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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Das Ausmaß der zivilpolitischen Aktivitäten der kurdischen Oppositionsparteien in Iran, insbe sondere der KDPI und Komala, ist aufgrund der Kontrollen, mit welchen sie konfrontiert sind, im Allgemeinen begrenzt. Wenn diese Parteien zivilpolitische Aktivitäten durchführen, geschieht dies unter Geheimhaltung, um zu verhindern, dass die Behörden gegen sie vorgehen. Die Par teien unterstützen jedoch die Aktivitäten anderer, beispielsweise von Organisationen, die sich sowohl auf Umweltfragen als auch auf soziale Fragen konzentrieren. Die kurdischen politischen Parteien führen Propaganda-Aktivitäten durch, um ein Bewusstsein für die Politik der iranischen Regierung zu schaffen und die Menschen zu ermutigen – durch verschiedene friedliche und lösungsorientierte Maßnahmen wie Demonstrationen, Generalstreiks und symbolische Hand lungen, wie das Tragen kurdischer Kleidung zu besonderen Anlässen – gegen die Regierung zu protestieren (DIS 7.2.2020). Nach Aufrufen von Menschenrechtsorganisationen und einer kurdischen Partei aufgrund der Hinrichtung von vier Komala-Mitgliedern kam es im Jänner 2024 beispielsweise in mehreren kurdischen Städten wie Sanandaj, Saqqez und Mahabad zu Arbeitsstreiks in Bazaren (IRWIRE 30.1.2024; vgl. Rudaw 30.1.2024). In Bezug auf die Rekrutierung von Mitgliedern ist zu sagen, dass die Regeln für die Mitgliedschaft in den iranisch-kurdischen politischen Parteien (KDPI und Komala) nicht immer geradlinig sind und die Mitgliedschaft durch verschiedene Verfahren erlangt werden kann. Menschen in der kurdischen Region in Iran können über die geheimen Netzwerke dieser Parteien Mitglieder wer den, oder sie können selbst Mitglieder der Partei in der KRI kontaktieren und dadurch Mitglieder werden. Zukünftige Mitglieder durchlaufen eine Überprüfung, um z. B. Spione der iranischen Regierung ausschließen zu können. Es kommt immer wieder vor, dass das Geheimdienstminis terium und die Revolutionsgarden Personen bedrohen oder bestechen, um sie als Kundschafter einzusetzen (DIS 7.2.2020). Sowohl das iranische Geheimdienstministerium (MOIS/VAJA) als auch der Geheimdienst der Revolutionsgarden haben ein Netzwerk aus Informanten, das die Aktivitäten der iranisch-kurdischen Parteien auch in der KRI verfolgt und über sie berichtet. Mitglieder der Parteien werden vom iranischen Geheimdienst kontaktiert und Drohungen und Druck ausgesetzt. Auch die Familien der Mitglieder in Iran werden häufig kontaktiert, um die den Parteien angehörenden Familienmitglieder zu überreden, die Parteien zu verlassen und nach Iran zurückzukehren. Je höher die Position eines Parteimitglieds, desto größer ist der Druck auf die Familie in Iran (Landinfo 19.5.2020). Viele der kurdischen Parteien, wie die KDPI, die Komala-Parteien, PAK und PJAK operieren vom Territorium der KRI aus (K24 28.11.2022; vgl. Landinfo 18.12.2020), wobei sich die meisten Parteien in Gebieten unter Kontrolle der Kurdistan Regionalregierung (KRG) aufhalten, wäh rend die PJAK aus den Kandil-Bergen heraus operiert, die von der PKK kontrolliert werden (TWI 13.9.2023). Der Status und Handlungsspielraum der kurdischen Oppositionsgruppen wie KDPI, Komala und PJAK waren und sind ein schwieriges Thema in den Beziehungen zwischen Iran und der KRI. Die KRI hat Vereinbarungen für eine formalisierte Präsenz mit mehreren iranisch-kurdischen Exilparteien wie der KDPI, den verschiedenen Komala-Fraktionen und der Kurdischen Freiheitspartei PAK getroffen, nicht jedoch mit der PJAK. Aufgrund der Notwendigkeit einer gutnachbarlichen Beziehung zu Iran hat die KRI gefordert, dass die iranisch-kurdischen Exilparteien alle militärischen Aktivitäten gegen Iran unterlassen. Dies war eine Bedingung dafür, 31

dass die Exilparteien in Stützpunkten und Lagern im Nordirak operieren dürfen. Mit dieser forma lisierten Präsenz gehen finanzielle Unterstützung, Zugang zu Schulen, Gesundheitsversorgung und anderen öffentlichen Dienstleistungen einher (Landinfo 18.12.2020). Als im September 2022 Proteste in Iran ausbrachen, konzentrierte sich die staatliche Propagan da darauf, die Demonstrationen, die zunächst in den kurdischen Gebieten Irans ausbrachen, als ein Komplott der kurdischen Oppositionsgruppen im Exil jenseits der Grenze darzustel len. Die kurdischen Parteien haben die Anschuldigungen entschieden zurückgewiesen (Amwaj 1.9.2023; vgl. TNA 6.5.2024). Die Regierung hat Militärkräfte in die kurdischen Gebiete in Iran entsandt (Amwaj 1.9.2023) und mehrfach Stellungen