2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-china-version-7-a024
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
(2021 to October 2023) (legislation; passport confiscation and enforcement of exit ban; incidents of passport confiscation), https://www.ecoi.net/en/document/2101186.html, Zugriff 15.4.2025 ■ SgD - Safeguard Defenders (4.2023): Trapped: China’s expanding use of exit bans, https:// safeguarddefenders.com/sites/default/files/pdf/Trapped - China’s Expanding Use of Exit Bans.pdf, Zugriff 18.4.2025 ■ Song/IMJ - Lili Song (Autor), International Migration Journal (Herausgeber) (23.9.2022): Exit regula tion in the People’s Republic of China: Law, policy and practice, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2080152/International Migration - 2022 - Song - Exit regulation in the People s Republic of China Law policy and practice.pdf, Zugriff 18.4.2025 ■ UHRP - Uyghur Human Rights Project (1.4.2020): Weaponized Passports: the Crisis of Uyghur Statelessness - Uyghur Human Rights Project, https://uhrp.org/report/weaponized-passports-the-c risis-of-uyghur-statelessness/#DenyingPassportstoUyghurs:AGlobalProblem , Zugriff 2.5.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107650.html, Zugriff 10.6.2024 ■ VA der ÖB Peking - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Peking (14.2.2025): BFA; Anfrage der Staatendokumentation zur „ ZHAOHUI“ (Hauskirche) und Kirche des allmächtigen Gottes in China 19.3.1 Gesetzliche Grundlagen für die Verweigerung der Ausreise und Kriminalisierung Letzte Änderung 2025-05-13 10:58 Passgesetz (2006) Laut Artikel 13 des 2006 verabschiedeten Passgesetzes kann die Passbehörde die Ausstellung eines Reisepasses verweigern, wenn der Antragsteller (IRB 6.10.2023): • (1) nicht die Staatsangehörigkeit der VR China besitzt; • (2) die Identität nicht nachweisen kann; • (3) bei der Beantragung eines Reisepasses für die VR China Betrug begeht (Song/IMJ 23.9.2022); • (4) wegen einer Straftat verurteilt ist und eine Strafe verbüßt; • (5) aufgrund eines von einem Volksgericht festgestellten offenen Zivilverfahrens nicht aus reisen darf; • (6) Angeklagter in einem Strafverfahren oder Tatverdächtiger ist; oder • (7) eine Person ist, von der die zuständige Abteilung des Staatsrates annimmt (Song/IMJ 23.9.2022; vgl. IRB 6.10.2023), dass sie die nationale Sicherheit gefährdet oder den Staats interessen erheblichen Schaden zufügt (Song/IMJ 23.9.2022; vgl. IRB 6.10.2023,HRW 17.2.2025). Gemäß Artikel 15 können die Organe und Behörden des Staates, soweit dies für die Bearbeitung eines Verfahrens erforderlich ist, die Reisepässe der Verfahrensbeteiligten einziehen. Wenn die Parteien des Verfahrens die Herausgabe der Pässe verweigern, können die staatlichen Organe und Behörden die passaustellenden Behörden ersuchen, die Pässe der Parteien des Verfahrens für ungültig zu erklären (Song/IMJ 23.9.2022; vgl. IRB 6.10.2023). 74

Gesetz zur Aus- und Einreiseverwaltung (2012) Nach Artikel 12 des Gesetzes dürfen Staatsangehörige das Land nicht verlassen (VA der ÖB Peking 14.2.2025; vgl. HRW 17.2.2025), wenn einer der folgenden Umstände vorliegt (VA der ÖB Peking 14.2.2025; vgl. IRB 6.10.2023): • Verurteilung zu einer noch nicht vollstreckten Strafe, Status als verdächtige Person in einem Strafverfahren (VA der ÖB Peking 14.2.2025; vgl. IRB 6.10.2023); • Verwicklung in einem ungeklärten Zivilverfahren und die Person darf China aufgrund einer Entscheidung der Volksgerichte nicht verlassen (IRB 6.10.2023); • Personen, die die nationale Sicherheit oder die nationalen Interessen gefährden können (VA der ÖB Peking 14.2.2025; vgl. HRW 17.2.2025) und denen die Ausreise gemäß der Entscheidung der zuständigen Abteilung des Staatsrates nicht gestattet