2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-nigeria-version-13-4eb2
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (21.5.2025): Nigeria - The World Factbook, https://www.cia. gov/the-world-factbook/countries/nigeria/#military-and-security , Zugriff 23.5.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Reli gious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111576.html, Zugriff 18.7.2024 16.2 Spannungen zwischen Muslimen und Christen Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 Nach Angaben von Sicherheitsbehörden, NGOs, Medien, Akademikern und anderen Beobach tern hat sich das Ausmaß der Gewalt aufgrund der steigenden Kriminalität im Laufe des Jahres 2023 weiter verschärft. Da Fragen der Religion, der ethnischen Zugehörigkeit, des Wettbe werbs um Land und Ressourcen und der Kriminalität oft eng miteinander verknüpft sind, ist es schwierig, viele Vorfälle ausschließlich oder sogar hauptsächlich auf die religiöse Identität zurückzuführen. Wie in den Vorjahren kam es im Laufe des Jahres in der Nordzentral-Region zu zahlreichen tödlichen Zusammenstößen zwischen überwiegend christlichen Bauern verschie dener ethnischer Gruppen und überwiegend muslimischen Hirten. Auch in der Nordwest-Region kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen überwiegend muslimischen Hirten und christlichen oder muslimischen Bauern. Die Medien berichteten über zahlreiche Angriffe von „ Banditen“ oder bewaffneten kriminellen Banden auf religiöse Stätten, darunter Moscheen und Kirchen. Mehrere akademische und Medienquellen gaben an, dass Banditentum und ideo logisch neutrale Kriminalität und nicht religiöse Differenzen die Hauptursachen für die Gewalt in der Nordwest-Region waren (USDOS 30.6.2024). Die Lage ist für alle Zivilisten, insbesondere für Christen, sehr schwierig geworden. Nigeria hat sechs geopolitische Zonen. Früher hatte jede dieser Zonen ihr eigenes Profil hinsichtlich Feind seligkeiten gegen Christen (und andere). Im Nordosten ging die Gewalt vor allem von Boko Haram und ISWAP aus, im Nordwesten von den unterschiedlichen Gruppen bewaffneter Kri mineller und im zentralen Norden – einschließlich des Bundesstaates Kaduna – von militanten Fulani. Nun ist im Norden die Gruppe Lakurawa in Erscheinung getreten. Lakurawa ist mit der expansionistischen Aufstandsbewegung Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin verbunden, die ihren Ursprung in Mali hat und al-Qaida nahesteht. Jedenfalls ist die Gewalt nicht mehr länger auf die drei nördlichen geopolitischen Zonen beschränkt, sondern hat sich auf die drei südlichen Zonen ausgeweitet. Gleichzeitig haben sich die Einflussbereiche der verschiedenen Gruppen zu überschneiden begonnen, und es wird zunehmend schwieriger zu unterscheiden, welche gewalttätige Gruppe für welche Taten verantwortlich ist und welche spezifische Zugehö rigkeit eine bestimmte Gruppe hat. So gehen Gebiete, in denen militante Fulani und bewaffnete Kriminelle operieren, ineinander über und überschneiden sich teilweise (OpD 2025). Der Regierung ist es nicht gelungen, die Zunahme von Gewalt zu verhindern, die von islamisch- extremistischen Milizen ausgeht (OpD 2025). 42

Quellen ■ OpD - Open Doors (2025): Nigeria - Weltverfolgungsindex, https://www.opendoors.de/christenverfo lgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/nigeria, Zugriff 6.6.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Reli gious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111576.html, Zugriff 18.7.2024 16.3 Naturreligionen und Juju Letzte Änderung 2024-08-16 08:44 Juju ist ein Ausdruck für verschiedene Kultpraktiken, die in Teilen Nigerias in einer Sphäre von Religion, Kriminalität und Politik praktiziert werden. Juju wird hauptsächlich im Verborgenen ausgeübt und es gibt unterschiedliche lokale Praktiken; daher liegen zu Juju-Kulten nur wenige Informationen vor, und diese unterscheiden sich häufig voneinander (ACCORD 25.4.2019). Der Glaube an traditionelle afrikanische Religionen und ihre Juju-Komponenten