschreibung noch auf Sinnerhaltung kontrolliert und soll lediglich dazu dienen, einen Ein druck über den Inhalt des Originaldokuments bzw. der verwendenten Quellen zu erlangen. Die Staatendokumentation übernimmt keinerlei Gewähr für die Richtigkeit der maschinellen Über setzung. Sollte das Produkt vom Nutzer für eine weitere Verwendung herangezogen werden, insbesondere für eine behördliche Entscheidung, so wird dringend empfohlen die Übersetzung durch einen professionellen Übersetzer kontrollieren bzw. durchführen zu lassen. Qualitätssicherung der maschinellen Übersetzung von DeepL Die Übersetzung, welche nicht als „ automatische Übersetzung“ ausgewiesen wird, wurde von einer/einem professionellen Übersetzer/in qualitätsgesichert. Etwaige in der Übersetzung ent stehende Unstimmigkeiten oder Differenzen sind nicht bindend und haben keine rechtliche Wirkung für Compliance- oder Durchsetzungszwecke. Sollten Fragen zur Richtigkeit der quali tätsgesicherten Übersetzung entstehen, nehmen sie bitte Kontakt mit der Staatendokumentation des BFA unter BFA-Staatendokumentation@bmi.gv.at auf. III

Inhalt 1 Länderspezifische Informationen: 1 2 COVID-19, inkl. Informationskontrolle, Proteste und Aufhebung Zero-COVID-Poli tik 1 3 Politische Lage 2 4 Sicherheitslage 4 4.1 Politische Lage und Sicherheitslage in Tibet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4.2 Politische Lage und Sicherheitslage in Xinjiang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.3 Politische Lage und Sicherheitslage in der Inneren Mongolei . . . . . . . . . . 14 4.4 Politische, Menschenrechts- und Sicherheitslage Hongkong . . . . . . . . . . . 15 5 Rechtsschutz / Justizwesen 17 6 Sicherheitsbehörden 19 7 Folter und unmenschliche Behandlung 19 8 Korruption 21 9 NGOs und Menschenrechtsaktivisten 22 10 Wehrdienst: Rekrutierungen, Wehrdienstverweigerung, Desertion 23 11 Allgemeine Menschenrechtslage 24 12 Meinungs- und Pressefreiheit 25 13 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition 28 14 Haftbedingungen 29 15 Todesstrafe 30 16 Religionsfreiheit 31 16.1 Religionsausübung in Tibet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 16.2 Muslime, insbesondere in Xinjiang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 16.3 Christen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 16.3.1 Katholische Kirche und die katholischen „ Untergrundkirchen“ . . . . . . 37 16.3.2 Protestantische Kirche und die protestantischen „ Hauskirchen“ . . . . . 39 16.4 Religiöse Bewegungen, eingestuft als „ xie jiao“ („ häretische Lehren“). . . . . . 41 16.4.1 Falun Gong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 16.4.2 Die Kirche des Allmächtigen Gottes - The Church of Almighty God (CAG) 45 16.4.3 Zhaohui oder Ortskirche, Versammlung, auch als Shouters („ Schreier“), Little Flock bezeichnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 IV

17 Minderheiten 52 17.1 Tibeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 17.2 Minderheiten: Uiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 17.3 Mongolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 18 Relevante Bevölkerungsgruppen 58 18.1 Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 18.2 Familienplanungspolitik, inkl. „ black children“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 18.3 Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 18.4 Homosexuelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 19 Bewegungsfreiheit und Meldewesen (Hukou) 68 19.1 Meldewesen: Haushaltsregistrierung - Hukou . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 19.2 Bewegungsfreiheit Inland / Innerstaatliche Fluchtalternative . . . . . . . . . . . 