wird (VA der ÖB Peking 14.2.2025). • Personen, die wegen Beeinträchtigung der Grenzverwaltung strafrechtlich belangt werden oder die aufgrund einer illegalen Ausreise aus China, illegalem Aufenthalt oder illegaler Beschäftigung von anderen Ländern oder Regionen zurückgeführt werden, und die Ausrei severbotsfrist noch nicht abgelaufen ist (IRB 6.10.2023). Überwachungsgesetz (2018) In Artikel 30 des 2018 verabschiedeten Überwachungsgesetzes können die Überwachungs behörden mit Zustimmung einer Aufsichtsbehörde auf Provinz- oder höherer Ebene Beschrän kungen für die Ausreise von Personen erlassen, um zu verhindern, dass Personen, gegen die ermittelt wird, und andere relevante Personen fliehen oder untertauchen. Ist die Aufrechterhal tung der Ausreisebeschränkungen für diese Personen nicht mehr erforderlich, so sind diese Beschränkungen unverzüglich aufzuheben (IRB 6.10.2023). Strafprozessordnung (1979, 2018) In Artikel 71 der 1979 verabschiedeten und 2018 novellierten Strafprozessordnung gilt für Tatverdächtige und Angeklagte, die bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegen Kau tion freigelassen werden die Bestimmungen, dass sie ihren Wohnort und ihren Wohnbezirk nicht ohne Genehmigung der Behörden verlassen dürfen. Artikel 77 betrifft Tatverdächtige und Angeklagte, die unter Wohnungsüberwachung stehen. Auch sie dürfen den Ort ihrer Wohnungs überwachung nicht ohne Genehmigung der Behörden verlassen. Während in Artikel 71 die Behörden über die Einziehung von Reisepässen und anderen Ausweisdokumenten entschei den, ist in Artikel 77 die Herausgabe von Reisepässen und anderen Reisedokumenten an die Behörden automatisch erforderlich (IRB 6.10.2023). Kriminalisierung der Ausreise Aus Artikel 322 des Strafgesetzes geht hervor, dass das illegale Überschreiten der Grenze zum Zweck des Beitritts zu terroristischen Organisationen, der Teilnahme an einer terroristischen Ausbildung oder der Durchführung terroristischer Aktivitäten als strafbarer schwerer Umstand gilt. 75

Als Bestrafung sind Freiheitsstrafen von einem bis drei Jahre, Untersuchungshaft, öffentliche Überwachung und Geldstrafen möglich. Allerdings nur wenn die Umstände schwerwiegend sind, wird der illegale Grenzübertritt zu einer strafbaren Handlung. In ihrem Artikel gibt die Wissenschaftlerin Lili Song weitere Beispiele für mögliche schwerwiegende Umstände an (Song/ IMJ 23.9.2022): 1. die Durchführung von Aktivitäten im Ausland, die den nationalen Interessen schaden; 2. das mehr als dreimalige illegale Überschreiten der Landesgrenze oder dasillegale Über schreiten der Landesgrenze in einer Gruppe von mehr als drei Personen; 3. das Anlocken oder Verleiten anderer Personen zum illegalen Überschreiten der Landes grenze; 4. das illegale Überschreiten der Landesgrenze in Absprache mit ausländischen Organisatio nen oder Einzelpersonen; 5. das illegale Überschreiten der Landesgrenze innerhalb eines Jahres nach Verhängung einer Verwaltungsstrafe für das illegale Überschreiten der Landesgrenze (Song/IMJ 23.9.2022). Quellen ■ HRW - Human Rights Watch (17.2.2025): China: Right to Leave Country Further Restricted, https: //www.hrw.org/news/2025/02/18/china-right-leave-country-further-restricted , Zugriff 10.4.2025 ■ IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (6.10.2023): Query response on China: Seizure of identity and travel documents of persons subject to a police investigation or criminal charges (2021 to October 2023) (legislation; passport confiscation and enforcement of exit ban; incidents of passport confiscation), https://www.ecoi.net/en/document/2101186.html, Zugriff 15.4.2025 ■ Song/IMJ - Lili Song (Autor), International Migration Journal (Herausgeber) (23.9.2022): Exit regula tion in the People’s