iranisch-kurdischer Oppositionsgruppen in der KRI mit Drohnen und Raketen angegriffen (Amwaj 1.9.2023; vgl. K24 28.11.2022, Rudaw 28.9.2022) sowie den Druck auf die Regierungen in Bagdad und Erbil erhöht, gegen diese Op positionsgruppen vorzugehen (Amwaj 13.3.2024). Um die Bedenken Irans zu zerstreuen, stellte der Irak [Anm.: d. h. die föderale irakische Regierung und nicht die KRG] im Dezember 2022 Grenzschutzbeamte an der Grenze zu Iran auf und unterzeichnete im März 2023 ein Grenzsi cherheitsabkommen mit Iran (TWI 13.9.2023), in dessen Rahmen sich die irakische Regierung verpflichtet hat, die iranisch-kurdischen Gruppierungen umzusiedeln und Grenzkontrollen zu verstärken (Amwaj 13.3.2024; vgl. TNA 9.10.2023). Weiters sieht das Abkommen die Entwaff nung der Gruppierungen sowie die Auslieferung von gesuchten Personen durch Bagdad vor (Medium 3.1.2024). Es ist fraglich, in welchem Umfang das Abkommen umgesetzt wird (Amwaj 1.9.2023). Von Landinfo befragte Vertreter der KDPI und einer Komala-Fraktion sowie ein Mit glied einer Menschenrechtsorganisation haben im November 2023 angegeben, dass manche Lager der KDPI geräumt worden sind, während die Komala weiterhin an ihren Stützpunkten festhält. Lager der PAK wurden ebenfalls geräumt und die Mitglieder der Gruppierung entwaff net. Landinfo konnte dagegen keine Hinweise finden, wonach die PJAK entwaffnet worden ist oder sie ihre Stellungen geräumt hat (Landinfo 4.12.2023). Sie hatte angekündigt, sich nicht entwaffnen zu lassen (ANF 11.9.2023). Während die Angriffe zurückgingen, nachdem die iranischen Proteste im Jänner 2023 nach einer massiven Niederschlagung weitgehend abgeklungen waren, hat Iran weiterhin Attentate auf iranisch-kurdische Oppositionelle in der Region Kurdistan verübt (TWI 13.9.2023; vgl. Am waj 1.9.2023). Beispielsweise wird Iran die Tötung zweier KDPI-Mitglieder im Juli 2023 (TWI 13.9.2023; vgl. Hengaw 7.7.2023) und eines Komala-Mitglieds im März 2024 zugeschrieben (BAMF 18.3.2024). Obwohl die genannten Parteien militärische Flügel haben und Aktionen gegen die iranischen Sicherheitskräfte durchführen, wird die Bedeutung der kurdisch-iranischen Oppositionsgruppen in der KRI gemäß einer Expertin vom iranischen Regime übertrieben - vor allem, um das unge setzliche gewaltsame Vorgehen gegen die Protestbewegung im eigenen Land zu rechtfertigen, aber auch, um an Nachbarländer zu signalisieren, dass die Oppositionsgruppen der eigentliche Grund für die Instabilität im Land sind (Media Line 8.9.2023). Sowohl die KDPI als auch Komala, PAK und PJAK haben zeitweise bewaffnete Kämpfe gegen den iranischen Staat geführt (TNA 17.6.2025). Beispielsweise im Oktober 2024 und Juni 2023 kam es zu bewaffneten Zusammen stößen zwischen der PJAK und iranischen Sicherheitsbehörden im Nordwesten Irans (BAMF 32

28.10.2024, ACLED 6.7.2023). Keine der Parteien war allerdings vor Beginn des Krieges mit Israel Mitte Juni 2025 in aktive Kampfhandlungen verwickelt (TNA 17.6.2025). Anm.: Detaillierte Informationen zu einigen der beschriebenen Gruppierungen können u.a. dem Bericht von ACCORD „ Iran: Informationen zu den Parteien PDKI, KDP-I, Komala PIK, Komala KTP, Komalah-CPI, Komala-CPI, WCPI, WP- Hekmatist, WPI-Hekmatist (Khat Rasmi) [a-11979]“ vom 24.11.2022 entnommen werden. Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (6.7.2023): Regional Overview Middle East June 2023, https://acleddata.com/2023/07/06/regional-overview-middle-east-june-2023/?utm_source=rs s&utm_medium=rss&utm_campaign=regional-overview-middle-east-june-2023 , Zugriff 9.4.2024 ■ AGSIW - Arab Gulf States Institute in Washington, The (14.10.2022): Iran Protests: Reform, Re volution, or Status Quo?, https://agsiw.org/iran-protests-reform-revolution-or-status-quo/ , Zugriff 14.3.2023 ■ Amwaj - Amwaj Media (21.5.2025): Kurdish militancy in Iran uncertain as armed struggle recedes in Turkey, https://amwaj.media/en/article/kurdish-militancy-in-iran-uncertain-as-armed-struggle-reced es-in-turkey, Zugriff 26.6.2025 ■ Amwaj - Amwaj Media (13.3.2024): Spotlight on Iran-Iraq security deal as border fence erected, https://amwaj.media/media-monitor/spotlight-on-iran-iraq-security-deal-as-border-fence-erected , Zugriff 9.4.2024 ■ Amwaj - Amwaj Media (1.9.2023): Iran-Iraq deal on Iranian Kurds puts Iraqi Kurds between rock and hard place, https://amwaj.media/article/iran-iraq-deal-on-iranian-kurds-puts-iraqi-kurds-between-r ock-and-hard-place , Zugriff 15.1.2024 ■ ANF - Firat News Agency (11.9.2023): PJAK lehnt Entwaffnung entschieden ab, https://anfdeutsch .com/kurdistan/pjak-lehnt-entwaffnung-entschieden-ab-38961 , Zugriff 9.4.