70 19.3 Regulierung der Aus- und Einreise, Reiseverbotsliste . . . . . . . . . . . . . . . 71 19.3.1 Gesetzliche Grundlagen für die Verweigerung der Ausreise und Kriminali sierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 20 IDPs und Flüchtlinge 76 21 Grundversorgung und Wirtschaft 78 22 Medizinische Versorgung 81 23 Rückkehr 83 23.1 Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . 84 24 Dokumente 86 25 Impressum 87 25.1 Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 25.2 Hinweis zum Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 25.3 Veröffentlichte Versionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 V

1 Länderspezifische Informationen: Letzte Änderung 2024-09-04 07:59 Geltungsbereich der Länderinformation: Grundsätzliche Aussagen zu China gelten in diesem Produkt nicht für die Republik China bzw. Taiwan, sondern nur für die Volksrepublik China - außer es wird ausdrücklich anderes angemerkt. COVID-19: Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https: //gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b4 8e9ecf6. 2 COVID-19, inkl. Informationskontrolle, Proteste und Aufhebung Zero-COVID-Politik Letzte Änderung 2024-09-04 08:00 Im Dezember 2019 begann sich die COVID-19-Pandemie in der Stadt Wuhan auszubreiten (BS 23.2.2022). Ein Großteil des Jahres 2020 war damit von den Bemühungen des Regimes um Schadensbe grenzung geprägt, nicht zuletzt auch in Reaktion auf die Kritik, den Ausbruch falsch gehandhabt und die Pandemie nicht eingedämmt zu haben. Beides gelang: Das Regime verhinderte sys tematische Nachforschungen über den Ursprung des Virus und brachte die Ausbreitung von COVID-19 durch einen harten Lockdown, Reisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen und Massentests unter Kontrolle (BS 23.2.2022). Nach dem Ausbruch weiterer ansteckender COVID-19-Varianten und einer Reihe von Abriege lungen und Reisebeschränkungen ging die Regierung im August 2021 zu einer „ dynamischen Null-COVID-19-Politik“ über. Die anhaltenden Abriegelungen und Schließungen mehrerer Stand orte im ganzen Land, darunter auch Industriezentren, haben die Schwierigkeit, die Eindämmung von COVID-19 und die Stabilisierung des Wirtschaftswachstums in Einklang zu bringen, noch verschärft. Die Fortsetzung der strikten COVID-19-Politik Chinas löste Ende 2022 in verschie denen Städten soziale Proteste aus, die eine wachsende Unzufriedenheit mit dem politischen Ansatz von Xi Jinping widerspiegelten. Anfang 2023 hob China die meisten seiner COVID-19- Beschränkungen auf und öffnete das Land schrittweise wieder, was zu einem raschen Anstieg der Infektionen führte und das Gesundheitssystem belastete (BS 2.7.2024). In der Volksrepublik China wurden bislang 99.365.162 COVID-19 Infektionen erfasst, bei 122.271 Todesfällen an oder mit Corona (Stand: 08.07.2024). Dies entspricht einer Infektionsra te von 6,97 % sowie eine Todes- bzw. Letalitätsrate von 0,12 %. Die Anzahl der Neuinfektionen liegt aktuell bei 1.671. Im Durchschnitt der letzten 7 Tage wurden 238 Neuinfektionen pro Tag erfasst. Innerhalb der letzten Woche wurden in Volksrepublik China 0,1 Neuinfektionen pro 1

100.000 Einwohner gemeldet („ 7-Tage-Inzidenz“). In der Volksrepublik China wurden bislang 1.310.292.000 COVID-19 Erstimpfungen durchgeführt (Stand: 09.02.2023). Dies entspricht einer Impfquote mindestens einmal geimpfter Personen von 91,9 %. Grundimmunisiert sind 89,5 % der Bevölkerung. Eine Auffrischungsimpfung haben 58,0 % bekommen (CIZ 8.7.2024). Quellen ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2.7.2024): BTI 2024 China Country Report, https://bti-project.org/en/re ports/country-report/CHN, Zugriff 2.7.2024 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file /local/2069707/country_report-2022_CHN.pdf, Zugriff 25.1.2023 ■ CIZ - CIZ - Corona-in-Zahlen (8.7.2024): Corona-Zahlen für Volksrepublik China, https://www.corona- in-zahlen.de/weltweit/volksrepublik china, Zugriff 29.7.2024 3 Politische Lage Letzte Änderung 2024-11-28 10:41 China ist neben Vietnam, Laos, Kuba und Nordkorea eines von weltweit fünf verbliebenen kom munistischen Einparteiensystemen und mit rund 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern nach Indien das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt (AA 29.7.2024). China besteht aus 33 Verwaltungseinheiten, 22 Provinzen, weiters aus den fünf autonomen Regionen der nationalen Minderheiten (Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi) sowie den vier regierungsunmittelbaren Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) (ÖB Peking 2024; vgl. AA 29.7.2024). Es gibt sieben Militärzonen, die jeweils verschiedene Provinzen bzw. Teile umfassen (ÖB Peking 2024). Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik (VR) China ein „ sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bünd nis der Arbeiter und Bauern beruht“ (BMBF o.D.). Charakteristisch für das politische System Chinas ist der Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), der auch in der Verfassung verankert ist. An der Spitze der Partei steht das Zentralkomitee (ZK). Dieses wählt das Politbüro (derzeit 24 Mitglieder) sowie den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit 7 Mitglieder), der unter Führung von Generalsekretär Xi Jinping die Leitlinien für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorgibt. Andere politische Organisationen, die Medien, Zivilgesellschaft sowie religiöse Aktivitäten müssen sich den Zielen der Partei unterordnen und werden streng reguliert (AA 29.7.2024). Der Ministerpräsident leitet den Staatsrat, d.h. die eigentliche Regierung. Er wird von einem inneren Kabinett, bestehend aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsrä ten, in seiner Arbeit unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (BMBF o.D.). Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird für fünf Jahre gewählt (FH 29.2.2024a; vgl. BMBF o.D.). Er wählt formell den Staatspräsidenten für eine Amtszeit von fünf Jahren und bestätigt den Ministerpräsidenten, nachdem jener vom Präsidenten nominiert wurde (FH 29.2.2024a; vgl. BMBF o.D.) Der NVK ist laut der Verfassung das „ oberste Organ 2

der Staatsmacht“ und tagt einmal jährlich (BMBF o.D.). Eine parlamentarische Opposition zur KPCh gibt es nicht (AA 26.10.2022). Das Einparteiensystem bietet keinen institutionellen Mechanismus für eine organisierte politi sche Opposition (FH 29.2.2024a). Zwar sind acht sogenannte demokratische Parteien offiziell anerkannt, jedoch sind alle der KPCh unterstellt. Seit dem Massaker vom Tiananmen-Platz im Jahr 1989 (das in China nach wie vor ein Tabuthema ist), als die Volksbefreiungsarmee (PLA) gewaltsam gegen eine von Studenten geführte pro-demokratische Bewegung vorgegangen ist, hat es keine Versuche gegeben, den politischen Wettbewerb zu erhöhen oder gar einen Über gang zur liberalen Demokratie einzuleiten. Politische Reformer wurden aus der KP-Führung verdrängt. Seitdem sind sich die Partei- und Staatseliten einig, Reformen auf den wirtschaftli chen Bereich zu beschränken und politische Reformen nur im Verwaltungsbereich zuzulassen, um die Regierungsführung weiter zu entwickeln, nicht aber die Demokratie (BS 2.7.2024). Der KPCh Generalsekretär und Staatspräsident Xi Jinping hat seine persönliche Macht in einem Ausmaß gefestigt, wie es in China seit Jahrzehnten nicht mehr zu beobachten war. Er hat seine Macht und Autorität innerhalb der Partei seit 2012 stetig