Republic of China: Law, policy and practice, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2080152/International Migration - 2022 - Song - Exit regulation in the People s Republic of China Law policy and practice.pdf, Zugriff 18.4.2025 ■ VA der ÖB Peking - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Peking (14.2.2025): BFA; Anfrage der Staatendokumentation zur „ ZHAOHUI“ (Hauskirche) und Kirche des allmächtigen Gottes in China 20 IDPs und Flüchtlinge Letzte Änderung 2024-11-28 07:22 China hat das UN-Abkommen und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge rati fiziert (ÖB Peking 2024; vgl. AA 26.10.2022). Eine ausdrückliche Regelung zur Vergabe des Flüchtlingsstatus gibt es jedoch nicht und China lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen explizit ab (AA 26.10.2022). In China halten sich Schätzungen zufolge bis zu 50.000 Nordkoreaner illegal auf. Nordkoreaner werden in China nicht als politische Flüchtlinge anerkannt, sondern als Wirtschaftsmigranten betrachtet (AA 26.10.2022; vgl. USDOS 23.4.2024). Damit ist ein legaler Aufenthalt mit for mellem Flüchtlingsstatus in China nicht möglich. Sie müssen jederzeit mit einer Abschiebung durch die Sicherheitsbehörden rechnen. Die zum Teil sehr schweren Repressionsmaßnahmen, 76

die bei einer Rückführung nach Nordkorea drohen, sind für China kein Abschiebehindernis (AA 26.10.2022). UNHCR hat keinen Zugriff auf nordkoreanische Asylwerber. Wenn irreguläre nordkoreanische Migranten versuchen, in China unterzutauchen, werden sie häufig zu Opfern von Verbrechen und Misshandlungen, wobei viele Frauen zur Prostitution gezwungen oder als Frauen oder „ Gefährtinnen“ an chinesische Männer verkauft werden. Für viele Nordkoreaner ist China auch ein Transitland auf dem Weg nach Südostasien bzw. Richtung Südkorea. Hilfe suchende Nordkoreaner drangen mitunter auch in ausländische Botschaften in Peking ein, um Asyl zu beantragen (ÖB Peking 2024). Aufgrund des fehlenden Rechtsstatus haben Flüchtlinge im Allgemeinen keinen Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung, zum öffentlichen Bildungswesen oder zu anderen sozia len Dienstleistungen. UNHCR berichtet, dass die Behörden den Zugang des UNHCR zu den Grenzgebieten weiterhin einschränken und dabei manchmal Bürger verhaften und verfolgen, die nordkoreanischen Flüchtlingen und Asylbewerbern helfen, oder den illegalen Grenzübertritt erleichtern (USDOS 23.4.2024). China verzeichnet jedes Jahr eine der höchsten Zahlen an Fluchtbewegungen infolge von Na turkatastrophen weltweit (IDMC 5.8.2024). In den vergangenen Jahren wurde das Land von schweren Überschwemmungen, verheerenden Dürreperioden und Rekordhitze heimgesucht. Der vom Menschen verursachte Klimawandel führt dazu, dass extreme Wetterereignisse immer häufiger und intensiver auftreten (Zeit Online 21.4.2024). Im Jahr 2022 mussten 3,6 Millionen Menschen ihre angestammte Wohnumgebung aufgrund von Naturkatastrophenverlassen. Bei diesen Katastrophen handelt es sich meist um Sturzfluten, Überschwemmungen und Stürme, wobei die Provinzen Zhejiang, Guangdong und Guangxi hierbei am stärksten betroffen sind. Es wird erwartet, dass Häufigkeit und Intensität solcher wetterbedingter Gefahren in Zukunft zunehmen werden, was wiederum das Vertreibungsrisiko erhöhen kann. Da einige Gebiete Chinas auch erdbeben- und tsunamigefährdet sind, werden besonders widerstandsfähige Infra strukturen und Wohnungen benötigt, um künftige Vertreibungen zu verhindern (IDMC 5.8.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (5.8.2024): China, https://www.internal-displacem ent.org/countries/china, Zugriff 5.8.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107650.html, Zugriff 10.6.2024 ■ Zeit Online - Zeit Online (21.4.2024): Guangdong: Überschwemmungen bedrohen Millionen Chine sen, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2024-04/china-hochwasser-erdrutsche-verletz te-guangdong, Zugriff 5.11.2024 77