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (28.10.2024): Briefing Notes KW 44, https://www.ecoi.net/en/document/2117227.html, Zugriff 26.6.2025 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (18.3.2024): Briefing Notes KW 12, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105676.html, Zugriff 9.4.2024 ■ DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (7.2.2020): Iranian Kurds, https://www.ecoi.net/en/file/ local/2024578/Report on Iranian Kurds Feb 2020.pdf, Zugriff 13.3.2023 ■ Hengaw - Hengaw Organization for Human Rights (7.7.2023): Hengaw’s Investigation into the As sassination of Two Members of the KDPI in the Kurdistan Region of Iraq, https://hengaw.net/en/ne ws/2023/07/hengaws-investigation-into-the-assassination-of-two-members-of-the-kdpi-in-the-kur distan-region-of-iraq , Zugriff 15.1.2024 ■ IRWIRE - IranWire (30.1.2024): Labor Strike Hits Iran’s Kurdistan After Executions, https://iranwire .com/en/news/124826-labor-strike-hits-irans-kurdistan-after-executions/ , Zugriff 16.5.2024 ■ K24 - Kurdistan 24 (28.11.2022): Who are the Iranian-Kurdish rebels in northern Iraq?, https://ww w.kurdistan24.net/en/story/30066-Who-are-the-Iranian-Kurdish-rebels-in-northern-Iraq , Zugriff 6.4.2023 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (4.12.2023): Iran: Iransk-kurdiske partier med baser i Nord-Irak – Endret situasjon høsten 2023, https://www.ec oi.net/de/dokument/2101847.html, Zugriff 9.4.2024 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (18.12.2020): Det iransk-kurdiske partiet PJAK, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043154/Iran-temanotat-PJAK-1 8122020.pdf, Zugriff 6.4.2023 ■ Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (19.5.2020): Iran Kurdistan Democratic Party – Iran (KDP-I), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030161/Temanot at-Iran-KDP-I-19052020.pdf , Zugriff 7.4.2023 33

■ Media Line - Media Line, The (8.9.2023): Iraq Caught in Crossfire Between Turkey’s and Iran’s Kurdish Agendas, https://themedialine.org/top-stories/iraq-caught-in-crossfire-between-turkeys-a nd-irans-kurdish-agendas/ , Zugriff 15.1.2024 ■ Medium - Medium (3.1.2024): The Iranian opposition in Iraq… Learn about the parties and attempts to undermine them, https://momenalzrzor.medium.com/the-iranian-opposition-in-iraq-learn-about-t he-parties-and-attempts-to-undermine-them-76ef3cd77124 , Zugriff 15.1.2024 ■ Newsweek - Newsweek (16.6.2025): As Israel Eyes Regime Change, Iran’s Opposition Is Divisive and Divided, https://www.newsweek.com/israel-eyes-regime-change-irans-opposition-divisive-div ided-2086253, Zugriff 26.6.2025 ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ REU - Reuters (26.6.2025a): Iran turns to internal crackdown in wake of 12-day war, https://www.re uters.com/world/middle-east/iran-turns-internal-crackdown-wake-12-day-war-2025-06-25/ , Zugriff 26.6.2025 ■ Rudaw - Rudaw Media Network (2.5.2024): Iran border guard killed near Kurdistan Region, https: //www.rudaw.net/english/middleeast/iran/02052024, Zugriff 16.5.2024 ■ Rudaw - Rudaw Media Network (30.1.2024): Rojhelat cities strike in protest over execution of Kurdish prisoners by Iran, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iran/300120241, Zugriff 16.5.2024 ■ Rudaw - Rudaw Media Network (28.9.2022): IRGC rains down missiles, drones on Kurdistan Region killing nine, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/28092022, Zugriff 6.4.2023 ■ TNA - New Arab, The (17.6.2025): How Kurdish groups in Iran are reacting to Israel’s war, https: //www.newarab.com/analysis/how-kurdish-groups-iran-are-reacting-israels-war , Zugriff 27.6.2025 ■ TNA - New Arab, The (6.5.2024): Iraqi Kurdistan’s president visits Iran to discuss security and regional politics, ease tensions, https://www.newarab.com/news/iraqi-kurdistans-president-visits-tehran-eas e-tensions, Zugriff 16.5.2024 ■ TNA - New Arab, The (9.10.2023): Can Baghdad disarm Iranian Kurdish parties in northern Iraq?, https://www.newarab.com/analysis/can-baghdad-disarm-iranian-kurdish-parties-northern- iraq#:~:text=Last month, Tehran said that,from the borders with Iran., Zugriff 12.1.2024 ■ TWI - Washington Institute for Near East Policy, The (13.9.2023): Iran’s Pressure Campaign on Iranian Kurds Continues, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/irans-pressure-campa ign-iranian-kurds-continues , Zugriff 18.9.2023 4.1.3 Ahwazische separatistische Gruppierungen Letzte Änderung 2025-07-17 12:30 Mehrere separatistische Ahwazi-Gruppen sind in Khuzestan