sind in Nigeria weit verbreitet, wobei viele sie mit dem Christentum oder dem Islam kombinieren (BBC 21.3.2022). Juju stammt aus der traditionellen afrikanischen Religion, die im Volksmund als Voodoo bekannt ist. Juju bezieht sich speziell auf Gegenstände, die in Verbindung mit Zaubersprüchen oder Flüchen verwendet werden, und wie jeder Brauch oder Glaube kann er manipuliert werden, um Macht über Menschen zu erlangen (Eagle 30.1.2022). So benutzen etwa Menschenhändler Juju und andere traditionelle Schwur-Rituale, um Opfer von Menschenhandel, einschließlich Kinder, zu kontrollieren (ACCORD 25.4.2019; vgl. EASO 4.2024). Theoretisch könnte es schwierig oder gar gefährlich sein, wenn eine Person die Übernahme der Rolle eines Priesters, Kräuterkundigen oder Ähnliches verweigert. Praktisch sind aber keine Fälle bekannt, wonach das Priestertum irgendwem aufgezwungen worden wäre, oder dass Verweigerer bedroht oder Gewalt ausgesetzt wurden. Ein Nachfolger, der Interesse und Eig nung für die vorgesehene Rolle hat, ist erwünscht. Die Rekrutierung für solche Positionen kann unterschiedlich ablaufen, impliziert jedoch eine lange Zeit des Lernens und der Ausbildung. Es muss nicht notwendigerweise der älteste Sohn sein, der die Rolle des Oberpriesters übernimmt. Eine Verweigerung der Nachfolge des Oberpriesters wird nicht als Affront gegen den Schrein gesehen (EASO 6.2017). Quellen ■ ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (25.4.2019): Anfragebeantwortung zu Nigeria: Informationen zu Juju (Organisation und Netzwerke) [a-10976-1], https://www.ecoi.net/de/dokument/2007894.html, Zugriff 25.6.2024 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (21.3.2022): The hunt for Nigerians who can change into cats, https://www.bbc.com/news/world-africa-60749496, Zugriff 25.6.2024 ■ Eagle - The Eagle Online (30.1.2022): Nigeria: No be juju be this?, by Prince Charles Dickson, https://theeagleonline.com.ng/nigeria-no-be-juju-be-this-by-prince-charles-dickson , Zugriff 25.6.2024 ■ EASO - European Asylum Support Office (4.2024): Nigeria Trafficking in Human Beings, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050273/2021_04_EASO_COI_Report_Nigeria_Trafficking_in_human_ beings.pdf, Zugriff 25.6.2024 ■ EASO - European Asylum Support Office (6.2017): Nigeria Country Focus, https://www.ecoi.net/en/ file/local/1400411/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf , Zugriff 25.6.2024 43

16.4 „ Kulte“ und Geheimgesellschaften Letzte Änderung 2025-01-27 13:54 Der Begriff „ Kult“ wird in Nigeria für Gruppen verwendet, deren Motive und Modus Operandi geheim gehalten werden. Diese Gruppen sind häufig traditionelle Geheimgesellschaften, vi gilante Gruppen oder Studentenverbindungen (MBZ 31.1.2023). Nigerianischen Kultgruppen gemeinsam sind u. a. Gewinnstreben, Gewaltbereitschaft, Initiationsriten und ein hierarchischer Organisationsaufbau. Kriminelle Kulte bezeichnende Begriffe werden in Medienmeldungen und Berichten nicht einheitlich verwendet. Angesichts der Vergangenheit mancher Gruppierungen als Studentenverbindungen zählt neben „ cults“ (Kultgruppen) auch „ confraternities“ (Bruder schaften) zu den gängigen Bezeichnungen. In der Berichterstattung wird der Begriff „ cults“ z. T. so weit verstanden, dass sich zahlreiche nicht öffentlich agierende Organisationen mit hohem Loyalitätsbedürfnis darunter fassen lassen. In einigen Regionen werden „Anti Cultism“- Polizeieinheiten unterhalten (BAMF 14.8.2023). Insbesondere im Süden des Landes, in dem sich die Städte Enugu und Lagos befinden, sind die Aktivitäten von Kult-Gruppen weit verbreitet (ÖB Abuja 10.2024; vgl. MBZ 31.1.2023). Stu dentenkulte sind hauptsächlich in den südlichen Bundesstaaten Nigerias aktiv, insbesondere in den Bundesstaaten Rivers, Bayelsa, Delta und Edo (EASO 10.2021). Die Pirate Confraternity und die Buccaneers Confraternity waren die beiden bedeutendsten Bruderschaften in Nigeria. Ihre ursprünglichen Ziele waren der Einsatz für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und