21 Grundversorgung und Wirtschaft Letzte Änderung 2024-11-28 07:24 Allgemeine Wirtschaftsleistung China hat 1978 begonnen, seine Wirtschaft zu öffnen und zu reformieren. Seitdem beträgt das BIP-Wachstum im Durchschnitt über 9 % pro Jahr (WB 1.2024; vgl. BS 2.7.2024) und es ist gelungen, fast 800 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien (WB 1.2024; vgl. ÖB Peking 2024) und darüber hinaus auch den Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Dienstleistungen erheblich zu verbessern (WB 1.2024). China ist inzwischen nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt (Spiegel 15.2.2024). Der Lebensstandard hat sich - nicht zuletzt durch den Einsatz umfassender Fördermittel der Zen tral- sowie Lokalregierungen insbesondere in ländlichen Regionen Chinas (alleine 2020: 500 Milliarden CNY/72 Milliarden USD) (ÖB Peking 2024) - deutlich verbessert (AA 26.10.2022) und die Zahl der absolut Armen ist stetig zurückgegangen. Dieser Gesamterfolg wird allerdings durch die zunehmende ungleiche Verteilung des Wohlstands getrübt. Die städtischen Einkommen sind heute mehr als dreimal so hoch wie die Einkommen auf dem Land. Der Gini-Index [Anm.: Der Gini-Koeffizient ist ein statistisches Standardmaß zur Messung der Ungleichheit einer Ver teilung. Am häufigsten eingesetzt wird der Koeffizient zur Bestimmung von Einkommens- und Vermögensungleichheit] zeigt, dass China sogar nach den Standards anderer Schwellenländer nun eine der ungleichsten Gesellschaften der Welt ist (BS 2.7.2024). Der 14. Fünfjahresplan, der die zentrale Grundlage für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Chinas bildet und im März 2021 vom Nationalen Volkskongress beschlossen wurde, strebt die Transformation Chinas in einen modernen sozialistischen Staat mit einer hochqualita tiven und von Innovation getriebenen Wirtschaftsentwicklung an. Bis 2035 soll das verfügbare Einkommen ausgehend vom Niveau des Jahres 2020 verdoppelt und China somit zu einer „ high income society“ werden (ÖB Peking 2024). Nach einem moderaten Wachstum von 5,2 % im Jahr 2023 nach der Pandemie wird für 2024 ein Wachstum von 4,5 % erwartet. Die Binnennachfrage in China ist nach wie vor schleppend und hat zu einer niedrigen Inflation beigetragen, während der politische Spielraum für Anreize begrenzt ist. Das schwache Vertrauen der Unternehmen, das zum Teil auf den Abschwung am Immobilienmarkt zurückzuführen ist, belastet weiterhin das Wachstum (WB 1.2024). Arbeitsmarkt Die Zahl der Erwerbstätigen in China erreichte im Jahr 2023 ca. 780 Millionen Menschen (WB o.D.). Chinas Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft seit 2012 kontinuierlich (ÖB Pe king 2024). Mittel- bis langfristig stellt die rasch alternde Bevölkerung des Landes das größte Wachstumshindernis für China dar. Um diesen Entwicklungen gegenzusteuern, hat China 2021 offiziell eine Drei-Kind-Politik proklamiert (WKO 5.8.2024; vgl. Spiegel 23.8.2021). 78

Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit. Eine Einglie derung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB Peking 2024). Mehr als 60% der Bevölkerung leben im urbanen Umfeld (CIA 6.6.2024). Für den Zeitraum 2021-2025 proklamierte die Regierung im 14. Fünfjahresplan die Schaffung 55 Mio. neuer Arbeitsplätze, vor allem im Dienstleistungsbereich und durch die Förderung inno vativen Unternehmertums. Hierzu sind eine proaktive Arbeitsmarktpolitik, die Entwicklung einer „ innovativen Kultur“, die Förderung von Innovation insbesondere im Bereich Wissenschaft und Technologie, und der