und im Ausland aktiv. Zu den Grup pen, die einen unabhängigen arabischen Staat fordern, gehören das Arab Struggle Movement for the Liberation of Ahwaz (ASMLA [auf Arabisch: Harakat an-Nidal al-Arabi li-Tahrir al-’Ahwaz; auch al-Ahwaziya]), die National Organization for the Liberation of Ahwaz (auch bekannt als Hazm), die Ahwazi Popular Democratic Front (APDF), die Falken von Ahwaz (USIP 3.2.2021) und die Democratic Revolutionary Front for the Liberation of Arabistan (DRFLA) (MEE 2.12.2022). Die bekannteste Gruppe ist die ASMLA, die aus zwei rivalisierenden Ablegern mit Sitz in Ko penhagen und Den Haag sowie der Mohiuddin Nasser Martyrs Brigade, einer in der Provinz Khuzestan operierenden Miliz, besteht (USIP 3.2.2021). Die Gruppe wurde mit mehreren An schlägen im Iran in Verbindung gebracht, darunter Bombenanschläge in Ahwaz in den Jahren 2005 und 2006, Anschläge auf Ölpipelines im Süden Irans im Jahr 2017 und ein tödlicher An schlag auf eine Militärparade in Ahwaz im Jahr 2018 (Amwaj 16.5.2023), bei dem mindestens 25 Menschen getötet wurden (VOA 12.1.2024). Sie ist eine militante, separatistische Gruppierung, die sich für einen unabhängigen Staat in Khuzestan einsetzt (USIP 2.7.2020) und von Iran, nicht aber von der EU, als terroristische Organisation eingestuft wird (DN.nl 1.11.2022). Iranische 34

Behörden haben Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) für gewaltsame Vorfälle in Khuzestan verantwortlich gemacht. Beispielsweise warfen sie ASMLA-Mitgliedern nach einem Anschlag im Jahr 2012 vor, dass sie finanzielle Unterstützung und Training aus Dubai erhalten hätten (LOBE 20.11.2017). 2022 sah es ein dänisches Gericht als erwiesen an, dass drei Mitglieder der ASMLA in Dänemark im Auftrag Saudi-Arabiens spioniert hatten (EN 3.2.2022; vgl. VOA 12.1.2024). Im Mai 2023 richteten die iranischen Behörden einen ehemaligen Anführer der ASMLA und Dissidenten nach einer Verurteilung wegen Bildung und Führung der ASMLA und „ Korruption auf Erden“, u. a. wegen seiner Beteiligung an „ zahlreichen“ Terroranschlägen, hin. Der schwedisch- iranische Staatsbürger war 2020 während einer Türkei-Reise verschwunden und später vor ein Gericht in Teheran gestellt worden (Spiegel 6.5.2023; vgl. DW 6.5.2023). Im April 2024 wurde von weiteren Todesurteilen gegen sechs Personen berichtet, denen eine Mitgliedschaft in der ASMLA und Involvierung in Operationen vorgeworfen worden war, die zum Tod von Sicherheitskräften geführt hatten (IRINTL 27.4.2024). Araber werden unverhältnismäßig häufig wegen unklar definierter Anschuldigungen (etwa wegen „ mohareb“ und „ mofsid-fil-arz“) zu sehr hohen Strafen verurteilt. Nach dem [oben erwähnten] terroristischen Angriff in Ahwaz im September 2018 mit 30 Toten wurden offiziell 22 Personen aus dem Umfeld der Untergrundorganisation ASMLA festgenommen, die Opposition hat von bis zu 800 Festnahmen berichtet (ÖB Teheran 11.2021). Angehörige von separatistischen Befreiungsbewegungen aus der Region Ahwaz werden auch in Europa von iranischer Seite beobachtet (BMP 7.10.2022; vgl. Sveriges 19.9.2023). Im Jahr 2017 wurde ein Anführer der ASMLA in den Niederlanden ermordet, nachdem er zuvor jahrelang bedroht und eingeschüchtert worden war (DN.nl 1.11.2022). Quellen ■ Amwaj - Amwaj Media (16.5.2023): Iran sends twin messages with execution of dual national, freeing of Europeans, http://amwaj.media/en/media-monitor/iran-execution-of-dual-national-dissident-raise s-western-concern, Zugriff 27.6.2025 ■ BMP - Berliner Morgenpost (7.10.2022): Gewalt im Iran: Innenminister wollen Abschiebestopp prüfen, https://www.morgenpost.de/politik/article236619987/iran-proteste-innenministerium-abschiebestop p-asyl.html, Zugriff 14.3.2023 ■ DN.nl - DutchNews.nl (1.11.2022): Iranian dissident made seven police reports before his murder: VK, https://www.dutchnews.nl/news/2022/11/iranian-dissident-made-seven-police-reports-before-h is-murder-vk/, Zugriff 14.3.2023 ■ DW - Deutsche Welle (6.5.2023): Schwedisch-iranischer Staatsbürger im Iran exekutiert, https: //www.dw.com/de/schwedisch-iranischer-staatsbürger-im-iran-exekutiert/a-65539778 , Zugriff 27.6.2025 ■ EN - Euronews (3.2.2022): Denmark: Three Iranian separatists sentenced for spying for Saudi Arabia, https://www.euronews.com/2022/03/02/denmark-three-iranian-separatists-sentenced-for-s pying-for-saudi-arabia , Zugriff 27.6.2025 ■ IRINTL - Iran International (27.4.2024): Last Minute Calls To Save Two Political Prisoners In Iran From Hanging, https://www.iranintl.com/en/202404271454, Zugriff 29.5.2024 ■ LOBE - Lobe Log (20.11.2017): The Khuzestan Factor in Saudi-Iran Relations, https://lobelog.com/ the-khuzestan-factor-in-saudi-iran-relations/ , Zugriff 27.6.2025 35