die Rechenschaftspflicht gegenüber der Regierung. In den 1950er und 60er-Jahren waren dies edle Ziele. Andere Kultgruppen sind Eiye, Maphite, Black Axe, Vikings. Es gibt auch weibliche Sekten, z. B. Black Bra, Töchter der Isebel usw. (VA der ÖB Abuja 20.8.2024) Leider sind die Buccaneers und andere Bruderschaften oder Kulte zu einer Bedrohung nicht nur für die Universitätsgemeinschaft, sondern für die gesamte Gesellschaft geworden. Mitglieder der Buccaneers begehen ebenso wie andere Kultgruppen auf dem Campus Gräueltaten an Kommilitonen wie Vergewaltigung, Terror, Tötung, Körperverletzung, Bedrohung, Entführung usw. All dies sind Straftaten, die im südlichen Teil des Landes unter den Criminal Code und im nördlichen Teil des Landes unter den Penal Code fallen (VA der ÖB Abuja 20.8.2024). Studentenkulte ähneln kriminellen Gangs und sind in Nigeria verboten, aber die Durchsetzung des Verbots ist schwach. Zu den bekanntesten Gruppen gehören Black Axe und Eiye. Studen tenkulte sind von gewalttätigen Initiationsriten und illegalen Aktivitäten wie Gewalt, Tötungen, Verbrechen und politischer Gewalt geprägt (EASO 10.2021; vgl. MBZ 31.1.2023). Im Vergleich zu 2020 nahm die kult-bezogene Gewalt in den Jahren 2021 und 2022 deutlich zu. Nach Anga ben von Nigeria Watch stieg die Zahl der Vorfälle von 164 im Jahr 2020 auf 178 im Jahr 2021, und die Zahl der Todesopfer stieg von 164 im Jahr 2020 auf 427 im Jahr 2021. Nextier SPD verzeichnete 49 sektenbezogene Vorfälle im Jahr 2021, die 99 Todesfälle zur Folge hatten. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 wurden 54 Vorfälle gemeldet, bei denen es 127 Todesopfer gab. Die Zahlen des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) zeigen ebenfalls einen Anstieg der kult-bezogenen Vorfälle im Jahr 2022 (MBZ 31.1.2023). 44

Nach Einschätzung von Beobachtern hat das Phänomen im Jahr 2023 insbesondere in der Metropole Lagos an Bedeutung gewonnen. So sind beispielsweise am 30.6.2023 mehrere Per sonen festgenommen worden, bei denen es sich um Mitglieder einer als Kesari-Bruderschaft bekannten und mit Kult-Kriminalität in Verbindung gebrachten Gruppe handeln soll. Kultisten zugeschriebene Gräueltaten sind weiterhin keine Seltenheit. Zuletzt sollen Kultgruppen beim Anwerben neuer Mitglieder relativ erfolgreich gewesen sein. Bei den rekrutierten Personen handelt es sich meist um junge Erwachsene verschiedenster Bildungshintergründe und Berufe. Nach Angaben eines Polizeisprechers vom 10.8.2023 vereitelte ein Polizeikommando des Bun desstaates Lagos kürzlich die Aufnahme von neun männlichen Minderjährigen im Alter zwischen neun und 14 Jahren in eine Kultgruppe (BAMF 14.8.2023). Das Secret Cult and Similar Activities Prohibition Gesetz aus dem Jahr 2004 verbietet ca. 100 „ Kulte“ (EASO 11.2018). Sowohl der Criminal Code als auch der Penal Code verbieten die Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation (MBZ 31.1.2023). Der nigerianische Secret Cult and Similar Activities Prohibition Act, 2012 enthält eine Dutzende Kultgruppen umfassende Verbotsliste (BAMF 14.8.2023). Daneben existieren auch in mehreren Bundesstaaten Gesetze zum Verbot von Kulten und Kultaktivitäten (BAMF 14.8.2023; vgl. MBZ 31.1.2023). Während des Berichtszeitraums von April 2021 bis Dezember 2022 wurden Dutzende von Kultmitgliedern auf der Grundlage dieser Gesetze verhaftet und verurteilt (MBZ 31.1.2023). Mehrere Bundesstaaten haben auch innerhalb der Polizei Abteilungen zur Bekämpfung von Gewalt, die von Kulten ausgeht, eingerichtet (MBZ 31.1.2023; vgl. BAMF 14.8.2023). Im Bun desstaat Edo zum Beispiel wurde innerhalb der Polizei eine Antikulteinheit eingerichtet. Dennoch ist die Durchsetzung der gesetzlichen Regelungen schwach, und es herrscht eine Kultur der Straffreiheit. Hochrangigen Politikern wird nachgesagt, Kulte zur Erreichung politischer Ziele zu nutzen (MBZ 31.1.2023). Die Regierung des Bundesstaates Edo bekräftigte im Juni 2024 ihren Beschluss, die Aktivitäten von Okaigheles [Anm.: Jugendführern] und