ausgebaut (FH 29.2.2024a). Mit der durch Xi Jingping etablierten „ Neuen Ära des Sozialismus chinesischer Prägung“ hat er die Machtposition der Partei im Inland weiter gefestigt und arbeitet an einer Neugestaltung von Pekings Außenbeziehungen und globalem Einfluss, u.a. durch die Schaffung eines multilateralen Systems, das eine Alternative zu den als westlich geprägt empfundenen Vereinten Nationen bieten soll (AA 26.10.2022). Xi Jinping wurde auf dem 20. Parteitag im Jahr 2022 für eine dritte fünfjährige Amtszeit als Generalsekretär ernannt, was ihm den Weg für einen unbefristeten Verbleib an der Macht ebnete. Dies bedeutete eine deutliche Abkehr von der nach der Kulturrevolution üblichen Praxis, die höchste Führungsposition des Landes auf zwei Amtszeiten zu begrenzen. Im März 2023 sicherte sich Generalsekretär Xi mit einem einstimmigen Votum des Nationalen Volkskongresses eine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Xi ist auch Vorsitzender der Militärkommissionen des Staates und der Partei (FH 29.2.2024a). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.7.2024): China: Politisches Porträt, https://www.auswaertig es-amt.de/de/service/laender/china-node/politisches-portraet/200846 , Zugriff 29.7.2024 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung [Deutschland] (o.D.): Allgemeine Landesin formationen: China, https://www.kooperation-international.de/laender/asien/china/allgemeine-lande sinformationen/, Zugriff 25.1.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2.7.2024): BTI 2024 China Country Report, https://bti-project.org/en/re ports/country-report/CHN, Zugriff 2.7.2024 ■ FH - Freedom House (29.2.2024a): Freedom in the World 2024 - China, https://www.ecoi.net/de/do kument/2105013.html, Zugriff 10.6.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) 3

4 Sicherheitslage Letzte Änderung 2024-11-28 10:41 Die Sicherheitslage ist stabil. Sporadisch kann es trotzdem zu Demonstrationen und Zusam menstößen mit den Sicherheitskräften kommen; zudem wurden vereinzelt Anschläge verübt (EDA 26.7.2024). Sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene gibt es Spannungen wegen einer Reihe umstrittener Gebiete, obwohl es unwahrscheinlich ist, dass diese kurzfristig zu einem offenen Konflikt eskalieren (Crisis 24 15.6.2023). Erwähnt seien hier zum Beispiel Grenzkonflikte im süd chinesischen Meer zwischen China und den Philippinen, mit regelmäßigen Zusammenstößen zwischen Patrouille-Schiffen der chinesischen Küstenwache und philippinischen Marinebooten (Tagesschau 22.7.2024). Die Kriminalitätsrate ist in China im Allgemeinen niedrig (Crisis 24 15.6.2023). Kleinkriminalität ist selten, während die organisierte Kriminalität, die oft online – auf Seiten des Dark Web – und im Untergrund mit Verbindungen ins Ausland (insb. der chinesischen Diaspora) operiert, ein erheblich größeres Problem darstellt. Laut dem Global Organized Crime Index rangiert China auf Platz 33 von 193 Staaten, wobei insbesondere Menschenhandel, der Handel mit gefälsch ten Waren, gefährdeten Pflanzen und Tieren, synthetischen Drogen sowie Internetkriminalität (Cyber-Dependent Crime) die „ lukrativsten“ Geschäftsfelder darstellen. Kriminelle Netzwerke und Mafia-artige Gruppierungen spielen dabei eine genauso große Rolle wie staatliche Akteure (ÖB Peking 2024). Zudem gibt es Spaltungen entlang ethnischer, sozialer und klassenbedingter Grenzen. Ethni sche Spaltungen sind vor allem durch Spannungen und Konflikte zwischen Han-Chinesen und einigen ethnischen Minderheiten wie Tibetern, Uiguren und Mongolen sichtbar geworden. In China gibt es erhebliche soziale Ungleichheiten mit einem großen Einkommensgefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie zwischen Küsten- und Binnenregionen, was in den 2010er-Jahren zu sozialen Unruhen und Protesten geführt hat (BS 2.7.2024). Demonstrationen, Unruhen, Zusammenstöße Zivile Unruhen, ausgelöst durch ein breites Spektrum sozio-ökonomischer und politischer Miss stände, ereignen sich in China regelmäßig und die Behörden reagieren oft mit rigorosen Sicher heitsmaßnahmen (Crisis 24 15.6.2023). Spontane Demonstrationen bieten ein gewisses Ventil für lokale Missstände, obwohl sie häufig mit Polizeigewalt und Strafverfolgung beantwortet werden (FH 29.2.2024a). Diese sind zwar ohne vorherige Genehmigung der Regierung illegal, finden trotzdem gelegentlich statt (AA 26.7.2024). Der China Dissent Monitor (CDM) der NGO Freedom House dokumentierte im ersten Quartal 2024 655 Dissensfälle, was gegenüber demselben Zeitraum 2023 eine Steigerung von 21 % bedeutet. Arbeiterproteste machten mit 57 % hiervon den größten Anteil aus (FH 26.7.2024). 4

Im Februar 2023 kam es bei Protesten Tausender Pensionisten gegen Kürzungen bei Kran kenversicherungsleistungen zu Zusammenstößen mit der Polizei und mehreren Festnahmen (BAMF 20.2.2023; vgl. NZZ 16.2.2023). Massenüberwachungssysteme Die Regierung hat ein engmaschiges System der Überwachung etabliert (BS 2.7.2024). Medienberichten zufolge setzt das Ministerium für öffentliche Sicherheit landesweit Millionen Überwachungskameras ein, um die Öffentlichkeit zu kontrollieren (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB Peking 2024). Laut Schätzungen hat China hierbei mit mehr als 626 Mio. Überwachungskameras das höchste Verhältnis von Kameras zu Menschen weltweit. Dies entspricht fast einer Kamera je zwei Personen (ÖB Peking 2024). Dabei nutzt die chinesische Regierung verschiedenste digitale Technologien wie Big-Data-Analysen, biometrische Gesichtserkennung, künstliche In telligenz und Cloud Computing (BS 23.2.2022). Mittels speziell entwickelter Software können die gesammelten Daten mit Hilfe künstlicher Intelligenz über die Bewohner sortiert werden (REU 8.4.2022; vgl. FH 2.2022). Gemäß Menschenrechtsgruppen verlassen sich die Behörden auf Kameras und andere For men der Überwachung, um politische Dissidenten, religiöse Führer und Anhänger, Tibeter und Uiguren zu überwachen und einzuschüchtern. Dazu gehören Videoüberwachungen mit Ge sichtserkennung und „ Gangerkennung“, die es der Polizei nicht nur ermöglicht, eine Situation zu überwachen, sondern auch Personen in Menschenmengen schnell zu identifizieren. Die Überwachung und Unterbrechung der Telefon- und Internetkommunikation ist in Xinjiang und den tibetischen Gebieten besonders weit verbreitet. Das Gesetz erlaubt den Sicherheitsbehör den, die Kommunikationsnetze bei „ größeren Sicherheitsvorfällen“ zu unterbrechen (USDOS 23.4.2024). Auch soziale Medien werden zur Überwachung der Bevölkerung verwendet (FH 2.2022; vgl. DFAT 22.12.2021). Die Administratoren von Social-Media-Anwendungen wie WeChat über wachen die Diskussionen der Nutzer genau, um sicherzustellen, dass die von der Regierung festgelegten Inhaltsbeschränkungen eingehalten werden. Geräte, mit denen die Polizei schnell Daten von Smartphones extrahieren und scannen kann und die zunächst in Xinjiang eingesetzt wurden, haben sich landesweit verbreitet (FH 29.2.2024a). Die Verwendung von chinesischen Apps für Mobiltelefone inkl. der omnipräsenten - und fast unausweichlich notwendigen - mobilen Bezahl-Apps AliPay und WeChat Pay verlangt ebenso wie alltägliche Aktivitäten wie das Kaufen von Tickets für jedwede Art von Veranstaltung, die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten oder die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln die Hinterlegung persönlicher Daten inkl. ID-Nummern. Seit Mai 2024 sind Social Media Plattformen verpflichtet, für Accounts die Hinterlegung von ID-Nummern zu verlangen (ÖB Peking 2024). Militärische Stärke und Sicherheitskooperationen Die 1927 gegründete People’s Liberation Army (PLA) ist der militärische Arm der regierenden Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), die die PLA durch ihre Zentrale Militärkommission 5