■ MEE - Middle East Eye (2.12.2022): Iran protests: Iranian-Arab women’s rights activists dying in Khuzestan crackdown, https://www.middleeasteye.net/news/iran-protests-women-rights-activists-d ying-disappearing-khuzestan, Zugriff 14.3.2023 ■ ÖB Teheran - Österreichische Botschaft Teheran [Österreich] (11.2021): Asylländerbericht – Islami sche Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2064921/IRAN_ÖB-Bericht_2021.pdf, Zugriff 7.2.2023 [Login erforderlich] ■ Spiegel - Spiegel, Der (6.5.2023): Iran richtet schwedisch-iranischen Dissidenten hin, https://www. spiegel.de/ausland/iran-richtet-schwedisch-iranischen-dissidenten-habib-chaab-wegen-angeblich en-bombenanschlags-hin-a-98dda97a-f076-4dc8-987a-d8957348e1e6 , Zugriff 18.1.2024 ■ Sveriges - Sveriges Radio (19.9.2023): Därför tar Irans spioner sikte på Sverige, https://sverigesra dio.se/avsnitt/darfor-tar-irans-spioner-sikte-pa-sverige-grans , Zugriff 29.5.2024 ■ USIP - United States Institute of Peace [USA] (3.2.2021): Iran’s Troubled Provinces: Khuzestan, https://web.archive.org/web/20241006204829/https:/iranprimer.usip.org/index.php/blog/2020/jul/29/ iran’s-challenges-converge-khuzestan , Zugriff 7.4.2023 ■ USIP - United States Institute of Peace [USA] (2.7.2020): Profiles: Iranian Opposition Groups, https://iranprimer.usip.org/blog/2020/jul/02/profiles-iranian-opposition-groups , Zugriff 16.3.2023 ■ VOA - Voice of America (12.1.2024): Danish Appeals Court Upholds Prison Sentences for Iranian Separatists, https://www.voanews.com/a/danish-appeals-court-upholds-prison-sentences-for-irani an-separatists/7437874.html, Zugriff 29.5.2024 4.1.4 Belutschische separatistische Gruppierungen Letzte Änderung 2025-07-17 12:30 Die ethnische Gruppe der Belutschen, die im Dreiländereck Pakistan, Afghanistan und Iran lebt, eint eine Geschichte der Unabhängigkeitsbestrebungen von Teheran und Islamabad. In der durchlässigen Grenzregion kam es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu Auf ständen. Das Gebiet, in dem sie leben, ist reich an natürlichen Ressourcen, und belutschische Separatisten beklagen, dass ihr Volk, das zu den ärmsten der Region gehört, nur wenig vom Reichtum abbekommen hat (CNN 18.1.2024; vgl. Qantara 23.1.2024). Bestrebungen nach Auto nomie oder Unabhängigkeit werden auf beiden Seiten der Grenze seit Jahrzehnten gewaltsam unterdrückt. Auf pakistanischer Seite gelten sie als Versuch einer Spaltung des Landes, auf iranischer Seite kommt erschwerend hinzu, dass die Belutschen eine sunnitische Minderheit in einem ansonsten überwiegend schiitischen Land sind. Entsprechend hart gehen beide Staaten gegen die Volksgruppe vor. Auf der anderen Seite haben sich auch einige Belutschen radika lisiert. Mehrere Gruppen militanter Aufständischer verübten in der Vergangenheit Anschläge beiderseits der Grenzen und nutzen das jeweilige Nachbarland danach als Rückzugsraum (Qantara 23.1.2024). Die islamistische Aufstandsbewegung in Belutschistan nahm in ihrer modernen Form vor et wa zwanzig Jahren Gestalt an (Zenith 26.1.2024). Ab 2002 führte die militante islamistische Gruppe Jundallah, die „ Soldaten Gottes“, einen Aufstand gegen die Regierung (USIP 9.3.2023; vgl. Mendes/JIPA 31.8.2020). Zwischen 2006 und 2011 verübte sie Anschläge mit Todesopfern. Die Selbstmordanschläge zielten vor allem auf Angehörige der Sicherheitskräfte sowie schii tische Gläubige und zeugen vom Einfluss von al-Qaida-Taktiken auf die Gruppierung (Zenith 26.1.2024). 2010 splitterte sie sich in mehrere Untergruppierungen auf, von denen die 2012 gegründete Jaish al-Adl (JAA [auch JUA], „Armee der Gerechtigkeit“) die einflussreichste ist (NCTC 10.2022; vgl. Mendes/JIPA 31.8.2020). Die Gruppe führt Anschläge durch, bei denen Angehörige der Revolutionsgarden, der Basij und der Polizei getötet werden (Zenith 26.1.2024; 36