Kultisten in den Gemein den von Edo Süd (communities Edo South) zu verbieten, da die sektenähnlichen Aktivitäten und die daraus resultierenden Morde in der Region alarmierend zugenommen haben (ESGv 11.6.2024). Fast alle staatlichen Polizeidienststellen in Nigeria verfügen über eine sogenannte Anti-Kult-Einheit. Die Anti-Kult-Einheiten wurden eingerichtet, um die Aktivitäten der verschiede nen Kultgruppen einzudämmen. Sie nehmen Kultmitglieder fest, wenn es zu Gesetzesverstößen kommt. Sie sorgen auch dafür, dass diejenigen, die von Kultgruppen bedroht oder angegriffen werden, angemessen geschützt werden (VA der ÖB Abuja 20.8.2024). Bei Angriffen auf dem Campus wird die Polizei in der Regel von den Schulbehörden hinzu gezogen. In der Regel werden von der Polizei Festnahmen vorgenommen und Ermittlungen durchgeführt. Mitglieder dieser Gruppe, die sich eines Vergehens vermeintlich schuldig gemacht haben, werden vor Gericht angeklagt und strafrechtlich verfolgt, und wenn sie verurteilt werden, müssen sie ihre Haftstrafe verbüßen (VA der ÖB Abuja 20.8.2024). Eine Mitgliedschaft bei einer (studentischen) Bruderschaft zurückzulegen ist schwierig (EASO 11.2018; vgl. MBZ 31.1.2023). Der Versuch, dies zu tun, kann zu Drohungen, Übergriffen oder Mord führen. Zusätzlich zu der Gewalt, die Kultmitglieder während der Initiationsrituale und beim 45

Verlassen eines Kults erfahren können, können auch Mitglieder, die sich nicht an die Regeln halten, Gewalt ausgesetzt sein (MBZ 31.1.2023). Quellen ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (14.8.2023): Briefing Notes KW 33 2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes /2023/briefingnotes-kw33-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 17.7.2024 ■ EASO - European Asylum Support Office (10.2021): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.n et/en/file/local/2063766/Country_Guidance_Nigeria_2021.pdf, Zugriff 17.7.2024 ■ EASO - European Asylum Support Office (11.2018): Country of Origin Report Nigeria - Targeting of Individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividu als.pdf, Zugriff 17.7.2024 ■ ESGv - Edo State Government (11.6.2024): On total ban on cultism, Okaighele activities in Edo, https://edostate.gov.ng/on-total-ban-on-cultism-okaighele-activities-in-edo , Zugriff 17.7.2024 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (31.1.2023): General Country of Origin In formation Report Nigeria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/directives/ 2023/01/31/general-country-of-origin-information-report-nigeria-january-2023/Country of Origin In formation Report Nigeria January 2023.pdf, Zugriff 17.7.2024 ■ ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx , Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich] ■ VA der ÖB Abuja - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (20.8.2024): Bericht des VA zur Buccaneers Association in Nigeria 17 Ethnische Minderheiten Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie ist durch die Verfassung verboten (AA 8.1.2025; vgl. FH 2025, USDOS 23.4.2024). Trotzdem werden viele ethnische Minderheiten von staatlichen Behörden und anderen Gruppen der Gesellschaft in Bereichen wie Beschäftigung, Bildung und Wohnen benachteiligt (FH 2025). Die meisten ethnischen Gruppen beklagen eine Marginalisierung bei der Zuweisung von Staatseinnahmen, der politischen Ver tretung oder beidem. Die Bundes- und Landesregierungen unternehmen einige Anstrengungen zur Durchsetzung der Gesetze (USDOS 23.4.2024). Der nigerianische Rechtsrahmen sieht im Allgemeinen eine gleichberechtigte Teilhabe der ver schiedenen kulturellen, religiösen und ethnischen Gruppen des Landes am politischen Leben vor. Politiker und Parteien verlassen sich jedoch häufig auf die ethnische Loyalität der Wähler. Die Interessen einer bestimmten Gruppe werden in Gebieten, in denen sie eine Minderheit bildet, oder wenn die ihr nahestehenden Parteien nicht an der Macht sind, möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt (FH 2025). Die Verfassung unterscheidet bei der Bevölkerung in den Bundesstaaten zwischen „ Einheimi schen“ („ indigenes“) und „ Zuwanderern“ („ settlers“). Diese Unterscheidung sollte die einheimi sche Bevölkerung und die kleineren Ethnien vor den drei großen Ethnien schützen (AA 8.1.2025). Zwar haben alle Staatsbürger prinzipiell das Recht in jedem Teil des Landes zu leben, doch diskriminieren Bundes- und Bundesstaatsgesetze jene ethnischen Gruppen, die an ihrem Wohn sitz nicht indigen im eigentlichen Sinne sind (USDOS 23.4.2024). Die Realität in Nigeria ist von 46