Aufbau von groß angelegten Trainingsprogrammen geplant. Weiterhin sollen vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderung, arme Familien und Wanderarbeiter, besondere Aufmerksamkeit erfahren (ÖB Peking 2024). Arbeitslosenhilfe kann beantragen, wer ein Jahr lang in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt und seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren hat. Eine Registrierung erfolgt beim lokalen Sozial versicherungsbüro. Dazu benötigt man ein Ausweisdokument sowie den Beleg der Kündigung der Arbeitgeber. Die Auszahlungen entsprechen normalerweise dem Mindestlohn der jeweiligen Region (IOM 1.2023). Sozialversicherungssystem, Pensionsversicherung Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig für den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Die meisten sozialen Leistungen sind an diese Wohnrechtsregistrierung gekoppelt. Befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Bis 2020 haben mehr als 100 Mio. Chinesen, die ohne städtische Hukou bereits „ ständig“ in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Während 2013 nur 36 % der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen verfügten, betrug dieser Prozentsatz Ende 2022 bereits 46,7 %, umfasste aber dennoch nicht einmal die Hälfte der geschätzten 290 Mio. Wanderarbeiter (ÖB Peking 2024). Generell verfügt China über ein komplexes und sich regelmäßig änderndes Sozialversiche rungssystem. Hierbei wird im Wesentlichen nach den fünf Komponenten Krankenversicherung (KV), Arbeitslosenversicherung (AV), Mutterschaftsgeld (MV), Arbeitsunfallversicherung (AUV) und Rentenversicherung (RV) unterschieden. 2020 wurden die Basiskrankenversicherung und die Mutterschutzversicherung zusammengelegt. Die bisherige Mutterschutzabgabe wird seither nicht mehr als eigenständige Versicherung geführt. Des Weiteren ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beiträge an einen Wohnungsfonds zu zahlen. Die Einführung einer Pflegeversicherung wird bislang in 15 Pilotstädten ausprobiert, beispielsweise in Shanghai, Qingdao und Suzhou. Einen Zeitplan für eine landesweite Einführung gibt es noch nicht (GTAI 26.8.2021). Das Pensionsantrittsalter liegt bei Männern bei 60 Jahren, bei Frauen bei 50 bzw. 55 Jahren (öffentlich Bedienstete). Frühpension sowie eine Aufschiebung des Pensionsantrittes ist möglich, sofern die Voraussetzung einer Teilnahme am Arbeitsmarkt von 15 Jahren erfüllt ist. In Fällen von Schwerarbeit ist ein Pensionsantritt auch nach weniger als 15 Arbeitsjahren möglich. Aufgrund 79

der rasant alternden Bevölkerung steht das chinesische Pensionssystem vor besonderen Her ausforderungen. Waren 2016 16,7 % der chinesischen Bevölkerung älter als 60 Jahre, liegt der Anteil 2021 bereits bei 18,7 %. Damit ist zu befürchten, dass das chinesische Pensionssystem bald an seine Kapazitätsgrenzen stoßen wird (ÖB Peking 2024). Die Mindestunterhaltsbeihilfe (Dibao) ist ein Programm für Haushalte, deren Pro-Kopf-Einkom men unter einem festgelegten Mindestniveau liegt. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass Familienmitglieder aufgrund von Behinderungen oder schweren Krankheiten nicht in der La ge sind zu arbeiten. Die qualifizierten Haushalte haben Anspruch auf ein Existenzminimum, um einige grundlegende Lebenshaltungskosten zu decken. Im ersten Quartal 2023 stieg der Durchschnittswert des städtischen Existenzminimums in China auf 758,6 CNY pro Person und Monat, was 9 % der durchschnittlichen monatlichen Ausgaben der Stadtbewohner entspricht. Der Durchschnittswert des ländlichen Existenzminimums betrug 589,5 CNY pro Person und Monat und deckt statistisch somit 12 % der Ausgaben der Landbewohner ab. Allerdings können der Schwellenwert und der Betrag der Beihilfe