beaufsichtigt; die Zentrale Militärkommission ist Chinas oberstes militärisches Entscheidungs gremium. Die PLA ist die zahlenmäßig größte Armee der Welt; ihre Hauptverantwortung ist die äußere Sicherheit, aber sie hat auch einige Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit; Chi nas erklärte Verteidigungspolitik umfasst den Schutz der Souveränität, der Sicherheit und der Entwicklungsinteressen, während sie gleichzeitig eine größere globale Rolle für die PLA betont; die PLA führt Luft-, Luftraum-, Cyber-, elektronische Kriegsführung, gemeinsame, Land-, See- , Raketen-, Nuklear- und Weltraumoperationen durch; sie trainiert regelmäßig, einschließlich multinationaler und dienststellenübergreifender Übungen, wird ins Ausland verlegt und nimmt an internationalen Friedensmissionen teil (CIA 6.6.2024). China ist das Land mit den zweithöchsten Militärausgaben der Welt und hat 2023 schätzungs weise 296 Milliarden Dollar für das Militär ausgegeben, was einem Anstieg von 6,0 % gegenüber 2022 entspricht. Dies war der 29. aufeinanderfolgende Anstieg der chinesischen Militärausgaben im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr. Auf China entfällt die Hälfte der gesamten Militärausgaben in der Region Asien und Ozeanien. Mehrere Nachbarländer Chinas haben ihre eigenen Aus gabensteigerungen mit den steigenden Militärausgaben Chinas in Verbindung gebracht (SIPRI 26.7.2024). China unterhält gute Beziehungen zu den zentralasiatischen Ländern und zu Russland. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine haben China und Russland ihre politischen, wirtschaft lichen und militärischen Beziehungen gestärkt, auch wenn das Verhältnis immer unausgewo gener wird. Angesichts der Ungewissheit über die Langlebigkeit des Regimes von Präsident Wladimir Putin ist Russland heute ein weniger verlässlicher Partner, während Chinas rhetorische Unterstützung Moskaus die europäischen Bedenken verstärkt hat (BS 2.7.2024). Grenzkonflikt China und Indien Grenzkonflikte im bevölkerungsarmen Himalaja-Gebiet, die zum Teil militärisch ausgetragen wurden, prägen das Verhältnis zwischen beiden Mächten (LVAk 5.2020). Die Beziehungen zwischen Indien und China haben sich trotz Gesprächen auf militärischer Ebene verschlechtert. Indiens Bau einer neuen Straße zu einem hoch gelegenen Luftwaffenstützpunkt gilt als einer der Hauptauslöser für einen tödlichen Zusammenstoß mit chinesischen Truppen im Jahr 2020. Bei weiteren Zusammenstößen in den Jahren 2021 und 2022 wurden Soldaten beider Seiten verletzt (BS 2.7.2024). Die Taiwan Frage und Spannungen im indopazifischen Raum Taiwan, das seit Gründung der VR China im Jahr 1949 nicht unter der effektiven Kontrolle Pekings steht, bleibt eines der sensibelsten Themen in der chinesischen Außen- und Innenpolitik (ÖB Peking 2024). Für die Kommunistische Partei in Peking zählen Taiwan und deren über 23 Millionen Einwohner zu ihrem Territorium. China warnt immer wieder vor einem Krieg, sofern es nicht zu einem friedlichen Anschluss kommen sollte (Tagesschau 20.5.2024). Es wird von der VR China als 23. Provinz geführt (ÖB Peking 2024; vgl. CIA 6.6.2024). Die Spannungen in der Meerenge von Taiwan halten an. Die Xi-Regierung setzt Taiwan wei terhin unter Druck, sich zur Wiedervereinigung mit dem Festland zu verpflichten. Ende 2022 6