vgl. Amwaj 9.4.2024). Seit Dezember 2023 hat sie ihre Angriffe intensiviert (ISW 10.3.2025; vgl. Standard 4.4.2024). Auch 2025 führte sie mehrere Angriffe auf Sicherheitskräfte in Sistan und Belutschistan durch, bzw. kam es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräf ten und Jaish al-Adl (ACLED 20.6.2025). Die Renaissance der Gruppierung wird u. a. mit dem „ Blutfreitag“ in Zusammenhang gebracht, bei dem am 30.9.2022 über 90 Menschen im Zuge der Anti-Regime-Proteste von den Sicher heitskräften [in Zahedan, der Hauptstadt von Sistan und Belutschistan] getötet worden sind (Zenith 26.1.2024; vgl. ISW 4.4.2024). Die ursprünglich anti-schiitische Ausrichtung von Ja ish al-Adl ist inzwischen einer Feindschaft gegenüber der Islamischen Republik Iran gewichen. Insbesondere nach dem Aufstieg des sogenannten Islamischen Staates (IS) hat die Gruppe ihre konfessionalistische Rhetorik zurückgefahren. In Reaktion auf die Protestbewegung seit Herbst 2022 positioniert sich Jaish al-Adl stattdessen als Fürsprecher für die Gleichberechti gung aller ethnischen Gruppen in Iran (Zenith 26.1.2024). Nach einem Großangriff Anfang April 2024 nannte die Gruppierung außerdem eine iranische Zusammenarbeit mit China, Indien und Russland als weiteren Grund. Jaish al-Adl versucht, Bauvorhaben an der Küste in der Region zu verhindern (ISW 4.4.2024). Das Regime verfolgt (vermeintlich und tatsächlich) militante, separatistische Gruppierungen, wie die Jundallah (AA 15.7.2024). Jaish al-Adl wird von den iranischen Behörden als Terrororgani sation geführt und iranische Regierungsvertreter bezeichnen die Gruppierung oftmals als Jaish al-Zulm (Armee der Ungerechtigkeit) oder „Takfir-Terroristen“ (IRINTL 21.1.2024). Die iranischen Sicherheitsbehörden führen Operationen gegen die Gruppierung durch (ISW 18.4.2025, ISW 10.3.2025, ISW 25.2.2025). Im Jänner 2024 griffen iranische Sicherheitskräfte auch mit Raketen angebliche Hochburgen von Jaish al-Adl in Pakistan an. Pakistan reagierte seinerseits mit der Bombardierung von angeblichen Stellungen einer pakistanischen belutschischen Organisation im iranischen Sistan und Belutschistan (AJ 18.6.2025; vgl. JF 9.7.2024). Die beiden Länder beschuldigen sich seit Jahrzehnten gegenseitig, militante, regierungsfeindliche Gruppierungen der jeweils anderen Seite zu unterstützen. Ende 2024 wurde allerdings berichtet, dass die bei den Länder ihre Kooperation im Kampf gegen die gestiegene Anzahl an Anschlägen ausweiten wollen (RFE/RL 3.12.2024). Zu den in Iran verbotenen Parteien zählt auch das Free Balochistan Movement (FBM), das die Vereinigung des belutschischen Volkes in Iran, Pakistan und Afghanistan zum Ziel hat (IPS 3.11.2023) und unter anderem in Europa aktiv ist (India TV 20.8.2023; vgl. Mendes/JIPA 31.8.2020). Auch Personen, die sich für den Erhalt der sprachlichen oder kulturellen Identität einsetzen, werden oft als Separatisten verfolgt und teils zu langen Haftstrafen verurteilt (AA 15.7.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 37

■ ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (20.6.2025): ACLED Data [Stand 20.6.2025], https://acleddata.com/data-export-tool/, Zugriff 27.6.2025 ■ AJ - Al Jazeera (18.6.2025): Iran-Israel conflict raises alarm in Pakistan amid fears over own security, https://www.aljazeera.com/news/2025/6/18/iran-israel-conflict-raises-alarm-in-pakistan-amid-fears -over-own-security , Zugriff 27.6.2025 ■ Amwaj - Amwaj Media (9.4.2024): Deadly separatist attack puts spotlight on Iran-Pakistan border, https://amwaj.media/media-monitor/deadly-separatist-attack-puts-spotlight-on-iran-pakistan-borde r, Zugriff 24.5.2024 ■ CNN - Cable News Network (18.1.2024): Pakistan carries out military strikes on separatist targets in Iran following deadly attack on its own soil by Tehran, https://edition.cnn.com/2024/01/18/middlee ast/pakistan-targets-locations-iran-intl-hnk/index.html , Zugriff 18.1.2024 ■ India TV - India TV (20.8.2023): Free Balochistan Movement holds protest outside Chinese Embassy in London, Berlin over ’Baloch genocide’, https://www.indiatvnews.com/news/world/free-balochistan -movement-protest-outside-chinese-embassy-london-berlin-pakistan-china-iran-latest-updates-2 023-08-20-887822 , Zugriff 17.1.2024 ■ IPS - Inter Press Service (3.11.2023): Iran, a Murdered Teenager and a Fading Protest, https: //www.ipsnews.net/2023/11/iran-murdered-teenager-fading-protest/?utm_source=rss&utm_mediu m=rss&utm_campaign=iran-murdered-teenager-fading-protest , Zugriff 17.1.2024 ■ IRINTL - Iran International (21.1.2024): Sunni Militants Continue To Create Tension Between Iran, Pakistan, https://www.iranintl.com/en/202401217257, Zugriff 23.5.2024 ■ ISW - Institute for the Study of War (18.4.2025): Iran Update, April 18, 2025, https://www.understa ndingwar.org/backgrounder/iran-update-april-18-2025 , Zugriff 27.6.2025 ■ ISW - Institute for the Study of War (10.3.2025): Iran Update, 10 March, 2025, https://www.understa ndingwar.org/backgrounder/iran-update-march-10-2025 , Zugriff 27.6.2025 ■ ISW - Institute for the Study of War (25.2.2025): Iran Update, February 25, 2025, https://www.unde rstandingwar.org/backgrounder/iran-update-february-25-2025 , Zugriff 