zwischen den verschiedenen Regionen aufgrund der Unterschiede im lokalen Wirtschaftsstatus und des Durchschnittseinkommens erheblich va riieren. Seit 2015 erhalten sowohl ländliche als auch städtische Dibao-Haushalte in Peking mehr als 700 CNY pro Person und Monat, während die ländlichen Haushalte in einigen Provinzen monatlich nur etwa 200 CNY pro Person erhalten. Im April 2023 waren landesweit etwa 44,5 Millionen Menschen von dem Programm erfasst. Die lokalen Dibao-Schwellenwerte und An meldeverfahren sind abhängig von der lokalen Verwaltung und Politik. Informationen zu diesem Programm erhält man bei den örtlichen Sozialversicherungsämtern (IOM 1.2023). Angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen bleibt die familiäre Solidarität in Notfällen und im Pensionsalter eine entscheidende Stütze. In China wird erwartet, dass Kinder ihre Eltern im Alter maßgeblich finanziell unterstützen (ÖB Peking 2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2.7.2024): BTI 2024 China Country Report, https://bti-project.org/en/re ports/country-report/CHN, Zugriff 2.7.2024 ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.6.2024): CIA - Central Intelligence Agency, https://www. cia.gov/the-world-factbook/countries/china/#military-and-security , Zugriff 10.6.2024 ■ GTAI - Germany Trade and Invest (26.8.2021): Sozialversicherungsbeiträge sind in China ein Muss, https://www.gtai.de/de/trade/china/wirtschaftsumfeld/sozialversicherungsbeitraege-sind-in-china-e in-muss-691432, Zugriff 5.8.2024 ■ IOM - International Organization for Migration (1.2023): China: Länderinformationsblatt 2023, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS_China_2023_DE.pdf, Zugriff 5.8.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) ■ Spiegel - Spiegel, Der (15.2.2024): Abstieg Japans: Deutschland ist wieder Nummer drei der größten Volkswirtschaften, https://www.spiegel.de/wirtschaft/deutschland-ist-wieder-nummer-drei-der-gro essten-volkswirtschaften-der-welt-a-4983d80b-6eef-4226-b620-097934febf6c , Zugriff 5.8.2024 80

■ Spiegel - Spiegel, Der (23.8.2021): Hoffnung auf Wachstum: China führt Drei-Kind-Politik per Gesetz ein, https://www.spiegel.de/ausland/china-fuehrt-drei-kind-politik-per-gesetz-ein-a-fd5a4451-f50 4-4c7f-b7bc-9ccd50ab2923 , Zugriff 5.8.2024 ■ WB - Weltbank (o.D.): World Bank Open Data, https://data.worldbank.org/indicator/SL.TLF.TOTL.I N?locations=CN, Zugriff 5.8.2024 ■ WB - Weltbank (1.2024): China - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/china/overview#1, Zugriff 5.8.2024 ■ WKO - Wirtschaftskammer Österreich (5.8.2024): China: Wirtschaftslage, https://www.wko.at/ausse nwirtschaft/china-wirtschaftslage, Zugriff 5.8.2024 22 Medizinische Versorgung Letzte Änderung 2024-11-28 09:56 Die Krankenversorgung entspricht nicht europäischen Standards (BMEIA 6.8.2024). Da es in China kein System niedergelassener Ärzte gibt, konzentriert sich die Krankenversorgung auf die Krankenhäuser. In größeren Städten ist eine gute medizinische Versorgung durch modernst ausgestattete Kliniken gewährleistet (AA 26.7.2024; vgl. BMEIA 6.8.2024), wohingegen die Ver sorgung auf dem Land noch sehr einfach sein kann. Die Hygiene entspricht nicht europäischen Standards (AA 26.7.2024). Krankenhäuser, die eine Grundversorgung abdecken, sind nahe zu in allen großen und kleineren Städten zu finden (IOM 1.2023). Medikamente sind generell landesweit gut erhältlich (IOM 1.2023). Chinas Krankenversicherungssystem ist ein mehrstufiges System und besteht aus der grund legenden Krankenversicherung durch den Staat sowie die kommerzielle Krankenversicherung von Unternehmen. Es existieren verschiedene Versicherungen für erwerbstätige Stadtbewohner, nicht erwerbstätige Stadtbewohner und die