der Ausstellung sogenannter Certificates of State of Origin geprägt. Sie regeln den Zugang zu Stellen im öffentlichen Dienst, staatlichen Stipendien, die Wahl in ein öffentliches Amt und viele andere offizielle Interaktionen (Ausstellung eines Reisepasses). Problematisch ist allerdings, dass der Terminus „ indigene“ in der nigerianischen Verfassung nicht genauer definiert wird. In der Praxis werden Certificates of State of Origin ausgestellt, die bescheinigen, dass die jeweili ge Person ein Angehöriger des dort ansässigen Stammes/Ethnie ist. Angesichts des Fehlens von Leitlinien zur Ausstellung eines Certificate of State of Origin liegt es im völligen Ermessen der lokalen und staatlichen Regierungen, diesen Status zu gewähren oder nicht (ÖB Abuja 10.2024). In einigen Bundesstaaten ist die Lage von Minderheiten problematisch, zumal selbst den Nachfahren der Zuwanderer oft die Teilnahme an Wahlen (aktiv wie passiv) verwehrt wird und sie nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie etwa Subventionen und öffentlichen Aufträgen, Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätzen haben (AA 8.1.2025). Manchmal werden Einzelpersonen sogar dazu veranlasst, in die ursprüngliche Heimat ihrer Ethnie zurückzukeh ren, obwohl sie dorthin keinerlei persönliche Verbindungen mehr haben. Fallweise veranlassen Bundesstaats- und LGA-Verwaltungen Nicht-Indigene durch Drohungen, Diskriminierung am Ar beitsmarkt oder die Zerstörung von Häusern zur Abwanderung. Jene, die trotzdem am Wohnort verbleiben, sind manchmal weiterer Diskriminierung ausgesetzt (Verweigerung von Stipendien, Ausschluss einer Anstellung beim öffentlichen Dienst) (USDOS 23.4.2024). Menschen mit Albinismus werden oftmals bei ihrer Geburt umgebracht, von ihren Familien diskriminiert oder zu rituellen Zwecken getötet. Gerade in jüngster Zeit haben rituelle Tötungen, basierend auf dem Glauben, dass bestimmte Körperteile in Ritualen verwendet werden können, um Macht, Geld und Erfolg zu erlangen, zugenommen. Obwohl rituelle Tötungen im Allgemeinen, das heißt nicht nur Menschen mit Albinismus betreffend, in Nigeria zuletzt ein alarmierendes Ausmaß angenommen haben, führen die bisherigen polizeilichen und justiziellen Maßnahmen zu keiner Trendwende (ÖB Abuja 10.2024). Medienberichten zufolge töten einige Gemeinden Kinder, die als Zwillinge oder mit Geburtsfehlern oder Albinismus geboren wurden (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2025): Nigeria: Freedom in the World 2025, https://freedomhouse.org/count ry/nigeria/freedom-world/2025, Zugriff 12.5.2025 ■ ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx , Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich] ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024 47

17.1 Minderheitengruppen Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 In Nigeria gibt es mehr als 250 ethnische Gruppen (AA 8.1.2025; vgl. ACCORD 2.4.2024, CIA 24.10.2024), die über 500 Sprachen sprechen (ACCORD 2.4.2024). Die drei größten ethnischen Gruppen, die in der Summe rund zwei Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sind die Hausa-Fulani im Norden (ACCORD / CIA: 30 Prozent), die Yoruba im Südwesten (ACCORD / CIA: 15,5 Prozent) und die Igbo im Südosten (ACCORD / CIA: 15,2 Prozent) (AA 8.1.2025; vgl. ACCORD 2.4.2024, CIA 21.5.2025). Eine vierte große, durch den Konflikt im Nigerdelta ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückte Ethnie, die Ijaw, lebt überwiegend in den ölreichen Regionen des Nigerdeltas (AA 8.1.2025). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (2.4.2024): Nigeria - Übersicht zum Land - ecoi.net, https://www.ecoi.net/de/laender/nigeria/uebers icht, Zugriff 18.7.2024 ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (21.5.2025): Nigeria - The World Factbook, https://www.cia. gov/the-world-factbook/countries/nigeria/#military-and-security , Zugriff 23.5.2025 ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (24.10.2024): Nigeria - The World Factbook, https://www.ci a.gov/the-world-factbook/countries/nigeria/#military-and-security , Zugriff 29.10.2024 18 Relevante Bevölkerungsgruppen 18.1 Frauen Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 8.1.2025, STDOK 3.12.2021) und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbietet (ÖB Abuja 10.2024), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2025, MBZ 31.1.2023, BS 2024). Seit der Pandemie haben sich prekäre Lebensverhältnisse und Obdachlosigkeit verschlimmert, und das führt Frauen in weitere ökonomische Abhängigkeiten und Perspektivlosigkeit (LEFÖ 2023). Des Weiteren besteht Benachteiligung im Bereich der Bildung (FH 2025; vgl. MBZ 31.1.2023, BS 2024). Der Zugang dazu ist für Frauen grundsätzlich schwierig, viele von ihnen arbeiten bereits im Kindesalter in der Landwirtschaft und lernen nie richtig lesen und schreiben (LEFÖ 2023). Frauen werden in der patriarchalen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt (AA 8.1.2025; vgl. STDOK 3.12.2021). Es gibt zwar keine Gesetze, die Frauen den Besitz von Land verbieten, aber die gewohnheitsrechtlichen Grundbesitzverhältnisse erlauben nur Männern den Besitz von Land, wobei Frauen nur durch Heirat oder Familie Zugang zu Land erhalten (USDOS 23.4.2024). Des Weiteren sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 8.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Vor allem im Osten des Landes werden entwürdigende Witwenzeremonien praktiziert. Zum Bei spiel werden Witwen gezwungen, sich den Kopf zu rasieren, oder sie werden unter Hausarrest 48

gestellt und vergewaltigt. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner berufli chen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 8.1.2025). Frauen sind von Diskriminierungen in allen Formen betroffen (LEFÖ 2023). Sie sind formal politisch gleichberechtigt, aber restriktive ge sellschaftliche Normen schränken ihre Beteiligung in der Praxis ein (FH 2025). Auch neuere Gesetze diskriminieren Frauen, insbesondere in Verbindung mit gleichzeitig fortbestehenden traditionellen Regeln. So werden Frauen z. B. im Rahmen des bestehenden Wahlrechts be nachteiligt, weil Kandidaturen nur innerhalb des Herkunftswahlbezirkes erlaubt sind, Frauen allerdings oft nach der Heirat an den Wohnsitz ihres Ehemannes ziehen (AA 8.1.2025). Frau en ist es in Nigeria gesellschaftlich nicht zugedacht, Karriere zu machen. Männer gelten als Versorger der Familie (STDOK 3.12.2021). Frauen sind in den Exekutiv- und Legislativorganen nur schwach vertreten. Ein Gesetzesent wurf zur Einführung von Geschlechterquoten im Parlament wurde 2022 abgelehnt, ebenso wie andere Gesetze, mit denen die Stellung der Frauen verbessert werden sollte (BS 2024). Die Regierung muss noch die vorgeschlagenen Änderungen der Verfassung des Landes annehmen, die darauf abzielen, die Gleichstellung und die Beteiligung von Frauen in der Politik und in Füh rungspositionen der Regierung zu fördern - auch durch positive Maßnahmen (HRW 11.1.2024). Nigeria hat laut Policy and Legal Advocacy Centre einen der geringsten Anteile an politischer Vertretung durch Frauen weltweit. Nach den Parlamentswahlen 2023 gewannen Frauen nur drei von 109 Sitzen im Senat und 16 von 360 Sitzen im Repräsentantenhaus, ein Rückgang gegenüber den Wahlen 2019. Seit der Demokratisierung 1999 gab es keine Staatspräsidentin; zudem gibt es derzeit keine Gouverneurin, jedoch acht stellvertretende Gouverneurinnen, eine Steigerung gegenüber zwei nach den letzten Gouverneurswahlen (ÖB Abuja 10.2024). Gebildete Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatli chen und öffentlichen Institutionen sowie im expandierenden Privatsektor. Einige Frauen beset zen prominente Posten in Regierung und Justiz. Und Frauen nehmen zudem eine vitale Rolle in der informellen Wirtschaft, der Landwirtschaft und beim Verkauf von Nahrungsmitteln ein. Übli cherweise ist es für Frauen also – unter Berücksichtigung der allgemein hohen Arbeitslosigkeit – möglich, eine Arbeit zu finden. Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (STDOK 3.12.2021). Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleich wertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten (USDOS 23.4.2024). Frauen werden für dieselbe Arbeit nicht gleich bezahlt wie Männer, und Frauen haben als Haushaltsvorstände oft Schwierigkeiten, Geschäftskredite oder Steuerabzüge und -ermäßigungen zu erhalten (MBZ 31.1.2023). Reproduktive Rechte sind weiter beinahe nicht-existent. Riskante Schwangerschaftsabbrüche sind für bis zu 30 Prozent der gesamten Müttersterblichkeit verantwortlich, nur wenige Frau en im gebärfähigen Alter haben Zugang zu Verhütungsmitteln und Menstruationsprodukten. Abtreibungen sind nach wie vor gesetzlich verboten (das Gesetz stammt aus der britischen Kolonialzeit), außer sie sind zum gesundheitlichen Schutz der Mutter erforderlich. Wer gegen 49

das Gesetz verstößt, riskiert eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren (die Frau) oder 14 Jahren (die/der Ausführende) (ÖB Abuja 10.2024). Die am weitesten verbreiteten gewalttätigen Handlungen gegen Frauen in Nigeria beinhal ten sexuelle Belästigung, physische Gewalt, schädliche traditionelle Praktiken, emotionale und psychische Gewalt sowie sozioökonomische Gewalt. Vielen Opfern mangelt es an einem struk turierten Sozialsystem sowie am Zugang zu Hotlines und Notunterkünften (STDOK 3.12.2021). Häusliche Gewalt durch Ehepartner, Vergewaltigungen, sexualisierte Übergriffe und Überfälle sind weit verbreitet und betreffen eine hohe Anzahl an Frauen und Mädchen (LEFÖ 2023). Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, kör perlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024). Das Gesetz ist verabschiedet worden, um geschlechtsspezifische Gewalt einzudämmen (AI 29.4.2025). Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwun gene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024, HRW 16.1.2025) Straftatbestände dar. Durchgesetzt wird das Gesetz von NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons) (ST DOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024). Das Gesetz hat inzwischen in 35 der 36 Bundesstaaten des Landes Gültigkeit, mit Ausnahme von Borno (ÖB Abuja 10.2024) Gemäß einer anderen Quelle gilt es nur in Kano noch nicht, und Ekiti und Lagos haben entsprechende aber andere gesetzliche Regelungen (EUAA 6.2024). Am 24.8.2024 wurde der Entwurf für ein Gesetz zur zweiten Lesung im Senat zugelassen, mit dem das bestehende VAPP aufgehoben und durch eine andere Fassung ersetzt werden soll (AI 29.4.2025; vgl. HRW 16.1.2025). Die nigerianische Polizei verfügt in allen Bundesstaaten über eigene Gender Desks zur Betreu ung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt. Vergehen können der FCIID Gender (Force Criminal Intelligence and Investigation Department Gender) der nigerianischen Polizei oder auch beim NHRC (National Human Rights Council) gemeldet werden (STDOK 3.12.2021). Generell ist es für Frauen schwierig, rechtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen oder Entschä digung zu erhalten. Verfahren dauern sehr lange und kosten viel Geld. Zudem wird auf Opfer Druck ausgeübt. Folglich werden viele Verfahren entweder gar nicht eröffnet, oder aber sie ver laufen im Sand. Sowohl NAPTIP als auch NGOs bieten Beratung und rechtliche Unterstützung im Bereich häusliche Gewalt, auch Anwälte werden zur Verfügung gestellt. In größeren Städten – etwa Abuja, Lagos oder Port Harcourt – sind Frauen besser sensibilisiert und eher bereit, einen gewalttätigen Ehemann zu verlassen (STDOK 3.12.2021). Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt (SGBV) ist in Nigeria weiterhin weit verbreitet. Aus dem „ National Gender Based Violence Dashboard“, einer vom Frauenministerium betriebenen Datenbank [abgefragt am 28.4.2024] geht hervor, dass in Nigeria 42.504 Fälle von SGBV gemel det wurden, von denen 83,4 Prozent „ offen“ blieben und 16,6 Prozent „ abgeschlossen“ wurden, wobei 596 Täter verurteilt worden sind (EUAA 6.2024). 50