27.6.2025 ■ ISW - Institute for the Study of War (4.4.2024): Iran Update, April 4, 2024, https://www.understandin gwar.org/backgrounder/iran-update-april-4-2024 , Zugriff 23.5.2024 ■ JF - Jamestown Foundation, The (9.7.2024): Grievances Provoke Surge in Baloch Separatist Milit ancy on Both Sides of Pakistan–Iran Border, https://jamestown.org/program/grievances-provoke-s urge-in-baloch-separatist-militancy-on-both-sides-of-pakistan-iran-border/ , Zugriff 27.6.2025 ■ Mendes/JIPA - Mendez, Zeus Hans (Autor), Journal of Indo-Pacific Affairs (Herausgeber) (31.8.2020): Repression and Revolt in Balochistan, https://media.defense.gov/2020/Aug/31/2002488092/-1/-1/1 /MENDEZ.PDF, Zugriff 17.1.2024 ■ NCTC - National Counterterrorism Center, The (10.2022): Jaysh al-Adl (formerly Jundallah), https: //www.dni.gov/nctc/ftos/jaa_fto.html, Zugriff 15.3.2023 ■ Qantara - Qantara.de (23.1.2024): Worum geht es beim Konflikt in Belutschistan?, https://qantara. de/artikel/spannungen-zwischen-iran-und-pakistan-worum-geht-es-beim-konflikt-belutschistan , Zugriff 23.5.2024 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (3.12.2024): After Decades Of Mistrust, Iran And Pakistan Join Forces Against Militancy, https://www.rferl.org/a/pakistan-iran-baluch-bla-balochistan-sistan/ 33216802.html, Zugriff 27.6.2025 ■ Standard - Standard, Der (4.4.2024): Zahlreiche Tote nach Angriff militanter Gruppe auf Revolu tionsgarden im Iran, https://www.derstandard.at/story/3000000214554/zahlreiche-tote-nach-schwe ren-gefechten-im-iran , Zugriff 23.5.2024 ■ USIP - United States Institute of Peace [USA] (9.3.2023): Iran’s Dissident Sunni Leader, https: //web.archive.org/web/20241104051416/https:/iranprimer.usip.org/blog/2023/mar/09/iran’s-disside nt-sunni-leader, Zugriff 15.3.2023 ■ Zenith - Zenith (26.1.2024): Das steckt hinter „ Jaisch Al-Adl“, https://magazin.zenith.me/de/politik/m ilizen-belutschistan-zwischen-iran-und-pakistan , Zugriff 23.5.2024 5 Rechtsschutz / Justizwesen Letzte Änderung 2025-07-16 08:01 Das Recht ist in allen Rechtsbereichen umfassend kodifiziert, so etwa das Zivilrecht, das Famili en- und Erbrecht oder das Strafrecht. Die iranischen Gerichte müssen auf der Grundlage dieser 38

Gesetze Recht sprechen. Die Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz ist somit formal gewahrt (LTO 26.10.2022). Der Grundsatz der Rechtmäßigkeit ist zwar durch die Verfassung geschützt, aber mit einem Vorbehalt versehen. In Artikel 167 der Verfassung, einem der um strittensten Artikel, heißt es, dass die Richter verpflichtet sind, sich zu bemühen, jeden Fall auf der Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden (Islamic Law Blog 22.11.2015). Im Falle des Fehlens, der Unzulänglichkeit, der Kürze oder der Widersprüchlichkeit der Gesetze müssen die Richter den Fall jedoch auf der Grundlage der maßgeblichen islamischen Quellen und der authentischen Fatwas (fatāwā) entscheiden, um zu verhindern, dass ein Fall unentschieden bleibt (Islamic Law Blog 22.11.2015; vgl. USDOS 23.4.2024). Art. 57 der Verfassung verleiht dem Revolutionsführer weitreichende Aufsichtsbefugnisse über das Justizwesen (BS 19.3.2024). Er ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative (FH 2025; vgl. AA 15.7.2024), der wiederum für die Ernennung und Entlassung der Gerichtsleiter (Soltani/Shooshinasab 8.2022) und von Richtern zuständig ist (BS 19.3.2024). Die ebenfalls in der Verfassung festgeschriebene Unabhängigkeit der Gerichte (AA 15.7.2024) und das Ge bot der Gewaltenteilung sind in der Praxis somit stark eingeschränkt (AA 15.7.2024; vgl. BS 19.3.2024). Während die Gerichte innerhalb des herrschenden Establishments ein gewisses Maß an Au tonomie genießen, wird das Justizsystem regelmäßig als Instrument eingesetzt, um Regime kritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 2025). Der Sicherheitsapparat (AA 15.7.2024) - insbesondere die Revolutionsgarden und ihr Nachrichtendienst (BS 19.3.2024) - nehmen v. a. in politischen Fällen massiven Einfluss auf Urteilsfindung und Strafzumessung (AA 15.7.2024; vgl. BS 19.3.2024). Das Justizwesen ist geprägt von Korruption. Nach belast baren Aussagen von Rechtsanwälten sind Richter teilweise bei entsprechender Gegenleistung zu Entgegenkommen bereit (AA 15.7.2024). Die Behörden verletzen routinemäßig grundlegende Verfahrensstandards, insbesondere in poli tisch heiklen Fällen (FH 2025) und vor Revolutionsgerichten (HRW 16.1.2025). Aktivisten werden ohne Haftbefehl verhaftet, auf unbestimmte Zeit ohne förmliche Anklage festgehalten und ihnen wird der Zugang zu einem Rechtsbeistand oder jeglicher Kontakt zur Außenwelt verweigert (FH 2025). Insbesondere in der Untersuchungsphase von Verfahren schränken die Behörden das Recht von Verhafteten auf Zugang zu einem Rechtsbeistand regelmäßig ein (HRW 16.1.2025; vgl. AI 29.4.2025). Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird - insbesondere bei politisch aufge ladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Folter und psychischer Druck sind übliche Mittel, um in politischen Fällen Geständ nisse zu erzwingen. Erzwungene Geständnisse werden in besonders prominenten Fällen im Staatsfernsehen ausgestrahlt. Auch Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene psy chisch unter Druck zu setzen (AA 15.7.2024). Viele werden später in Prozessen, die manchmal nur ein paar Minuten dauern, aufgrund vager Sicherheitsvorwürfe verurteilt (FH 2025), wobei zu den Prozessen „ Geständnisse“ als Beweise zugelassen werden, die unter Folter erpresst worden sind (HRW 16.1.2025; vgl. AI 29.4.2025). 39

Rechtsschutz ist nur eingeschränkt gegeben (AA 15.7.2024). Es gibt Fälle von Rechtsanwälten, welche Dissidenten vertraten und daraufhin inhaftiert und mit einem Berufsverbot belegt worden sind, oder dazu gezwungen wurden, das Land zu verlassen, um einer Strafverfolgung zu entge hen (FH 2025). Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert (AA 15.7.2024). Eine Rechtsanwältin, die in der Vergangenheit Angeklagte in politischen Fällen vor Revolutionsgerichten vertreten hat, berichte te unter anderem von permanenter Überwachung, sobald derartige Fälle übernommen werden. Auch drohen manchen Rechtsanwälten derzeit sehr lange Haftstrafen (MRAI 19.6.2023). Der Anwalt Amirsalar Davoudi, der u. a. politische Gefangene vertrat und öffentlich Missstände im Justizsystem anprangerte, wurde 2019 beispielsweise zu 30 Jahren Haft verurteilt (IHRNGO 1.12.2022), was auf andere Anwälte äußerst abschreckend wirkt (MRAI 19.6.2023). In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer (Iranian Bar Association; IBA), deren Unabhängigkeit die Judikative einzuschränken versucht. Anwälte der IBA sind staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen ausgesetzt (AA 15.7.2024). Um eine Anwaltslizenz zu erhalten, mussten Anwärter bislang unter anderem eine Prüfung bei der IBA ablegen (MBZ 9.2023; vgl. Soltani/Shooshinasab 8.2022). Im August 2023 verabschie dete das iranische Parlament ein Gesetz, das die Kontrolle zur Erteilung von Anwaltslizenzen an das Ministerium für Industrie, Bergbau und Handel übertrug (MBZ 9.2023). Fälle von Sippenhaft existieren, meistens in politischen Fällen, einschließlich mit Auslandsbezug; üblicher ist jedoch, dass Familienmitglieder unter Druck gesetzt werden, um im Sinne einer Unterlassung politischer Aktivitäten auf die Angeklagten einzuwirken (AA 15.7.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (15.7.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: 03. April 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/211 2796/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islami schen_Republik_Iran,_15.07.2024.pdf, Zugriff 25.7.2024 ■ AI - Amnesty International (29.4.2025): Iran: Human rights in Iran: Review of 2024/2025, https: //www.amnesty.org/en/documents/mde13/9275/2025/en/, Zugriff 21.5.2025 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Iran, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2105885/country_report_2024_IRN.pdf, Zugriff 26.3.2024 ■ FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 - Iran, https://freedomhouse.org/country/i ran/freedom-world/2025, Zugriff 10.3.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Iran, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2120038.html, Zugriff 22.1.2025 ■ IHRNGO - Iran Human Rights (1.12.2022): Amirsalar Davoudi, https://iranhr.net/en/people/5530/ , Zugriff 28.11.2023 ■ Islamic Law Blog - Islamic Law Blog (22.11.2015): Between Law and Sharīʿa: Hudūd and the Principle of Legality (Part II), https://islamiclaw.blog/2015/11/22/between-law-and-shariʿa-hudud-and-the-pri nciple-of-legality-part-ii/ , Zugriff 15.12.2023 ■ LTO - Legal Tribune Online (26.10.2022): Ein Wächterrat voller Macht, https://www.lto.de/recht/hin tergruende/h/iran-staat-proteste-islam-rahbar-pflicht-frau-hejab/ , Zugriff 15.12.2023 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (9.2023): Algemeen ambtsbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098089/Algemeen ambtsbericht Iran van september 2023.pdf, Zu griff 30.11.2023 ■ MRAI - Menschenrechtsanwältin aus Iran (19.6.2023): Interview, via Videotelefonie 40