Landbevölkerung. Das Gesundheitssystem wird vor allem durch Steuern, weiters durch Ausgaben von Unternehmen und Einzelpersonen finanziert. Es besteht allerdings kein spezifischer Steuersatz und die von Privatpersonen und Unternehmen geleisteten Zahlungen sind extrem niedrig (ÖB Peking 2024). Das öffentliche Krankenversicherungssystem soll eine Grundversicherung darstellen, mit der teilweise medizinische Kosten (sowohl stationär als auch ambulant) erstattet sowie die Be zahlung von Medikamenten in staatlichen Krankenhäuser durch die Patienten gedeckt werden können. Es werden allerdings nicht alle Kosten erstattet. So gibt es eine Mindestrückerstattungs grenze (erst nach Zahlung eines bestimmten Betrags an medizinischen Kosten sind weitere Ausgaben für die Erstattung qualifiziert) und eine Obergrenze. Seit 2016 strebt China eine Kombination der Krankenversicherungsprogramme für Stadt- und Landbewohner an, um so die Erstattungspolitik und das dazugehörige Verfahren zu standardisieren (IOM 1.2023). China verkündete Ende 2014, die Abdeckung von 95% der Bevölkerung mit grundlegender Krankenversicherung erreicht zu haben. In der Praxis bestehen jedoch große Unterschiede in Qualität und Umfang der Absicherung (ÖB Peking 2024). Für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen stellen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, eine nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Be lastung dar (AA 26.10.2022), zumal ärztliche Behandlungskosten von den Patienten im Voraus bezahlt werden müssen. Bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (170 EUR) erhalten die meisten 81

Versicherten eine Kostenerstattung, allerdings müssen darüber hinausgehende Kosten eben selbst getragen werden. Trotz kontinuierlicher Investitionen in das Gesundheitswesen ist die Abdeckung oft ungenügend. Besonders im ländlichen Raum müssen häufig arme Familien ih re gesamten Ersparnisse für Behandlungen kranker Familienmitglieder aufwenden. Auch die staatlichen Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbst finanzieren und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente. Bedienstete von Staatsbetrieben hingegen erhalten nahezu kompletten Kostenersatz (ÖB Peking 2024). Die Meldekarte (Hukou) ist weiterhin nötig, um (legalen) Zugang zu öffentlichen Dienstleistun gen zu erhalten. Das ursprüngliche System sah vor, dass Chinesen beim Geburtsort gemeldet waren und diesen nicht ohne offizielle Genehmigung verlassen konnten. Seit den 1980er-Jahren ist es temporär möglich, ohne entsprechende Registrierung an einem anderen Ort zu arbei ten. Der massive Gehaltsunterschied zwischen Stadt und Land verursachte eine Landflucht, wobei jedoch den Besitzern von ländlichen Hukous in den Städten die kostenlose Gesund heitsversorgung, Schulausbildung, Pensionsleistungen sowie der Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor verweigert wurden. Seit 2014 wurde das Hukou-System daher schrittweise reformiert. In den meisten Städten in Zentral- und Westchina wurden die Hukou-Beschränkungen bereits aufgehoben, in Ostchina haben Städte zwischen 150.000 und 15 Mio. Einwohnern die Regis trierungsanforderungen gelockert. In den großen Metropolen Peking, Shanghai und Guangzhou wurde ein Punktesystem anhand von bestimmten Kriterien eingeführt (Ausbildung, Beschäfti gung, Leistungen, etc.). Durch die erwähnten Maßnahmen haben inzwischen mehr als 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen Hukou bereits „ ständig“ in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung erhalten. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht ein mal die Hälfte der derzeit geschätzten 290 Mio. Wanderarbeiter (Anm. Stand 2020) (ÖB Peking 2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.7.2024): China: Reise- und Sicherheitshinweise, https: //www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/chinasicherheit/200466#content_1 , Zugriff 26.7.2024 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.10.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: September 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/20814 20/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksr epublik_China_(Stand_September_2022),_26.10.2022.pdf, Zugriff 20.2.2023 [Login erforderlich] ■ BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (6.8.2024): China, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/china , Zugriff 6.8.2024 ■ IOM - International Organization for Migration (1.2023): China: Länderinformationsblatt 2023, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS_China_2023_DE.pdf, Zugriff 5.8.2024 ■ ÖB Peking - Österreichische Botschaft Peking [Österreich] (2024): Asylbericht 2023: Volksrepublik China (Stand Juli 2024) 82

23 Rückkehr Letzte Änderung 2024-11-28 10:41 Grundsätzlich haben chinesische Staatsbürger nach ihrer Rückkehr nach China das Recht, sich wieder im Land niederzulassen und sich unter entsprechenden Bedingungen auch im „ Hukou- System“ registrieren zu lassen. Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist, insbesondere auf dem Land, als schwierig zu beurteilen (ÖB Peking 2024). Rückkehr nach Asylantragstellung, oppositioneller Betätigung Ein im Ausland gestellter Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht grundsätzlich kein Straftatbestand (AA 26.10.2022). Allerdings ist zu erwarten, dass die chinesischen Behörden über das Verhalten chinesischer Asylsuchender während ihres Aufenthalts außerhalb Chinas informiert sind und möglicherweise wissen, dass sie einen Asylantrag gestellt haben (DFAT 22.12.2021). Ebenso kann angenommen, dass rückgeführte Personen in China unter genauer Beobachtung stehen und Befragungen ausgesetzt sind (AA 26.10.2022). Personen, die China illegal, d. h. unter Verletzung der Grenzübertrittsbestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis im Normalfall aber nur gelegentlich und dann nur mit Geldbuße geahndet. Bei Angehörigen von sensiblen, generalverdachtsmäßig als staatsgefährdend angesehenen Minderheiten (besonders Tibeterinnen und Tibeter, Uigurinnen und Uiguren) stellt sich die Lage jedoch in aller Regel anders dar. Hier ist oft mit einem Verschwinden dieser Personen und ungewissem Verbleib auf unbefristete Zeit zu rechnen (AA 26.10.2022). Viele chinesische Staatsangehörige, die im Ausland politisch heiklen Aktivitäten nachgehen, werden an der Rückkehr nach China gehindert, während diejenigen, die im Ausland Zuflucht su chen, oft zwangsrepatriiert und verhaftet werden (FH 29.2.2024a). Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass „ Verbrechen ge gen die nationale Sicherheit“ (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden. Es ist festzuhalten, dass alle Maßnahmen der Regierung gegen sogenannte „ illegale religiöse und politische Gruppierungen“ als Staatsgeheimnis eingestuft sind und jemand, der versucht, das Ausland darüber zu informieren, hat Grund zur Befürchtung, mit einer Anklage wegen Verrats von Staatsgeheimnissen belangt zu werden. Alle von der Regierung als Sepa ratismus eingestuften Tätigkeiten zur Unterstützung der Rechte von Angehörigen ethnischer Minderheiten sind Staatsverbrechen. Es gibt besonders in solch politisch motivierten Fällen keine Aussicht auf faire Verfahren (ÖB Peking 2024). China respektiert weder Asylrecht noch Refoulement-Verbote (ÖB Peking 2024). Die Strafverfol gungsbehörden führen weiterhin nordkoreanische Überläufer zurück, denen bei ihrer Rückkehr Inhaftierung oder Hinrichtung drohen (FH 29.2.2024a). 83