Häusliche Gewalt bleibt weit verbreitet (STDOK 3.12.2021; vgl. ÖB Abuja 10.2024, AA 8.1.2025, EUAA 6.2024). Eine Vielzahl von Frauen wird im eigenen Haus Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Ein Gesetzesentwurf zur Bestrafung häuslicher Gewalt ist bisher von 33 der 36 Bundesstaaten angenommen worden (AA 8.1.2025). Trotzdem wird häusliche Gewalt in gewis sem Maße sozial akzeptiert (STDOK 3.12.2021). Die Züchtigung eines Kindes, einer Ehefrau, von Schülerinnen oder Hausangestellten ist in den Staaten im Norden Nigerias legal, solange sie nicht zu schweren Verletzungen führt (ÖB Abuja 10.2024; vgl. AA 8.1.2025). Im Falle von häuslicher Gewalt kann sich das Opfer an die Polizei wenden, allerdings schreitet letztere nicht in jedem Fall ein. Manchmal werden Opfer wieder zum Täter nach Hause geschickt. Nach ande ren Informationen ist es durchaus sinnvoll, sich an die Polizei zu wenden. Ist das Opfer verletzt, kommt es mitunter zu Verhaftungen. Der Großteil der Opfer erstattet jedenfalls bei häuslicher Gewalt keine Anzeige (STDOK 3.12.2021). Zahlreiche Mädchen oder Frauen sind sexueller Gewalt ausgesetzt (STDOK 3.12.2021; vgl. EUAA 6.2024). Vergewaltigungen sind gesetzlich verboten, jedoch nicht innereheliche Verge waltigung (USDOS 23.4.2024). Vergewaltigungen bleiben weit verbreitet. Im Prinzip kann sich ein Vergewaltigungsopfer an die Polizei wenden. Die Praxis gestaltet sich allerdings schwierig. Viele Mädchen und Frauen wenden sich aufgrund mangelnden Vertrauens oder aus Angst vor einem mit der Vergewaltigung einhergehenden Stigma weder an die Polizei noch an Gerichte oder Gesundheitseinrichtungen (STDOK 3.12.2021). Frauen sind außerdem Opfer von Übergrif fen und Vergewaltigungen durch Polizei und Sicherheitskräfte. Frauen, die nach Verschleppung und sexuellem Missbrauch mit Kindern von Boko Haram-Mitgliedern in ihre angestammten Gemeinden zurückkehren, werden ausgegrenzt (AA 8.1.2025). Oft kommen Zwangsehen aufgrund von Armut zustande, manchmal kommt es auch zu lange im Vorfeld arrangierten Ehen. Zwangsehen sind im Norden verbreiteter als im Süden. Im Fall einer drohenden Zwangsehe können sich Betroffene an eine kirchliche Institution oder an traditionelle Führer wenden. Meist hilft aber nur die Flucht (STDOK 3.12.2021). Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Genitalverstümmelung (FGM) auf nationaler Ebene [Anm.: VAPP] (USDOS 23.4.2024; vgl. STDOK 3.12.2021, EUAA 6.2024), dennoch ist FGM weit verbreitet, vor allem in meist ländlichen Regionen im Südwesten und Süden (AA 8.1.2025). Nur 22 von 36 Bundesstaaten haben tatsächlich Gesetze zum Verbot von FGM verabschiedet (USDOS 23.4.2024). Gesetze gegen FGM werden kaum vollzogen (USDOS 23.4.2024; vgl. STDOK 3.12.2021). Die bisher verhängten, geringfügigen Geldstrafen sind bei der Bekämpfung von FGM unzureichend. Im Federal Capital Territory (FCT) kann eine Frau hinsichtlich FGM staatlichen Schutz finden; außerhalb davon gestaltet sich dies schwierig. Zwar gibt es Aufklä rungskampagnen und eine nationale Strategie zur Bekämpfung von FGM, doch liegen kaum Berichte vor, wonach die Regierung gegen FGM vorgeht (STDOK 3.12.2021). Regional bestehen große Unterschiede. Die Regionen Südost und Südwest sind am stärks ten betroffen. Insgesamt ist die Verbreitung von FGM jedenfalls rückläufig (STDOK 3.12.2021). Eine am 13.12.2023 veröffentlichte wissenschaftliche Analyse von Erhebungen zur FGM-Prä valenzrate in Nigeria ab 2008 kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Anteil der von 51
